Scheub / Jensen | Glücksökonomie | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Scheub / Jensen Glücksökonomie

Wer teilt, hat mehr vom Leben
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86581-864-5
Verlag: oekom
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection

Wer teilt, hat mehr vom Leben

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-86581-864-5
Verlag: oekom
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection



Forscher sind sich einig: Lebenszufriedenheit hängt immer weniger von Geld und Besitz ab. Wichtig für persönliche Glücksgefühle sind soziale Fähigkeiten wie Kooperieren, Teilen oder sich für andere einsetzen – und sie finden immer öfter Eingang in unsere Arbeitswelt. Erfolgreiche Unternehmer, die bevorzugt Alleinerziehende beschäftigen oder sich selbst weniger Gehalt ausbezahlen als ihren Angestellten; Verbraucherinnen, die ökologisch wirtschaftende Bauernhöfe mitfinanzieren; Softwareentwickler, die ihre Arbeit zum freien Gebrauch zur Verfügung stellen – die Welt des Tauschens, Teilens und gemeinsamen Erlebens ist schier unendlich. Überall machen sich Menschen auf, neue Wege zwischen Markt und Staat zu suchen, gründen Unternehmen und Initiativen, die nicht mehr auf Geld-, sondern auf Glückslogik basieren, schaffen neue Umgangsformen, die zwischen dörflichem Zusammenhalt und urbaner Freiheit angesiedelt sind. Die so entstehende Glücksökonomie greift die alte Wachstumswirtschaft nicht frontal an, sondern wuchert fröhlich in sie hinein, um Räume zu schaffen, in denen Teilen wichtiger ist als Besitzen. Die Autorinnen haben Menschen besucht, die ein völlig anderes Leben führen, und berichten aus der bunten Welt des befreienden Miteinanders, die durch das Internet enorm befeuert wird.
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Weitere Infos & Material


1;Glücksökonomie - Wer teilt, hat mehr vom Leben;3
2;INHALT;5
3;Einleitung;7
4;Kapitel 1 Wie geht’s dir, Menschheit? Ergebnisse der internationalen Glücksforschung;13
4.1;Wirtschaft wächst, Glück nicht;14
4.2;Was macht Menschen glücklich?;16
4.3;UN-Resolutionen zu Glück;18
4.4;Das Easterlin-Paradox;19
4.5;Bindungen machen glücklich;20
4.6;Reich ohne Geld: Heidemarie Schwermer lebt seit 18 Jahren bargeldlos;23
4.7;Selbst- und Mitbestimmung machen glücklich;27
4.8;Happy Planet;28
4.9;Das BIP ist nicht das Maß aller Dinge;29
5;Kapitel 2 - Blick in den Maschinenraum des Kapitalismus – die Wachstumsspirale dreht sich immer schneller;31
5.1;Die Großen werden notwendig zu Riesen;33
5.2;Geldschwemme nicht mehr unterzubringen;33
5.3;Orientierungslose Enquetekommission;34
5.4;Glücksministerium gegründet;36
5.5;Naturverlust als Kollateralschaden;38
5.6;Die Klimakrise als Gorilla im Zimmer;39
5.7;Befreiung von den Fossilen;40
5.8;Befreiung von der Droge Öl – die weltweite Bewegung der Transition Towns;43
5.9;Dem Wachstum entwachsen;46
5.10;Blue Economy;48
5.11;Who cares? Keine Geldwirtschaft ohne unbezahlte Arbeit;50
5.12;Pflegearbeit – gar nicht oder schlecht bezahlt;52
5.13;Zeitbanken, Pflegewährungen und Seniorengenossenschaften;53
5.14;Mehrgenerationenprojekt Lebensgarten Steyerberg;55
5.15;Alltagscommonismus;58
5.16;Stadt der Zukunft: Im kalabrischen Riace werden Flüchtlinge willkommen geheißen;60
6;Kapitel 3 Vom Homo oeconomicus zum Homo cooperativus;62
6.1;Kooperation als wichtigstes Evolutionsprinzip;63
6.2;Die unsichtbare Hand Gottes;66
6.3;Dinge um ihrer selbst willen tun;67
6.4;Menschen teilen gerne;69
6.5;Unser empathisches Gehirn;70
6.6;Anerkennung und "AnSehen";72
6.7;Commons – gemeinsame Nutzung von gemeinsamen Gütern;76
6.8;Buen Vivir oder richtig Zusammenleben;78
6.9;Mutter Erde und Muttererde;80
6.10;Das gute Leben;83
6.11;Bruttosozialglück statt Bruttosozialprodukt;85
7;Kapitel 4 Die Umfairteilung von Geld, Arbeit und Status –egalit#re Gesellschaften sind glücklicher;87
7.1;Die neue Plutokratie;87
7.2;Statuskonkurrenz macht alle unglücklich;89
7.3;Ungleichheit macht krank, depressiv und einsam;91
7.4;Gleichheit macht alle glücklicher;93
7.5;Gleichheit macht beide Geschlechter glücklicher;95
7.6;Je Topmodel, desto Unglück;96
7.7;Volkskrankheit Burn-out;97
7.8;Rasender Stillstand in der Endlosschleife;98
7.9;Umfairteilung von Arbeitszeit macht glücklich;99
7.10;20-Stunden-Woche für alle;101
7.11;Selbst gewählte Ausbeutungskultur;102
7.12;Selbstorganisation und kollektive Intelligenz;104
7.13;Die neuen Egalitären;106
7.14;Die Thinkfarm – ein Kreuzberger Zusammenarbeitsplatz;108
8;Kapitel 5 Solidarische Ökonomie – gutes Leben in selbstbestimmten Zusammenhängen;111
8.1;Genossenschaften: Brotvereine und Barmherzigkeitsbaustellen;113
8.2;Weltweit (fast) eine Milliarde Mitglieder;116
8.3;»Kultur der Kooperation«: Das weltweit dichteste Genossenschaftsnetz in der Emilia Romagna;118
8.4;Mondragon – der weltgrößte Genossenschaftsverbund;122
8.5;Solidarische Ökonomie in Lateinamerika;124
8.6;Cecosesola – der größte hierarchiefreie Genossenschaftsverbund der Welt;126
8.7;Gemeinwohlökonomie: Die Wirtschaft vom Kopf auf die Füße stellen;128
8.8;Gemeinwohlbetrieb Spardabank München;130
8.9;Gemeinwohlregionen im Entstehen;131
8.10;Schenkwirtschaft;132
8.11;Austritt statt Eintritt;134
8.12;Eigensinnige Sozialunternehmer;136
8.13;Manomama bevorzugt ältere Frauen und Erwerbslose;137
8.14;Faire Schuhe und Schokolade;140
8.15;Bedarf macht erfinderisch;146
8.16;Freundlicher Widerstand in Gemeinschaftsgärten;148
8.17;Urbane Landwirtschaft in Basel;150
8.18;Solidarische Landwirtschaft;152
8.19;Das Münchner Kartoffelkombinat;153
9;Kapitel 6 Elektr(on)ische Revolution, Teil I – durch digitales Teilen entsteht mehr und Besseres;155
9.1;Copyleft statt Copyright;156
9.2;Ein mittelloser Student findet ein die Welt veränderndes Produktionsprinzip;157
9.3;Schwarmintelligenz unter Gleichen;159
9.4;Die hohe Ethik der Hacker;160
9.5;Hunderttausende erstellen ein Gemeinschaftslexikon;162
9.6;Einem Wikipedianer über die Schulter geschaut;164
9.7;Wer besitzt das Internet?;168
9.8;Die Regeln im Internet;168
9.9;Exkurs: Der Kampf um das Gemeingut Straßen;171
9.10;Noch gehört das Internet der Allgemeinheit;172
9.11;Freifunk – die digitale Allmende;174
9.12;Die Internetkraken;177
9.13;Freie Landkarten: Das Projekt OpenStreetMap;182
9.14;Soziale Netzwerke entstehen seit jeher in verdichteten Räumen;183
9.15;Jeder sechste Erdenbürger ist bei Facebook;184
9.16;Friendica – gegen die Monokultur im Internet;187
9.17;Wie viel Energie frisst das Internet?;189
9.18;Handel im Wandel;192
9.19;Fairmondo – ein Internetmarktplatz als Genossenschaft;193
9.20;Selbstermächtigung der Konsumierenden;195
10;Kapitel 7 Patentfreie Produktion – alle können sich nehmen, sich nehmen, was sie brauchen;197
10.1;Open-Source-Hardware;197
10.2;Open Source Ecology;199
10.3;Strom ohne Steckdose;200
10.4;Do it yourself – neu aufgelegt;202
10.5;Computerschal – jede nach ihren Bedürfnissen;202
10.6;Hightechwerkstätten und FabLabs;204
10.7;Finger aus dem 3-D-Drucker;206
10.8;Design neu denken;208
10.9;Häuser für alle;210
10.10;Was bringt die Zukunft?;211
11;Kapitel 8 Wie das Internet lokales Tauschen, Teilen und gemeinsames Nutzen ermöglicht;213
11.1;Vom Kaufen zum Leihen;218
11.2;Kreiselnde Kleider;219
11.3;Essen für den Bauch statt für die Tonne;221
11.4;Tausch- und Geschenkringe;222
11.5;Erkaltete Liebe zum Blech;224
11.6;Schlüsselerlebnisse mit dem Autoverleih Tamyca;224
11.7;Konzerne geraten in die Defensive;226
11.8;Schwarm oder Hai – wer gewinnt?;228
11.9;Mangopay – Finanzabwicklung für neue Plattformen;229
11.10;Visionäre Ausblicke;231
12;Kapitel 9 Forschung und Bildung befreien – Wissensdurst aus offenen Quellen stillen;234
12.1;Open Access;235
12.2;ResearchGate vernetzt Millionen Wissenschaftler;237
12.3;Wissenschaft als Kollektivprozess;241
12.4;Mal Lehrer, mal Schüler;244
12.5;Railsgirls – Frauen lernen programmieren;246
13;Kapitel 10 Schwarmgeld – Kleingeld schafft große Geldhaufen;248
13.1;Crowdfunding, Crowdinvesting, Crowdsourcing;249
13.2;Goteo – steter Tropfen höhlt den Privatbesitz;250
13.3;Weltweit sammeln für ungewöhnliche Projekte;251
13.4;Erfinder können selbst den Hut aufbehalten;252
13.5;Faires Smartphone;253
13.6;Van Bo Le-Mentzel fördert Schuhe mit gutem Karma;255
13.7;Das Geld im Dorf lassen;257
13.8;Die Schweizer WIR-Bank arbeitet ohne Zinsen;258
13.9;Tanzen, Feiern, Kaufen für die Energiebilanz;260
13.10;Einsparungen gemeinsam finanzieren;261
13.11;Bettervest – Schwarmgeld für Fische und Weltklima;262
14;Kapitel 11 Elektr(on)ische Revolution, Teil II – erneuerbare Energien fördern dezentrale Selbstorganisation;264
14.1;Wind- und Sonnenkraft: uralt, vergessen, erneuerbar;264
14.2;Energieversorgung heute;265
14.3;Die Pionierleistung des EEG;266
14.4;Energie als Gemeingut;267
14.5;Energiegenossenschaften als Treiber der Energiewende;269
14.6;buzzn vernetzt kleine Stromerzeuger und -abnehmerinnen;270
14.7;Ein Viertel des Bundesgebiets von Fossilen befreit;273
14.8;Ausstiegsszenarien;275
14.9;Power to the People;276
14.10;Globale elektr(on)ische Revolution;278
14.11;Eine Kette von Trauminseln;280
14.12;Pellworm: Nordseeinsel mit Leuchtturmprojekt;280
14.13;El Hierro: Ökoinsel am südwestlichen Ende Europas;281
14.14;Samsø: Holzhackschnitzel statt Schweineschnitzel;282
15;Ausblick;286
16;Anmerkungen;308


Kapitel 1
Wie geht’s dir, Menschheit?
Ergebnisse der internationalen
Glücksforschung
»Wer Glück erfuhr,
soll mit Beglückung niemals geizig sein.« Sophokles Ein Fischer hat einen guten Fang gemacht. Zurück im Hafen, ruht er sich zufrieden in seinem Boot aus. Ein schick gekleideter Tourist nähert sich, sein Fotoapparat klickt. »Wenn Sie noch mal rausfahren, werden Sie noch mehr fangen«, rät er dem Fischer. »Und wenn Sie das täglich viermal wiederholen«, redet er weiter auf den Verdutzten ein, »dann werden Sie in spätestens einem Jahr einen Motor kaufen können, in zwei Jahren ein zweites Boot, in drei oder vier Jahren könnten Sie vielleicht einen kleinen Kutter haben, mit zwei Booten oder dem Kutter würden Sie natürlich viel mehr fangen … Sie würden ein kleines Kühlhaus bauen, vielleicht eine Räucherei, später eine Marinadenfabrik, mit einem eigenen Hubschrauber rundfliegen, die Fischschwärme ausmachen und Ihren Kuttern per Funk Anweisung geben. Sie könnten die Lachsrechte erwerben, ein Fischrestaurant eröffnen, den Hummer ohne Zwischenhändler direkt nach Paris exportieren …« Der Fremde überschlägt sich vor Begeisterung. »Und dann?«, will der Fischer wissen. »Dann könnten Sie beruhigt hier im Hafen sitzen, in der Sonne dösen – und auf das herrliche Meer blicken.« Aber das tue er doch schon, erwidert der Fischer. Der Tourist weiß nichts zu antworten. Beschämt und voller Neid auf den glücklichen Menschen schleicht er von dannen. So erzählt es Heinrich Böll in seiner Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral, die so anschaulich wie kaum eine andere Geschichte ausdrückt, dass Wirtschaftswachstum Menschen nicht glücklicher macht. Wirtschaft wächst, Glück nicht
Über 800 Meter hohe Wolkenkratzer, Einkaufshallen und Wellnesstempel, Kraftwerke, Computernetze, Keller voller Gold und Bankenpaläste. Die Weltbevölkerung hat in den vergangenen 30 Jahren unvorstellbare Reichtümer produziert. Das globale Bruttosozialprodukt hat sich zwischen 1983 und 2013 mehr als versechsfacht – von 11,6 auf über 74 Billionen US-Dollar.1 Würden die gängigen ökonomischen Annahmen stimmen, müsste die Menschheit heute ungefähr sechsmal so glücklich sein wie 1983 oder, sagen wir bescheiden, wenigstens wesentlich glücklicher. Doch tatsächlich ist die Lebenszufriedenheit im selben Zeitraum im Schnitt um kaum mehr als ein Tausendstel gestiegen. Ein Promille in drei Jahrzehnten – vernichtender kann die Bilanz unseres Wirtschaftssystems nicht ausfallen. Die Umfrageergebnisse zum Wohlbefinden der Menschheit sind in zwei UN-Weltglücksberichten nachzulesen – wobei Glück darin nicht im Sinne einer augenblicklichen Verzückung verstanden wird, sondern als langfristiges Wohlbefinden und Zufriedenheit mit dem eigenen Leben.2 Für den ersten Report von 2012 haben die Glücksforscher John Helliwell und Richard Layard sowie der UN-Sonderberater Jeffrey Sachs sämtliche repräsentativen Umfragen zum Wohlergehen aus den letzten 30 Jahren ausgewertet, vor allem den Gallup World Poll, den World Values Survey und den European Social Survey. Der Gallup World Poll befragt jährlich rund 150.000 Personen aus 150 Ländern, wie zufrieden sie mit ihrem gesamten Leben sind; der World Values Survey sammelt Daten aus 80 Ländern. Die Ergebnisse werden mit verschiedenen Methoden überprüft, etwa mit Untersuchungen, wie oft die Betreffenden am Tag vorher gelacht und sich glücklich oder traurig gefühlt haben, oder durch Interviews mit Dritten, wie sie die Stimmung der zuvor befragten Personen einschätzen. Auch wenn grundsätzlich große Vorsicht gegenüber allen quantitativen Aussagen geboten ist – solche Befragungen sind nach Einschätzung des Schweizer Glücksforscherpaares Claudia und Bruno Frey trotz gewisser methodisch bedingter Verzerrungen »recht zuverlässig und stabil«: »Die Menschen sind durchaus in der Lage zu beurteilen, wie glücklich sie sind.«3 Ihr Fachkollege Richard Layard bestätigt: Zwar gebe es sprachliche und kulturelle Unterschiede in der Bedeutung des Wortes »Glück«, aber auch das könne methodisch berücksichtigt werden.4 Im zweiten Weltglücksbericht von 2013 geht es nur um die vergangenen fünf Jahre, und hier hat sich laut Umfragen das Wohlergehen der Menschheit leicht verbessert. Die deutlichsten Fortschritte gab es in Lateinamerika, der Karibik und den südlichen Ländern Afrikas. In der EU und Nordamerika sank das Glücksempfinden hingegen – am stärksten in den Krisenländern Griechenland, Spanien, Italien und Portugal. Auch im Nahen Osten, Nordafrika und Indien nahmen Unzufriedenheit und Verunsicherung auf breiter Linie zu, am stärksten in Ägypten.5 Besonders bemerkenswert im ersten Glücksbericht: Weder im globalen Norden noch im globalen Süden, weder in den westlichen Industrieländern noch in China oder Afrika, Lateinamerika oder Osteuropa ist die Lebenszufriedenheit der Menschen parallel zur Ökonomie gewachsen. In den USA hatte die Glücksrate der Bevölkerung 1957 ihren Höchststand erreicht und sinkt seitdem kontinuierlich, obwohl der materielle Wohlstand sich gleichzeitig rasant vermehrt hat. Das gleiche Phänomen ist in der Bundesrepublik zu beobachten: Das Bruttosozialprodukt stieg innerhalb von drei Jahrzehnten pro Kopf um 60 Prozent, gleichzeitig sank die Lebenszufriedenheit um 10 Prozent; erst seit Kurzem steigt sie wieder leicht an. 2012 gaben 38 Prozent der Befragten an, ihre Lebensqualität habe im Vergleich zu früher abgenommen.6 2013 waren nur 29 Prozent der Bundesbürger »sehr zufrieden«; 60 Prozent waren »ziemlich«, 9 Prozent »nicht sehr« und 2 Prozent »überhaupt nicht zufrieden«.7 Parallel dazu schwindet das Vertrauen in den Kapitalismus. Nach einer weltweiten Umfrage des Pew Research Center von 2012 zeigte sich eine riesige Mehrheit der rund 26.000 Befragten pessimistisch gestimmt, besorgt und enttäuscht. In elf der 21 Länder – vor allem in den USA, Europa und Japan – stimmte nur die Hälfte oder weniger der Annahme zu, dass es Menschen in einer freien Marktwirtschaft besser gehe. In 16 von 21 Ländern machte eine Majorität ihre Politiker für die aktuelle Misere verantwortlich.8 In einer anderen Befragung der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2010 plädierten neun von zehn Österreichern und Deutschen für eine neue Wirtschaftsordnung, die stärker ökosozial ausgerichtet sein sollte. In derselben Umfrage vertraute nur noch gut jeder Vierte den Selbstheilungskräften des Marktes.9 Wohl kein Zufall: Zu den glücklichsten Menschen der Welt zählen die Bewohner der vergleichsweise egalitären Sozialstaaten Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und der Niederlande. Das besagen nicht nur die im UN-Bericht ausgewerteten Befragungen, sondern auch viele weitere Umfragen aus den vergangenen Jahren, etwa die World Map of Happiness, der European Social Survey, der OECD-Better-Life-Index, der World Values Survey, der Legatum-Wohlstandsindex und der Social Progress Index. Die unglücklichsten Menschen leben laut UN-Glücksreport in armen afrikanischen Ländern – etwa in Benin, der Zentralafrikanischen Republik und Togo. Auch in den früher sowjetisch regierten Staaten ist das Zufriedenheitsniveau sehr niedrig – anscheinend wurde dort das gesellschaftliche Gewebe nachhaltig zerstört. Die Deutschen kamen in den UN-Berichten von 2012 und 2013 trotz ihres Reichtums auf einen mageren 30. beziehungsweise 26. Platz. Was macht Menschen glücklich?
Sofern sie nicht von Banken und Versicherungen bezahlt wird, ist sich die internationale Glücksforschung weitestgehend einig: Geld und Besitz sind sekundär. Am allerwichtigsten fürs menschliche Wohlbefinden sind stabile Beziehungen – in der Liebe, der Familie, der Nachbarschaft, der Gesellschaft insgesamt. Aber auch Gesundheit, sinnstiftende Tätigkeiten sowie Möglichkeiten der Selbstentfaltung und Mitbestimmung sind zentrale Faktoren.10 Darüber hinaus macht eine intakte Natur glücklich sowie eine kooperative, nichtmaterialistische, altruistische Lebenseinstellung. Die UN-Autoren sind überzeugt: Wichtig fürs Wohlergehen ist die Möglichkeit, Lebensmodelle selbstständig wählen zu können, soziale Unterstützung zu geben und zu bekommen und einen korruptionsfreien Zugang zu Dienstleistungen zu haben.11 Es seien »politische Freiheit, starke soziale Netzwerke und die Abwesenheit von Korruption«, die das gesellschaftliche Wohlergehen wachsen lassen, fassen sie ihre Erkenntnisse zusammen. Laut Weltglücksbericht gibt es eine positive Rückkopplungsschleife zwischen sozialem Verhalten und Lebenszufriedenheit: »Wenn Leute in guter Stimmung sind, tendieren sie dazu, anderen zu helfen: Anderen zu helfen wiederum versetzt sie in gute Stimmung.« Und: »Unterstützende Beziehungen zu haben befördert subjektives Wohlbefinden, aber ein hohes subjektives Wohlbefinden führt wiederum zu besseren sozialen Beziehungen.« Stabile soziale Netzwerke erzeugen Glücksgefühle, und Glück wiederum habe »das Potenzial, positive Schneeballeffekte in der Gesellschaft zu generieren«. Zufriedene Menschen seien im Allgemeinen gesünder, lernfähiger, kooperativer, motivierter, kreativer und vertrauensvoller. Optimal sei nicht ein extrem hohes, sondern ein »moderates Niveau« von Glücks- und Zufriedenheitsgefühlen, das bei entsprechenden Anlässen auch erlaube, Trauer und Schmerz zuzulassen.12 Beide UN-Berichte führen diverse Studien auf, wonach Egoisten, Materialistinnen und Karrieristen zum Unglücklichsein neigen. Zudem gewöhnen sich Menschen...


Die beiden Berliner Autorinnen sind fasziniert von Projekten und Menschen, die sich für alternative Zukunftsentwürfe engagieren. Annette Jensen ist freie Journalistin mit den Schwerpunkten Wirtschaft, Umwelt und Transformation; zuletzt erschien von ihr das Buch 'Wir steigern das Bruttosozialglück'. Die promovierte Politikwissenschaftlerin Ute Scheub hat eine Reihe erfolgreicher Bücher zu den Themen Frieden, Frauen und Ökologie veröffentlicht, u. a. 'Das falsche Leben', 'Der Beschissatlas' und 'Terra Preta', mit jeweils 10.000 verkauften Exemplaren.



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