Schiff / Dallmann | Ethik in der Pflege | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 238 Seiten

Reihe: Pflege studieren

Schiff / Dallmann Ethik in der Pflege


1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8463-5587-9
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 238 Seiten

Reihe: Pflege studieren

ISBN: 978-3-8463-5587-9
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Verantwortungsvolle Pflege ist ohne ethische Reflexion nicht möglich. Sich in herausfordernden Situationen orientieren, Handeln begründen und verantworten zu können erfordert ethische Kompetenz. Das Lehrbuch vermittelt das nötige Wissen zur Ethik in der Pflege und übt in die Praxisanwendung ethischer Grundlagen ein. Es beschreibt ethische Prinzipien, Methoden und typische Problembereiche in der Pflege und regt zur gemeinsamen Diskussion an.

utb+:

Leser:innen erhalten zusätzlich zum Buch Erklärvideos sowie Dateien mit Lösungshinweisen zu den Übungsaufgaben, um sich dem Thema mit Beispielen aus der Praxis zu nähern und das erlernte Wissen zu überprüfen und zu vertiefen. Erhältlich über utb.de.

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Weitere Infos & Material


Vorwort 11
Einleitung 15
1 Elemente der Pflegeethik 17
1.1 Ethische Orientierung in der Pflege 17
1.1.1 Ethik und Lebensführung 18
1.1.2 Perspektiven ethischer Reflexion 20
1.1.3 Die Sprache der Bewertungen 25
1.1.4 Ethik der Pflege als Hermeneutik und Kritik pflegerischer Praxis 27
1.2 Ethische Kompetenz 29
1.2.1 Wahrnehmen 30
1.2.2 Bewerten und beurteilen 31
1.2.3 Schließen 34
1.2.4 Handeln 36
1.3 Ethische Methoden 38
1.3.1 Methoden der Urteilsfindung 38
1.3.2 Institutionalisierte Formen ethischer Urteilsbildung 41
1.4 Ethische Prinzipien in der Pflege 43
1.4.1 Prinzipien, Normen und Handlungen 43
1.4.2 Non-Malefizienz und Benefizienz 48
1.4.3 Autonomie 50
1.4.4 Gerechtigkeit 52
2 Dimensionen menschlicher Existenz 58
2.1 Leiblichkeit 58
2.1.1 Leibphänomenologie 60
2.1.2 Pflege und Phänomenologie 63
2.1.3 Kranksein und Krankheit 66
2.2 Subjekte, Personen, Identität 68
2.2.1 Subjekt 69
2.2.2 Person 71
2.2.3 Identität 73
2.3 Menschenwürde und Menschenrechte 77
2.3.1 Menschenwürde 77
2.3.2 Menschenrechte 82
2.4 Sinn 85
2.4.1 Sinnzuschreibungen 85
2.4.2 Umgang mit Schuld 88
2.4.3 Religiöse Deutungsmuster 92
2.5 Sterben, Tod und Trauer 93
2.5.1 Memento mori – Gedenke des Todes 95
2.5.2 Hirntodkriterium 97
2.5.3 Selbstbestimmtes Sterben 99
2.5.4 Umgang mit dem menschlichen Leichnam 100
2.5.5 Trauer 102
3 Dimensionen der Ethik in der Pflege 106
3.1 Dimension der zu pflegenden Personen 106
3.1.1 Autonomie von Patientinnen und Patienten 106
3.1.2 Relationale Autonomie 109
3.1.3 Lebensweltorientierung 111
3.1.4 Einbeziehung Angehöriger 112
3.1.5 Adhärenz 114
3.2 Pflegende Person 117
3.2.1 Kompetenzen 117
3.2.2 Haltungen 120
3.2.3 Habitus 123
3.2.4 Verantwortung


2Dimensionen menschlicher Existenz Die Vorstellungen davon, was ein gelingendes Leben ausmacht, hängen davon ab, wie dieses Leben verstanden wird. Ethische Orientierung basiert auf einem expliziten oder impliziten Verständnis menschlicher Existenz. In Berufen wie der Pflege bilden solche „Menschenbilder“ einen Bestandteil der beruflichen Sozialisation; sie prägen den Blick auf den Menschen, der sich hinter der Patientin, dem Patienten oder dem / der Bewohner*in verbirgt. Sie sind nicht ethisch neutral. Sie sind mit Wertungen verbunden, mit Ideen davon, was in besonderer Weise wichtig ist und das Leben eines Menschen ausmacht. Menschliche Existenz beruht auf dem Zusammenspiel von leiblicher Verfasstheit und bewusster Auseinandersetzung mit der Umwelt. Aus beidem, Leiblichkeit und Selbstbewusstsein resultieren Ansprüche auf Anerkennung, die ihren Ausdruck im Begriff der Menschenwürde und den damit verbundenen Rechten findet. Menschen verbinden mit ihrer Lebensführung Sinn; dieser dient dazu, das Leben in einen Zusammenhang zu bringen. Dabei setzen sich Menschen mit Gelingen und Scheitern auseinander und sind sich der Endlichkeit ihres Lebens bewusst, zu der sie sich verhalten müssen. 2.1Leiblichkeit „Man kann eigentlich vom Leib erst richtig reden, wenn man die Existenz der Seele bestreitet.“ (Böhme 1985, 113) Mit diesem provokativen Satz beginnt der Philosoph Gernot Böhme seine Vorlesung über den Leib. Verblüffend klingt er, weil doch meist von einer Verbindung zwischen Leib und Seele ausgegangen wird. Allerdings, so die These Böhmes, hat sich im Verlauf der Geschichte der Mensch immer mehr von seiner vernünftig bestimmten seelischen Struktur her verstanden und die leibliche Fundierung menschlicher Existenz abgewertet. Diese Tendenz lässt sich von Platon bis in die Gegenwart verfolgen. In der Neuzeit wird die Differenz zwischen Leib und Seele durch die Unterscheidung zwischen Leib und Körper überformt. In einer ersten Annäherung kann man sagen: Menschen haben einen Körper und sind Leib. Körper repräsentiert den Blick von außen, Leib die Binnenperspektive. Den Körper kann man behandeln und manipulieren, den Leib kann man spüren. Menschen verfügen über die Möglichkeit, sich von ihrer leiblichen Verfasstheit zu distanzieren und sich aus einer Außenperspektive wahrzunehmen. Wenn man Leib und Seele als unterschiedliche Substanzen versteht (Descartes), gerät der Leib aus der Perspektive des Bewusstseins aus dieser Außenperspektive in den Blick: als Körper. Der französische Philosoph Michel Foucault rekonstruiert diese Geschichte als eine „Archäologie des ärztlichen Blicks“ (Foucault 1988). Seit dem 18. Jahrhundert kultiviert die Medizin eine neue Sichtweise auf Körper und Krankheit. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Studium der Leichname. An den Veränderungen der kranken Organe lässt sich das Pathologische erkennen. Dadurch wird ein Blick etabliert, für den der Körper etwas Fremdes ist: Der Blick auf den eigenen Körper orientiert sich am Blick auf den fremden. Daraus resultiert die neuzeitliche Verdrängung des Leibes: „Das methodische Charakteristikum des medizinischen Wissens vom menschlichen Körper, nämlich dass es prinzipiell das Wissen vom Körper des Anderen ist, spiegelt sich auch in unserem Verhältnis zu diesem Wissen. Wir als Betroffene, d. h. also die wir lebend ein Leib sind oder einen Leib haben, gehen nämlich davon aus, dass das wesentliche Wissen von diesem Leib nicht wir selbst haben, sondern andere. Wir mögen zwar Schmerzen haben, uns irgendwie komisch fühlen – aber was mit uns los ist, das zu wissen, trauen wir uns nicht zu: das muss ein anderer entscheiden, nämlich der Arzt. Der moderne Mensch weiß nichts von seinem Leib, er fühlt sich durchaus unheimisch in ihm, was er von ihm erfährt, ist ihm unheimlich. Er beobachtet seinen Körper wie eine black box, deren äußerliche Zeichen verwirrend und schwer deutbar sind. (Böhme 1985, 115–116) Als Folge dieser Entfremdung wird die Deutungshoheit über die körperlichen Zeichen den Ärztinnen und Ärzten zugewiesen. Sie – und nur sie – verfügen über das Mittel der Diagnose und damit über die Therapie. Es etabliert sich ein Herrschaftsverhältnis, das sich in der geschichtlichen Rolle der Pflege als einem der Medizin untergeordneten Heilhilfsberuf manifestiert. Hinzu kommt das Verständnis des Körpers als ein Objekt, das manipulierbar ist. Selbststeigerungstechniken sind so alt wie die Menschheit (was man am Gebrauch von Rauschmitteln ablesen kann) und Doping wird bereits von den antiken olympischen Spielen berichtet. Neuartig ist die rational geplante Optimierungsstrategie, die sich insbesondere pharmazeutischer Mittel bedient. Diese Entwicklung wird unter dem Begriff Enhancement diskutiert. Unter Enhancement werden Methoden der Verbesserung des „Normalzustandes“ von Menschen unter Zuhilfenahme von genetischen, medizinischen, neurologischen oder pharmakologischen Mitteln verstanden. (Loh 2018, 50–58) An Optimierung problematisch sind Perfektionsideale, die auch anderweitig vorhanden sind, etwa bei der möglichst umfassenden Förderung der eigenen Kinder oder bei Schönheitsidealen. Sie sind nur nicht zu erreichen. Man kann zwar versuchen, noch schlanker, muskulöser oder belastbarer zu werden, aber das Perfektionsstreben kann umkippen und selbstschädigend werden. Noch weiter gehen transhumanistische Ansätze, die den Menschen als Schnittstelle zur Computertechnologie modellieren und unter dem Begriff des Cyborg eine Erweiterung menschlicher Möglichkeiten über die natürliche Basis hinaus erhoffen (Loh 2018). Eine – in der Pflege rezipierte – Gegenposition zu diesem Denken ist die Leibphänomenologie. 2.1.1Leibphänomenologie Die Sphäre der Leiblichkeit wieder zu entdecken und Zugänge zu ihr zu schaffen ist ein zentrales Anliegen phänomenologisch orientierter Philosophie. Die Phänomenologie ist eine Richtung innerhalb der Philosophie, die auf Edmund Husserl zurückgeht. Für ihn ist sie Wissenschaft von der Wesensschau und als Theorie der Wahrnehmung und der Erkenntnis zu verstehen, in der durch eine neuartige Methode der Weg zum Erfassen des Wesens der betrachteten Gegenstände eröffnet wird. Der Gegenstand der phänomenologischen Wahrnehmungsanalyse ist die Frage der Konstitution, die Klärung der Frage danach, wie dem Menschen die Welt erscheint (Phänomen). Dabei geht Husserl von der „natürlichen Einstellung“ des Menschen aus, in der ihm die Welt und die Gegenstände als etwas objektiv Seiendes gelten. Im Unterschied dazu führt die phänomenologische Sicht das Erscheinen der Gegenstände auf ihr bewusstseinsmäßiges Erscheinen zurück: Im Gegensatz zur natürlichen Einstellung zeigt sich, dass Gegenstände in einer Mannigfaltigkeit des Gegebenseins gegeben sind, sie variieren perspektivisch je nach Art, Zeit und Ort ihrer Wahrnehmung. Ein Apfel ist z. B. in er Wahrnehmung in vielfältiger Weise „gegeben“: Er hat eine Farbe, die aus verschiedenen Perspektiven anders erscheint, er hat Geruch, einen Geschmack, mit Apfel verbindet sich Apfelkuchen oder Apfelwein, Bratapfelduft in der Vorweihnachtszeit. Im Bewusstsein schießen alle diese Aspekte zusammen und formen den Apfel als Bewusstseinsinhalt. Diese besondere Perspektive kann nicht nur gegenüber Dingen eingenommen werden, sondern auch gegenüber anderen Menschen und selbstverständlich gegenüber dem eigenen Leib. Das ist die Perspektive der Leibphänomenologie. In gewisser Weise steckt hinter der Phänomenologie eine große Ehrfurcht gegenüber den Dingen und anderen Menschen, denen man begegnet. Sie gehen nie auf in der aktuellen Gegebenheitsweise, in ihnen steckt immer ein Mehr, das sich aktuell nicht erschließt, aber erschließen könnte. Dadurch ist ein direkt zugreifender Zugang zur Welt eigentlich unmöglich, stattdessen muss darauf geachtet werden, wie sie sich zeigt. Ein wichtiger Autor im deutschsprachigen Raum ist der Kieler Philosoph Hermann Schmitz, der in seinem System der Philosophie in der Leiblichkeit einen zentralen Bezugspunkt sieht (Schmitz 1965). Der Leib ist bei ihm reflexiv als das zu verstehen, als was man sich spürt. Sich spüren ist dabei mit Affekten verbunden, mit Unwohlsein oder Euphorie, mit Müdigkeit oder Erregung. Es besteht ein Unterschied zwischen gespürtem Leib und beobachtetem Körper: Menschen sind Leib und haben einen Körper, über den sie verfügen. Der Leib ist in gewisser Weise der Manipulation entzogen; er ist autonom, wie Menschen es selbst als Leib sind. Allerdings ist das leibliche Spüren nicht der Normalfall im alltäglichen Erleben. Die unterschiedlichen Formen der Selbstwahrnehmung bezeichnet Schmitz als Zustände. So ist Bewusstheit ein solcher Zustand, aber auch Ekel oder Formen der Aktivität. Charakteristisch für das Spüren des Leibes ist, dass die körperliche Differenziertheit der leiblichen Erfahrung nicht entspricht, vielmehr besteht der erspürte Leib aus einem „Gewoge verschwommener Inseln“. Das Körperschema differenziert nicht anatomisch, sondern nach gespürten Regionen. Die Pflegewissenschaftlerin und Ethnologin Charlotte Uzarewicz verdeutlicht dies am Hunger: „Hunger beißt und schmerzt. Er ist nicht auf den Magen beschränkt, stimmt vielmehr den Leib um, exponiert die Magengegend aber...


Dallmann, Hans-Ulrich
Professor Hans-Ulrich Dallmann ist Professor für Theologie und Ethik an der Hochschule Ludwigshafen und Vizepräsident für Hochschulentwicklung.

Schiff, Andrea
Professorin Andrea Schiff lehrt Pflegewissenschaft am Fachbereich Gesundheit der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (Standort Köln). Ihre Schwerpunkte sind: familienorientierte Pflege, Pflegesituationen im Alter, Pflege in kritischen/traumatischen Situationen.



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