E-Book, Deutsch, Band 1, 300 Seiten
Reihe: Frieda Bach ermittelt
Schmid Bachpassion: Thriller
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-903092-58-7
Verlag: Federfrei Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1, 300 Seiten
Reihe: Frieda Bach ermittelt
ISBN: 978-3-903092-58-7
Verlag: Federfrei Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
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1
Ungeduldig wartete Frieda Bach im Vorzimmer ihres Chefs. Sie hatte keine Ahnung, was Liebermann von ihr wollte. Seit ihrer Verbannung in die Abstellkammer vor über drei Jahren hatte er sie ignoriert und kein Wort mehr mit ihr gewechselt. Dass es sich auch heute höchstwahrscheinlich um nichts Erfreuliches handelte, stand für sie außer Frage. Zum wiederholten Male versuchte sie, ihre widerspenstigen Haare in Form zu bringen, und strich in einem fort über ihr zerknittertes Kleid, um die Falten zu glätten. Sie wusste, dass Liebermann großen Wert auf ein gepflegtes Äußeres legte und vom Aussehen eines anderen auf dessen Charakter schloss. Eigentlich konnte ihr gleichgültig sein, wie seine Bewertung ausfiel. Sie wollte nichts von ihm, sondern er von ihr. Trotzdem war es ihr unangenehm, ihm in diesem Aufzug gegenüberzutreten. Als sie die Sinnlosigkeit ihres Tuns erkannte, machte sie eine wegwerfende Handbewegung und setzte sich wieder auf den Besuchersessel. Warum regte sie sich überhaupt so auf? Es ging nicht darum, Liebermann zu gefallen, sondern einzig und allein darum, sich zur Wehr zu setzen, falls er etwas im Schilde führte, was ihren eigenen Interessen zuwiderlief. Dabei spielte ihr Aussehen nicht die geringste Rolle. Sie hatte gerade wieder Platz genommen, als Liebermanns Sekretärin sie aufforderte einzutreten. Liebermann saß hinter seinem Schreibtisch und schien in ein Schriftstück vertieft. Aber sie wusste es besser. Das war nur ein Trick, den er ihr vor Jahren verraten hatte. »Lass dein Gegenüber eine Zeit lang schmoren, indem du so tust, als würdest du es gar nicht bemerken! Das wirkt Wunder. Ich kenne niemanden, der davon unbeeinflusst geblieben wäre.« Sie ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern nutzte die Zeit, um ihn genauer zu betrachten. Liebermann hatte nichts an Attraktivität verloren. Sein athletischer Körperbau verriet, dass er nach wie vor intensives Training betrieb, obwohl er das in seiner Position gar nicht mehr nötig gehabt hätte. Die Haut an Hals und Nacken war straff wie bei einem Dreißigjährigen. Die kurz geschorenen grauen Haare verliehen ihm ein markantes Profil und vermittelten einen Eindruck von Professionalität und Abgeklärtheit. Unvermittelt hob Liebermann den Kopf und fixierte sie mit seinen stahlblauen Augen. Sie wusste genau, dass auch das nur ein weiterer Trick war, um andere zu verunsichern. Während sie früher errötet war, wenn er sie so angestarrt hatte, und verschämt zu Boden geschaut hatte, erwiderte sie jetzt trotzig den Blick, bis er selbst den Kopf abwandte. Mit Genugtuung registrierte sie diese Reaktion. Das hätte es früher nicht gegeben. »Liebe Frieda, lange nicht gesehen! Nimm doch bitte Platz!«, sagte er schließlich. »Ich denke, das war nicht meine Schuld«, ging sie sofort zum Angriff über. »Wäre nicht schwer gewesen, mich zu finden. Eine Etage tiefer, den Gang entlang bis ganz nach hinten zu dem Abstellraum, in den du mich persönlich verbannt hast. Nur für den Fall, dass du es vergessen hast.« Liebermann verzog gequält das Gesicht. »Du weißt genau, dass die Umstände damals keine andere Entscheidung zugelassen haben. Aber ich nehme mir die Kritik, die ich aus deinen Worten heraushöre, durchaus zu Herzen. Ich verstehe sehr gut, dass die Arbeit, mit der du in den letzten Jahren betraut warst, weit unter deinen Fähigkeiten lag. Deshalb habe ich mir vorgenommen, diesen untragbaren Zustand zu ändern und dir eine Aufgabe anzuvertrauen, die deiner Qualifikation gerecht wird.« Weiter kam er nicht. »Ich habe mit keinem Wort angedeutet, dass ich mit meiner Arbeit unzufrieden bin. Ganz im Gegenteil! Sie füllt mich aus und bereitet mir Vergnügen. Deshalb sehe ich überhaupt keinen Grund, irgendetwas daran zu ändern.« Ihr entging nicht, wie Liebermann die Lippen zusammenpresste. Offensichtlich hatte er nicht mit dieser heftigen Reaktion gerechnet. »Du hast ja gar keine Ahnung, unter welchem Druck wir stehen. Wir müssen an allen Ecken und Enden sparen. Personalreduktion lautet die Devise. Da kann ich es mir nicht leisten, eine Ermittlerin mit deinen Qualitäten eine Tätigkeit verrichten zu lassen, die jede bessere Sekretärin erfüllen kann.« Sie fiel ihm erneut ins Wort. »Rede nicht um den heißen Brei herum und sag mir endlich, was du ausgeheckt hast, um mir das Leben noch schwerer zu machen! Willst du mich auf Streife schicken, oder soll ich den Hanswurst für einen meiner unfähigen Kollegen machen?« Liebermann sah sie erschrocken an. »Keines von beiden. Wir haben vor, eine neue Abteilung zu gründen, die sich mit der Aufarbeitung ungelöster Fälle beschäftigt. Du sollst diese Abteilung führen. Das ist alles.« »Und wo ist der Haken an der Sache?« »Es gibt keinen Haken. Wie ich vorher schon erwähnt habe, können wir es uns einfach nicht leisten, die Fähigkeiten einer anerkannten Ermittlerin, wie du es bist, ungenützt zu lassen.« Sie musterte ihn skeptisch. »Sei mir nicht böse, aber ich kann nicht glauben, dass das alles ist! Ich kenne dich gut genug. Irgendetwas ist faul an dieser Sache. Aus wie vielen Personen soll diese Abteilung bestehen?« Er wich ihrem Blick aus. »Wir wollen die Abteilung in der Testphase bewusst klein halten. Ich denke, ein Assistent sollte fürs Erste genügen.« »Und an wen hast du dabei gedacht?« »An einen jungen vielversprechenden Kollegen, der noch am Anfang seiner Karriere steht und dem es eine Ehre sein wird, mit einer versierten Ermittlerin wie dir zusammenzuarbeiten. Ronald Wendt ist …« »Wendt!«, rief sie aus. »Daher weht also der Wind. « Sie hatte mit dem jungen Kollegen noch nie persönlich zu tun gehabt, aber von Oskar wusste sie, dass es diesem tatsächlich gelungen war, sich in dem halben Jahr, in dem er seinen Dienst versah, mit allen anderen Kollegen zu überwerfen. Laut Oskar war er ein notorischer Besserwisser, dem es ein Vergnügen zu bereiten schien, die anderen über ihre polizeilichen Befugnisse zu belehren und auf Fehler bei der Handhabung des Dienstrechts hinzuweisen. Nicht gerade die beste Voraussetzung, um sich beliebt zu machen. Die Folge war, dass Wendt von einer Abteilung in die nächste abgeschoben wurde. Dass Liebermann ihm nicht den Laufpass gab, lag nur daran, dass dessen Vater ein hohes Tier im Innenministerium war, mit dem er es sich auf keinen Fall verscherzen wollte. »Ich habe gleich gewusst, dass etwas nicht stimmen kann. Keine Rede davon, dass es um eine Aufgabe geht, die meiner Qualifikation entspricht. Die Abteilung wird nur ins Leben gerufen, um Wendt aus dem Verkehr zu ziehen, ohne ihm das Gefühl zu geben, dass er zu nichts nutze ist. Und ich soll sein Kindermädchen spielen. Was passiert eigentlich, wenn ich mich weigere?« »Aber, Frieda, was hältst du von mir? Niemand zwingt dich dazu. Das ist einzig und allein deine Entscheidung.« Er setzte eine unschuldige Miene auf, doch sein Blick sagte etwas anderes. »Also habe ich keine Wahl!« »Du darfst das nicht so eng sehen. Eigentlich ändert sich für dich überhaupt nichts, bis auf den Umstand, dass Wendt dir ab jetzt Gesellschaft leistet. Das muss es dir schon wert sein, wenn du weiter deine Ruhe haben willst. Außerdem bist du schon mit ganz anderen Kerlen fertiggeworden. Schön, dass wir uns einig sind. Das wäre fürs Erste alles.« Sie erhob sich und wandte sich zum Gehen, erstarrte jedoch mitten in der Bewegung, als sie hörte, was Liebermann noch sagte. »Über alles Weitere wird euch Gruber in Kenntnis setzen. « »Gruber!« Sie drehte sich um und funkelte ihn böse an. »Nur über meine Leiche. Mit diesem Arschloch will ich nichts zu tun haben.« »Ich verstehe nicht, was das soll. Du weißt genau, dass du damals einen Fehler begangen hast, nicht Gruber. Er hat sich nichts zuschulden kommen lassen und nur seine Pflicht getan, wie man es von einem korrekten Beamten erwartet. Noch einmal: Gruber ist für die Abteilung zuständig, daran gibt es nichts zu rütteln.« »Dann musst du dir ein anderes Kindermädchen für Wendt suchen.« »Ich an deiner Stelle würde mir das noch einmal gut überlegen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.« Kaum war Frieda Bach in ihrer Abstellkammer zurück, ließ sie ihrem Zorn freien Lauf. Sie stieß einen derben Fluch aus und schlug mit der Hand mehrmals voller Wucht gegen die Wand. Der Schmerz brachte sie wieder zur Besinnung. Konsterniert sank sie auf den Stuhl nieder und sann nach, was sie tun sollte. Warum konnte man sie nicht einfach in Ruhe lassen? Sie hatte ihre Degradierung akzeptiert, obwohl es anfangs nicht leicht gewesen war. Mittlerweile hatte sie jedoch schätzen gelernt, was es hieß, niemandem mehr Rechenschaft schuldig zu sein. Sie war ihr eigener Chef, kam und ging, wann es ihr passte, überprüfte die Berichte ihrer ehemaligen Kollegen nur, wenn sie Lust dazu hatte, und teilte sich die Zeit so ein, wie es ihr gefiel. Warum brachte Liebermann nicht einfach den Mut...