Schmidt | Das andere Mecklenburg-Vorpommern | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Schmidt Das andere Mecklenburg-Vorpommern

Ein Wegweiser von Aalbude bis Zepelin
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7597-1020-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Wegweiser von Aalbude bis Zepelin

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-7597-1020-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das andere Mecklenburg-Vorpommern ist das unbekannte und geheimnisvolle, skurrile, missverständliche und irritierende. Augenzwinkernd und sorgfältig recherchiert entfaltet sich hier ein neues Bild des Nordostens mit überraschenden Bezügen zum Rest der Welt.

Dr. Wolf Schmidt wurde 1952 in Warin/Mecklenburg geboren. Er lebt in Dobin am See. Der studierte Historiker hat mehr als vier Jahrzehnte in und für Stiftungen gearbeitet und zahlreiche Beiträge zu historischen, kultur- und gesellschaftswissenschaftlichen Themen veröffentlicht. Unter anderem "Luxus Landleben - Neue Ländlichkeit am Beispiel Mecklenburgs" (2017).

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Cap Arcona
Name zweier Kaps und diverser Schiffe in unterschiedlicher Schreibweise Kap Arkona, das klingt so ganz anders als Boltenhagen, Prerow oder Göhren. Die vierzig Meter hohen weißen Kreidekliffs an der Nordspitze Rügens passen zu Phantasien mediterraner Eleganz. Man muss nur einen Buchstaben auswechseln, um in Ascona, dem Schweizer Kurort am Lago Maggiore, oder in Ancona zu landen, wo die italienische Hafenstadt mit ihren Adriabuchten lockt. Eleganter sieht es mit C statt K aus. Geschrieben wurde es tatsächlich mal so, mal so – genauso wie Carl. Das einzige deutsche Kap, das mit seiner Steilküste diesen Namen verdient, hat Menschen schon vor 1.000 Jahren fasziniert. Auch damals hatte die Schönheit der weißen Kreide auch eine dunkle Seite. Hier baute der slawische Volksstamm der Ranen die Jaromarsburg. Nach drei Seiten war sie von den Klippen geschützt, zur Landseite durch einen großen Wall. In der Feste befand sich der Swantewit-Tempel, wo eine Priesterkaste dem Zeus der Slawen huldigte. Hier opferten sie dem Sonnen- und Kriegsgott und lenkten mit dem Orakel die Geschicke der Menschen. Dargestellt wurde Swantewit in einer überlebensgroßen hölzernen Statue, die mit vier Gesichtern in alle Himmelsrichtungen schaute. Sie trug ein Trinkhorn, das einmal im Jahr mit Met gefüllt wurde. Aus dem Füllstand wurde die Ernte prophezeit. Die hölzerne Huldigungshalle war bis auf eine Tür allseits geschlossen. Die Priester durften darin nicht einmal atmen, um die Aura nicht zu verunreinigen. Das rote Dach des Tempels spielte mit dem Weiß der Klippen und dem Blau der Ostsee. Darauf ist wohl auch der Name Arkona zurückzuführen. Denn was lateinisch oder italienisch klingt, hat eine slawische Wurzel. Jarka bedeutet wie das heutige russische Krasnaja gleichzeitig schön und rot. Im elften Jahrhundert wurde Arkona zum wichtigsten religiös-politischen Zentrum der Ostseeslawen. Von hier aus organisierten sie den Kampf gegen die Christianisierung aus dem Westen. 1168 haben Dänen die Tempelfestung erobert und niedergebrannt. Die Spuren wurden seitdem durch die häufigen Kliff-Abbrüche weitgehend vom Meer verschlungen. Swantewit lebt allerdings als Name für Firmen, Ferienhäuser oder Gastronomie auf der Insel weiter. Und der Sonnengott ist seinem einstigen Tempelort treugeblieben. Kap Arkona weist unter allen deutschen Wetterstationen eine herausragende Sonnenscheindauer auf. In manchen Jahren scheint die Sonne hier länger als irgendwo sonst in Deutschland. Und im Dunkeln sendet der Leuchtturm seine Lichtsignale. Auch dem Kriegsgott wird seit 1915 wieder mit Tempeln gehuldigt. So wie sich über dem Kap ein Leuchtturm aus Schinkels Zeiten, ein Marine-Peilturm für den Funkverkehr und der heute noch betriebene Leuchtturm von 1905 erheben, so gibt es auch eine dreifache militärische Unterwelt. Im ersten Weltkrieg baute hier die kaiserliche Marine den ersten Bunker, der heute wegen Baufälligkeit geschlossen ist. Die Wehrmacht des Tausendjährigen Reiches baute den nächsten. Schließlich verewigte sich die Volksmarine des Arbeiter-und-Bauern-Staates 1986 mit dem 2.000 m2großen Marineführungsbunker. Da diese Anlage atom-, aber nicht bombensicher ist, dient sie heute nur noch als Marinemuseum. Dorthin, wo einst die slawischen Stämme der Ranen, Lutizen und Zirzipanen Swantewits Erleuchtung und Beistand suchten, pilgern heute jährlich 800.000 Touristen. Was mögen sie suchen und gar finden? Was sie hier nicht finden, ist die Cap-Arcona-Gedenkstätte. Sie pflegt nicht die Erinnerung an den rot bedachten Tempel und seinen göttlichen Bewohner und ist auch nicht auf Rügen lokalisiert. In gleich vier Varianten begegnen wir ihr im schleswig-holsteinischem Neustadt, im Bothmer-Städtchen Klütz, auf der Insel Poel und herausragend auf dem Tannenberg der beschaulichen mecklenburgischen Kleinstadt Grevesmühlen – rund 240 Autokilometer vom Kap entfernt. Hier wird der größten Schiffskatastrophe gedacht, die je vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns stattfand. Sie betraf einen nach dem Kap benannten Luxusdampfer, der die Kulisse für den ersten deutschen Titanic-Film lieferte und schließlich mit tausenden Toten die Titanic übertreffen sollte. Vom Stapel lief die Cap Arcona 1927 in Hamburg bei Blohm und Voss. Sie ersetzte ein 20 Jahre altes Vorgängerschiff gleichen Namens, das an eine französische Reederei verkauft und umgetauft worden war. Friedlich fuhr der neue Dampfer für die Hamburg Süd von der Elbe nach Rio und Buenos Aires. Mit Kriegsbeginn 1939 wurde die Cap Arcona in den Dienst der deutschen Kriegsmarine gestellt – zunächst bloß als Wohnschiff im ostpreußischen Gdingen. Dort kam das Luxusschiff gegen Großbritannien zum Einsatz – wenn auch nicht militärisch. Für den Krieg brauchte das NS-Reich neben der tagespolitischen Information und Desinformation auch die subtile kulturelle Impfung gegen den Feind. Das war die hohe Kunst der Propaganda. Der Titanic-Stoff schien Goebbels als Impfträger im Kampf gegen England geeignet. Ein erster Spielfilm über den Untergang der Titanic mit ihren fast 1.500 Toten im Jahr 1912 war schon 1929 gedreht worden – unter dem Titel „Atlantik“ von einer britischen Firma mit deutscher Besetzung. Ein neues Drehbuch ließ nun der Fantasie ihren Lauf für die Untertöne gegen ein perfides Albion. Der Film inszenierte englische Profitgier, welche die Katastrophe in Kauf nimmt, während sich in der Schicksalsstunde des Schiffes anständige Deutsche bewähren. Gedreht wurde 1942 mit viel Geld und Filmtricks. Als Titanic-Kulisse für die Szenen auf Deck kam die Cap Arcona zum Einsatz. Für das Schiff sollte sich der Filmstoff als böses Vorzeichen erweisen. Der Regisseur Herbert Selpin wurde schon bei den Dreharbeiten wegen kriegskritischer Äußerungen verhaftet. Tage später fand man ihn erhängt in seiner Polizeizelle am Berliner Alexanderplatz. Als der Film im Spätsommer 1943 fertig war, war gerade Hamburg im Feuersturm verbrannt. Da brauchte man Frohsinn zur Ablenkung von der selbsterlebten Katastrophe. So lief der Titanic-Film mit der Cap Arcona nach Premiere in Prag nur im besetzten Ausland. Nach dem Filmabenteuer geriet die Cap Arcona immer tiefer in den Strudel des Krieges. Sie gehörte zu den Schiffen, die 1944/45 zur Evakuierung aus Ostpreußen eingesetzt wurden. Während die Wilhelm Gustloff und die Goya mit tausenden Menschen an Bord von sowjetischen U-Booten versenkt wurden, überlebte die Cap Arcona dieses Fiasko. Der Kapitän ertrug es allerdings nicht. Im Februar 1945 nahm er sich an Bord das Leben. Schließlich blieb das Schiff im April 1945 mit Maschinenschaden in der Lübecker Bucht liegen. Wenige Tage vor der Kapitulation brachte das letzte Aufgebot der Nazi-Herrschaft die Häftlinge des Hamburger Konzentrationslagers Neuengamme auf die Cap Arcona und ihre Schwesterschiffe, die Thielbek und die Athen. Insgesamt circa 9.000 Gefangene wurden auf die Schiffe gepfercht. Allein auf die Cap Arcona kamen wohl rund 6.000 Häftlinge und 500 Mann Besatzung. Gebaut war sie für weniger als 2.000 Personen. Im sinnlosen Zerstörungsrausch der letzten Kriegstage versenkten britische Flugzeuge die Cap Arcona und die Thielbek am 3. Mai 1945. Wer sich im eisigen Wasser zu retten versuchte, wurde von den Briten mit Bordwaffen beschossen. Circa 6.400 Menschen kamen zu Tode. Leichen wurden noch monatelang an die Küsten der Lübecker Bucht gespült, in Mecklenburg vor allem bei Groß Schwansee und auf der Insel Poel. Grevesmühlen dagegen liegt im Binnenland fernab. Hier die größte Gedenkstätte zu errichten, war eine politische Entscheidung der SED, denn das Totengedenken am Strand hätten Lebende nutzen können, um dem Arbeiter-und-Bauernparadies schwimmend Lebewohl zu sagen. Der Strand westlich von Boltenhagen war Sperrgebiet, das nur mit Passierschein betreten werden durfte. Dem Kriegsgott Swantewit diente schließlich auch die SMS Arcona – keine Spam aus der slawischen Götterwelt, sondern die Abkürzung für Seiner Majestät Schiff. Die Majestät war der preußische König und gebaut wurde das Segelschiff 1858 mit zusätzlichem Dampfantrieb sowie 28 Geschützen. Dieses Schiff wurde nicht nur auf den Namen des Kaps getauft, es hat auch ein gleichnamiges auf den Globus gezaubert. Entdeckt hat die SMS Arcona das vorher namenlose Kap bei einer Weltumseglung 1874/75. Anders als auf Rügen muss man beim Arcona-Doppelgänger ganzjährig mit Schneefall rechnen. Die Landschaft ist sicher spektakulärer. Das Kap ist Ausläufer von Big Ben, einem über 2.700 m hohen Vulkanmassiv, das vergletschert ist. Es befindet sich auf der subantarktischen Insel Heard im südindischen Ozean und wird von Australien verwaltet. Die Schreibweise des dortigen Cape wechselt ebenfalls zwischen K- und C-Arkona. Im Unterschied zu Rügen ist Cape Arcona als UNESCO-Weltnaturerbe geschützt. Wer sich vor Ort einen Eindruck von der hierzulande unbekannten Arkona-Schwester verschaffen möchte, sollte die prekäre gastronomische Situation von Heard...



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