Schmitter | Alles, was ich über Liebe weiß, steht in diesem Buch | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 351 Seiten

Schmitter Alles, was ich über Liebe weiß, steht in diesem Buch

Einbildungsroman
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-406-82229-2
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Einbildungsroman

E-Book, Deutsch, 351 Seiten

ISBN: 978-3-406-82229-2
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Sie treffen sich und stürzen ineinander: Helena und Levin, die beide ein erstes Leben hinter sich haben; fast erwachsene Kinder, Karrieren, die sie erfüllen. Es wird eine Episode, die Helena nicht vergessen kann. Was bedeutet es, dieses Gefühl, und wie kommt es, dass wir sogar wider Willen begehren? Helena sucht Rat, auch bei den Sehnsüchtigen vor unserer Zeit.

Dieses Buch ist eine Zumutung – wie die Liebe selbst. Nach Sigmund Freud, Simone de Beauvoir, Niklas Luhmann und Eva Illouz ist die romantische Passion durchschaut als Wahn und Skript. Und doch hört sie nicht auf, für Unruhe, Glück und Qual zu sorgen. Federnd, mitreißend, amüsant und abgründig erzählt Elke Schmitter von dem beispiellosen Kontrollverlust, der als lustvolle Verzauberung erlebt wird – der Liebe.

"Wir berühren einander gerade genug, um zu spüren: Hier erwartet uns was. Hier gibt es unter der Vertrautheit, die zutiefst beruhigend wirkt, unter den sanften Wellen, die da hin und her wogen und uns ein wenig enger liegen und dann wieder Abstand nehmen lassen: das Ozeanische, das über Jahre still war. Schlummernd, ohne Beachtung. Was in den letzten Tagen geschah, fühlt sich so sachte wie gewaltig an, und da es Januar ist: Noch kann man gehen, über den See, doch ist es zu hören, wie das reinweiße Eis, von einer Schicht aus knirschendem Reif bedeckt, die ersten Risse bekommt."

Alles, was ich über Liebe weiß, steht in diesem Buch ist eine Geschichte über das Glück und die Qualen der Liebe, über die Sehnsucht, die Nähe und das Nichtweiterwissen. Ein Einbildungsroman. Zugleich ist es ein Bildungsroman - eine Erfahrung, mit Fußnoten bedacht. Was wissen wir inzwischen über die innere Chemiefabrik, über Narzissmus, Ghosting und das Rätsel der spontanen Anziehung? Und sind Liebende aus früheren Jahrhunderten uns darin nah? Ein vielstimmiges Buch über das emotionalste Thema, das es gibt - für alle, die diesen Zustand erlebt haben oder gerade erleben, aber auch für die, denen er fremd ist oder die ihn vergessen haben.

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Weitere Infos & Material


Also, der Anfang. Den werde ich erzählen, und natürlich wird er anders sein als jeder andere, als deiner oder auch deiner. Jeder Anfang ist anders, das ist ja der Zauber, dass er jedes Mal anders ist. Und sich erzählen lässt. Mit allen Details. Mit dieser sagenhaften Begeisterung, die einen neidisch machen kann, an die man sich erinnert oder nach der man sich sehnt, und bei der man, je nach Seelenlage und Großzügigkeit, ganz stumm wird oder traurig oder von Herzen alles Gute wünscht. (Oder auch wach wird. Und alarmiert. Doch dazu später.) Bei der man Bedenklichkeiten empfindet oder auch leises Bangen (um die Glückliche), oder bei der man gleich anknüpfen und selbst weitererzählen könnte. Weil man schon weiß, wie es weitergeht, wie es hoffentlich oder hoffentlich nicht weitergeht. Aber habt ihr euch je gefragt, warum man das so gut erzählen kann, obwohl die Details so verschieden sind, und obwohl die Glückliche, die erzählt, einfach kein Detail auslassen kann; alles muss erzählt werden, ganz genau; und dann sagte er, und dann sagte ich, und dann er, und dann ich, wie auf einer Wippe, oder vielleicht, in der Wirkung, eher wie auf so einem Ding, wie sie auf manchen Kinderspielplätzen stehen, diese kreisrunden Bänke auf einem Podest, auf denen man sich drehen kann, so dass, nicht so brutal wie auf einem Rummelplatz, sondern sanfter, alles drum herum ein bisschen verschwimmt. Man dreht sich, gemeinsam, und die Konturen werden unscharf und machen ein Bild, das verwischt, aber sich unaufhörlich bewegt. So kann man sich fühlen, wenn einem so etwas erzählt wird; dass man die Konturen nicht mehr so genau sieht, oder dass man die Details, kaum sind sie erzählt, schon wieder vergisst. Denn ziemlich oft sind sie ziemlich banal; es ist ja auch nicht so wichtig, ob es dieser Park war oder ein anderer, ob früher Nachmittag oder schon später und ob dieser erste Kuss auf einer Bank oder unter einer Buche –. Also, diese wahnsinnig vielen Details. Die ganz genau erzählt werden müssen. Die man eigentlich gar nicht sortieren kann, auch gar nicht sortieren wollte, wenn es um etwas anderes ginge. Wenn die Freundin, zum Beispiel, davon erzählte, wie sie ihre Mutter im Altenheim besucht. Und dann ging ich die Straße lang, auf dem Bürgersteig, weißt du, da, wo dieser Ginster wächst, der eigentlich ein bisschen komisch riecht, so als hätte ein Hund dahin gepisst, aber an diesem Tag war das ein ganz anderer Duft, das habe ich nie so wahrgenommen bisher, das war so ein … Und da wäre man schon ausgestiegen und hätte vielleicht gesagt: Ja, und wie war es dann bei deiner Mutter? Aber so ist das hier eben nicht. Da will man jedes Detail, da fragt man vielleicht sogar nach. Weil man aus Erfahrung weiß: Alles, was jetzt gesagt wird, hat eine Bedeutung. Und alles, was jetzt nicht gesagt wird, das wird später gesagt, hervorgekramt, ins Licht gehalten: Ah, das hatte ich vergessen, es war ja gar nicht am Nachmittag, es war schon am frühen Abend … usw. Und wenn ihr euch fragt, warum das so ist, nicht beim ersten Zuhören vielleicht, sondern später, wenn ihr wieder nach Hause geht oder das Telefon zur Seite gelegt habt, dann sage ich jetzt: Das ist der Trick. Diese Details sind wichtig, und sie sind es natürlich nicht. Sie sind das Futter, das wir brauchen, für unsere kleinen Wunschmaschinen, für unsere inneren Honigpumpen, die werden damit gefüttert, dann fangen sie an zu laufen, ganz von selbst. Sie brauchen die Details, das ist Material, und was daraus entsteht, das ist ganz unabhängig davon. Eigentlich müssten sie verwirren, diese Geschichten, zu viel, lauter Kleinigkeiten, die nicht relevant sind und die man, in jedem anderen Fall, wegräumen würde, im Kopf, oder bei deren endloser Erzählung man mit leiser Ungeduld, beginnendem Gelangweiltsein, fragen würde: Und dann? Aber das fragt man eben nicht. Aus Respekt vor der Freundin, die sie erzählt, die sie so erzählen muss. Das wäre ein schöner Grund: Man ist höflich, man ist verbunden, man will eine gute Zuhörerin sein. Aber darum geht es nicht. Man hört auf diese Weise zu und man kann auf diese Weise sortieren, weil man das große Skript ja kennt. Weil man genau weiß, worum es geht. Weil man, während man zuhört, bereits die eigene Geschichte schreibt, neu schreibt, weil man sich erinnert oder etwas erhofft, weil man dabei ist, mittendrin, auch wenn man nur zuhört. Deshalb kriegt man das alles sofort klar.[1] Ihr merkt natürlich, während ich spreche, dass ich in einem manischen Zustand bin. Ich bemerke das auch. Ein manischer Zustand, den man auf keinen Fall verlieren möchte. In dem die ganze Welt, mit all ihren Details, eine ungeheure Bedeutung hat. Manche werden witziger in diesem Zustand, sprühender, eine besonders heitere Gesellschaft; sie mögen sogar zugewandt sein. In einer unwahrscheinlichen Großmut können sie die Scheinwerfer auch zurück auf dich richten und fragen: Wie geht es eigentlich bei dir (mit x, mit y)? Und du wirst beschienen von dieser freundlichen Intensität und fühlst dich wie eine Celebrity; beschenkt und so aufmerksam betrachtet, wie es lange nicht mehr vorkam. Da ist etwas zu dir herübergeschwenkt, eine riesige Lampe, in deren Lichtkegel du stehst und sagen kannst, was du willst; alles ist interessant in dieser Aufmerksamkeit, sogar das, was bisher, bis eben, grau und belanglos war. Andere sind auf eigentümliche Weise still. Sie simmern so vor sich hin, ein kleiner, brodelnder Topf voller Glück, aus dem winzige, manchmal auch kinderfaustgroße Blasen steigen, in unaufhörlicher Produktion. Die sich in der Luft verlieren wie Seifenblasen, die entstehen, indem die Seifenwassertropfen von diesem dünnen, daumengroßen Plastikring gepustet werden, oder eher geblasen, fast gehaucht, ganz vorsichtig, und dann steigen sie auf, sprudelnd, lautlos, zart, und man sieht die Blasen glänzen in der Luft, bis sie platzen ohne das leiseste Geräusch, aber da kommen die nächsten Blasen schon nach; so ein ganzes Röhrchen Seifenblasenlauge, das gibt eine Menge her. So sitzen sie da, die Manischen dieser Sorte, die frisch Verliebten, und ohne, dass sie es wissen, sieht man die schimmernden, bunten Blasen (Farben wie auf dem Rummelplatz, Hellblau und Violett, Rosa und ein helles, synthetisches Grün), die steigen wie Gedankenblasen in einem Comic. Manche reden in einem fort nur von sich selbst, aber man spürt, dass es eine notwendige Egozentrik ist und man verzeiht; es hat nichts mit dem Charakter dieser Person zu tun, sie ist warmherzig und interessiert und gar nicht so selbstbezogen, aber jetzt, gerade jetzt, geht es nicht anders. Und es ist ja auch, siehe oben, wahnsinnig interessant. Mir fällt keine weitere Sorte ein. Es gibt, glaube ich, nur diese drei Varianten: die Scheinwerfer, die brodelnden kleinen Töpfe, die unentwegt Redenden. Bis auf eine seltene vierte Sorte. Eine Freundin erzählte gestern davon, dass sie zu dieser Rarität gehört, von der ich bisher nichts wusste. Sie sagte, dass sie eigentlich nicht weiß, wovon bei der ganzen Sache die Rede ist. Dass sie das alles nicht kennt, die stille Raserei, das sanfte Reißen, unaufhörlich, das manische Gefühl von Lebendigkeit, in dem die Welt aussieht wie frisch gewaschen und jeder Briefträger und jeder Trottel, der mit seinem zu dicken Wagen einzuparken versucht und dir die Straße versperrt, unbedingt angelächelt werden muss. Und in dem, was sonst das Gemüt verdüstert und das Leben schwer und trübe oder verzweifelt macht, auf einmal weit weggerückt ist; ein fernes, staubiges Herzogtum. Die Steuererklärung, die bösen Nachrichten über den Klimawandel, die Obdachlose gleich um die Ecke, die man sich immer noch nicht anzusprechen traut, obwohl sie so etwas wie eine Nachbarin geworden ist. Der Krieg. Denn irgendwo ist ja immer Krieg, und es sterben Väter, Mütter, Großväter und lassen traumatisierte Kinder zurück. Mit solchen Kinderaugen sind die vielen Briefsendungen bestückt, ja, regelrecht bestückt, die in der Vorweihnachtszeit im Kasten liegen, weil man weiß, dass sie alles durchdringen, bei den allermeisten Menschen. Aber die Verliebten, die können da eine Ausnahme sein. Sie weiß also nicht, wovon die Rede ist. Ich schaue auch keine Liebesfilme, sagte sie, und ich lese keine Liebesromane; ich komme mir da vor wie eine Ethnologin, aber ohne jedes Interesse an diesem fremden Volk. Ich habe das nie erlebt. Mich hat das überrascht. Es war, glaube ich, der erste Mensch dieser Spezies in meinem Leben, aber wer weiß,...


Elke Schmitter studierte Philosophie in München. Als freie Autorin schreibt sie, nach vielen Jahren bei taz und Spiegel, nun vor allem für Die ZEIT. Ihr Debütroman „Frau Sartoris“ (2000) wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt.



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