Schöllgen | Schaeffler. Biographie einer Familie und ihres Unternehmens | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 680 Seiten

Schöllgen Schaeffler. Biographie einer Familie und ihres Unternehmens


1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-641-28996-6
Verlag: DVA
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 680 Seiten

ISBN: 978-3-641-28996-6
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Pioniere der BewegungSeit 75 Jahren bewegen sie die Welt. Mit dem Nadellager legten die Brüder Wilhelm und Georg Schaeffler das Fundament des Erfolgs. Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann und ihr Sohn Georg F.W. Schaeffler schrieben ihn fort. Es war eine Geschichte mit Höhen und Tiefen, mit spektakulären Übernahmen und bahnbrechenden Innovationen, aber auch mit existenziellen Krisen. Am Ende behielten die Kraft und Solidarität des Familienunternehmens immer die Oberhand. Heute gehört die Schaeffler Gruppe zu den führenden Automobil- und Industriezulieferern der Welt.
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Wie und wo Anna Carolina und Georg Jakob Schaeffler sich erstmals begegnet sind, wissen wir nicht. Obgleich Marimont fast 70 Kilometer von Metz entfernt liegt, scheint der Landwirt ihr jeden Sonntag den Hof gemacht zu haben, wie der von ihrer Tochter überlieferten Erzählung der Familie zu entnehmen ist. Für den aufstrebenden Mann ist die Hochzeit mit der Tochter des Metzgermeisters, Hoflieferanten und Stadtrats Wilhelm Weissmann eine gute Partie. Offensichtlich bildet die Mitgift einen Gutteil jenes Vermögens, mit dem Georg Jakob und Anna Carolina Schaeffler Jahrzehnte später ihren Söhnen den Weg in die Unternehmerlaufbahn ebnen werden. Vier Kinder sind aus der Ehe hervorgegangen. Sie alle erblicken auf Schloss Marimont das Licht der Welt, als erstes Tochter Elisabeth, genannt »Lisbeth«, die am 26. Januar 1906 geboren wird. Gut zwei Jahre später, am 3. April 1908, folgt ihr Bruder Wilhelm, und am 8. August 1909 erhält die Familie mit Tochter Katharina, die sich später »Käthe« schreiben wird, erneut Zuwachs. Offenbar ist damit die Familienplanung abgeschlossen. Jedenfalls gehen gut sieben Jahre ins Land und das Familienoberhaupt hat die 50 bereits überschritten, als Georg Schaeffler am 4. Januar 1917 geboren wird. Es ist die Zeit, als »unsere Artilleriegeschosse nach Westen eilten« und das »Geburtshaus erschütterten«, wie sich Georg Jakob anlässlich des 30. Geburtstags seines Jüngsten erinnert.13 Seit mehr als zwei Jahren befinden sich die Völker Europas in einem der schwersten Konflikte ihrer an Kriegen nicht gerade armen Geschichte. Auslöser des Dramas, an dessen Ende man 14 Millionen Tote zählen wird, sind die Entwicklungen auf dem Balkan. Hier branden die zum Teil in der außereuropäischen Welt entstandenen Gegensätze zwischen den Großmächten an und verdichten sich – zusätzlich aufgeladen durch die Ambitionen und Aktionen der Balkanvölker – zu schweren Unwettern. Der Sturm bricht los, als der österreichisch-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin am 28. Juni 1914 in Sarajevo ermordet werden. Nachdem sich Deutschland bedingungslos hinter seinen einzig verbliebenen zuverlässigen Partner Österreich-Ungarn gestellt und Russland nicht minder konsequent die Position Serbiens bezogen hat, dem man in Wien eine Mitverantwortung an dem Mord anlastet, wächst die Kriegsgefahr von Tag zu Tag. Die Nerven liegen blank, und es sind die Deutschen, die sie als Erste verlieren: Am 1. August 1914 erklärt das Deutsche Reich Russland und am 3. August auch dessen Bündnispartner Frankreich den Krieg. Es gibt kaum eine Familie in Frankreich oder Deutschland, die im Laufe der Jahre nicht direkt oder indirekt von diesem jüngsten Ausbruch der »Erbfeindschaft« betroffen gewesen wäre, schon gar nicht im Grenzgebiet. Denn hier geht die deutsche Offensive schon nach wenigen Wochen in einen Stellungskrieg über, dem in den kommenden Jahren Millionen zum Opfer fallen, ohne dass es zu einer Entscheidung kommt. Das alles betrifft auch die Familie Schaeffler. Einerseits hat sie Glück, weil kein Mitglied aus dem engeren Familienkreis ins Feld ziehen muss. Georg Jakob Schaeffler ist unabkömmlich, denn je länger der Krieg dauert und je schlechter die Versorgungslage Deutschlands wird, um so wichtiger wird die Produktion der landwirtschaftlichen Güter; außerdem geht er, als der Krieg ausbricht, auf die 50 zu, ist also für den Kriegsdienst zu alt. Das gilt auch für Schwiegervater Wilhelm Weissmann.14 Andererseits lernt die Familie gleich in den ersten Tagen die brutale Wirklichkeit des Krieges kennen: In der Nacht vom 10. auf den 11. August eröffnet das XV. Armeekorps der 2. französischen Armee bei Lagarde, nur anderthalb Kilometer von der Grenze entfernt, das erste große Gefecht dieses Krieges. Die deutschen Truppen müssen sich auf die Gemeinde Bourdonnaye zurückziehen, zu der das Gut Marimont gehört. Der Gegenangriff fordert allein auf deutscher Seite 400 Tote. Was diese Zeit für den Verwalter des Gutes und seine Familie bedeutet, geht aus einem Schreiben Wilhelm Funckes an die Erbengemeinschaft von Ende Oktober 1914 hervor, in dem der Besitzer Marimonts von »ganz besonderem Dank« spricht, den man »Herrn Schaeffler und seiner Frau« – »unseren beiden Verwaltern« – schuldig sei: »Es ist gewiss nicht leicht, und für einen Altdeutschen doch immerhin keine gefahrlose Lage, mit Frau und Kind in einer solchen Zeit auf dem Kriegsschauplatz auszuhalten, bei derartigen Masseneinquartierungen die Ordnung zu bewahren und die vielen Ansprüche der Truppen mit den Interessen des Gutes in Einklang zu bringen.«15 Die unmittelbare Bedrohung nimmt zwar bald ab, weil sich die Kämpfe auf französisches Territorium verlagern. Aber natürlich bleiben das Grenzgebiet und damit auch Gut Marimont gefährdet. Vieles deutet darauf hin, dass Georg Jakob Schaeffler angesichts dieser unsicheren Lage daran denkt, sich aus Marimont zurückzuziehen und seine inzwischen sechsköpfige Familie in Sicherheit zu bringen. Jedenfalls lässt er von Mitte Januar bis Ende Februar 1917, also unmittelbar nach der Geburt seines Jüngsten, in der Landwirtschaftlichen Zeitung für Elsass-Lothringen wiederholt eine Anzeige schalten, in der er für Marimont einen »praktischen, erfahrenen Landwirt (Verwalter)«, also wohl einen Nachfolger, sucht.16 Wenig später zieht Anna Carolina mit der ältesten Tochter Elisabeth und dem Säugling Georg zu ihren Eltern nach Metz. Seit dem 22. April 1917 sind die drei am dortigen Kaiser-Wilhelm-Ring 35 gemeldet.17 Wie lange die Familie getrennt sein wird, vermag niemand zu sagen. Solange der Krieg zu Deutschlands Gunsten verläuft, kann es an der Zukunft Elsass-Lothringens keinen Zweifel geben. Die Deutschen intensivieren ihre Germanisierungspolitik sogar noch und versehen zum Beispiel alle Orte mit deutschen Namen. So heißt Marimont bei der Geburt Georg Schaefflers »Gut Reichsmark«.18 Aber im Sommer 1917 beginnt sich die Lage zu ändern. Während die deutschen Truppen – jetzt auch begünstigt durch die Folgen der bolschewistischen Revolution in Russland – im Osten unaufhaltsam vorrücken, geraten sie auf dem westlichen Kriegsschauplatz zusehends in die Defensive. Denn hier macht sich seit dem 6. April 1917 der Kriegseintritt der Vereinigten Staaten von Amerika bemerkbar. Die Frühjahrsoffensive der gut 70 erschöpften deutschen Divisionen, die am 21. März 1918 beginnt, scheitert an der Übermacht eines Gegners, dessen Reihen monatlich um bis zu 250000 frische Soldaten verstärkt werden und für den Versorgungsschwierigkeiten ein Fremdwort ist. Mit dem Beginn der alliierten Gegenoffensive am 18. Juli und insbesondere mit der verlorenen Schlacht von Amiens drei Wochen darauf wird offenbar, dass das Deutsche Reich und seine Verbündeten den Krieg nicht mehr gewinnen können. Am 11. November 1918 wird unweit von Paris, im Wald von Compiègne, der Waffenstillstand zwischen Deutschland und den alliierten Gegnern unterzeichnet. Er sieht unter anderem die »sofortige Räumung« Elsass-Lothringens vor; mit dem Friedensvertrag von Versailles wird das vormalige Reichsland am 28. Juni 1919 endgültig wieder an Frankreich abgetreten. Haben Georg Jakob Schaeffler, seine Familie und seine Schwiegereltern hier noch eine Zukunft? Was ihnen während der kommenden Jahre widerfährt, lässt sich nicht mehr in allen Einzelheiten feststellen. Sicher ist, dass die Familie Opfer der Flucht beziehungsweise Vertreibung der Deutschen aus Elsass-Lothringen wird. Sie beginnt unmittelbar nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes. Grundlage sind die arrêtés d’expulsion, die bis zu 100000 Deutsche zur »Rückwanderung«, also zum Verlassen ihrer Heimat zwingen.19 Wie sich Georg Jakob Schaeffler anlässlich des 30. Geburtstages seines Sohnes Georg erinnerte, wird die Familie zu Weihnachten 1918 »durch 20 berittene Franzosen innerhalb einer Stunde 14 Tage in Haft genommen«. Am 27. Juli 1919 unterschreibt der Commissaire der Republik den Ausweisungsbeschluss für »Georges Schaeffler, gérant du domaine de Marimont«. Zum Glück gelingt es der Familie, einen beträchtlichen Teil des »in jahrzehntelanger Arbeit erworbenen Vermögens« zu retten. Solange es geht, tauschen die Eltern auf der Gemeindeverwaltung in Dieuze Papiermark gegen Goldstücke und bringen diese dann, in einem Klavier versteckt, in Sicherheit.20 Georg Jakob Schaeffler bleibt offensichtlich noch eine Zeitlang auf Marimont. Denn die französische Verwaltung mag vorerst nicht auf die Erfahrungen des »exzellenten Landwirts« verzichten, als der Georg Jakob Schaeffler in den Papieren der Bürokraten firmiert. Für die Familie bedeutet das Jahre der Trennung. Während seine Frau mit Tochter Elisabeth und Sohn Georg nach wie vor bei ihren Eltern in Metz wohnt, hält das Familienoberhaupt mit Wilhelm und Katharina auf Marimont die Stellung und zieht erst Mitte Juni 1920 in die Avenue Maréchal Foch, wie der vormalige Kaiser-Wilhelm-Ring in Metz jetzt heißt.21 Auch gegen den Schwiegervater Wilhelm Weissmann und seine Frau liegt seit dem Sommer 1919 ein arrêté d’expulsion vor. Allerdings wird die Ausweisung nicht vollzogen. Zwar werden die beiden schikaniert, auch wird ihr Besitz sequestriert, doch bleibt der Rentner bis zu seinem Lebensende am 27. Dezember 1937 in Metz wohnhaft. Neben seinem gesundheitlichen Zustand hat Wilhelm Weissmann wohl die hohe Reputation, die er auch unter den Franzosen genießt, vor der Durchführung des Ausweisungsbeschlusses bewahrt. »Guillaume« Weissmann, wie er auf...


Schöllgen, Gregor
Gregor Schöllgen, Jahrgang 1952, lehrte von 1985 bis 2017 Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Erlangen und in der Attachéausbildung des Auswärtigen Amtes. Er wirkte als Gastprofessor in New York, Oxford, London und Zürich, war Mitherausgeber der Akten des Auswärtigen Amtes sowie des Nachlasses von Willy Brandt.Als profilierter Biograph folgte er den Spuren unter anderem von Willy Brandt, Ulrich von Hassell, Martin Herrenknecht, Gustav Schickedanz, Theo Schöller, Gerhard Schröder und Max Weber sowie von bedeutenden Unternehmerfamilien wie Brose, Diehl und Schaeffler. Zuletzt erschien bei DVA seine Geschichte der Familie Weiss und ihres Unternehmens, des Anlagenbauers SMS.



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