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E-Book, Deutsch, 148 Seiten

Schott Fluidum

Magische Momente des Mesmerismus
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7448-4330-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Magische Momente des Mesmerismus

E-Book, Deutsch, 148 Seiten

ISBN: 978-3-7448-4330-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
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Der 'animalische' oder 'thierische' Magnetismus, auch Mesmerismus genannt, war zur Zeit eines Mozart oder Goethe höchst populär und bewegte Ärzte und Naturforscher, Dichter und Denker, Wissenschaftler und Laien gleichermaßen. Aber während Mozarts Musik und Goethes Dichtung heute allgegenwärtig sind, ist jenes Heilkonzept mit seinen faszinierenden Experimenten und Spekulationen in Vergessenheit geraten. Dabei hat es wie kaum eine andere Lehre das wissenschaftliche und kulturelle Leben vom ausgehenden 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts beeinflusst und die von der Französischen Revolution überschattete Epoche mitgeprägt. Als der Mesmerismus mit den Fortschritten der Naturwissenschaften und der Technik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus der Mode kam und als okkulter Mystizismus angesehen wurde, verschwand er keineswegs von der Bildfläche. Vielmehr emigrierte er aus der Welt der Wissenschaft in andere kulturelle Sphären und hatte etwa in Naturheilkunde, Laienmedizin und Esoterik Konjunktur. Dort wurde er gerne auch als 'Heilmagnetismus' bezeichnet, um seine Eignung als allgemeines Heilmittel hervorzuheben. Die Grundidee des Mesmerismus war einfach: Da angeblich alle Körper, auch der menschliche, in ein Fluidum eingetaucht schienen, das über die Nerven auch in den menschlichen Organismus eingeleitet werden konnte, bestand die ärztliche Kunst darin, dieses Fluidum zu bündeln und gezielt auf den Kranken zu übertragen. Es gab unterschiedliche Methoden hierfür, die in der einschlägigen Literatur ausführlich dargestellt wurden: Magnetische Striche (passes) mit den Händen über die Körperoberfläche, Behandlung mit dem magnetischen Kübel (baquet) in der Gruppe oder auch einzeln, sonstige magnetische Manipulationen wie zum Beispiel das Trinken von von 'magnetisiertem Wasser. Mesmer selbst ging es, im Unterschied zu vielen seiner späteren Anhänger, weniger um 'magnetischen Schlaf' und Somnambulismus als Quelle spiritueller Erleuchtung ('Geisterseherei'), als vielmehr um die organische Heilwirkung des Fluidums. Er war von dieser quasi physikalischen Kraft überzeugt, die er durch seine magnetische Kur therapeutisch einsetzen wollte und die er als 'Fluidum' (auch 'Allflut' oder 'fluide universel' ) bezeichnete. In dieser Abhandlung sollen nun dessen magisch anmutenden Wirkungen referiert werden. Sie erinnern uns heute an Phänomene der Hypnose, der Suggestion und des Placebo-Effekts und können uns diese in einem neuen Licht erscheinen lassen.

Heinz Schott is an emeritus professor of the history of medicine at the University of Bonn (Germany) 2014 he published his opus magnum (Shaker Verlag, Aachen): ' Magie der Natur: Historische Variationen über ein Motiv der Heilkunst' [Magic of Nature: Historical variations on a motif of the healing art] 2 volumes, 1350 pages, 373 illustrationes. Other BoD books of the editor (in German): - Himmel oder Hölle: Ansichten zur menschlichen Sexualität (2017) - Fluidum: Magische Momente des Mesmerismus (2017)

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Zweites Kapitel
Mesmerismus: Heilmagnetismus als Universalmedizin
Mesmers Terminologie erzeugte in der damaligen scientific community große Irritationen und führte rasch zu fundamentalen Missverständnissen. Der permanente Versuch, sein Konzept eindeutig und plausibel vorzutragen, scheiterte wohl vor allem daran, dass Mesmer zeitlebens an der physikalischen Auffassung der zu beschreibenden Phänomene festhielt. Wolfart, der beste Kenner, Übersetzer und Interpret des Mesmer‘schen Werkes gab als dessen Herausgeber wichtige Hinweise. In seiner Vorrede „An den Leser“ ging er auf die Problematik der Übersetzung aus dem Französischen ins Deutsche ein und unterstrich die ungeheuren Schwierigkeiten bei der Begriffsfindung. Der Leser solle beherzigen, „daß er es mit bildlich bedeutungsvollen Wirklichkeiten zu thun hat, welche die Sprache in ihm anregen soll“.71 So stellte Wolfarts Übersetzung – wie jede Übersetzung – zugleich eine bestimmte Interpretation dar. Er übersetzte „influence“ nicht mit „Einfluss“, sondern mit „Wechselwirkung“ und betonte dadurch das wechselseitige Kräftespiel, das durch den Magnetismus interpersonell zur Entfaltung kommen soll. „Fluide“ möchte er nicht mit „Fluidum“ oder dem Adjektiv „flüssig“ übersetzen, das ihm zu „stoffhaltig“ klinge, sondern mit „Flut“, „Flutstoff“, „Flutendes“, und „fluide universel“ mit „All-Flut“.72 Insbesondere beim Begriff der „Wechselwirkung“ machte sich die romantische Naturphilosophie mit ihrem Sympathiegedanken bemerkbar, der Mesmer im Gegensatz zu Wolfart distanziert gegenüberstand. Freilich entstand die Übersetzung in enger Zusammenarbeit des Herausgebers mit Mesmer und wurde von Letzterem gebilligt. Das „unsichtbare Feuer" Bereits in seiner Dissertation von 1766 hatte Mesmer analog zu Newton eine „gravitas animalis“ (lebendige Schwerkraft) postuliert, die er als eine „materia luminosa“ (leuchtende Materie) bezeichnete.73 Um das „Grundwesen" des magnetisierten Körpers zu veranschaulichen, benutzte Mesmer später die Metapher des „unsichtbaren Feuers“.74 An anderer Stelle sprach er auch von „Lebensfeuer“, ohne auf die Geschichte dieses Begriffes einzugehen, der in der frühneuzeitlichen Naturphilosophie insbesondere bei Paracelsus eine große Rolle spielte.75 Diese Ausdrücke illustrierten den theoretischen Kern und den praktischen Ansatz Mesmers am deutlichsten. Das „wirksame Grundwesen“ des tierischen Magnetismus werde durch ein „unsichtbares Feuer gesetzt, deshalb unsichtbar, da es keinem der gewöhnlichen Sinne fühlbar wird“. Die betreffenden Passagen zeigen die naturphilosophische Ausrichtung Mesmers. Sie beruhte auf der magia naturalis und integrierte zugleich die zeitgemäßen physiologischen Theorien und die neuesten technologischen Errungenschaften. „Dieses Feuer ist seinem Ursprung nach ein künstliches Produkt, welches ich in meinem Individuum hervorgerufen und auf gewisse Weise entflammt habe, indem ich die Einwirkungsmittel des Natur-Magnetismus bis zu dem Grad vereinigte und konzentrirte, daß dieses Feuer dadurch hervorgebracht werden konnte. Die erwägende Erfahrung hat es bewiesen, daß dieses so eingesetzte Grundwesen etwas von der Natur des Feuers habe, es ist keineswegs eine Substanz, sondern eine Bewegung, gleich dem Ton in der Luft, gleich dem Licht im Aether, in einer gewissen Reihe der Gesammtflut modifizirt. Jedoch diese Flut oder diese Reihe ist nicht die des gewöhnlichen Feuers, noch die des Lichts, noch die im Magnet und bei der Elektrizität beobachtete: sondern sie ist von einer Ordnung, welche alle an Feinheit und Beweglichkeit übertrifft.“76 Solche Spekulationen waren bereits vor Erfindung und Nutzung der künstlichen Elektrizität im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts schon vielfach angestellt worden. Der „Magnetismus“ diente als Schlüsselbegriff der magia naturalis, wobei besonders Athansius Kircher zu erwähnen wäre. Interessanterweise erschien 1723 die deutsche Übersetzung eines Buches über „magisch-magnetische Heilkunde“, das Ferdinand Santanelli, Medizinprofessor in Neapel, verfasst hatte. 77 Dieser antizipierte ein Stück weit die Mesmer’sche Lehre. Ob Mesmer eventuell direkt von Santanelli beeinflusst wurde, sei dahingestellt. In einem Schreiben vom 8. Mai 1723 hatte Santanelli sein Buch der Royal Society („Der hohen Königl. Englischen Gesellschaft!“) gewidmet. Er wollte die Magie als eine Naturwissenschaft verteidigen, gehe es doch um die „unbestreitbare Natürlichkeit und die Wirkungsweise der Magie“, wie er in der Überschrift zum zweiten Kapitel formulierte: „Daß es eine solche Wissenschaft gebe, daß sie natürlich sei und nach der einfachen Ordnung der Natur wirke, wird hoffentlich Niemand bestreiten“.78 Santanellis „einleitenden Sätze“ erinnern an Mesmers „Lehrsätze“ zur Fluidumtheorie.79 Der erste Satz stellte die fluidale Weltseele vor: „In der Welt existirt etwas allen Körpern Gemeinschaftliches, in welchem sie Bestand haben, und von dem sie beständig afficirt und durchdrungen werden; man nennt dasselbe im Allgemeinen Weltseele, und es ist das feinste geistige Fluidum, das alle Wirkungen leitet, die in der Welt stattfinden und zum Vorscheine kommen.“80 Der fünfte Satz beschrieb die geistige Feinheit der „Theilchen“: „Diese geistigen Theilchen stehen wegen ihrer außerordentlichen Feinheit und möglichsten Körperlosigkeit der vernünftigen Seele am nächsten, welche der wahre immaterielle, unsterbliche Geist ist, der den menschlichen Körpern vorsteht und sie regiret.“ Soweit Santanellis Antizipation der Idee des animalischen Magnetismus. Das „unsichtbare Feuer“ war für Mesmer die „tonische Bewegung“ schlechthin, die „sich mittheilen und alle beseelten und unbeseelten Körper, so zu sagen, entflammen“ könne. Mesmers Grundproblem ergab sich aus der Bestimmung des Verhältnisses von natürlichem (mineralischem) und tierischem (animalischem) Magnetismus, dem springenden Punkt seiner Theoriebildung. Mesmer bestimmte dieses Verhältnis zunächst analogisch. Die Analogie zwischen beiden wies zwei verschiedene Ebenen auf: Zum einen wurde der tierische Magnetismus mit dem natürlichen insofern gleichgesetzt, als beide als reale physikalische Wechselwirkungen begriffen wurden, unterschiedlich nur in ihrer „Feinheit“. Zum anderen aber diente der natürliche Magnetismus nur als Gleichnis, als Modellvorstellung für den tierischen, war von diesem kategorial unterschieden wie das „unsichtbare" Feuer vom sichtbaren. Jenes sei „keinem der gewöhnlichen Sinne fühlbar“, dieses dagegen direkt sinnlich wahrnehmbar. Die Kritiker und Feinde des Mesmerismus hätten sich, so Mesmers Vorwurf, immer nur an der zuerst genannten Ebene der Analogie festgemacht und den tierischen mit dem natürlichen Magnetismus „verwechselt“. Wenn er an dieser direkten Analogie gleichwohl festhielt, so wollte er die Realität des tierischen Magnetismus als unumstößliche Tatsache darstellen, an der keinerlei Zweifel bestand. Zu diesem Zwecke benutzte er die ihm geläufige Sprache der Naturwissenschaft und entwickelte sein System ganz im Dienste der Aufklärung, deren Denken er bereits als Student in Dillingen und Ingolstadt erfahren hatte.81 Der aufklärerische Charakter des Mesmer’schen „Systems“ ging anschaulich aus dem Verhältnis der beiden Hauptteile seiner Schrift hervor: „Physik“ und „Moral“. Der physikalische Teil sollte die Natur als Lehrmeisterin darstellen, von der man „den Plan einer allgemeinen Erziehung“ lernen könne, sodass man die Moral und insbesondere die „wahren Grundsätze der Erziehung [...] einzig und allein durch das Studium der Natur kennen lernen“ könne.82 Mesmer bestimmte jedoch das Verhältnis von tierischem und natürlichem Magnetismus nicht nur analogisch, wie oben dargelegt, sondern sah in Ersterem zugleich eine komplementäre Ergänzung unserer Lebenskraft. Unsere natürliche Lebenskraft könne nämlich, so Mesmers Annahme, durch eine künstliche gestärkt werden. „So wie [...] der natürliche Magnetismus das wahre Grundwesen unsrer Erhaltung ist, so ist der thierische Magnetismus, wohl geleitet, das allgemeine Mittel die gestörte Harmonie in allen möglichen Fällen wieder herzustellen. Auf diese Weise wird zugleich unter dem thierischen Magnetismus eine neue ärztliche Wissenschaft, oder die Kunst Krankheiten zu heilen und zu verhüten, verstanden.“ 83 Als Heilmittel des tierischen Magnetismus sah Mesmer jenes „unsichtbare Feuer“ an, das den verfestigten Körper, den Organismus im Zustand der Disharmonie, wieder in Bewegung bringe. Wir werden im Folgenden auf Mesmers Theorie und Praxis des Magnetisierens näher eingehen, wollen zuvor...



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