Schreyer | Der Feind im Haus | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 268 Seiten

Schreyer Der Feind im Haus

Roman
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96521-452-1
Verlag: EDITION digital
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 268 Seiten

ISBN: 978-3-96521-452-1
Verlag: EDITION digital
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Edgar Sörensen ist ein angesehener Journalist und Terrorexperte, und jetzt ist er Leiter des 'Hauptstadtstudios' und somit auch Chef seiner jungen Ehefrau. Die forscht in seinem Auftrag in Akten der Birthler-Behörde nach einem über vierzig Jahre zurückliegenden Spionagefall. Sie wird auf überraschende Weise fündig, auch wenn es andere Ergebnisse sind, als ihr Mann erwartete. Wolfgang Schreyers spannender, auf Tatsachen beruhender Roman zeigt das Innenleben der Geheimdienste und den heutigen Medienalltag.

Wolfgang Schreyer, geboren 1927 in Magdeburg. Oberschule, Flakhelfer, Soldat, US-Kriegsgefangenschaft bis 1946. Debütierte mit dem Kriminalroman "Großgarage Südwest" (1952), seitdem freischaffend, lebte bis zu seinem Tod im Jahre 2017 in Ahrenshoop. 1956 erhielt er den Heinrich-Mann-Preis für den Kriegsroman "Unternehmen Thunderstorm". Schreyer zählt zu den produktivsten und erfolgreichsten Autoren spannender Unterhaltungsliteratur in der DDR, schrieb Sachbücher, Szenarien für Funk und mehr als zwanzig Romane mit einer Gesamtauflage von 6 Millionen Exemplaren.

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EIN HAUCH VON ZWEIFEL Wenn Edgar Sörensen an all die kleinen Geplänkel mit Anja dachte, fiel ihm auf, wie leicht er sich immer durchsetzte. Und wie arglos er ihr Dinge verschwieg, die ihm unangenehm waren - wie sein '89er Ferienpraktikum bei der ARD in Ostberlin, das er abgebrochen hatte, als es brenzlig wurde. So was war auf die Dauer nicht gut für die Beziehung. Und er liebte doch seine Frau nicht nur im Bett, wie sie es ihm heimlich zu unterstellen schien. Er hielt ihre Zweisamkeit für recht geglückt. Es ging ja nie bloß um den äußeren Reiz, der schwand mit der Zeit, das musste die Anziehung nicht mindern. Auf ihn wirkten von Beginn an stets auch ihr Charme, das Denkvermögen. Tatsächlich, so fand er, sind es Intelligenz und Einfühlung, die ihn hinzogen zu ihr, damals wie heute. Dies beides nur macht einen auf Dauer attraktiv. Auch für Politiker galt das. Vorhin, an diesem 25. Mai 2010, hatte Roland Koch seinen Rücktritt verkündet, freundlich, frei von Zorn. Ohne sichtbare Bitternis der Abschied, um in die Wirtschaft zu gehen. Mit ihm tauchte der letzte prominente Mischling aus Härte und Wirtschaftsliberalismus ab, den rechten Flügel der CDU traf das schwer. Zwar gab es noch andere Konservative am Drücker. 'Ich bin konservativ', hatte Fraktionschef Volker Kauder im Sender getönt, 'Wolfgang Schäuble ist konservativ, Philipp Missfelder auch ...' Und im PR-Jargon hinzugefügt: 'Das christliche Menschenbild ist der Markenkern der Union!' Der Mann, ein durchsetzungsstarker Autist, traf leider selten den richtigen Ton. So selbstbezogen durfte man nicht sein, es schadete einem ja nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch ganz privat in der Partnerschaft. Dominanz war Gift für jede Beziehung. Schäuble übrigens war oft krank, wer würde ihn denn notfalls ersetzen? Merkel dachte wohl an de Maizière, es bot sich aber Hessens Ministerpräsident an, als stille Alternative. Bedrängt von den Rechten muss Merkel den Koch vielleicht nehmen, bei der fragilen Statik ihrer Kanzlerschaft. Dann wäre Kochs Schritt ein Rücktritt ins Amt gewesen - welch hübsche Pointe. Vom dunklen Seeufer drang Wellengemurmel an sein Ohr, dazu das Gequake der Frösche. Wenn man den Sumpf trockenlegen will, darf man die Frösche nicht fragen, hatte Koch gesagt. Merkels Umgebung dachte ungern an diesen Satz, so wie ihr sein Wort von der brutalstmöglichen Aufklärung des CDU-Spendenskandals peinlich im Gedächtnis war. Nein, die Kanzlerin brauchte keinen Minister, der zuspitzt, der abstößt und polarisiert. Das passte nicht zu der Volksberuhigung, die sie sich und dem Land verschrieben hatte. Derzeit tourte sie durch die Golfregion und hatte in puncto Koch nur matt reagiert. Zu ihm, Sörensen, passte es freilich gleichfalls nicht, sich mit derlei noch zu plagen. Gewöhnlich schon, jetzt aber kaum, jetzt sollte ihm all das gestohlen sein. Er knipste sogar sein Handy aus, damit kein Anruf, keine SMS ihn mehr behellige an diesem Abend. Heute jährte sich zum dritten Mal der Tag, an dem ihm Anja begegnet war, erst auf dem Bildschirm, dann ganz real. Den wollte er ungestört feiern mit ihr, das Datum würdig begehen. Eine Frau schätzt es, wenn man sich dessen erinnert und ihren Wunsch nach Romantik bedient. Sie will eben ab und zu umschwärmt sein, um zu spüren, dass sie einmalig ist und was das ihrem Mann bedeutet. Dafür ist sie dann geneigt, dem manch anderes zu verzeihen. Ja, er wird ihr unten beim Bootssteg ein Kerzenschein-Dinner bieten. In seinem Auftrag hatte das Personal dort festlich gedeckt und die Gartenmöbel hübsch platziert. Auf dem Tischtuch flammte ein üppiger Strauß roter Pfingstrosen, deren Blätter sich just entfalteten. Den hatte er eigens bestellt, waren es doch Anjas Lieblingsblumen. Die erinnerten sie an ihre Kindheit, an den Garten hinterm Haus ihrer Großeltern im Seebad Wustrow. Es rührte ihn, dass sie solche Blütenblätter einst gesammelt hatte, um den Duft in ihrer kleinen Schatzkiste zu bewahren, was nie so recht gelang. Im Schein der Bambusfackeln, die er nun entzündete, lag die Tafel prächtig vor ihm da. Leckere Platten mit Kaviar- und Lachshäppchen, garniert von Cocktailtomaten und Gurkenscheiben, die Käsespieße nebst all den bunten Früchten, dazu der leichte französische Rosé. Klaviermusik von der Chopin-CD krönte das Arrangement. Anja würde davon beglückt sein, wenn sie gleich herunterkam. Zweifellos, er schuldete ihr das, obschon er's nicht restlos verstand. Solch ein Streben nach Verklärung in der heutigen Zeit, das war Teil ihrer Psyche, es gehörte zum Geheimnis einer Frau, ihrem schillernden, stets etwas rätselhaften Reiz. Dabei war sie eigentlich doch ein zupackender Typ, das ging ihm schon damals auf, im Mai vor drei Jahren. Es hatte ihn schwer beeindruckt, wie sie fast unvorbereitet einsprang für Sabine Merbt, die ein Autocrash im Zentrum daran hinderte, den Interviewtermin im Schloss Bellevue wahrzunehmen. Und während Merbt noch in der Charité verarztet wurde, sprach Anja im Schlossgarten so locker und einfühlsam mit Horst Köhler, dass der im Volk weithin beliebte Bundespräsident die Scheu vor Fragen, zu denen man ihm nichts aufgeschrieben hatte, gänzlich verlor. Schon die Körpersprache Köhlers ließ erkennen, wie er sich diesmal wohlfühlte vor der Kamera.



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