Schroeder Der Blitz als Mordinstrument.
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-428-52940-7
Verlag: Duncker & Humblot
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Ein Streifzug durch 150 Jahre Strafrechtswissenschaft. Anhang: Die Genesis der Lehre von der objektiven Zurechnung
E-Book, Deutsch, 68 Seiten, Gewicht: 1 g
ISBN: 978-3-428-52940-7
Verlag: Duncker & Humblot
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Die Rechtswissenschaft besteht nicht nur aus Thesen und Theorien zur Systematisierung und Auslegung der Gesetzgebung. Sie entwirft auch ausgeklügelte Fälle, mit denen sie ihre Theorien belegt und konkurrierende Theorien herausfordert oder zu widerlegen sucht. Einige dieser Fälle sind unsterblich und - wie es scheint - um so unsterblicher, je lebensfremder sie sind.
Anhand eines solchen Falles, der die deutsche Strafrechtswissenschaft bereits seit 150 Jahren beschäftigt, zeigt F.-C. Schroeder die Entwicklung der Strafrechtswissenschaft in dieser Zeit auf. Scharfsinnige Analysen vermischen sich mit eher skurrilen Produkten der Wissenschaft. Der Streifzug lässt die beteiligten Wissenschaftler zu ihrem eigenen Wort kommen und spiegelt so auch den Wandel der Sprache der Wissenschaft wider.
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Occidere: causam mortis praestare
Conditio sine qua non
Die Regel des Lebens
Fehlender Vorsatz
Keine 'adäquate' Verursachung
Keine Berechenbarkeit
Der Traum vom Gewitter
Das Erbmotiv
Das Grundwasser
Romane und Dramen
Rechtsnormwidrigkeit als Erhöhung der Möglichkeit der Vereitelung des Normzwecks
Die Erbtante auf der Eisenbahn
Streit um den Vorsatz
Keine 'objektive Zurechnung'
Gesetzmäßige Bedingung
Keine 'Tatherrschaft'
Kein 'Vorstellungsbild' des Tötens
Keine 'Sozialadäquanz'
Diverses
Keine Täterschaft
'Lehrbuchkriminalität'
Neubelebung der Lehre von der objektiven Zurechnung
Blitz und Aids
Der Erbonkel als Täter
Resümee
Anhang: Die Genesis der Lehre von der objektiven Zurechnung
Der Blitz als Mordinstrument (S. 7-8)
Ein Streifzug durch 150 Jahre Strafrechtswissenschaft
Die Rechtswissenschaft besteht nicht nur in Thesen und Theorien zur Systematisierung und Auslegung der Gesetzgebung. Sie entwirft auch ausgeklügelte Fälle, mit denen sie ihre Theorien belegt und konkurrierende Theorien herausfordert oder zu widerlegen sucht. Einige dieser Fälle sind unsterblich und – wie es scheint – um so unsterblicher, je lebensfremder sie sind. Anhand eines solchen Falles, der die deutsche Strafrechtswissenschaft bereits seit 150 Jahren beschäftigt, möchte ich die Entwicklung der Strafrechtswissenschaft in dieser Zeit aufzeigen. Dabei will ich auch den Wandel der Sprache der Wissenschaft dartun und werde daher die beteiligten Wissenschaftler häufig zu ihrem eigenen Wort kommen lassen.
I. Occidere – causam mortis praestare
Im Jahre 1865 bildete ein „Professor Dr. Hugo Böhlau zu Rostock“ im „Archiv für Preußisches Strafrecht“ den Fall, daß jemand „bei einem heftigen Gewitter seinen Feind in einem Walde spaziren führt in der bestimmtesten Hoffnung, ein Blitz werde den Feind tödten“. Böhlau war vor allem durch eine Monographie über den Mordfall Rose-Rosahl1 bekannt geworden, der ebenfalls noch heute in keiner Vorlesung fehlen darf – aber ich kann hier nicht noch weiteren berühmten Strafrechtsfällen nachgehen. Mit seinem GewitterFall wollte Böhlau seinem Heidelberger Kollegen Ernst Immanuel Bekker zu Hilfe kommen.
Dieser hatte in einer vielbeachteten „Theorie des heutigen Deutschen Strafrechts“ die Straflosigkeit der Tötung eines Diebes durch eine Selbstschußanlage mit der zivilrechtlichen Lehre – es war die Zeit, in der die Wissenschaft des Zivilrechts alle anderen Disziplinen überstrahlte – von den unmöglichen Bedingungen zu begründen versucht. Der Tod des Eindringlings sei an eine widerrechtliche und damit unmögliche Bedingung geknüpft und deshalb dem Handelnden nicht zur Schuld zuzurechnen.
Nach Böhlau ist, wie er schon zum Fall Rose-Rosahl ausgeführt habe, auf den von den römischen Juristen zur lex Aquilia herausgearbeiteten Unterschied zwischen occidere und causam mortis praestare abzustellen. Böhlau greift zunächst zu Metaphern: „Wer seinenWillen, einen Andern zu tödten, nicht weiter verwirklicht, als daß er diesen Andern mit der Möglichkeit eines Unglücks in ein gleichsam nachbarliches Verhältniß, wer seinen Feind und die causa mortis dicht nebeneinander setzt, ist auch im Fall tödtliches Ausganges des ganzen Drama noch kein Mörder.
Nur der ist dies, welcher jene Nachbarschaft zu einer Vereinigung macht, die causa mortis aktuell auf den Feind applicirt.“ Das causam mortis praestare werde zum occidere, wenn diese Applikation eine notwendige sei. Notwendig sei der Erfolg einer Handlung aber nur, wenn er durch Gesetze bedingt sei. Nur das nach Gesetzen regelmäßig Eintretende könne durch menschliche Handlungen bewirkt werden. Wohl lasse sich die Absicht auf einen nicht gesetzlich notwendigen Erfolg, z. B. auf den Tod des Feindes, welchen man einem Gewitter exponiert, richten, bewirken lasse sich ein solcher Erfolg aber nicht.