Schütte-Lihotzky | Erinnerungen aus dem Widerstand | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Schütte-Lihotzky Erinnerungen aus dem Widerstand

Das kämpferische Leben einer Architektin von 1938-1945
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-85371-829-2
Verlag: Promedia
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Das kämpferische Leben einer Architektin von 1938-1945

E-Book, Deutsch, 200 Seiten

ISBN: 978-3-85371-829-2
Verlag: Promedia
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Margarete Schütte-Lihotzky war die erste Frau, die in Österreich Architektur studierte. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs schloss sie ihr Studium ab und widmete sich von da an dem sozialen Wohnbau. Mitte der 1920er-Jahre setzte sie mit der von ihr entwickelten Einbauküche, der "Frankfurter Küche", einen Markstein in der Architekturgeschichte. 1930 folgte sie einer Einladung in die Sowjetunion, wo sie sich sieben Jahre mit dem Bau sozialer Einrichtungen und Wohngebiete befasste. Über Paris und London gelangte sie nach Istanbul, wo sie auf der Universität unterrichtete und sich 1939 der illegalen Kommunistischen Partei Österreichs und dem Widerstand gegen Hitler anschloss. 1941 kehrte sie im politischen Auftrag in ihre Heimatstadt zurück, wurde aber nach nur wenigen Wochen von der Gestapo inhaftiert.

In ihren Erinnerungen beschreibt Schütte-Lihotzky die quälende Zeit in der Untersuchungshaft und ihren Prozess vor einem unmenschlichen Gericht, bei dem sie knapp mit dem Leben davon kam. Drei der fünf Angeklagten wurden zum Tode verurteilt, Schütte-Lithotzky nach dem Prozess in ein "Frauenzuchthaus" in das bayrische Dorf Aichach überstellt, wo sie bis zum Ende des Krieges überlebte.

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Widerstand in Zeiten des Terrors
Am Mittwoch, den 22. Jänner 1941 um halb 12 Uhr mittags treffen einander zwei Personen im Café Viktoria Ecke Währingerstraße Maria-Theresien-Straße in Wien. Margarete Schütte-Lihotzky, Mitglied einer Widerstandsgruppe in Istanbul und Erwin Puschmann, genannt »Gerber«, Leiter der kommunistischen Widerstandsbewegung unterhalten sich über die weiteren Aufgaben im Widerstand. Zwei verschlüsselte Adressen werden übergeben, »als plötzlich, wie dem Erdboden entsprungen, zwei Männer auf uns losstürzten.« (S. 50)1 Die beiden werden in die Gestapozentrale am Morzinplatz gebracht. In welches Land kehrte Margarete Schütte-Lihotzky 25 Tage zuvor, am 24. Dezember 1940, aus dem sicheren Istanbul nach Wien zurück? Am 12. März 1938 hatten deutsche Truppen die Grenze überschritten und holten Österreich »heim ins Reich«. Unter tosendem Applaus wurde die nationalsozialistische Kamarilla am 15. März in Wien gefeiert. Was für diese Anhänger und Mitläufer Grund zum Jubel war, bedeutete für Tausende und Abertausende das Todesurteil. Margarete Schütte-Lihotzky hat in Istanbul, wo sie seit 1938 arbeitete, mit einer Gruppe von Nazi-Gegnern und österreichischen und türkischen KommunistInnen Kontakt aufgenommen. Der Gruppe war sicherlich der Aufruf der Partei zum aktiven Widerstand bekannt. Ob die AktivistInnen sich aber das Ausmaß des nationalsozialistischen Terror-Apparats, der von Spitzeln durchsetzt war, vorstellen konnten? Es hätte vermutlich nichts genützt, Margarete Schütte-Lihotzky von der Rückkehr in ihre Heimat abzuhalten. Wird sie später gefragt, warum sie aus dem sicheren Ausland nach Wien gekommen ist, reagiert sie empört darüber, wie man eine solche Frage überhaupt stellen kann. Mit der Besetzung Österreichs am 12. März 1938 begann die Verfolgung der jüdischen BürgerInnen, die im Novemberpogrom 1938 ihren ersten Höhepunkt erreichte. Parallel zur rassistisch motivierten Verfolgung begann die Jagd auf Menschen, die im Verdacht standen, Gegner des Regimes zu sein. Gestapo, Sicherheitsdienst und SS sind bereits bestens informiert über ihre Gegner. Schon in den ersten Tagen nach dem Einmarsch der deutschen Truppen wurden etwa 70.000 Menschen verhaftet, ein Großteil von ihnen in Gefängnissen und Konzentrationslagern inhaftiert. Die Gestapo ist auch im Besitz einer Liste von etwa 1.000 Personen, die als KommunistInnen gelten. Bis zum Herbst 1938 wurden einige hundert Funktionäre der Partei, darunter die erste Organisationsleitung der Kommunistischen Partei Österreichs, verhaftet und zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt. Noch in der Nacht vom 11. zum 12. März 1938 formulierte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei in Prag als einzige politische Kraft den Aufruf zum aktiven Widerstand mit dem Ziel der Wiedererrichtung eines freien, unabhängigen Österreich. Das Flugblatt mit dem Aufruf wurde nach Österreich geschmuggelt und hier massenhaft verbreitet. Der mit enormem Einsatz geführte kommunistische Widerstand unterscheidet sich von dem anderer Gruppierungen aus mehreren Gründen: Durch den Aufruf zur Aktion, durch den patriotischen und politischen Charakter und durch den Umfang der Widerstandstätigkeit. 75% des organisierten Widerstands leisteten die KommunistInnen. Sie stellen auch die größte Gruppe der politisch Verfolgten: Von der Gesamtzahl der 5.348 Verurteilten sind 60% dem kommunistischen Widerstand zuzuordnen. Diesem Einsatz ist es zu verdanken, dass während der gesamten Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft die Existenz einer Opposition demonstriert werden konnte, über deren Ausmaß sich die Nationalsozialisten nie ganz im Klaren waren. Die Partei hatte schon seit Mai 1933 Übung in illegaler Tätigkeit, war am Februaraufstand 1934 beteiligt, und viele ihrer Mitglieder kämpften bis zur Niederlage 1939 an der Seite der spanischen Republik. Parteimitglieder verstanden sich als Teil einer weltweiten Bewegung zur Bekämpfung von Krieg und Faschismus. Diese Überzeugung und der Wunsch, etwas zu diesem Kampf beizutragen, kommt in vielen Äußerungen von Margarete Schütte-Lihotzky zum Ausdruck und hilft ihr, Gefängnis und Zuchthaus zu ertragen und zu überleben. Das im Exil agierende Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Österreichs stellte sich die Aufgabe, den Widerstand zu koordinieren und strategisch zu steuern. Es galt, den Informationsfluss zu den AktivistInnen und innerhalb derselben zu gestalten, Aktionen zu planen und den Kreis der AntifaschistInnen zu erweitern. Die Nazis verstanden es, durch eingeschleuste Spitzel die kommunistischen Zellen immer wieder aufzurollen. Ein einziger Spitzel in einer vernetzten, zentral geführten Organisation konnte zum Auffliegen Hunderter WiderstandskämpferInnen führen. Was auch geschah. Nach der Eliminierung der ersten Leitung im Zuge einer Verhaftungswelle im Spätherbst 1938 wurde versucht, eine zweite Leitung zu installieren. Ein Funktionär reiste aus dem Ausland ein, um die zerrissenen Verbindungen neu zu knüpfen und den Informationsfluss wieder in Gang zu bringen. Es war aber auch klar geworden, dass die Partei andere Formen der Aktion und Organisation brauchte. Ab Juli 1939 wurde eine Dezentralisierung eingeleitet. Mit der Parole »Du bist die Partei« wurde stärker auf die Selbstermächtigung der Genossinnen und Genossen gesetzt, und die Regeln der Konspiration wurden verschärft: Keine Aktivistin und kein Aktivist sollten mehr als zwei andere kennen und Aktivitäten selbständig planen und durchführen. Der Leiter oder die Leiterin sollte sich einen Überblick verschaffen, die Gruppen beraten und Kontakt zum Zentralkomitee im Ausland halten. Die Folge der Dezentralisierung war, dass die Verhaftungswelle vom Sommer 1939 die Strukturen nicht mehr im selben Ausmaß zerstören konnte wie die vorherige. Ein neuerlicher Versuch, eine Leitung aufzubauen, wurde im Oktober 1940 gestartet. Erwin Puschmann, »Gerber«, der Kontaktmann für Margarete Schütte-Lihotzky in Wien, traf aus Bratislava ein, einem wichtigen Zentrum der Partei als Anlaufstelle für die Verbindung nach Österreich. Zusammen mit zwei anderen Genossen gelang es ihm, in Wien bereits abgerissene Verbindungen wiederherzustellen und den Widerstandskampf erneut zu organisieren. Es gelang auch, Kontakte zu zahlreichen Betrieben in Floridsdorf und Favoriten aufzubauen. Sie erstreckten sich bis ins niederösterreichische Industriegebiet und zu einer Eisenbahnergruppe in St. Pölten. Neben der sogenannten »Betriebsarbeit«, vor allem zum Zweck der Sabotage, bestanden die Widerstandstätigkeiten in der Herstellung und Verbreitung von Druckwerken – unzählige Streuzettel, Flugblätter und Zeitschriften wurden hergestellt und verbreitet –, im Schmieren von Parolen im öffentlichen Raum, in Briefen an Soldaten, um sie über den Charakter des Krieges aufzuklären, in der Unterstützung politischer Gefangener und schließlich im Kampf mit der Waffe als PartisanInnen. Der Terror der Nationalsozialisten hatte sich vor allem seit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 weiter verschärft. Nicht nur für aktive Regimegegner wird es nun lebensgefährlich. Der Terror richtet sich auch gegen Menschen, die nur abfällige Bemerkungen über das Regime machen, Kriegsgefangenen mit einem Stück Brot helfen oder »Feindsender« hören. Sie haben mit mehrjährigen Zuchthausstrafen zu rechnen, je länger der Krieg dauert für die geringsten Vergehen auch mit dem Todesurteil. Vor allem das Abhören von BBC und Radio Moskau war eine wichtige Informationsquelle für Nachrichten, die schriftlich oder mündlich weitergegeben wurden. Viele KommunistInnen wurden auch wegen solcher Delikte verurteilt. Eine wichtige Funktion für den Widerstand kam den Stützpunkten im Ausland zu. Sie waren unbedingt erforderlich, um Informationen über die Vorgänge in der Welt und Berichte über die Arbeit der oppositionellen Kräfte in den einzelnen Ländern zu sammeln und zu analysieren, da die illegal arbeitenden Widerstandsgruppen aus konspirativen Gründen nur einen kleinen Teil der Aktivitäten der Opposition überblicken konnten. Die Verbindungsstellen im Ausland leisteten auch materielle und logistische Hilfe – sie waren Anlaufstelle für Gefährdete, sie stellten Informationsmaterial her, sie betrieben illegale Sender, über die Nachrichten an die Landesstellen weitergegeben werden konnten. Eine dieser Verbindungsstellen war in Istanbul. Verbindungsleute wie MSL reisten zur Unterstützung des Widerstandes ins Land. Wie man Kommunistin wird
Für die sozial engagierte Architektin und politisch denkende Frau ist der Schritt zu einer radikalen politischen Organisation, die bereits unmittelbar nach der Okkupation Österreichs zum aktiven Widerstand aufgerufen hatte, kein besonders großer. Der politische Mensch und der Berufsmensch Margarete Schütte-Lihotzky gehörten immer zusammen. Aus der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, der sie 1923 beigetreten war, ist sie 1927 aus Enttäuschung über die Reaktion der Partei auf die Streiks und Protestaktionen ausgetreten, die im Zusammenhang mit der sogenannten Julirevolte zu Massakern vor dem Justizpalast geführt haben. Am Widerstand teilzunehmen, entspricht ihren Einsichten über das Wesen des Faschismus und ihrer Überzeugung, dass man etwas zum Sturz des Nazi-Regimes beitragen muss. Schon in der Zeit ihres Aufenthalts in Moskau zwischen 1930 und 1937 nimmt sie an politischen Kursen teil und holt sich noch vor ihrer Abreise Ratschläge, wie sie in den Ländern, in denen sie Arbeit zu finden hofft, Verbindung mit der Widerstandsbewegung aufnehmen kann. In London trifft sie österreichische EmigrantInnen, die der Partei nahe stehen, in Paris berät sie sich mit einem Kommunisten und...


Margarete Schütte-Lihotzky, geboren 1897 in Wien, war die wohl bekannteste Architektin Österreichs und gehörte zu den Repräsentanten des "Neuen Bauens". Zwischen den Kriegen plante sie für die Wiener Siedlerbewegung, das Neue Frankfurt und für Städte in der Sowjetunion. In der Türkei schloss sie sich dem österreichischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus an, kehrte nach Österreich - die damalige "Ostmark" - zurück und wurde verhaftet. Nur knapp entging sie dem Todesurteil und blieb bis 1945 in Haft. In der Zeit nach dem Krieg erhielt sie als Kommunistin keine öffentlichen Bauaufträge in Wien. Erst spät wurde ihr eine Anerkennung von offiziellen Stellen zuteil, unter anderem mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich zu ihrem 100. Geburtstag 1997. Margarete Schütte-Lihotzky verstarb im Jahr 2000 im Alter von 102 Jahren und erhielt ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.



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