E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Schütze Was fühlst du? Was fühle ich?
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-96121-571-3
Verlag: mvg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kinder-Gefühle gemeinsam erkunden und verstehen. Das Mitfühlbuch für Eltern und Kinder
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-96121-571-3
Verlag: mvg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Überschäumende Freude, Trotz, Wutanfälle: Sobald sich bei einem Kind die verschiedensten Emotionen entwickeln, ist das für jede Familie eine spannende, aber auch anstrengende Reise. Andrea Schütze, erfolgreiche Kinderbuchautorin und Psychologin, weiß, was wirklich hilft: darüber reden! Denn je besser Kinder ihre Gefühle wahrnehmen und äußern, desto ausgeglichener können sie mit ihnen umgehen.
Mit ihren Mitfühl-Geschichten werden Gefühle für Kinder lebendig und erfahrbar. Da ist zum Beispiel Nitzelpritz Neidgewürz, der wüste Spuren des Neids hinterlässt. Oder Freddie, der sich mit der Hilfe seines Opas dem Monster Grilönde stellt und damit seine Angst besiegt. Andrea Schütze vermittelt fundiert ihr Wissen rund um das Thema Emotionen und schafft mit ihrem besonderen Gespür für Geschichten eine vertrauensvolle Atmosphäre für die ganze Familie.
Mit diesem unterhaltsamen Mitmachbuch gelingt es Eltern auf kreative und entspannte Weise, dem eigenen Kind zu helfen, Gefühle leichter zu verarbeiten.
»Das Sprechen über Gefühle ist immens wichtig für die gesunde Entwicklung von Gehirnfunktionen, die uns als Menschen einzigartig machen. Andrea Schütze bietet mit ihren unfassbar charmanten Geschichten eine wunderbare Grundlage – da können sogar die Eltern noch was lernen!«
Prof. Peter Vajkoczy, Direktor der Klinik für Neurochirurgie (Charité Berlin)
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
ANGST
»DIE ANGST IST DIE ANDERE HÄLFTE VON MUT.«
REINHOLD MESSNER »AUCH DER STÄRKSTE MANN SCHAUT EINMAL UNTERS BETT«, WUSSTE SCHON ERICH KÄSTNER, ABER ER SAGTE AUCH: »WER KEINE ANGST HAT, HAT KEINE FA NTASIE.« »ES GIBT KEINE SEELENANGST, BIS MAN KINDER HAT.«
UNBEKANNT Angst hat viele Facetten. Angst hat man vor und wegen etwas, aus bestimmten, nachvollziehbaren Gründen, aus unbestimmten, hanebüchenen Gründen, oder auch völlig unbegründet. Mal ist die Bedrohung real, mal eingebildet, mal irgendwas dazwischen. Angst ist nicht proportional zur Körpergröße, zum Alter oder zur Intelligenz, Angst ist nicht proportional zu irgendetwas, sie wächst sich nicht aus, ist unberechenbar, unkalkulierbar und lähmend. Angst wirkt herzquetschend und luftabschnürend, sie kann uns panisch machen und den Lebensmut nehmen. Angst ist diffus oder spezifisch, sie ist veränderlich oder konstant, sie kann uns permanent begleiten oder von hinten überfallen, sie kann sich anschleichen und sich, wenn es ihr bei uns gefällt (wobei Angst das Gegenteil von wählerisch ist), sogar für lange Jahre oder auch für ein ganzes Leben lang einnisten. Und dann sitzt sie da, auf unserem Seelensofa, diese Horror-Mietnomadin, und lässt sich von uns füttern, jamm, jamm, schlurps … Ja, Angst ist ein sehr, sehr fieses Gefühl. Dabei entsteht die Emotion Angst zunächst relativ schematisch und nachvollziehbar auf körperlicher Ebene. Umstürzenden Dominosteinen gleich, greifen verschiedene Komponenten ineinander: Unsere Sinnesorgane hören, schmecken, sehen, spüren oder riechen etwas Beängstigendes, die Großhirnrinde startet ihren relativ störanfälligen Interpretationsversuch und sendet erst mal sicherheitshalber: Gefahr! Das limbische System, genauer gesagt die Amygdala, die bereits im Wut-Kapitel ihren Auftritt hatte, zuständig für Gefühle und Meisterin der Delegation, informiert den Hypothalamus, er möge doch bitte das volle Programm abspulen: Ausschüttung von Adrenalin, Noradrenalin, Kortisol und Kortison in rauen Mengen, außerdem Aktivierung des vegetativen Nervensystems mit seinen beiden Gegenspielern Sympathikus und Parasympathikus. Ganz im Gegensatz zu seinem knuffigen Namen verfolgt ersterer jedoch ein knallhartes Ziel: Den Körper auf Flucht oder Kampf vorzubereiten. Nehmen wir also an, Ihnen, als vielleicht eher nicht zahlenaffinem Mitmenschen, wird von höchster, offizieller Stelle unverhofft angetragen, nochmals die Mathe-Abschlussprüfung ablegen zu müssen. In drei Tagen, weil sonst alles, was Sie danach im Leben erreicht haben, für null und nichtig erklärt werden würde. Ups? Gar nicht gut! Da erhöht sich doch sofort mal Ihr Herzschlag, der Blutdruck steigt an, die Zunge klebt an Ihrem Gaumen und unter Ihren Achseln wird es feucht. Ich vermute mal, entweder machen Sie sich jetzt einfach aus dem Staub, oder Sie versuchen, den Überbringer dieser Horrornachricht panisch, hektisch, nervös und aufgeregt davon zu überzeugen, dass da bestimmt ein Missverständnis vorliegt und Sie doch bereits ein Abschlusszeugnis bekommen haben und inzwischen schon beim Grundschulrechnen in Schwierigkeiten kämen und so weiter … Wie würde es weitergehen? Wenn Sie zu den eher schreckhafteren Menschen gehören, würden Sie sich wahrscheinlich unter die Regie des Parasympathikus begeben, der nun versucht, auf Biegen und Brechen den Aufruhr, den der Sympathikus mit Ihnen veranstaltet, wieder in ruhigere Bahnen zu lenken. Der Parasympathikus würde Sie in eine Schockstarre versetzen, Sie bekämen weiche Knie und müssten ultradringend auf die Toilette. Ihnen wird schwindlig, Sie werden rot, fangen vor Verzweiflung an zu weinen, würden am liebsten in Ohnmacht fallen und dergleichen Ungemach mehr. Als kämpferischer Typ allerdings würden Sie dem dubiosen Fake-Behörden-Heini einfach eins auf die Mütze geben, und die Sache wäre geklärt. Trotzdem: Weshalb das alles? Schließlich haben Sie die Schule irgendwie hinter sich gebracht und können ganz sicher sein, dass niemand von Ihnen eine Wiederholung verlangen wird und alles bloß ein böser Albtraum war, aus dem Sie morgens mit einem Gemisch aus Erleichterung und mieser Laune erwachen (wobei meine »Kinder, ich hatte wieder den Mathe-Traum«-Erzählungen mittlerweile schon eine Art tragischen Kultstatus erreicht haben). »Erhaltung der eigenen Unversehrtheit« ist der Schlüsselbegriff. Die Evolution hat, vielen Dank, ganze Arbeit geleistet: Was dem Steinzeitmenschen Mammuts, Höhlenbären und Säbelzahnkatzen waren, sind uns die vielfältigen Herausforderungen unseres ganz persönlichen Lebens. Sie können punktuell auftauchen, zum Beispiel schwerwiegende negative Lebensereignisse wie Arbeitslosigkeit, Trennung, Scheidung, Krankheit, Trauer. Oder sie können permanent vorhanden sein: Überforderung, Zeitdruck, finanzielle Schwierigkeiten, Mobbing. Schlimmstenfalls natürlich auch beides. In der Folge entwickelt in den westlichen Industrienationen jeder Siebte irgendwann einmal eine Angststörung, weil die überlebenswichtige Fight-or-Flight-Funktion der Angst sich verselbständigt und selbst zum unerbittlichen Gegner wird. Wie lässt sich das erklären? Anhand einer Vielzahl von Modellen wird versucht, die unterschiedlichen Zusammenhänge bei der Genese von Ängsten verstehbar zu machen: Neurobiologisch gesehen ist es zum Beispiel ein Unterschied, ob Ihre genetische Veranlagung Sie mit einer entsprechenden Vulnerabilität ausgestattet hat, die Sie auf bestimmte Situationen und Reize per se anfälliger reagieren lässt als lässigere Mitbürger. Zudem ist es möglich, dass Ihr Körper eine bestimmte Konzentration einer speziellen Sorte von Neurotransmittern aufweist, die als Botenstoffe fungieren und bei der Entstehung von Angst eine wichtige Rolle spielen. Und dann, zack, ist es passiert, und Sie zählen zur Kategorie »Mutter der Porzellankiste« und nicht zur »Elefant im Porzellanladen«-Fraktion. Ängste können aber auch erlernt werden. Hierbei löst ein an sich neutraler Reiz (der Chlorgeruch im Schwimmbad) zusammen mit einem traumatischen Erlebnis (als Kind beinahe ertrunken oder untergetaucht worden) immer wieder von Neuem Furcht aus, weil uns die realistische Einschätzung der tatsächlich vorhandenen Gefahr im Hier und Jetzt einfach nicht gelingen will. Eine solche erlernte Angst weitet sich ratzfatz zusätzlich auch auf andere Bade-Situationen (Meer, Baggersee) aus. Zunächst stellt sich, durch Vermeidung der angstauslösenden Situation, eine fröhlich-beschwingte Erleichterung ein. Am Beispiel Flugangst lässt sich das wunderbar klar erkennen. Fliegen? Nein, da fährt doch bestimmt auch ein Zug hin … Doch Angst wäre nicht Angst, wenn sich die ganze Sache damit erledigt hätte. In den meisten Fällen führt eine Vermeidungsstrategie nämlich zu einem nicht unerheblichen Folgeproblem: Die Angst bleibt langfristig, weil man sich eben nicht vom Gegenteil bzw. der relativen Gefahrlosigkeit der Situation überzeugt und somit seiner Angst einen Riegel vorgeschoben hat. Was – das ist zumindest meine Meinung zum Thema Flugangst – aber eigentlich total wurscht ist, solange es andere (statistisch um ein Vielfaches gefährlichere) Methoden gibt, um von A nach B zu gelangen. Da auch das Lernen am Modell eine große Rolle zu spielen scheint, sollten Sie sich allerdings, beispielsweise beim Bestehen einer Arachnophobie, schon früh im Nach-innen-Kreischen üben, damit Sie diese oder ähnliche spezifische, also auf ein konkretes Objekt bezogene, Ängste schon mal nicht in Ihr Kind pflanzen. Es gibt jedoch auch Studien, in denen das genaue Gegenteil beschrieben wird. Bei für heutige und hiesige Verhältnisse unangebrachten Phobien vor potentiell gefährlichen Tieren, Gewittern oder Geräuschen sprechen diese von angeborenen Urängsten, die entweder da sind oder eben nicht, egal, welches Vorbild Sie abgeben. Interessant ist, dass die Ursache von Angst vor Spinnen und ähnlichem Getier in unseren Breitengraden nach wie vor unklar ist. Die irgendwie vonstattengegangene Programmierung auf »Ekeltier« scheint bis dato nicht zufriedenstellend erklärbar, und das gilt mehr oder weniger ebenso für die über fünfhundert wissenschaftlich anerkannten Phobien, die man in Medizin und Psychologie kategorisiert hat. Da aber die Furcht vor sehr gefährlichen Tieren über die Jahrhunderte weitervererbt wird, geht man auch bei spezifischen Tierphobien von dieser Prägung aus. Sie können also doch kreischen, schätze ich mal, denn offensichtlich widerspreche ich mir mit den Erklärmodellen gerade selbst. Aber das macht nichts, denn das ist genau der Punkt, wenn es um GEFÜHLE geht, gibt es einfach kein Schwarz-Weiß. Eine viel größere Rolle spielt es, durch welche Gefahrenbrille Sie die Welt generell sehen. Haben Sie oft das Gefühl oder eine Vorahnung, dass etwas passieren könnte, katapultieren Sie sich schnell in die Rolle des machtlosen Opfers und werden immer sorgenvoller und verzagter? Je mehr Sorgen Sie sich machen, desto mehr Angstreaktionen aktivieren Sie – so halten Sie das Angstzentrum ungewollt in ständiger Alarmbereitschaft, denn der Mensch hält unbewusst eher nach Belegen Ausschau, die den negativen Eindruck bestätigen, als dass er versucht, sich aktiv von der Ungefährlichkeit zu überzeugen. Außer natürlich Sie haben eine gute Therapeutin, die mit Ihnen beispielsweise bei Höhen- oder Fahrstuhlangst gnadenlos genau das provoziert und eine verhaltenstherapeutische Konfrontation durchführt, indem sie Sie auf die Aussichtsplattform von extrem hohen Gebäuden stellt (Jeddah Tower, über einen Kilometer hoch), Sie die längsten Aufzüge der Welt fahren lässt oder beides direkt hintereinander veranstaltet (Shanghai Tower, 119 Stockwerke...