Seidemann | Pia und die Graffiti-Geister | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 81 Seiten

Seidemann Pia und die Graffiti-Geister


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-95655-162-8
Verlag: EDITION digital
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

E-Book, Deutsch, 81 Seiten

ISBN: 978-3-95655-162-8
Verlag: EDITION digital
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Pia versteht die Welt nicht mehr. Ihr Bruder Patrick liegt mit gebrochenem Bein im Krankenhaus und - schlimmer noch: Patrick soll eine echte Straftat begangen haben! Das behauptet jedenfalls Wachtmeister Kröber. Angeblich hat Patrick die Friedhofsmauer mit Graffiti-Geistern verunziert. Als Pia der Sache nachgehen will, geschieht das Unglaubliche: Die Graffiti-Geister werden lebendig und steigen munter von der Mauer herab ... INHALT: Ein Polizist steht vor der Tür Patrick redet irre und Pia lügt Drei Freunde schmieden einen Plan Ein Bild macht sich selbstständig Der Major spielt nicht mit Der japanische Reporter wittert eine Story Herr Asmund gibt ein Interview Patrick wird ein Star Sieben Dosen aus dem Dragon-Shop

Maria Seidemann wurde 1944 auf einem Güterbahnhof in Engelsdorf bei Leipzig geboren, lebte vier Jahrzehnte in Potsdam und ist am 7. September 2010 verstorben. Sie war Historikerin und Archivarin, studierte außerdem am Leipziger Literaturinstitut und an der Potsdamer Filmhochschule. Seit 1974 arbeitete sie als freie Autorin und schrieb Romane, Erzählungen, Drehbücher, Hörspiele, Lyrik, Kinderbücher... Ihre Bücher geben besser über sie Auskunft, als diese mageren Zeilen. Auszeichnungen (Auswahl): 1982 Debütpreis des Schriftstellerverbandes der DDR 1986 Theodor-Fontane-Preis 1987 Alex-Wedding-Preis der Akademie der Künste 1988 Internationaler Hörspielpreis Terre des Hommes 1991 Buxtehuder Bulle 1998 Ehm-Welk-Literaturpreis 1992 Stipendium der Stiftung Preußische Seehandlung 1996 und 1999 Stipendium des Kultusministeriums Brandenburg 2002 Stipendium des Sächsischen Staatsministeriums

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Da sahen wir einen Polizeiwagen um die Ecke biegen. Wir duckten uns hinter die Büsche - wenn uns ein Polizist hier entdeckte, hielt er womöglich uns für die Sprayer! Das Auto bremste scharf, Kröber sprang mit Eimer und Rolle heraus und hechelte die Friedhofstreppe hinauf. In Windeseile überstrich er das Mauerfeld mit weißer Farbe, stieg wieder in den Wagen und fuhr weg. Er hatte nicht mal den Motor ausgemacht. Verdutzt schauten wir dem Wagen hinterher. Plötzlich stammelte Asse: »Da - da - an der Wand ...« Wir blieben wie angefroren mitten auf der Treppe stehen. An der frisch getünchten Mauer strahlte das Bild genauso bunt wie vorher - als wäre Kröber nicht eben mit dem Farbeimer da gewesen. Und wie wir so standen und starrten, stiegen die Punker-Lady, der schwarze Zorro und der Leuchtende Wolf in aller Ruhe von der Mauer und spazierten durch das Tor auf den Friedhof. »Ha-habt ihr das gesehen?«, flüsterte Asse zitternd. Und Matti sagte: »So was gibt's doch gar nicht. Wir träumen, oder?« Mir war es egal, ob wir träumten oder nicht. »Wir müssen hinterher, sofort!« Meine Stimme klang ganz heiser. Mit unsicheren Schritten betraten wir den Friedhof. Hinter uns schloss sich quietschend das Eisentor. Unter den großen Bäumen war es schon ziemlich dunkel. »Wo sind sie?«, fragte Matti leise. Im Schatten der Hecke schlichen wir durch die Mittelallee. Von der alten Gruft an der hinteren Mauer kam ein grünlicher Lichtschein, wie von einer Lampe mit grünem Schirm. Zögernd gingen wir noch ein paar Meter und dann blieben wir alle drei gleichzeitig stehen. Wir sahen etwas ganz und gar Unglaubliches. Die Graffiti-Wesen saßen um eine große Grabplatte wie um einen Tisch. Obwohl es jetzt völlig dunkel war, konnten wir alles genau sehen, denn der Wolf leuchtete wie eine Lampe. Zorro griff zwischen die Efeuranken und holte etwas heraus, das wie Colabüchsen aussah. Er verteilte die Büchsen. Alle drei nahmen ein paar kräftige Schlucke daraus. Und während sie tranken, veränderte sich ihr Aussehen: Die Stachelfrisur der Lady wurde noch grüner, die rote Farbe ihres Kleides noch feuriger. Der Wolf leuchtete heller und das Schwarz von Zorros Anzug, Hut und Augen wurde so finster, dass die Dunkelheit ringsum richtig freundlich dagegen wirkte. Plötzlich wusste ich, was die Graffiti-Wesen getrunken hatten. »Die Farbdosen!«, flüsterte ich. Aber niemand antwortete. Ich drehte mich um und merkte, dass ich ganz allein mit den Wesen auf dem Friedhof war. Matti und Asse hatten sich verkrümelt. Die Graffiti-Figuren versteckten die Dosen wieder, die Punker-Lady holte ein Kartenspiel aus ihrer Tasche und begann zu mischen. Der Wolf reckte sich und gähnte, dabei stieg aus seinem Maul eine flimmernde hellgrüne Wolke. Ich fand, das war der richtige Augenblick, um mich zum Friedhofstor zurückzuziehen. Ehrlich gesagt zog ich mich ziemlich schnell zurück. Ich rannte wie ein Weltmeister. Asse und Matti hockten bibbernd draußen vor der Mauer. »Seid ihr wahnsinnig geworden?«, keuchte ich atemlos. »Lasst mich dort alleine hängen!« »Sind sie noch da?«, fragte Asse. »Die spielen Karten!«, sagte ich. »Und trinken aus den Farbdosen!« »Wenn die Dosen noch da sind«, sagte Matti, »hättest du sie doch gleich mitbringen können!« Ich schnaufte nur verächtlich. »Das glaubt uns keiner«, murmelte Asse. »Nie im Leben! Was machen wir jetzt?«



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