Seifert / Plange | "Ich habe Nanobomben unter der Haut!" | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Seifert / Plange "Ich habe Nanobomben unter der Haut!"

Der ganz normale Wahnsinn aus der Notrufzentrale 112
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7453-0629-3
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Der ganz normale Wahnsinn aus der Notrufzentrale 112

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

ISBN: 978-3-7453-0629-3
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Wer dringend Hilfe braucht, wählt die 112 – die Nummer für den Rettungsdienst und die Feuerwehr. Und das geschieht in den ungewöhnlichsten Situationen. So erscheint es einer 85-Jährigen schon mal als Notfall, wenn es ihr im Schlafzimmer zu warm ist und sie nicht weiß, wie man die Heizung runterdreht. Oder ein fehlerhafter Herzschrittmacher sendet plötzlich Elektroschocks aus, die den Patienten fast umbringen.

Von der Katze Lissy, zu deren Rettung aus dem Baum Dutzende Feuerwehrmänner mit schwerem Gerät im Wert von Zigmillionen Euro anrücken, über einen Kellerbrand mit Reptilien-Überraschung bis zu einer verletzten Frau, die im Wald zu erfrieren droht und von den Männern der Notrufzentrale binnen Stunden gefunden werden muss – Christian Seifert hat in seinem Berufsalltag bei der 112 alles erlebt. Die dramatischsten und kuriosesten Geschichten sind in diesem Band versammelt.

*Dieses Buch ist eine überarbeitete Neuausgabe des Titels Notruf 112.*

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Absolut tierisch
Die Tiere haben es bekanntlich nicht so einfach mit den Menschen. Das schlägt sich auch in unserer täglichen Arbeit nieder. Sie können sich wahrscheinlich kaum vorstellen, wie oft wir Feuerwehrleute uns vor und für die lieben Tiere zum Affen machen – sei es, um sie vor den Menschen oder auch die Menschen vor ihnen zu retten. Wir rennen mit Netzen, Kisten und Stangen hinter Waschbären, Würgeschlangen, Füchsen, Leguanen, Hasen, Skorpionen, Dachsen, Wildsäuen, Tauben, Vogelspinnen und Schwänen her. Wir retten ertrinkende Rehe, verwaiste Baby-Eichhörnchen und abgestürzte Fledermäuse. Wir graben jagdwütige Dackel aus metertiefen Kaninchenbauten, stellen gestrauchelte Elefantenmädchen wieder auf die Beine und schneiden eingeklemmte Hunde aus Gittertoren. Und es gibt eine ganze Reihe überaus peinlicher Pressefotos von Feuerwehrleuten, die kläglich an der Aufgabe scheiterten, in annehmbarer Zeit zehn panisch herumrasende Entenküken einzufangen. Wir tun das alles gern, weil wir wissen, dass der Dienst am Tier immer auch ein Dienst am Menschen ist. Weil viele von uns selbst Tiere haben. Weil die Bürger uns für unsere Tierliebe lieben. Und auch weil wir nicht so blöd sind, uns mit Tierfreunden anzulegen. Obwohl es zuweilen Fälle gibt, bei denen sich selbst der größte Tierfreund unter uns ans Hirn fasst. Also jetzt mal ehrlich, Freunde: Habt ihr jemals ein Katzenskelett im Baum sitzen sehen? Nein? Ich auch nicht. Weil die meisten Katzen nämlich ohne Weiteres allein vom Baum herabsteigen könnten. Wenn sie wollten. Sie wollen es aber nicht, wenn unter der Kastanie das hysterisch schluchzende Frauchen, umringt von 20 fremden Menschen, steht und dann auch noch blau gekleidete Männer mit roten Leitern anrücken. Da würde ich ja auch lieber erst mal auf meinem sicheren Ast sitzen bleiben. Nun ja. Egal. Des Bürgers kleiner Freund ist in Not und wir kommen – zum Beispiel zu … Katze Sissy
Man sollte meinen, dass die Eskapaden eines kleinen Kätzchens nicht gerade eine Herausforderung für eine Großstadtfeuerwehr darstellen. Das dachte ich auch – bis mir die Katze Sissy begegnete. Ein erst vier Monate altes, zartes Tierchen, das es schon damals allerdings faustdick hinter den rot getigerten Öhrchen hatte, wie sich schnell erweisen sollte. In einer lauen Herbstnacht kaperte das Katzenkind im Stadtteil Fasangarten eine 25 Meter hohe Eiche – und kam nicht mehr herunter. Geschlagene vier Stunden harrte Frauchen unter dem Baum aus und lockte mit allem, was gut und teuer und nach Katzengeschmack ist. Doch Sissy blieb standhaft. Wer hilft in diesem Fall? Na klar, die Feuerwehr. Weil Tierrettungen dieser Art in der Nacht zu gefährlich sind, warteten wir bis zum Morgengrauen. Im ersten Licht schickte ich dann unsere kleinste Drehleiter los. Die altbewährte DL 16-4 – im günstigsten Falle hoch genug, um 16 Meter in die Höhe zu steigen. Diese Leiter ist überaus wendig und zum Beispiel gut geeignet für enge Hinterhöfe. Aber leider nicht hoch genug für Sissys Baum. Also Kommando zurück. Damit wurde das Kätzchen ein Fall für unsere Höhenretter. Acht Mann rückten nun aus mit zwei Fahrzeugen und einer kompletten Bergausrüstung, so ziemlich ausreichend für die Besteigung eines Achttausenders. Aber nicht ausreichend für Sissy. Das kleine Biest hatte sich nämlich mittlerweile auf die dünnen äußeren Äste verzogen. Die tragen gerade noch ein Kätzchen, aber natürlich keinen Mann. Mist! In der Zwischenzeit hatte sich unter der Eiche bereits die halbe Siedlung eingefunden. Und die Münchner Berufsfeuerwehr steuerte unaufhaltsam dem Gipfel der Lächerlichkeit entgegen … Der Einsatzleiter der Höhenretter erwog kurzfristig den Einsatz der Hubrettungsbühne. Das ist unser derzeit längstes und teuerstes Rettungsgerät mit einer Plattform, die sich bis zu 53 Meter in die Höhe fahren lässt – konstruiert für Rettungen aus Hochhäusern, höher als die meisten großen Fahrgeschäfte auf dem Oktoberfest. Aber natürlich – man ahnt es schon: Auch die Hubrettungsbühne hätte Sissy nicht erreicht. Die nämlich hatte sich jetzt in das tiefste Innerste des Blätterdaches verkrochen. Darum entschieden sich die Kollegen für unseren 50-Tonnen-Kran, der vom anderen Ende der Stadt anrückte – nunmehr begleitet vom Blitzlichtgewitter diverser Pressefotografen und dem unüberhörbaren Gelächter der Anwohner, deren Schar unaufhörlich wuchs und die mit wachsendem Vergnügen unseren millionenschweren Fuhrpark bestaunten. Doch das rot-weiß getigerte Objekt unserer Bemühungen hatte sich mittlerweile unsichtbar gemacht. Der Kran scheiterte in dem schwierigen Gelände letztlich an seiner gewaltigen Ausladung. Und ich saß in der Leitstelle und griff mir ans Hirn. Was ging da draußen eigentlich vor und wer würde wohl als Nächstes bestellt? Der Tierarzt mit dem Betäubungsgewehr? Ein Holzfällerkommando? Der Rettungshubschrauber? James Bond? Drei Stunden und gut 100 Liter Diesel später waren 14 gestandene Feuerwehrmänner mit ihrem Latein am Ende. Ich konnte sehr gut nachfühlen, wie blöd sich die Kollegen vorkommen mussten. Ich habe selbst einmal eine Katze vom Drehleiterkorb aus 18 Meter in die Höhe verfolgt. Zum Dank griff sie mich dann wie ein wilder Tiger an. Trotz kompletter Schutzkleidung und dicker Handschuhe gelang es mir nicht, diese kleine Furie zu bändigen. Am Ende ließ sie sich einfach fallen und ich fürchtete schon das Schlimmste. Stattdessen landete sie geschmeidig wippend im Rasen, schüttelte sich und marschierte ohne sonderliche Eile offensichtlich beleidigt und augenscheinlich unverletzt heim. Dabei würdigte sie den Blödmann da oben in seinem komischen Korb keines Blickes mehr. Sie sind halt eine Kategorie für sich, diese Katzen. Wir rückten also auch in diesem Fall erfolglos ab und überließen Sissy samt Frauchen vorerst ihrem Schicksal. Am Nachmittag dieses denkwürdigen Tages meldete sich die Besitzerin ein wenig kleinlaut ein weiteres Mal in der Leitstelle. Sie wolle sich nur noch mal recht herzlich bedanken für den großen Aufwand und teilte uns ferner mit, dass Fräulein Sissy soeben allein vom Baum gestiegen und wohlauf sei. Ich fürchte mich schon vor dem Tag, an dem sie uns erneut um Hilfe bitten wird. Jamuna Toni
Kaum ein Tierschicksal hat die Münchner so sehr bewegt wie die traurige Geschichte des erst sieben Monate alten Elefantenkindes Jamuna Toni, das kurz vor Weihnachten 2009 im Münchner Tierpark Hellabrunn zur Welt kam. Im Frühjahr 2010 hatte ich noch Tränen gelacht, als die Kleine mit einem pinkfarbenen Riesen-Osterei über die Außenanlage tobte und sich in ihre heiß geliebten Schlammbäder stürzte. Als uns im Juni ein Hilferuf aus Hellabrunn erreichte, war ich ehrlich betroffen. Das kleine Mockelchen – so wurde Jamuna Toni in Hellabrunn genannt – war sterbenskrank. Sie litt unter einer unerklärlichen Krankheit, die ihre Knochen brechen ließ wie Glas. Möglichst aufrecht in einer Tragevorrichtung hängend und unter größtmöglicher Geheimhaltung, sollte das Elefantenkind daher so schnell wie möglich in eine Klinik für Großtiere nahe Augsburg verlegt werden. Aber wie und in was für einem Fahrzeug bringt man einen schwer kranken Elefanten heimlich aus der Stadt? Alle Hoffnungen der Tierpfleger und Tierärzte ruhten plötzlich auf uns. Und ich fühlte augenblicklich eine elefantöse Last auf meinen Schultern. In meiner Not rief ich den Fahrzeugmeister der Feuerwache 6 an, der bekannt ist für sein bestens bestücktes Sondergerätelager. Alle Feuerwehrleute sind Meister der Improvisation und einer hat eigentlich immer eine zündende Idee. Der Kollege hatte zwar kein geeignetes Material auf Lager, aber er enttäuschte mich nicht: »Hast du schon mal Paul gefragt?« Ja klar, Paul! Die Münchner Berufsfeuerwehr betreibt eine eigene Sattlerei, in der unter anderem unsere Stiefel repariert und unzerreißbare Planen und Taschen für allerhand Gerätschaften genäht und gerichtet werden. Kollege Paul ist von Beruf Sattler. Und fuhr an jenem Tag zu unser aller Glück Rettungsdienst. Als ihn am Vormittag mein Notruf erreichte, war er gerade mit einem Patienten unterwegs ins Schwabinger Krankenhaus. Sein Wachabteilungsführer erkannte jedoch sofort den Ernst der Lage und ließ ihn ablösen. Paul hat in seinem Leben schon alles Mögliche ausgemessen, aber noch nie ein 180-Kilogramm-Baby im Zoo. Angesichts der Situation entschied er sich für eine flexible Netzkonstruktion, in der das arme Tier in jenen warmen Frühsommertagen möglichst wenig schwitzen würde. Er trieb sogar kurz vor Geschäftsschluss noch einen geeigneten Lieferanten auf. Ein alter Freund noch aus Pauls Gesellenzeiten, der ihn nicht im Stich ließ. Um 16 Uhr schloss sich Paul mit...


Christian Seifert ist Brandamtsrat und arbeitet seit über 27 Jahren bei der Berufsfeuerwehr München. Er ist Lehrrettungsassistent und war fast 20 Jahre in der Integrierten Leitstelle tätig.



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