Seitter | Menschenfassungen | Buch | 978-3-942393-29-4 | sack.de

Buch, Deutsch, 280 Seiten, GB, Format (B × H): 140 mm x 222 mm

Seitter

Menschenfassungen

Studien zur Erkenntnispolitikwissenschaft Neuausgabe 2012, Mit einem Essay von Friedrich Balke
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-942393-29-4
Verlag: Velbrück

Studien zur Erkenntnispolitikwissenschaft Neuausgabe 2012, Mit einem Essay von Friedrich Balke

Buch, Deutsch, 280 Seiten, GB, Format (B × H): 140 mm x 222 mm

ISBN: 978-3-942393-29-4
Verlag: Velbrück


Der erste Teil des Buches, 'Erkenntnispolitiken im

Abendland', (re)konstruiert einen historisch-politischen

Übergang: von der mittelalterlichen Menschenaufzeichnungstechnik

namens Heraldik zu einem anders gearteten

neuzeitlichen Aufzeichnungssystem. Mit der Heraldik,

also dem Wappensystem, haben sich die 'besseren' Leute,

aber auch alle juristischen Personen, also Herrschaften

oder Institutionen, selber bezeichnet: distinguiert und assoziiert.

Sie tat es mittels einer luxuriösen Bilderschrift, die

strengen Regeln folgte und doch auch der Erfindung und

dem Übermut Raum ließ. Obwohl dieses Zeichenwesen

die 'Oberfläche' des Abendlandes bis zum Ende des 18.

Jahrhunderts beherrschte, wurde sie doch seit der frühen

Neuzeit von einer anderen Aufzeichnungstechnik in Frage

gestellt. Und zwar von 'oben' wie von 'unten': die monarchischen

Obrigkeiten versuchten, die Präsenz und die

Ressourcen aller Leute, der namenlosen Vielen wie auch

der aufstrebenden Bürger, aufzuschreiben und schriftlich

dingfest zu machen; und so ein 'Staatswissen', das seit

dem 16. Jahrhundert 'Statistik' genannt wurde, zu generieren.

Seine Medien sind das Papier und die Schrift, die

Liste und die Tabelle. Das Buch geht dem Prozess dieser

Wissenserzeugung bis zum späten 17. Jahrhundert nach:

bis zur Schwelle der Mathematisierung. Es beschäftigt

sich nicht mit den Feinheiten der Wahrscheinlichkeitsrechnung,

vielmehr schildert es die groben Machenschaften,

die Entscheidungen und die Zwangsmaßnahmen, die

nötig waren, um diese Erfassung überhaupt in die Wege

zu leiten und durchzusetzen. Auf diese Weise zeigt es, dass

die Erfindung und Durchsetzung einer bloßen 'Technik',

der es noch dazu um 'bloße' Erkenntnis geht, nicht ohne

das auskommt, was man Politik nennt: Machtziele und

Machtmittel und ihre Operationalisierung.

Hat die historische Fallstudie 'empirisch' aufgewiesen,

dass Politik auch dort im Spiel ist, wo man sie nicht

unbedingt vermutet, so sucht der zweite Teil des Buches

unter dem Titel 'Erkenntnispolitik als eine Seite des Politischen

' theoretisch nachzuweisen, dass das Politische ein

anthropologisches Existenzial ist, das aus den menschlichen

Angelegenheiten nicht wegzudenken ist, wiewohl

man in vielen Epochen der Menschengeschichte versucht

hat, es zu verdrängen oder gar zu verteufeln. Seit dem 19.

Jahrhundert hat man etwa die 'Bedürfnisbefriedigung'

zur wichtigsten und angeblich leicht organisierbaren Aufgabenstellung

erklärt – um so etwas wie Politik umgehen

zu können. Die Menschenfassungen zeigen, dass es sinnvoll

ist, einen 'Begriff des Politischen' zu konstruieren,

der sich von der bekannten Formulierung Carl Schmitts

absetzt, und unter Heranziehung anderer Theoretiker

des 20. Jahrhunderts, insbesondere von Helmuth Plessner

und Jacques Lacan, dem Politischen in der Conditio

humana einen Platz zuzuweisen. Zum Einsatz gelangen

Begriffe wie 'Unbestimmtheit und Bestimmungszwang',

'Produktion als Überproduktion und Koproduktion',

'Verhaltensweisen und Verhaltensverhältnisse', 'Unvermeidlichkeit

der Akzidenzien', 'Öffentlichkeit zwischen

Kontingenz und Übermacht'.

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


A ERKENNTNISPOLITIKEN IM ABENDLAND
I Heraldik als Erkennungssystem
II Kaiser Friedrich der Zweite als Wissenschaftsgründer
III Polizey-Wissenschaft: aus Leuten Menschen machen
B ERKENNTNISPOLITIK ALS EINE SEITE
DES POLITISCHEN
I Zur Rekonstruktion des Begriffs des Politischen
1 Politik 'und' Wissen
2 Zur Kritik der Tiefensucht in (anstelle) der
Politikwissenschaft
3 Imaginäre Grundlagen: Bedürfnis-Befriedigung,
Ideen-Verwirklichung, Gesellschafts-Entwicklung
4 Von der Analyse des Imaginären an die Schwelle
des Politischen
5 Begriffe zum Begriff des Politischen:

a) Verkettung von Begriffen als Verkettung
von Sprüngen
b) Die Unvermeidlichkeit der Akzidentien
c) Irgendwie 1: Unbestimmtheit und Bestimmungszwang
d) Irgendwie 2: Produktion als Überproduktion und
Koproduktion. Exkurs zur Begriffs-Allgemeinheit
e) Verhaltensweisen und Verhaltensverhältnisse
f) Instituierungen und Instituiertheiten
g) Auseinander im Innersten und Zueinander der Fernen
h) Öffentlichkeit zwischen Kontingenz und Übermacht
i) Irgendwie 3: Die Frage nach dem Rechten
II Der Punkt der Erkenntnispolitik:

Zu-Tun-Haben mit Erkenntnissen
Literatur


Walter Seitter, geb. 1941, nach Studien
in Salzburg, München, Paris Lehrtätigkeit
in Aachen und in Wien. Zahlreiche Übersetzungen
von Werken Michel Foucaults.
Mitherausgeber von Tumult. Schriften zur
Verkehrswissenschaft. Ausgewählte Veröffentlichungen:

Physik des Daseins. Bausteine
zu einer Philosophie der Erscheinungen
(Wien 1997); Geschichte der Nacht
(Berlin 1999); Kunst der Wacht. Träumen
und andere Wachen (Berlin 2001); Physik
der Medien. Materialien, Apparate, Präsentierungen
(Weimar 2002); Poetik lesen 1
(Berlin 2010); Reaktionäre Romanik. Stilwandel
und Geopolitik (Wien 2012).



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