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E-Book, Deutsch, 272 Seiten
Siegle / Schmidbauer »Wenn Sie wüssten, wie ich wirklich bin«
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-407-86898-5
Verlag: Julius Beltz GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Therapeuten erzählen aus ihrer Praxis - 50 Geschichten
E-Book, Deutsch, 272 Seiten
ISBN: 978-3-407-86898-5
Verlag: Julius Beltz GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ob Ehekrise, Essstörung oder Psychose: So nahbar war Psychotherapie noch nie. In den 50 besten »Therapiestunde«-Kolumnen aus Psychologie Heute geben Deutschlands führende Therapeutinnen und Therapeuten unterschiedlicher Schulen Einblicke in ihren Praxisalltag. Von alltäglichen Herausforderungen bis hin zu schweren seelischen Erkrankungen zeigen die Texte berührend, was Menschen bewegt und wie ihnen geholfen werden kann. Ein intimes Leseerlebnis für alle, die schon immer wissen wollten, was hinter geschlossenen Therapietüren passiert. •Mit einem Vorwort von Wolfgang Schmidbauer und Dorothea Siegle •Mit Texten u.a. von Andreas Knuf, Sandra Konrad, Stefanie Stahl, Angelika Eck, Thorsten Padberg •Mit Illustrationen von Michel Streich
Wolfgang Schmidbauer ist Psychologe, Psychoanalytiker und Bestseller-Autor. Er gründete 1972 mit Kollegen ein Institut für analytische Gruppendynamik und Familientherapie, wenig später die Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse. 1977 prägte er mit dem Bestseller »Die hilflosen Helfer« den Begriff des Helfersyndroms. Heute arbeitet er in eigener Praxis in München. Michel Streich illustriert seit 2015 die Kolumne »Therapiestunde« in Psychologie Heute. Geboren in Westfalen, begann er seine Karriere als Illustrator in London, zog später nach Australien und lebt nun in einem Nationalpark in der Nähe von Sydney. Er arbeitet hauptsächlich als Zeichner für Zeitschriften- und Buchverlage und ist Autor mehrerer Kinderbücher. michelstreich.com Dr. med. Susanne Altmeyer ist Chefärztin der Klinik und Tagesklinik für Psychosomatische Medizin, Psychotraumatologie und EMDR im Gezeiten Haus Schloss Eichholz, Wesseling. Sie ist u. a. Autorin von »EMDR-Intensivtherapie«, Klett-Cotta 2024. Dr. phil Volkmar Baulig ist Diplom-Pädagoge, Förderlehrer und Gestalttherapeut mit zahlreichen Veröffentlichungen über den pädagogischen Umgang mit schwierigen Kindern, z. B. »Der Kinderwelttest«, Beltz Test 2006. Lehraufträge an fünf verschiedenen Hochschulen. Wiltrud Brächter ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, systemische Therapeutin (SG) und Supervisorin in Köln. 2022 erschien »Einführung in die systemische Sandspieltherapie« bei Carl-Auer. geschichten-im-sand.de Dr. Michael Broda, Diplom-Psychologe, ist Psych. Psychotherapeut, Supervisor und Lehrtherapeut in Verhaltenstherapie,Gründungsherausgeber der Zeitschrift »Psychotherapie im Dialog« sowie Mitherausgeber des Lehrbuchs »Praxis der Psychotherapie«, 6. Aufl., Thieme 2020. Dr. med. Victor Chu, Diplom-Psychologe, ist Psychotherapeut und Tai-Chi-Lehrer und hat zahlreiche Bücher geschrieben, u. a. »Briefe an einen jungen Therapeuten«, Schattauer 2021. vchu.de Charlotte de Boer arbeitete im Projekt »I Can Change« der Medizinischen Hochschule Hannover. Sie promovierte zu Alteration pädophiler Täter im Hell- und Dunkelfeld. Derzeit ist sie als Psych. Psychotherapeutin in eigener Praxis tätig. Anne Dullenkopf ist Diplom-Sozialpädagogin und derzeit im letzten Jahr ihrer Ausbildung am AKJP Heidelberg für analytische und tiefenpsychologische Psychotherapie für Kinder und Jugendliche. Sie war u. a. in der Beratung von sozialpädagogischen Familienwohngruppen tätig. Dr. sc. hum. Angelika Eck ist Diplom-Psychologin und arbeitet in eigener Praxis in Karlsruhe im Bereich Paartherapie, Sexualtherapie und Psychotherapie. Sie ist als Supervisorin, Lehrtherapeutin und Vortragende tätig. 2016 erschien »Der erotische Raum« bei Carl Auer. angelikaeck.de Gabriele Eßing ist Diplom-Psychologin und Psych. Psychotherapeutin in Berlin. Ihr Buch »Wie Psychotherapie bei körperlichen Erkrankungen wirkt« erschien 2023 bei Reinhardt. psychotherapieam-schlachtensee.de Dr. Eva Frank-Noyon ist Psych. Psychotherapeutin und in eigener Praxis tätig. Sie ist Mitgründerin der Schematherapie-Online-Akademie (STOA) und Mitautorin des Ratgebers »Passt doch. Paarkonflikte verstehen und lösen mit der Schematherapie«, Beltz 2022. Prof. Dr. Wolfgang Hantel-Quitmann war Professor für Klinische Psychologie und Familienpsychologie an der HAW-Hamburg. Er schrieb mehrere Fachbücher zu Partnerschaft und Familie. Zuletzt: »Kafkas Kinder. Das Existenzielle in menschlichen Beziehungen verstehen«, Klett-Cotta 2021. Dr. Burkhard Hofmann ist seit 1991 als Facharzt für psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik in eigener Praxis in Hamburg-Harvestehude tätig. 2018 erschien im Droemer Verlag »Und Gott schuf die Angst. Ein Psychogramm der arabischen Seele«. Prof. Dr. Rainer M. Holm-Hadulla ist Professor an der Universität Heidelberg, Facharzt für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.
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Vorwort
Jeden Monat berichtet ein Psychotherapeut aus seiner Praxis – »Therapiestunde« heißt die beliebte Rubrik in der Zeitschrift Psychologie Heute. Dorothea Siegle ist Chefredakteurin des Magazins, Wolfgang Schmidbauer ist Psychoanalytiker, schreibt seit Jahrzehnten für die Zeitschrift und hat viele Beiträge auch für die Therapiestunden-Rubrik verfasst. Beide sind sie Herausgeber dieses Buchs und hier im Gespräch: über mürrische Patientinnen, Kontaktabbruch zwischen Kindern und Eltern – und über das Hören und Erzählen von Geschichten. Siegle: Können Sie sich an Ihre erste Sitzung, die Sie alleine als Therapeut abgehalten haben, noch erinnern? Schmidbauer: Ja, ich kann mich noch erinnern. Siegle: Was ist da passiert? Schmidbauer: Ich habe damals als blutiger Anfänger eine Selbsterfahrungsgruppe vom Studentenwerk in München geleitet. Ich war frischgebackener Diplompsychologe, und eine Teilnehmerin aus der Gruppe wollte danach noch weiter mit mir sprechen und ihre Konfliktlage schildern. Und daraus ist meine erste Therapie geworden. Das war, bevor ich überhaupt eine ordentliche Ausbildung hatte. Siegle: Bevor sie Psychoanalytiker wurden? Schmidbauer: Ja, ich war nur Diplompsychologe und habe natürlich keine Werbung gemacht für mich als Therapeut. Aber ich wollte ihr die Bitte auch nicht abschlagen. Und so haben wir ein halbes Jahr lang zusammengearbeitet. Siegle: Das war aber ja mutig von Ihnen, so ganz ohne Ausbildung. Schmidbauer: Ja, das war so 1968 oder 69, da war man halt noch mutiger als heute (lacht). Siegle: Gehen wir einmal an den Beginn einer Therapie: Nehmen wir den Fall, ein Klient oder ein Paar kommt zu Ihnen, und Sie mögen ihn oder die beiden nicht. Was tun? Schmidbauer: Das nehme ich zur Kenntnis und versuche herauszufinden, ob er mich an irgendjemanden erinnert, der mir unsympathisch war. Und bei Paaren ist es ja auch sehr hilfreich: Das ist dann oft auch etwas, was nicht nur mir unsympathisch ist, sondern auch dem Partner oder der Partnerin. Dann kann ich mich besser einfühlen. Ich versuche natürlich, meinen Eindruck nicht an meinem Gegenüber auszulassen, und dazu ist die Begrenzung und Sicherheit in der Analysestunde ein gutes Mittel. Mein Motto ist immer: Ich kann nicht alle Menschen mögen, aber ich kann mich für alle interessieren. Siegle: Sie erzählen in Ihrer Therapiestunde »Am Ende der Anpassung« von einer mürrisch-abweisenden Patientin und schreiben: »Ich entdeckte damals, dass ich ein Herz für negativistische Klientinnen habe« (Seite 237). Wie kommt es dazu? Schmidbauer: Meine Mutter war eine herzensgute, aber auch sehr kritische Person. Sie hat ihre Söhne eher durch Kritik als durch Lob auf den richtigen Weg zu bringen gesucht. Ich glaube, ich habe mich ganz gut daran gewöhnt. Und wenn ich spüre, dass jemand eigentlich etwas will, aber immer diese Enttäuschungsprophylaxe betreibt, weckt das meinen Sinn für Humor. Und ich habe dann das Gefühl, ich kann die Wärme produzieren, die mein Gegenüber nicht an sich ranlässt. Siegle: In einer anderen Therapiestunde erzählen Sie von einem Paar, bei dem es zu Handgreiflichkeiten gekommen ist (Seite 121). Gelingt es Ihnen immer, sich moralischer Urteile zu enthalten? Schmidbauer: Bestimmt nicht. Das gelingt ja keinem Menschen. Viele Paare, bei denen Gewalt eine Rolle spielt, kommen nach dem ersten Gespräch nicht mehr wieder. Weil ich immer sage, dass Gewalt den Kontext sprengt, nicht integriert werden kann und letztlich auch kein Gegenstand von Verstehen und Empathie sein sollte, sondern eigentlich etwas ist, wofür die Polizei zuständig ist. Wenn das Paar das akzeptieren kann, dann bleiben die auch. Siegle: Der Titel unseres Buches lautet ja »Wenn Sie wüssten, wie ich wirklich bin«, eine Anlehnung an ein Zitat aus einer Therapiestunde von Sandra Knümann (Seite 221). Erschrecken Sie noch über Äußerungen Ihrer Patientinnen und Patienten? Oder sind Sie noch erstaunt? Schmidbauer: Erschrecken – ich weiß nicht. Aber Überraschung. Und auch so eine Art Kummer und Trauer über das, was mit Menschen alles passieren kann. Siegle: In einer Therapiestunde, die »Der Rollentausch« heißt (Seite 101), erzählt Thorsten Padberg, ein Verhaltenstherapeut aus Berlin, davon, wie eine Klientin immer wieder versucht, das Thema von sich weg und zum Therapeuten hin zu lenken, und Fragen zum Leben des Therapeuten stellt. Wie viel erzählen Sie in solchen Fällen von sich selbst? Schmidbauer: Ich erzähle schon manchmal von mir, eigentlich immer mit so einem Schuss Ironie. Wenn ich die Rückmeldung der Patienten anschaue, ist es so, dass die mich für eher distanziert halten, während ich den Eindruck habe, dass ich im Vergleich zu meinen Analytiker-Kolleginnen und -Kollegen eher freimütig bin. Aber das, was ich von mir persönlich preisgebe, sollte halt auch für den Patienten in irgendeiner Form nützlich sein. Wobei – wenn es einen gewissen Unterhaltungswert hat, dann finde ich das schon auch nützlich. Also eine meiner flapsigeren Maximen im Leben lautet: Wenn man den Menschen schon nicht helfen kann, dann soll man sie wenigstens nicht langweilen (lacht). Siegle: In den Therapiestunden, die wir versammelt haben, geht es oft darum: Wie kann ich meinem Vater verzeihen? Oder: Wie kann ich loslassen von der unglücklichen Ehe, die hinter mir liegt? Welche Rolle spielen Verzeihen und Loslassen bei Ihnen in den Analysen? Schmidbauer: Ich würde sagen: eine ganz wichtige Rolle. Gleichzeitig ist es eines der unergründlichen Geheimnisse, dass es manchen Menschen einfach gut gelingt, ihre Eltern loszulassen und zu denken: Ja, die haben halt versucht, es so gut zu machen, wie sie konnten, und haben natürlich Fehler gemacht und mir vielleicht auch in mancher Hinsicht geschadet. Aber ich muss mich damit nicht mehr beschäftigen. Und dann gibt es andere, die denken, sie müssten das ihren Eltern unbedingt noch sagen. Die reisen mit einem Riesenkoffer an nicht ausgesprochenen, ungeklärten Erwartungen bei jedem Elternbesuch an und in der Regel mit einem noch schwereren Koffer wieder ab. Das allmählich in ein entspannteres Verhältnis zu bringen, ist, glaube ich, eine ganz wichtige Aufgabe von Psychotherapie. Es geht ja letztlich in der Analyse immer darum, dass man sich mit den gereiften seelischen Kräften des Erwachsenen die Konflikte, die man als kleines Kind hatte und nicht bewältigen konnte, noch einmal anguckt und sagt: So war das damals. Aber es muss heute nicht mehr so sein. Das gelingt oft – aber manchen Menschen gelingt es eben nicht. Siegle: Liegt es an der Schwere der Erfahrung? Schmidbauer: Nein, ich glaube, es liegt vor allem an der Unberechenbarkeit der Erfahrung. Wenn die Eltern nur schlecht waren und dem Kind ganz wenig gegeben haben, dann ist das Kind eigentlich nicht geneigt, sich noch stark mit den Eltern zu beschäftigen. Aber wenn die Eltern hohe Erwartungen an das Kind hatten, sich manchmal große Mühe gegeben haben, das aber nicht durchhalten konnten, dann auch schwerstenttäuscht waren, das Kind wieder entwertet haben – also Zuckerbrot und Peitsche. Das ist etwas, was es einem sehr schwer macht, die Eltern loszulassen. Weil man immer diese beiden Bilder der guten, alles erfüllenden Mutter und der schlechten, alles vernichtenden gespeichert hat. Und diese Bilder spielen in den Beziehungen, die man als Erwachsener eingeht, eine Rolle. Siegle: Ist für Sie ein Kontaktabbruch zwischen Kindern und Eltern ein Scheitern? Schmidbauer: Ich denke, es ist ein Verlust, aber es ist oft das kleinere Übel. Und das ist ja nun charakteristisch für die Entscheidungen des Erwachsenenlebens, dass die Suche nach dem kleineren Übel viel wichtiger wird als die Suche nach der großen, erfüllenden Liebesbeziehung. Also: Wie kann ich mit dem unvollkommenen Partner, mit den unvollkommenen Eltern so umgehen, dass das Gute in der Beziehung möglich bleibt und ich mich von dem Schlechten distanziere? Das wäre eher mein Ziel. Aber wenn das nicht erreichbar ...