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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 17, 325 Seiten

Reihe: Interdisziplinäre Stadtforschung

Siekermann Kleider machen Städte

Zur Eigenlogik von München und Frankfurt am Main
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-593-42290-9
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

Zur Eigenlogik von München und Frankfurt am Main

E-Book, Deutsch, Band 17, 325 Seiten

Reihe: Interdisziplinäre Stadtforschung

ISBN: 978-3-593-42290-9
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Graziös, leicht, sportlich: die typische Münchner Modeszene unterscheidet sich deutlich von Frankfurts Mode, die zwischen Business-Style und 'pragmatisch' pendelt. Kristina Siekermann dokumentiert, dass jede Stadt ihre individuelle, stadtspezifische Mode hervorbringt.

Neben den Modeschaffenden wird der Einfluss weiterer Akteure auf die 'Eigenlogik' einer Stadt untersucht. Dabei zeigt sich, dass die unterschiedlichen modischen Besonderheiten Ausdruck des Selbstverständnisses der jeweiligen Stadt sind, in denen charakteristische Wertvorstellungen, lokale Wissensformen und informelle Praktiken sichtbar werden.

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Inhalt

Dank

1 Einleitung, Forschungsfrage und Zielsetzung

2 Aktueller Forschungsstand, theoretische Grundlagen der vorliegenden Untersuchung und eigene Forschungsperspektive
2.1 Aktuelle Diskussionen in der sozialwissenschaftlichen Stadtforschung
2.2 Modesoziologie und Stadt
2.3 Zusammenfassung und eigene Forschungsperspektive

3 Untersuchungsdesign
3.1 Untersuchungsmethode und Forschungsdesign
3.2 Städtevergleich und Untersuchungsstädte

4 Münchner Modeszene: Ergebnisse der empirischen Untersuchung und Herausarbeitung modeszenespezifischer Strukturen
4.1 Herausbildung der Münchner Modeszene
4.2 Die 'Modestadt München' als Ziel aktiver Stadtentwicklung
Kunst und Mode: Eine besondere Initiative der Münchner Stadtverwaltung
4.3 Das Spektrum der Münchner Modeszene
4.4 Besonderheiten der Münchner Modeszene
4.5 Der Blick der Münchner Modeschaffenden (Interviews)
4.6 Fazit: Besondere Strukturen der Münchner Modeszene

5 Frankfurter Modeszene: Ergebnisse der empirischen Untersuchung und Herausarbeitung modeszenespezifischer Strukturen
5.1 Herausbildung der Frankfurter Modeszene
5.2 Die Modeszene entwickelt sich aufgrund privater Initiativen
5.3 Das Spektrum der Frankfurter Modeszene
5.4 Besonderheiten der Frankfurter Modeszene
5.5 Die Sicht der interviewten Modeschaffenden
5.6 Fazit: Besondere Strukturen der Frankfurter Modeszene

6 Suche nach eigenlogischen Mustern mithilfe des Neoinstitutionalismus
6.1 Die untersuchten Modeszenen aus neoinstitutionalistischer Perspektive
6.2 Versprachlichte gemeinsame Übereinkommen
6.3 Isomorphismus
6.4 Fazit: Unterschiedliche institutionelle Erwartungsstrukturen in den Issue-Feldern 'Mode' in München und Frankfurt am Main

7 Suche nach Homologien bezüglich der Eigenlogik in Fallstudien zu München und Frankfurt am Main
7.1 München: Aktive Stadtverwaltung – gesamtstädtische Planungen – langfristige Strukturen
7.2 Frankfurt: Aktive Einzelakteure – stadtteilbezogene Planungen – sachbezogene (Einzelfall-)Entscheidungen
7.3 Fazit: Übereinstimmungen zwischen den externen Studien

8 Zur Eigenlogik von München und Frankfurt am Main
8.1 Zusammenschau der Befunde zur Eigenlogik von München und Frankfurt
8.2 Befunde zur und Rückschlüsse auf die Eigenlogik von München und Frankfurt
8.3 Fazit: Entwicklung einer Hypothese zur Eigenlogik von München und Frankfurt

9 Fazit und Ausblick
9.1 Fazit der Studie
9.2 Zukünftiger Forschungsbedarf und Perspektiven

Abkürzungen
Tabellen
Literatur
Anhang


1 Einleitung, Forschungsfrage und Zielsetzung
Das brennendste Interesse der Mode liegt […] in ihren außerordentlichen Antizipationen. […] Jede Saison bringt in ihren neuesten Kreationen irgendwelche geheimen Flaggensignale der kommenden Dinge. Wer sie zu lesen verstünde, der wüßte im voraus nicht nur um neue Strömungen der Kunst, sondern um neue Gesetzbücher, Kriege und Revolutionen.
(Walter Benjamin 1982: 112)
'Die Zukunft liegt in den Städten', so lautete der Titel der Festschrift des Deutschen Städtetags, die anlässlich des 100-jährigen Bestehens im Jahr 2005 erschien (vgl. Deutscher Städtetag 2005). Auch heute habe dies nicht an Aktualität verloren, betonte man auf dem Städtetag 2012 (vgl. Deutscher Städtetag 2012: 5). Der Hintergrund dafür ist, dass im Jahr 2008 erstmals mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung in Städten lebten (3,42 Mrd. Menschen) und dieser Anteil rasant wächst (vgl. Deutsche Stiftung Weltbevölkerung 2012). Bis zum Jahr 2030 wird er sich nach Schätzungen der Vereinten Nationen auf 60 Prozent erhöhen (vgl. United Nations 2005: 9).
Während weltweit aktuell jeder zweite Mensch in einer Stadt lebt, liegt in Deutschland der Urbanisierungsgrad – das heißt der Anteil der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung – sogar bei 88 Prozent (vgl. Löw 2009: 1; Borgmann et al.: 2006). In Deutschland steigt seit einigen Jahren der Urbanisierungsgrad wieder an, was auf unterschiedliche Faktoren wie den demografischen Wandel, die steigenden Energiepreise und so weiter zurückzuführen ist. Dabei zeigt sich, dass sich Städte unterschiedlich entwickeln: Es lässt sich ein Nebeneinander von wachsenden, stagnierenden und schrumpfenden Städten feststellen. In einigen Städten wie zum Beispiel München oder Frankfurt am Main erhöht sich die Einwohnerzahl kontinuierlich, während die Bevölkerung in Deutschland insgesamt abnimmt (vgl. DIW 2010: 3, 11). Stadtentwicklung und Stadtplanung werden zu immer zentraleren Herausforderungen, und ihr Gelingen wird zunehmend über die Zukunftsfähigkeit der jeweiligen Gesellschaft entscheiden.
Im Zuge von Globalisierung und von Städtekonkurrenzen um ökonomische, soziale, kulturelle und ökologische Ressourcen lässt sich in Städten zunehmend eine lokalspezifische Art und Weise beobachten, mit diesen aktuellen Prozessen umzugehen, die nicht mit einer übergreifenden (globalen) Systemlogik erklärt werden kann. Ein Vergleich der Strukturdaten von Städten wie beispielsweise München und Frankfurt am Main würde zwar neben Ähnlichkeiten auch Unterschiedlichkeiten aufzeigen. Diese Analogien bzw. Unterschiede ließen sich aber nicht erklären, und die Städte könnten aufgrund dieser Daten allein nicht identifiziert werden. Dennoch kann nicht bestritten werden, dass München gegenüber Frankfurt eine deutlich andere Atmosphäre zukommt und spezifische Eigenschaften besitzt. Das muss durch Unterschiede bedingt sein, die über Strukturdaten so nicht erkennbar sind.
Im Alltagswissen existieren zum Teil sehr genaue Vorstellungen darüber, was das Eigene einer bestimmten Stadt ausmacht. So ist beispielsweise zu lesen, dass es drei Arten von Städten in Deutschland gebe: 'Städte wie München, in denen viel Geld verdient, aber auch viel Geld ausgegeben wird; […] Städte, in denen fast überhaupt kein Geld verdient wird, aber dieses Nichts umso entschlossener auf den Kopf gehauen wird: Berlin zum Beispiel. Und es gibt Frankfurt, eine Stadt, in der enorm viel Geld verdient und fast keines ausgegeben wird' (Maak 2003: 136; vgl. auch Maak 2009).
Ähnliche Betrachtungen zu den Besonderheiten einer Stadt beschäftigen sich mit Fragen nach Spezifika, die nur einer bestimmten Stadt zukommen und deren eigenen 'Charakter' ausmachen. Das kann zum Beispiel eine typische 'Farbe' sein. Oder diese Betrachtungen befassen sich damit, ob Städten eine 'Seele' zugesprochen werden kann. So werben beispielsweise Schweizer Städte mit ihren 'unterschiedlichen Charakteren', wodurch sie ihren jeweiligen Besuchern ein spannendes Programm der 'ganz besondere[n] Weise' bieten (Travelmobility 2011). Die Frauenzeitschrift Glamour stellt die Frage, welcher 'Charakter einer Stadt' zukommen müsse, damit er am besten zu dem der Leser passe (Glamour 2012). Denn jede Stadt habe ihren ganz eigenen Charakter (vgl. ebd.). Der 'Charakter einer Stadt', so wiederum die Ansicht eines Weltreisenden, spiegele sich am besten in ihren Taxis wider (Capito 2011). Daher sei beispielsweise New York 'gelb' (ebd.). Zu dem gleichen 'Farb-Ergebnis' kommt auch eine Umfrage des Bahnmagazins 'Mobil' im Jahr 2005 (Bomm 2011). Ohne dass die Befragten je in New York waren, betrachteten sie diese Stadt als 'gelb' (z.B. aufgrund gelber Taxis, gelber Schulbusse, gelber Verkehrsschilder usw.). London sei indessen rot und Berlin grün (vgl. ebd.) – wobei Letzteres in dem im Jahr 2011 erschienenen Buch 'Welche Farbe hat Berlin?' neu diskutiert wird (vgl. Wagner 2011). Die Stadtplanerin Sophie Wolfrum bejaht die Frage danach, ob 'Städte eine Seele' haben (Wolfrum 2003). Um die 'Seele Mannheims' zu erforschen, machte sich jüngst ein Forscherteam auf die Suche (Stadtforschungsschwerpunkt der TUD 2012). Jenseits allen Datenmaterials sollte das Eigene der Stadt mit einem neuen Blick auf die Stadt aufgespürt werden (vgl. ebd.: 5f.). Eine Ausstellung der vergleichsweise jungen Ruhrgebietsstadt Oberhausen dokumentiert 'die Seele der Stadt' hingegen in Bildern (Rieckers 2012). 'Geheimnis und Schlüssel' der 'Seele Damaskus' wiederum lägen in der 'Kontinuität' der Stadt, nämlich eine der ältesten ununterbrochen bewohnten Städte der Welt zu sein, schrieb der syrisch-deutsche Schriftsteller Rafik Schami (Schami 2012).
Diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Die Diskussionen zielen letztlich auf die Frage, 'wie Städte zu charakterisieren sind, und bestätig[en], was alle wissen und was sich in der Kommunikation verfestigt: Städte unterscheiden sich fundamental' (Löw 2008b: 9). Jede Stadt produziert ihre ganz eigenen Bilder, Klischees oder 'Farben' und befördert sie in die Welt, um im wirtschaftlichen und touristischen Wettbewerb beziehungsweise in Rankings verschiedenster Art bestehen zu können und um ein einzigartiges Profil aufzuweisen. Dieses besondere Profil wird zum einen am jeweiligen Ort erzeugt, zum anderen wird es erst relational im permanenten Vergleich mit anderen Städten deutlich.
Während in Untersuchungen der Frage nach dem Gemeinsamen im Kontext der Annahmen zur globalen Homogenisierung von Städten nachgegangen wird, bleibt in der sozialwissenschaftlichen Forschung bisher weitgehend undiskutiert, was die Besonderung einer Stadt ausmacht und welche Strategien eigenständiger Entwicklungen sowie Handlungslogiken erkennbar sind, um sich im (globalen) Wettbewerb behaupten zu können, die jeweilige 'Individualität' zu konstituieren und ihre Einzigartigkeit unter Beweis zu stellen (vgl. Berking/Löw 2008a; 2008b; Löw 2008b). Oftmals wird die Sichtbarkeit der jeweiligen Stadt durch das Unterordnen des Ortes unter einen als global konzipierten Raum vernachlässigt. Bei dieser Sichtweise kommt 'nicht nur das Spezifische am Gebilde ›Stadt‹, sondern auch die spezifische Stadt abhanden' (Lindner 2005: 58).
Es gibt zahlreiche fundierte Stadtstudien (siehe auch Kap. 2), die im Rahmen der subsumptionslogischen Forschungstradition (die Stadtforschung als Gesellschaftsforschung begreift) beziehungsweise der konkretionslogischen Perspektive (die Stadtforschung in Städten thematisch fokussiert) entstanden. Bei diesen Forschungsansätzen verschwindet letztlich die 'Stadt' als Ganzes aus dem Blick, und 'mit ihrem Verschwinden bleiben bedeutsame Wissenshorizonte verriegelt' (Berking 2008: 16; vgl. auch Berking/Löw 2005a).
Das Anliegen des Forschungsansatzes der 'Eigenlogik der Städte', in dessen Rahmen die vorliegende Arbeit entstand, besteht darin, die Alltagserfahrung, dass Städte unterschiedlich 'ticken', soziologisch zu erforschen (vgl. Löw 2008b). 'Eigenlogik' ist als ein Such- oder Behelfsbegriff zu verstehen (vgl. Frank 2012; Gehring 2008: 156) und bezeichnet das 'Rückgrat einer Stadt' (Terizakis 2011: 13; vgl. Löw 2008b: 58). Eigenlogik strukturiert eine Stadt 'so unsichtbar wie die Wirbelsäule den menschlichen Körper' und gibt ihr eine innere Struktur (Terizakis 2011: 13). 'Sie äußert sich im unhinterfragten, intuitiven Handeln […]' (ebd.). 'Stadt' wird im Sinne der Eigenlogik-Forschung in dieser Arbeit als räumliche Vergesellschaftungsform verstanden, deren 'distinkter Charakter' in der raumstrukturellen Organisation von Dichte und Heterogenität sowie großstädtischer Doxa liegt und die Inklusion organisiert, wodurch sie sich von anderen räumlichen Gebilden unterscheidet (Berking 2008: 29; vgl. Frank 2012; siehe Kapitel 2). Das heißt, erst eine spezifische Proportionalität von Größe, Dichte und Heterogenität in ihren qualitativen Elementen 'macht' folglich eine jeweilige Stadt aus (vgl. Berking 2008: 14).
Das Konzept der Eigenlogik der Städte fragt danach, ob und auf welche Weise eigenlogische Muster, das heißt lokalspezifische Praxisformen in verschiedensten Handlungsfeldern auftreten und sich reproduzieren bzw. gegebenenfalls novellieren. Die Annahme lautet, dass zur Differenz der Städte lokalspezifische Handlungsmuster und Werthaltungen beitragen, die die alltäglichen Praktiken beeinflussen, ohne explizit thematisiert zu werden. Vielmehr sind diese lokalgeprägten Interpretationsmuster als 'doxische Gewissheit' zu verstehen, die unhinterfragt in die Alltagskonstitution miteinfließt (vgl. Berking 2008; Löw 2008b). Das Konzept der Eigenlogik der Städte möchte Muster beziehungsweise 'doxische Gewissheiten' der Städte aufdecken, die nicht nur im langfristigen Bestand ihren Ausdruck finden, sondern sich auch im Wandel zeigen können (vgl. Löw 2008b: 95).
Die Art und Weise, wie sich in der 'Stadt' Dichte und Heterogenität herstellen, sei, so die Annahme, von Stadt zu Stadt verschieden. Durch diese beiden zentralen Merkmale des hier verwendeten Stadtbegriffs – Dichte und Heterogenität – unterscheiden sich Städte als dichte und heterogene Gebilde beispielsweise vom Land oder der sogenannten 'Zwischenstadt' – nach diesem Stadtverständnis ist nicht alles und nicht überall Stadt (vgl. Sieverts 1997; Frank 2012: 295). Das Phänomen 'Stadt' gehe mit Wahrnehmungs- und Gefühls- sowie mit Handlungs- und Deutungsschemata einher, die das praktische Handeln, Bewerten und Urteilen prägen (vgl. Berking 2008: 24). Eigenlogische Muster seien ebenso Voraussetzung wie auch Resultat 'jener immer aufs Neue und ganz fraglos zu erbringenden antizipierenden Ausrichtung und Anpassung subjektiver Dispositionen an die durch Dichte und Heterogenisierung produzierten Unsicherheitslagen' in der Stadt (ebd.: 27). 'Jede große Stadt, so die These, evoziert die ihr eigene ›natürliche Einstellung‹ zur Welt. Jede große Stadt hat ihren lokalen Hintergrund, sie verfügt und verordnet ein Wissen darüber, ›wie die Dinge sind‹, und ›wie man was macht‹' (ebd.). Das lokalspezifische Wissen wiederum, wie man etwas in einer Stadt mache, führe dazu, dass die besondere 'Logik' einer bestimmten Stadt jeden Tag von Menschen aktualisiert und am Leben erhalten werde (vgl. Frank 2012: 297).
Die oben angeführten Beobachtungen der Alltagserfahrungen in Städten machen deutlich, dass es Hinweise darauf gibt, dass eine jeweils stadtspezifische Eigenlogik ihre jeweils eigensinnige Sicht der Wirklichkeit zu produzieren scheint, welche das spezifische 'Ticken' einer Stadt ausmacht (vgl. Berking 2008; Löw 2008b). Der junge Forschungsansatz der 'Eigenlogik der Städte' eröffnet in der sozialwissenschaftlichen Forschung eine neuartige Perspektive und bedarf weiterer empirisch belegter Darstellungen eigenlogischer Strukturen und entsprechend darauf basierender Hypothesen. Dieser Forschungsansatz wird in der vorliegenden Arbeit bei der Untersuchung von München und Frankfurt am Main zugrunde gelegt.
Auch für die Planungspraxis ist es notwendig, städtische Besonderheiten zu kennen und daran angepasst stadtspezifische Lösungen zu konzipieren. Das Wissen über das Eigene der jeweiligen Stadt ist bisher kaum systematisiert. Dabei könnte es neue Chancen für die Stadtplanung eröffnen und Risiken mildern. Die Forschung zur Eigenlogik der Städte kann Städten ermöglichen, sich ihrer Stärken und Schwächen gewahr zu werden (vgl. Terizakis 2011: 11ff., Löw 2011b: 33f.). '[O]ne size fits all-Strategien' haben zur Folge, dass einige Städte 'in ihrem neuen Kleid gut aussehen – andere nicht' (Löw 2011b: 31). Eigenlogische Strukturen der Städte zu erforschen, bedeutet hingegen, Grundlagen zu erarbeiten, um dann 'maßgeschneiderte Lösungen' für die jeweilige Stadt zu konzipieren (ebd.). Gerade aufgrund der steigenden Bedeutung der Städte als Lebensorte und der gegebenen Ungleichheiten von Städten, die auch in ihren unterschiedlichen Lebensqualitäten zum Ausdruck kommen, 'empfiehlt es sich, die Wirkungsweise einer Stadt verstehen zu lernen' (Löw 2011b: 33f.; vgl. Frank 2011: 37ff.). Aus der dann bewusst gewordenen Erkenntnis, welchen Routinen und Mustern die Praktiken der Akteure einer Stadt 'folgen', können Maßnahmen und Initiativen im Sinne einer nachhaltig erfolgreichen Stadtentwicklung gezielter positioniert werden. Die Annahme lautet, dass sich die Entwicklung einer jeweiligen Stadt 'nur dann effektiv beeinflussen' lasse, wenn die Eigenlogik dieser Stadt verstanden wird (Löw 2008b: 18). Es kann eine lohnenswerte – gemeinsame – Aufgabe für die wissenschaftliche Forschung und Planungspraxis sein, die 'Eigenlogik von Städten' zu erforschen und auf dieser Basis passgenaue Lösungen für die gesellschaftlichen Herausforderungen in diesen Städten zu entwickeln.
Diese Studie untersucht im Rahmen des Konzepts der 'Eigenlogik der Städte' exemplarisch das Handlungsfeld der Mode. Dies erfolgt vor dem Hintergrund der Hypothese, dass in diesem Themenfeld – wie auch in jedem anderen – eigenlogische Strukturen in den Handlungen, Wertvorstellungen und Präferenzen der lokalen Akteure wirksam sind und dass diese zur Erklärung lokaler Besonderheiten beitragen können. Absicht ist es, im Vergleich der beiden Modeszenen diejenigen 'verborgenen Strukturen' der Akteure im Handlungsfeld der Mode in den beiden Städten aufzuspüren, die 'als vor Ort eingespielte, zumeist stillschweigend wirksame präreflexive[r] Prozesse der Sinnkonstitution (Doxa) und ihrer körperlich-kognitiven Einverleibung (Habitus)' verstanden werden können (Löw 2008a: 42).
Stadt und Mode sind seit jeher eng miteinander verknüpft. Die Mode, die in einer Stadt und für die Menschen einer Stadt hergestellt wird, ist Resultat lokalspezifischer Muster, sie ist deshalb unterschiedlich in verschiedenen Städten. Sie kann nicht allein über allgemeine globale Modetrends oder über die 'Berufsrollen' der Modeschaffenden erklärt werden. Obwohl sich neue Modestile via neue Medien schnell verbreiten (können), werden allgemeine Trends lokalspezifisch interpretiert und nach lokalem 'Geschmack' umgesetzt. In dieser Studie sollen anhand derjenigen Personen, die Mode in einer Stadt und für die Menschen einer Stadt entwerfen und herstellen, eigenlogische Muster aufgedeckt werden. Wie der Philosoph Walter Benjamin um die Mitte des 21. Jahrhunderts anmerkte, lassen sich an der Mode nicht nur 'neue Strömungen, […] Gesetzbücher, Kriege und Revolutionen' ablesen (Benjamin 1982: 112), sondern, so die Annahme dieser Arbeit, auch Erkenntnisse über stadtspezifische Handlungsstrukturen gewinnen.
Die zentrale Fragestellung der vorliegenden Untersuchung zielt darauf ab,
zu klären, ob (1) gegebenenfalls vorhandene eigenlogische Muster in den beiden Untersuchungsstädten München und Frankfurt am Main zum einen in dem hier fokussierten Handlungsfeld Mode erkennbar sind.
Zudem soll (2) mithilfe von Studien Dritter zu anderen Handlungsfeldern in den Untersuchungsstädten betrachtet werden, ob auch dort eigenlogische Muster erkennbar sind.
In einem weiteren Schritt (3) sollen die jeweils erkannten stadttypischen Handlungsmuster miteinander verglichen werden, um so zu erkennen, ob Homologien identifiziert werden können, die in der Handlungspraxis der Modeszene sowie in weiteren Handlungsfeldern zu finden sind.
Auf Grundlage dieses Vergleichs sollen (4) Hypothesen erarbeitet werden, welche eigenlogischen Muster in den jeweiligen Untersuchungsstädten generell – das heißt Handlungsfelder übergreifend – wirksam sind.
Die Arbeit gliedert sich insgesamt in neun Kapitel. Im anschließenden Teil (Kapitel 2) wird der aktuelle Forschungsstand der relevanten sozialwissenschaftlichen stadt- und modesoziologischen Forschung diskutiert, wobei die theoretischen Grundlagen des Konzepts der 'Eigenlogik der Städte' dargelegt werden. Es wird dargestellt, in welcher Weise sich diese Forschungsarbeit im Rahmen dieses Konzepts positioniert. Daran anschließend (Kapitel 3) werden die qualitative Untersuchungsmethode, der Städtevergleich als methodisches Instrument sowie die Untersuchungsstädte München und Frankfurt am Main vorgestellt.


Kristina Siekermann, Dr. phil., studierte Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Stadt- und Regionalsoziologie an der HU Berlin.



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