E-Book, Deutsch, 144 Seiten
Spannbauer / Behrendt Den Herzschlag der Natur spüren
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-451-81960-5
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Achtsam und verbunden leben
E-Book, Deutsch, 144 Seiten
ISBN: 978-3-451-81960-5
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Natur ist seit jeher ein Sehnsuchtsort. Die Achtsamkeitsexpertin Christa Spannbauer und die Naturtherapeutin Annika Behrendt zeigen, wie die Verbundenheit mit der Natur neu erfahren werden kann. Ihr praktischer Achtsamkeitsguide mit zahlreichen Inspirationen und vielen wirksamen Übungen gibt Anregungen, die der Kernfrage folgen: Wie kann man sich wieder verbunden fühlen mit der Welt, mit allen Wesen, mit den Pflanzen und den Tieren? Wie ist es möglich, die Achtung und Ehrfurcht vor allem Lebendigen wiederzuentdecken?
Im ersten Teil des Buches erforschen sie mit Achtsamkeitsmethoden, wie jeder das eigene Leben und das Leben um ihn herum mit einem offenen Herzen, einem weiten Geist und allen Sinnen wahrnehmen kann. Achtsames Gehen, stille Streifzüge in die Natur, Anregungen zum Pirschen und Barfußlaufen intensivieren die Naturbegegnung. Auf der weiteren Reise geht es um die Frage, was die Natur den Menschen lehren kann. Hierbei kommen Methoden und Übungen aus der Naturpädagogik und der Naturtherapie zum Einsatz. Sie zeigen Orte der Kraft, wo der Herzschlag der Natur und ihr Atem intensiv spürbar sind. Zugleich teilen sie viele erstaunliche Erkenntnisse über die heilsame Kraft des Waldes und Anregungen aus der Waldmedizin. Im Mittelpunkt steht stets die Natur als Ort der Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis. Die Autorinnen nehmen Bezug auf die Naturphilosophen Henry David Thoreau und Ralph Waldo Emerson und zeigen Möglichkeiten der transzendenten Naturerfahrung. Am Beispiel von Urwaldarzt Albert Schweitzer erforschen sie die Möglichkeiten, mit der Natur intensiv zu kommunizieren und ihre Sprache zu verstehen. Kontemplationen und Meditationen führen in die Erfahrung von Einheit und Verbundenheit. Das letzte Kapitel gibt viele Vorschläge zum Schutz von Bäumen, zum Pflanzen von Blumen, zum Schutz von Bienen und Schmetterlingen im eigenen Garten oder auf dem Stadtbalkon.
Ein Buch, das auf der Reise unterwegs zu mehr gelebter Verbundenheit mit der Natur begleitet. Machen Sie sich auf den Weg!
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. Wege zum achtsamen Leben
»In jedem Augenblick liegt das ganze Leben.« Jiddu Krishnamurti Seien wir ehrlich: Oft laufen wir doch wie mit Scheuklappen durch diese schöne Welt. Anstatt unsere Sinne für ihre Wunder und Geheimnisse weit zu öffnen, versinken wir in Gedanken, grübeln über die Vergangenheit nach, die wir doch nicht mehr ändern können, oder spekulieren über die Zukunft, auf die wir keinen Einfluss haben. Das Leben scheint immer irgendwo anders stattzufinden, nur nicht da, wo wir gerade sind. Wie aber gelingt es uns, da anzukommen, wo unser Leben tatsächlich geschieht: im gegenwärtigen Augenblick? Die buddhistische Geistesschulung hat hierfür eine äußert wirksame Methode entwickelt: die Achtsamkeitspraxis. Mit Meditationen, Atembeobachtung, Körper- und Geistesübungen. Wir richten dabei unsere Aufmerksamkeit nach innen, fokussieren uns auf den Atem, erforschen wertfrei unsere Gedanken und Gefühle und nehmen durch Gehmeditationen und Körperübungen Kontakt mit unserem Körper auf. Ziel ist es, unser so oft zerstreutes Bewusstsein zu sammeln, ganz wach und präsent zu werden und dadurch das Leben intensiv und unmittelbar wahrnehmen zu können. Mit der Methode »Stressbewältigung durch Achtsamkeit« machte der Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn diese östliche Geistesschulung, die dem Stressabbau und der inneren Sammlung dient, dem westlichen Bewusstsein leichter zugänglich. Mit Achtsamkeit kommen wir wieder in Verbindung mit uns selbst. Denn genau dieser Kontakt zu unseren Gefühlen, Gedanken und Körperempfindungen ist in der Hektik des modernen Lebens oft unterbrochen oder gar abgerissen. Die Folge davon ist, dass wir uns entfremdet von uns selbst und getrennt von der Welt erleben. Ziel der Achtsamkeitspraxis ist es, diese Trennung und Entfremdung zu überwinden. Dafür gilt es, den zerstreuten Geist zur Ruhe zu bringen, Zugang zu unseren verdrängten Gefühlen zu erhalten und in Berührung zu kommen mit unserem Körper, dessen Bedürfnisse wir oft gar nicht wahrnehmen. Die entscheidenden Fragen für ein achtsames Leben sind: Kann ich fühlen, was ich gerade fühle? Weiß ich, was ich denke? Bin ich in meinem Körper beheimatet? Sind meine Sinne wach und offen? Denn erst wenn wir unsere Gefühle erkennen, können wir sie auch erleben, auskosten und zur gegebenen Zeit wieder ziehen lassen. Erst wenn wir uns der eigenen Gedanken bewusst werden, können wir sie kultivieren und ihnen eine positive Ausrichtung geben. Erst wenn wir in Kontakt mit unserem Körper sind und seine Bedürfnisse wahrnehmen, können wir fürsorglich mit ihm umgehen. Und erst dann, wenn unsere fünf Sinne aktiv sind, können wir die Welt in ihrer ganzen Fülle wahrnehmen. Um diese Wachheit und Achtsamkeit einzuüben, empfiehlt es sich, während des Tages ab und wann kurz innezuhalten und sich zu fragen: Welche Körperempfindungen nehme ich jetzt wahr? Welche Gedanken gehen mir gerade durch den Kopf? Welche Gefühle kann ich spüren? Die folgenden beiden Übungen aus der Achtsamkeitsschulung bereiten Sie für eine gesammelte und zugleich erweiterte Wahrnehmung der Natur vor. In der Atemmeditation verbinden Sie sich mit dem eigenen Körper und stimmen sich darauf ein, sich bei Ihrem Gang nach draußen mit dem Atem der Natur zu verbinden. Hierfür werden Sie im weiteren Verlauf des Buches noch weitere hilfreiche Anleitungen erhalten. Die formale Gehmeditation, die in der Achtsamkeitspraxis und in Meditationszentren weltweit geübt wird, schult Sie für ein bewusstes Gehen durch die Natur. Achtsamkeitsübung: Den Atem beobachten Die Atemmeditation ist die zentrale Übung der Achtsamkeitspraxis und zugleich essenzieller Bestandteil aller spirituellen Traditionen. Der Atem bringt Sie zur Ruhe, senkt das Stresslevel und unterstützt Sie dabei, in Ihrem Leben im Hier und Jetzt anzukommen. Nehmen Sie sich für diese Meditation anfangs fünf bis zehn Minuten Zeit und verlängern Sie die Meditationszeit in der Folge nach Belieben. Ziehen Sie sich an einen ungestörten Ort zurück. Nehmen Sie eine stabile Sitzhaltung ein, aufrecht und doch entspannt, vielleicht auf einem Meditationskissen oder einem Stuhl. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nun auf Ihren Atem und nehmen Sie wahr, wie er in Ihren Körper ein- und wieder ausströmt. Wo können Sie Ihren Atem am deutlichsten wahrnehmen? Vielleicht spüren Sie ihn am deutlichsten im Bauchraum, wo der Atem beim Einströmen die Bauchdecke hebt und beim Ausatmen wieder senkt. Bleiben Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit bei dieser Bewegung. Vielleicht spüren Sie den Atem in Ihrem Brustbereich und können wahrnehmen, wie sich Ihr Brustkorb beim Einatmen weitet und beim Ausatmen wieder senkt. Bleiben Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit bei dieser Bewegung. Vielleicht können Sie am besten am Nasenloch wahrnehmen, wie der Atemstrom kühl ein- und wärmer wieder ausströmt. Bleiben Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit an dieser Stelle. Wenn Ihre Gedanken abschweifen, holen Sie Ihre Aufmerksamkeit einfach wieder geduldig zu Ihrer Beobachtung zurück und verbinden Sie sich erneut mit dem Atem. Schließen Sie die Meditation ab und dehnen und strecken Sie sich ausgiebig. Je öfter Sie diese Meditation praktizieren, desto geübter werden Sie darin, mit Ihrem Atem Kontakt aufzunehmen. Sie können sie dann auch bei Wartezeiten in Ihrem Alltag anwenden. Achtsamkeitsübung: Meditatives Gehen Mit der Gehmeditation bringen wir unseren ruhelosen Geist zur Ruhe. Denn wir haben etwas, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten können. Kaum eine andere Übung eignet sich besser, in einen achtsamen Zustand zu kommen, als das meditative Gehen. In der buddhistischen Geistesschulung gilt das Gehen als die Meditationsform, die die Aufmerksamkeit stärkt und dadurch eine vollständige Wachheit ermöglicht. Die Einübung der Gehmeditation ist eine ideale Vorbereitung auf Ihren späteren Gang in die Natur. Sie können die Übung, die fester Bestandteil eines jeden Achtsamkeitstrainings ist, sowohl in geschlossenen Räumen als auch im Freien durchführen. Sie tun im Folgenden nichts anderes, als langsam zu gehen und dabei Ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Gehen zu richten. Da es Geduld braucht, um sich auf diese Übung einzulassen, sind zehn Minuten für den Anfang ausreichend. Kleiner Tipp: Wenn Sie barfuß gehen, können Sie Ihre Bewegungen und den Kontakt mit dem Boden intensiver wahrnehmen. Bevor Sie losgehen, stehen Sie für einige Augenblicke entspannt auf der Erde. Nehmen Sie Kontakt auf mit Ihrem Körper. Spüren Sie, wie Ihre Fußsohlen fest auf der Erde stehen. Nehmen Sie Ihren Atem wahr, wie er sanft in Ihren Körper ein- und wieder ausströmt. Gehen Sie dann zehn Schritte in die eine Richtung, halten Sie kurz inne, bevor Sie umkehren und wieder zehn Schritte zurückgehen. Nehmen Sie wahr, wie Sie den Fuß anheben, vorschieben und wieder aufsetzen. Spüren Sie, wie Ihre Fußsohlen den Boden berühren und wie die Fußballen abrollen, wie sich Ihre Knie beugen und wieder strecken. Werden Sie sich der Gewichtsverlagerung von einer Seite auf die andere gewahr und auch des kurzen Moments der Instabilität, bevor Sie wieder sicher auf dem anderen Fuß stehen. Machen Sie sich bewusst: Jeder Schritt, den Sie vorwärts gehen, ist ein Moment der größten Offenheit für das Leben. Die Achtsamkeit weiten
»Bei jedem Wetter, zu jeder Tages- oder Nachtstunde versuchte ich den gegebenen Augenblick zu nutzen. Immer war ich bedacht, dort festen Fußes zu fassen, wo zwei Ewigkeiten – Vergangenheit und Zukunft – zusammentreffen, das heißt gerade im jeweiligen Augenblick.« Henry David Thoreau Der Naturphilosoph Henry David Thoreau machte in seinem wegweisenden Essay »Vom Spazieren« eines ganz deutlich: Es braucht immer wieder aufs Neue unsere Entschlossenheit, um im gegenwärtigen Augenblick anzukommen und dabei in Verbindung mit sich selbst und der Natur zu kommen. Die Frage, die sich uns daher stellt, ist keine geringere als: Wie können wir, wenn wir in der Natur sind, auch wirklich in der Natur sein? Um dies zu ermöglichen, nähern wir uns der Natur mit einer erweiterten und nach außen gerichteten Form der Achtsamkeit. Wir weiten unseren Fokus. Eine Wahrnehmung, die wir auch offenes Gewahrsein nennen können. Diese setzt das voraus, was wir weiter oben eingeübt haben: in Verbindung mit uns selbst, unserem Atem, unseren Gefühlen, Gedanken und Körperempfindungen zu kommen, um nun die uns umgebende Welt mit allen Sinnen wahrnehmen zu können. Wir richten unseren Fokus von innen nach außen, die Wahrnehmung von eng nach weit. Stellen Sie sich vor, Sie würden an der Kamera das Zoomobjektiv mit dem Weitwinkelobjektiv austauschen. Sie öffnen sich damit bewusst den Reizen, die von außen auf Sie einströmen. Damit werden Sie durchlässig, aufnahmebereit, ganz offen für alles, ohne es festhalten zu wollen. Sie öffnen sich mit einem weiten Geist und einem offenen Herzen der Natur. Sie nehmen die Sonnenstrahlen, den Wind, die Waldluft mit offenen Sinnen wahr. »Wahrnehmung setzt vollkommene Aufmerksamkeit voraus – Nerven, Ohren, Hirn, Herz, alles ist in höchster Bereitschaft«, so erklärte es der indische Weise Jiddu Krishnamurti anschaulich. Eine solche Wahrnehmungsfähigkeit verfeinert die Sensibilität und befähigt, für die Wunder des Lebens offen zu sein....