E-Book, Deutsch, 191 Seiten
Spindler Der Jude (Historischer Roman)
1. Auflage 2016
ISBN: 978-80-268-6495-0
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Deutsches Sittengemälde aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts - Das Bild der Frankfurter Bürgerschaft und ihrer Auseinandersetzungen mit kriminellen Feudalherren des nördlichen Umlandes
E-Book, Deutsch, 191 Seiten
ISBN: 978-80-268-6495-0
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
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Zweites Kapitel.
Inhaltsverzeichnis
Ein schlicht Gewand
Deckt in der Welt
Gar oft den Mann
Der in der Hand
Den Zepter hält
Wie’s ihm gefällt:
Wer sieht’s ihm an? Ballade. »Schon gesattelt und aufgezäumt?« fragte ein junger lebhafter Mann von ausnehmend schöner Gestalt und vornehmem Wesen den Knecht des Junkes von Hülshofen, der den erlösten Gaul mit der Reisedecke schmückte. – »Dachte nicht, daß es schon so weit seyn würde, nachdem was ich gehört!« – Sprachs, und stand mit wenig Sprüngen in der Maienstube vor dem Edelknecht. Dieser saß bei einem Paßglase Malvasier, und kanzelte den demüthigen Wirth zum Rebstock auf gut deutsch ab, wegen seines unziemlichen Benehmens gegen fremde ehrsame Edelleute. Da er jedoch des Besuchs ansichtig wurde, schickte er kurz abbrechend den Kneipenmeister zum Teufel, und wendete sich in der fröhlichsten Laune zu dem Jüngling. »Sieh da!« sprach er: »Edles Herrlein, seyd willkommen. Habt doch Wort gehalten, ob schon Ihrs im Martinsjubel gabt. Ihr verschmäht es nicht, in der Gesellschaft eines alten Schrankenraufers zu reiten, der Wappen und Freiheit an Eure Stadt verkaufen mußte, um schnöden Sold.« »Ei warum denn, possierlicher Mensch?« fragte der Jüngling. »Wer mir auf der Lebensbahn aufstößt, lustig, wohlgemuth wie ich, ist vor Allen mein lieber Gesellschafter, er schaue nun unter einer Grafenkrone, einer Fechterhaube, oder einem Gugelhute hervor. – Alter Degenknopf; ich habe von Deinem gebrannten Herzeleid gehört, und bin gekommen, Dich zu befreien aus den Schlingen der Edomiter, die gar zu gern einhergefahren wären auf Deinem Turniergaule!« – Hier klimperte er dem Gerhard gar anmuthig mit einem gefüllten Beutel vor den Ohren. – »Ich komme jedoch zu spät, wie ich zu meiner Freude sehe. Wie ist es Dir möglich geworden, Du durchlöchertes Sieb, dem Handel so schnell ein Ende zu machen?« Gerhard erzählte lustig, locker und frech in der Freude seines Herzens die Art, wie er zu dem Gelde gekommen. Des Jünglings Gesicht verfinsterte sich jedoch gewaltig, und ungeduldig stampfte er mit dem Fuße, da Hülshofen geendet. – »Pfui! pfui! und abermals pfui!« rief er: »Zerbrich Dein Wappen und Dein Schwert, Du geldsüchtiger alter Mensch! Bist Du nicht schlechter als der Jude, der doch nur eine Christenseele kaufte, die Du verschleudert hast? Gerhard! ist das eines Edelmanns würdig? Wärst Du bei Deinem Steigbügel zu Gaste gegangen, wie die lockern Gesellen, die gestern im Rosengarten mit Dir zechten, hättest Du die Marktschiffe geschunden, wie der grausame Hans von Rudenkheim, dessen Rückinger Schloß mein Vater vor zehen Jahren niederbrennen half, – hättest Du mit Scharlach gehandelt auf offner Landstraße, ich würde um Alles dieß Dich weniger gescholten haben, als um eines Menschenverkaufs willen; denn der ist vor allen unritterlichen Streichen der unritterlichste.« »Noth kennt kein Gebot;« meinte Gerhard. »Hättet Ihr gesehen, wie mich der Wirth beschimpfte, hättet Ihr gesehen, wie meine lieben Freunde mich sitzen ließen, – hättet Ihr empfunden, wie kalt dieser Ofen und wie leer mein Magen war; Ihr würdet glimpflicher mit mir verfahren.« »Einem Juden?« fuhr der junge Mann fort: »Der arme Junge! Ich war ja dabei, als Du ihn gefunden. Noch sehe ich sein holdes Antlitz; ich empfahl ihn Dir noch auf das Beste, da ich Dich trunknen Mann an der Hausthüre Deinem Knechte überließ; aber was hilft das Alles! Verschachert wie Joseph an die Kinder Ismaels! Nun, wart, wart! alter Luxbruder! Der heilige Martin wird Dir’s gedenken, wenn die Seele eines Christen durch Dich zum Teufel fährt.« »Ei nun;« erwiederte Gerhard: »so überlaßt es auch dem heil. Martin und brummt nicht mit mir. Was soll das Hadern? Laßt uns den Span in Minne beilegen, und zu Gaule steigen. Geld klingt in der Tasche, und überall stehen die Fässer uns offen. Seyd Ihr schon reisefertig?« »Mein Pferd steht vor meiner Herberge;« antwortete noch etwas finster der junge Mann; »laßt uns dort den Valettrunk halten, denn von Deinem mit Christenblut bezahlten Sekt nehme ich keinen Tropfen an.« Der Vorschlag wurde von dem trinklustigen Gerhard recht ausführbar befunden, und die Beiden begaben sich auf den Weg. Der lange Vollbrecht, ohnehin zum Fußmarsch verdammt, machte sich eilends zum Thore hinaus, während die Herren noch lustig im Rosengarten sich zutranken. Die rothwangige Tochter des Hauses kredenzte den feurigen Wein, und entzückte durch ihre Liebenswürdigkeit den jungen Mann dergestalt, daß er den Arm um ihren schlanken Leib legte, und sich theuer vermaß, er wolle ihrer selbst im Getümmel der Feste zu Costnitz eingedenk seyn. »Ei, seht doch!« schäckerte die erfahrne Dirne: »Der Junker will wohl gar noch läugnen, daß er in Frankfurt eine schöne Amrie zurückgelassen, daß vielleicht in Costnitz eine zweite seiner harrt.« Der Junker fuhr sich unmuthig über die Stirne. »Was schwatzest Du da für Zeug, tolles Mädel!« rief er: »Man muß Deine Schönheit schätzen, wie ich, um Dir Deine Unverschämtheit so hingehen zu lassen!« »Nur nicht böse, lieber Herr!« bat Dorothea: »Es ziemt mir freilich nicht, also mit ritterlichen Leuten zu scherzen, allein dem willkommnen Mund verzeiht man öfters eine unwillkommne Rede.« – Sie bot dem Jüngling die frischen Lippen zum Kuß, der auch nicht verweigert wurde. – »Ihr dürft Euch übrigens,« fuhr sie fort, »im Ernste darauf gefaßt machen, Euer Herz in Costnitz zu verlieren, wäre es auch ganz allein an die schöne Fremde, die gestern einen Augenblick hier still hielt auf ihrer Reise nach Costnitz, und trotz der stark einbrechenden Nacht alsobald weiter fuhr. Sie darf Euch dort begegnen, und Ihr seyd unwiederbringlich verloren.« »Eine schöne Fremde?« fragte der Jüngling begierig. »Jungfrau oder ...« »Ein Fräulein ist sie wohl nicht, denke ich;« erwiederte das schlau lächelnde Mädchen: »aber eine Wittib ganz gewiß, eine junge schöne Wittib, der das schwarze Trauergewand unvergleichlich zu den dunkeln Augen steht.« »Eine Frau in Trauer?« fragte Gerhard begierig: »die nur einen Augenblick halten ließ?« »Ja; sie ließ sich nur einen Trunk Weins belieben, und fuhr schnell von dannen. Ein Fuhrknecht und eine junge Gürtelmagd waren ihre ganze Begleitung.« »Sie ist’s! ohne Zweifel!« schrie Gerhard. »Der Zufall hilft uns auf die Sprünge!« Dorothea staunte. »Auf welche?« fragte der junge Mann; und gab dem vorlauten Fechtbruder einen derben Rippenstoß, als dieser von dem gefundenen und verkauften Knaben anheben wollte. Gerhard schwieg bestürzt, und folgte ohne Widerrede dem Junkherr, denn, – nachdem er in Kürze von Dorothea erfragt, daß die trauernde Fremde in der That den Weg gen Costnitz genommen, und vermuthlich eine jener fahrenden Frauen sey, die des Gewinns halber die Kirchenversammlung mitzufeiern gedachten, – rasch zu Gaule stieg, und nebst seinem Begleiter Worms bald im Rücken hatte. »Sage mir aber ums Himmelswillen,« begann der Jüngling nach einer Weile unmuthig, »sage mir, ob Du rein des Satans bist, Du küpfriges Gefäß? Erst verhandelst Du eine unmündige Seele an den Moloch, und hinterher willst Du durch Dein abgeschmacktes Gerede uns in den Mund der plauderhaften Dirne, vielleicht auf den Scheiterhaufen bringen?« »Nun, nun,« fiel Gerhard begütigend ein: »Nur nicht böse; meine Offenherzigkeit ist allzugroß, und wenn die Frau wirklich die Frau wäre ...« »Schweig!« brummte der junge Mann: »Du wärst noch im Stande, der Nächstbesten auf den Kopf zuzusagen, daß sie ihr Kind ausgesetzt; blos weil sie ein schwarzes Kleid trägt. Ich sollte mich billig aufs Neue gegen Dich erzürnen, Du Seelenverkäufer.« »Laßt’s seyn,« meinte Gerhard. »Es kömmt bei dem Zanke nichts heraus, als viel Geschwätz, viel Galle, und am Ende Blut, wenn die Galle überläuft. Der heilige Martin wird die Sünde von mir nehmen, und damit genug. Laßt uns lieber von Eurem Herzlieb reden, das Ihr in Frankfurt zurückgelassen; denn ohne Grund wurdet Ihr nicht roth, da das Kellerdirnel Euch auf das Kapitel brachte.« »Pah! Schnurren und Flausen!« lachte der Jüngling. »Jede Dirne träumt nur von Minne, und jeder gewäschige Hagestolz von unziemlicher Buhlschaft. Ich antworte Dir darauf Nichts, als daß ich zum Dienst des Herrn bestimmt bin, und also an kein Lieb zu denken habe.« Gerhard hielt plötzlich seinen Gaul an, stemmte beide Arme in die Seiten, und brach in ein unmenschliches Gelächter aus. »Ho ho!« stammelte er unter demselben, und wischte sich die Lachzähren aus den Augen: »Erlaubt mir, daß ich lachend sterbe bei dem Gedanken, Euch dereinst im Chorrock mit geschorner Platte zu erblicken.« »Stirb zu, alter Pickelhäring!« entgegnete ihm der Begleiter lustig: »Jetzt hast Du die beste Zeit dazu, denn ich ertheile Dir die Absolution in aller Form, und einen so nachgiebigen Beichtvater findest Du gewiß in Deinem ganzen Leben nicht mehr. – Was meinst Du aber mit Deinem Narrengelächter eigentlich. Denkst Du, ich würde mich schlecht ausnehmen im Meßgewand oder gar, wenn das Glück will, in der Inful?« »Bewahre!« versetzte der Hülshofen: »Ick bedaure vielmehr alle Dirnen und Frauen, die das Unglück haben, den Ort zu bewohnen, wo Ihr Chor singt, oder den Hirtenstab regiert. Es macht mir indessen Spaß, Euch mir im Pfaffengewand zu denken, da Ihr doch augenfällig in den Panzer gehört, – mit dem Rauchfaß...