E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Reihe: Beck Professionell
Stackelberg Selbstbewusstsein
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-406-66829-6
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wege zu mehr Stärke, Erfolg und Lebensqualität
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Reihe: Beck Professionell
ISBN: 978-3-406-66829-6
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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43Gastkapitel von Franz Grieser: die Heldenreise als ein Weg zu mehr Selbstbewusstsein
Die Heldin kauert am Boden, vor ihr der Dämon. Er scheint unüberwindlich. Sie schütz Ihren Kopf mit den Händen, bewegt sich nicht. Ihre beiden Gefährten stehen im Hintergrund, beide blass. Ich komme dazu, spreche kurz mit den Begleitern, gehe dann zur Heldin. Ich knie mich neben sie, beobachte sie. Sie wirkt wie eingefroren. Ihr Atem ist kaum wahrnehmbar. Ich beuge mich zu ihr, flüstere ihr etwas zu. Keine Reaktion. Ich wiederhole, was ich gesagt habe. Nun regt sich etwas in der Heldin. Ihr Bauch beginnt sich zu bewegen. Langsam kommt Leben in sie. Sie atmet tiefer. Nimmt die Hände vom Kopf, stützt sich damit auf dem Boden auf, blickt hoch. Schaut zu mir, ich nicke. Sie wendet den Kopf zum Dämon, zuckt leicht zurück. Blickt ihn an. Sie setzt sich auf. Ihr Atem wird ruhiger, tiefer. Nun bekommt ihr Gesicht wieder Farbe. Sie nimmt einen tiefen Atemzug. Und dann schallt ein Schrei durch den Raum: „Verschwinde. Verschwinde aus meinem Leben.“ Sie springt auf, ballt die Fäuste. Jetzt ist sie bereit, sich ihrem Dämon zu stellen. Und das tut sie – und wie! Hinterher ist sie erschöpft, noch leicht zittrig, aber glücklich. Und heiser. Sie geht zu ihren Gefährten, die drei nehmen sich in den Arm. Dann kommt sie zu mir und sagt leise: „Ich war gelähmt vor Angst, hatte ganz vergessen zu atmen. Danke, dass du mich erinnert hast.“ Wir lächeln. 44Dann lacht sie auf und sagt mit fester Stimme: „Wahnsinn. Ich habe mich immer für einen Angsthasen gehalten. Wenn ich früher gewusst hätte, was alles in mir steckt …“ Was untergräbt unser Selbstbewusstsein?
Es gibt viele Dinge, die das Selbstbewusstsein von Menschen untergraben oder gar nicht erst entstehen lassen – darum geht es im ersten Kapitel des vorliegenden Buches. In diesem Kapitel geht es um einen Aspekt davon: Jeder Mensch weiß letztlich, mehr oder weniger tief im Inneren, was gut für ihn ist. Nur: Häufig handeln wir nicht danach. Wir bleiben in unserem Beruf, obwohl er uns nicht erfüllt; wir bleiben in einer Beziehung, die schon lange nur noch ein Nebeneinander oder ein Gegeneinander ist; wir schieben unsere großen Träume auf – bis zur Rente; wir können uns nach der Arbeit nicht aufraffen, Sport zu machen, obwohl es uns guttäte – und noch vieles mehr. Wenn unser Handeln und unser Wollen weit auseinanderklaffen, dann nagt das gewaltig an unserem Selbstbewusstsein. Denn häufig geben wir uns selbst die Schuld dafür. Wir denken, wir hätten zu wenig Selbstdisziplin, zu wenig Willenskraft, wir wären schwach, nicht gut genug. Schauen Sie doch einmal selbst: Was gibt es in Ihrem Leben, was Sie gerne tun (oder auch unterlassen) würden, was Sie aber nicht tun (bzw. lassen)? Wenn Sie da – nur für wenige Minuten – genauer hinspüren: Wie geht es Ihnen damit? Wie fühlt sich das an? Wenn ich diese kleine Übung mit Coachingklienten oder Seminarteilnehmern mache, dann lauten die Antworten meist: Ich fühle mich ganz schwach. Ich fühle mich mies, schlecht, wertlos … Bei vielen Menschen gibt es – neben mehreren kleinen Dingen – ein oder zwei wirklich wichtige Bereiche in ihrem Leben, bei denen sie feststecken. Wenn es so elementare Dinge sind wie der Lebenstraum, die Beziehung oder die Arbeit, dann strahlt der Eindruck, gerade hier zu versagen, auch auf die übrigen Lebensbereiche aus. Dann ist man in seinen eigenen Augen ein Versager, ein Schwächling, einer, der es nicht bringt. Und zwar nicht nur in diesem einen Bereich, sondern im gesamten Leben. 45Wie kommt es zu solchen Selbstblockaden?
Viele Coaching- und Therapierichtungen wie das NLP, die Transaktionsanalyse, Voice Dialogue, Gestalttherapie oder auch das Persönlichkeitsmodell „Das innere Team“ nach Schulz von Thun gehen davon aus, dass wir als Personen nicht feste Einheiten sind, sondern dass unsere Persönlichkeit aus einer ganzen Reihe von Anteilen oder inneren Stimmen besteht. Wahrscheinlich kennen Sie Bilder wie „das innere Kind“, „den inneren Kritiker“ oder auch „den inneren Schweinehund“ – das sind solche Persönlichkeitsanteile. In der Regel hat jeder von uns solche und noch eine ganze Reihe weitere Anteile oder innere Stimmen. Manche davon sind uns bewusst, einige dagegen nicht. Und fast jeder dieser Anteile verfolgt eine eigene Agenda. Der Beschützeranteil, den jeder Mensch hat, will verhindern, dass uns etwas passiert oder dass uns jemand wehtut. Der Antreiber will, dass wir vorwärtskommen und etwas erreichen. Dann gibt es meist noch Anteile, die lieber das Leben genießen und sich auf die faule Haut legen; Anteile, die das Abenteuer suchen; Anteile, die eher auf Sicherheit bedacht sind; verletzte Anteile. Sie sehen schon: Da kann es heftige Interessenkonflikte geben. Bei einigen Beispielen von oben – raus aus einem unbefriedigenden Job, mehr Sport treiben – ist ein Antreiber-Anteil aktiv. Der kollidiert aber mit einem Anteil, der etwas anderes will: Etwa mit dem Sicherheitsdenker, der lieber in einem ungeliebten Job bleibt, oder mit einem Genießer, der lieber noch ein Eis schleckt, statt die Joggingschuhe anzuziehen. Nicht immer ist so deutlich wie in diesen Beispielen, wer die Gegenspieler sind. Wie schon gesagt: Viele Anteile sind uns gar nicht bewusst. Dass es massive Interessenkonflikte geben muss, erkennen Sie, wenn ein Anteil – häufig der Antreiber – ganz klare Ziele hat, sie trotz aller Entschlossenheit jedoch nicht erreicht. Dann können Sie sicher sein, dass es da noch mindestens einen Gegenspieler gibt, der eben nicht mitspielt oder das Erreichen des Ziels sogar sabotiert. Auch wenn der Antreiber das glaubt: Mehr Anstrengung und mehr Disziplin helfen nicht. Denn erfahrungsgemäß mobilisiert dann der Gegenspieler ebenfalls mehr Energie („innere Faulpelze“ können viel Willenskraft aufbringen, wenn sie ihre Ruhe haben wollen). Das Ergebnis: Es verpufft sehr viel Energie, ohne dass einer von beiden Anteilen seinen Zielen wirklich näher käme. Auch ein Genießer 46kommt ja nicht auf seine Kosten, wenn der Antreiber ständig – bildlich gesprochen – in die Pedale tritt und auf den Faulpelz schimpft. Zeitweise kann es dem Antreiber sogar gelingen, mehr Energie aufzubringen als sein Gegenspieler. Auch das führt dann zu Unzufriedenheit – weil ja dann zum Beispiel der Genießer zu kurz kommt. Und es kann schwerwiegende Folgen haben, etwa wenn der Anteil dauerhaft übergangen wird, der dafür zuständig ist, dass wir uns nicht permanent überfordern oder überanstrengen. Was tun: Coaching, Therapie oder etwas ganz anderes?
Oft ist uns der Anteil, der dem Erreichen unserer Ziele – bisher noch – im Weg steht, nicht bewusst. Und nicht selten ist es auch ein Anteil, den wir ablehnen. Deshalb ist es nicht leicht, ganz ohne fremde Hilfe eine Verständigung zwischen den inneren Anteilen herbeizuführen. Helfen können hier ein Coaching oder eine Therapie. Dabei geht es darum, erst einmal die Anteile zu identifizieren, die sich da gegenseitig blockieren. Dann kommt der schwierigste Part: Erst wenn alle Beteiligten begreifen, dass letztlich jeder Anteil nur das Beste für das Gesamtsystem will, kann es zu einer Aussöhnung (oder zumindest Verständigung) zwischen ihnen kommen. Danach ist es dann möglich, diese Anteile dazu zu bringen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen – und zwar in die gleiche Richtung. Wichtig dabei: Wenn ich hier von inneren Anteilen oder Stimmen spreche, dann meine ich damit nicht, dass jemand an einer multiplen Persönlichkeitsstörung oder einer dissoziativen Identitätsstörung leidet. Wenn Sie innere Stimmen hören, etwa die eines Antreibers oder Kritikers, muss das nicht heißen, dass Sie eine Persönlichkeitsstörung haben: Solche inneren Stimmen oder Anteile sind völlig normal, die hat jeder Mensch. Das heißt nicht, dass Sie damit zum Therapeuten gehen müssen. Therapie oder Coaching können sinnvoll sein, wenn Sie unter einer inneren Blockade leiden und daran etwas ändern wollen. Es braucht allerdings nicht zwingend eine längere Therapie oder viele Coachingsitzungen, wenn Sie eine innere Blockade auflösen wollen: Auch eine Heldenreise kann ein probates Mittel sein. Die Heldenreise eignet sich vor allem dann, wenn Sie mit einem wichtigen Bereich in Ihrem Leben nicht weiterkommen, wenn Sie 47in einer Krise stecken oder wenn Sie eine unbestimmte Sehnsucht oder Ahnung haben, dass es da noch mehr geben müsste im Leben. Die Heldenreise – was genau ist das?
Die Heldenreise ist ein mehrtägiges Seminar zur Persönlichkeitsentwicklung. Es basiert auf dem vom Mythenforscher Joseph Campbell entdeckten „Monomythos“. Das ist eine archetypische Grundstruktur, die Campbell zufolge in allen Kulturen auf der Erde, in allen Religionen, Mythen, Märchen und Sagen zu finden ist. Eine Grundstruktur, die die Struktur der menschlichen Psyche widerspiegelt. Dieses Muster machen sich Geschichtenerzähler seit Urzeiten ebenso zunutze wie Schriftsteller und Filmregisseure – StarWars, HarryPotter und Der Herr der Ringe basieren auf der gleichen Grundstruktur. Ausgangspunkt ist die gewohnte Welt des künftigen Helden (der natürlich auch eine Heldin sein kann). Er erhält einen Ruf: Es passiert etwas, worauf er reagieren soll oder muss; oder er erhält eine Aufgabe wie Frodo in Herr der...