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Stein Berlin - Seoul - Berlin

Auf der Reise zu mir selbst
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-641-31026-4
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Auf der Reise zu mir selbst

E-Book, Deutsch

ISBN: 978-3-641-31026-4
Verlag: Goldmann
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Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Miriam Yung Min Stein führt mit 23 Jahren das erste Mal Regie bei einem Musikvideo, mit 25 dreht sie den ersten Werbefilm und mit 27 schreibt sie mit Christoph Schlingensief das Drehbuch zu 'The African Twin Towers'. Direkt danach verschlägt es sie nach Hollywood, wo sie mit Roman Coppola an einem aufwändigen Werbespot für Coca Cola arbeitet. Als sie im Sommer 2005 aus Los Angeles zurückkehrt, weiß sie plötzlich nicht mehr, wie ihr Leben weitergehen soll. Fast 30 Jahre alt beschließt sie, sich ihrer Vergangenheit zu stellen und reist nach Korea, in das Land, aus dem sie als Baby nach Deutschland zur Adoption freigegeben wurde.Neuauflage - mit einem Vorwort der Autorin und Nachworten der Germanistin Kye Terrasi sowie der Theatermacherin und Autorin Helgard Haug.

Miriam Yung Min Stein ist Journalistin und Buchautorin und lebt mit ihrer Familie in Berlin. Sie wurde 1977 in Südkorea geboren und wuchs in einer deutschen Familie als Adoptivkind auf. Sie hat mit Christoph Schlingensief und Rimini Protokoll Theater gemacht und ist eine profilierte deutsche Kulturjournalistin. Miriam Stein hielt sich immer für eine alte Seele im jungen Körper - aus heutiger Perspektive ein Zeugnis jugendlicher Verklärung.

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Vorwort zur Neuausgabe
Im Herbst 2008, kurz nachdem ich mich in Südkorea auf die Suche nach meinen biologischen Eltern begeben und diese Reise in »Berlin Seoul Berlin« aufgeschrieben und zum ersten Mal veröffentlicht hatte, machte ich im Rahmen eines Theaterprojekts namens »Black Tie« einen kommerziellen Gentest. Informationslöcher über meine Herkunft, die ich auf meiner Reise nicht hatte schließen können, versuchte ich nun mit Hilfe von High-Tech-Medizin zu stopfen. Vielleicht würde ich über meine Gene etwas zu meiner Abstammung herausfinden. Denn die Faktenlage war dünn: Man fand mich im Sommer 1977 an einer Straßenkreuzung in der südkoreanischen Stadt Daegu, weitere Informationen – zum Beispiel, wer meine Eltern sind oder wann genau ich wo geboren bin, existieren nicht. Das eigene Genom zu entschlüsseln, war damals neu und ziemlich teuer, die Theatermacher*innen des freien Kollektivs »Rimini Protokoll« finanzierten den Test über ihr Bühnenbild-Budget. Ich musste eine Speichelprobe nach San Francisco schicken. Ein paar Wochen später erhielt ich über einen persönlichen Zugang auf der Website ein paar eher banale Informationen über angeborene Eigenschaften wie Laktose-Unverträglichkeit, Disposition von Erbkrankheiten (überwiegend Entwarnung), aber keine konkreten Informationen über familiäre Verbindungen oder den Geburtsort. 2011 lief »Black Tie« aus und der Test geriet in Vergessenheit. Ab und zu loggte ich mich noch mal ein, weil neue Ergebnisse vorlagen. Genetische Marker werden über Vergleichswerte gelesen. Je mehr Menschen ihr Genom entschlüsseln lassen, desto konkreter werden die Erkenntnisse. So richtig voran ging es für mich aber nicht. 2017 meldete ich mich das letzte Mal an. Fünf Jahre später haben über zwölf Millionen Menschen auf der ganzen Welt ihr Genom entschlüsseln lassen. Die Ergebnisse kann ich mittlerweile per App einsehen, zur Neuauflage dieses Buches habe ich sie heruntergeladen und aktiviert. Tatsächlich gibt es Neuigkeiten. Mittlerweile kann meine genetische Abstimmung nicht nur zu 97,7 % in Korea, sondern in der Hauptstadt Seoul lokalisiert werden. Daegu, die Stadt, in der ich laut Papieren gefunden wurde, steht nur an dritter Stelle (nach Busan). War ich also je in Daegu oder ist das reine Fiktion? 2,3 % meiner Gene stammen außerdem von der nördlichen, japanischen Insel Hokkaido, irgendein Vorfahre war vermutlich japanischer Herkunft. Viele Daten hat das Unternehmen mittlerweile in ein Archiv verbannt, sie werden nicht mehr bearbeitet. Um genaue Angaben über gewisse Erbkrankheiten zu bekommen, müsste ich den Test wiederholen. Ich finde ein kurioses Detail im Archiv: Mir wurde eine prozentual höhere Wahrscheinlichkeit zur frühzeitigen Menopause angezeigt. Mit Recht, wie ich heute weiß. Vor zwei Jahren kam ich mit Anfang vierzig in die Wechseljahre und schrieb das Buch »Die gereizte Frau« darüber. Das Buch wurde ein Bestseller, diesem Erfolg ist es nun zu verdanken, dass »Berlin Seoul Berlin« wieder zu lesen ist. So gesehen kann man es fast gut nennen, dass ich mich damals gedanklich nicht länger mit der Menopause aufgehalten habe. Die App hat auch ein Social Media Profil namens »DNA Relatives«, das genetisch verwandte Menschen zusammenbringt und deren DNA im Familienverbund erforscht. Das macht Sinn, denn auf diesem Weg werden wir vermutlich mehr über Gesetzmäßigkeiten von Vererbung erfahren. Ich registrierte mich dort und erlebte eine handfeste Überraschung: Die App hat jemanden gefunden, der über 13 % meiner DNS teilt. Er lebt in den USA und trägt einen amerikanischen Allerweltsnamen. Laut unserer Gene teilen wir die gleichen Großeltern, das macht ihn zu einem Cousin ersten Grades. Habe ich tatsächlich biologische Verwandtschaft in Minneapolis?! Wurden noch mehr Kinder aus meiner leiblichen Familie ins Ausland adoptiert? Man kann seinen Verwandten über »DNA Relatives« eine Nachricht schreiben. Nach längerem Zögern habe ich ihn kontaktiert und warte bis heute auf Antwort. Es ist ein seltsames Gefühl, dass irgendwo dort draußen vielleicht wirklich ein Cousin lebt. Hat er sich auch lange so allein gefühlt wie ich? Meine Arbeit an »Berlin Seoul Berlin« begann vor fast zwanzig Jahren, im Jahr 2005, damals war ich siebenundzwanzig Jahre alt. Im Buch selbst blicke ich noch weiter zurück, bis in die 90er Jahre – beispielsweise auf einen emotional aufgeladenen, pubertären Streit mit meinen Eltern. Es ging um meine berufliche Zukunft, die, wie ich schrieb, »völlig im Dunkeln lag«. Diese »dunkle Zukunft« habe ich gelebt und weiß: Die vermeintliche Finsternis wird sich lichten. Man sagt häufig, wie viel Ärger man sich erspart hätte, wenn man seinem jüngeren Ich diese Erkenntnis mitgeben könnte. Hätte es? Wäre mein Leben anders verlaufen, wenn ich vor knapp zwanzig Jahren gewusst hätte, dass ich meinen Weg gehen würde? Vor ein paar Jahren hätte ich jedenfalls gern ein Zeitfenster geöffnet und meinem jüngeren Ich diesen Fernblick gestattet: Am 24. Mai 2019 grölten achttausend Berliner*innen in der Max-Schmeling-Halle Lieder der südkoreanischen Band »Blackpink« lauthals mit – auf Koreanisch. Ganz normale Berliner*innen! Hätte ich als junge Frau gewusst, dass Deutsche in naher Zukunft koreanische Songs mitsingen, hätte ich mich vielleicht weniger geschämt, als man mich in den 90er und 2000er Jahren fragte, wo genau Südkorea liegt und ob man dort auch chinesisch spricht. Mittlerweile gibt es mehr koreanische Restaurants und Imbisse in Berlin als chinesische. Die bis heute erfolgreichste Netflix-Serie, »Squid Games«, ist eine südkoreanische Produktion und erzählt von hochverschuldeten Männern und Frauen, die sich einem Spiel auf Leben und Tod um einen Millionen-Jackpot stellen. »Parasite«, der erste nicht-englischsprachige Film, der den Oscar für den besten Film gewonnen hat, kommt aus Südkorea und handelt von Gewinner*innen und Verlierer*innen des Wirtschaftsbooms der letzten dreißig Jahre. Die K-Pop-Band BTS ist die größte der Welt. Millionen von europäischen und US-amerikanischen Menschen benutzen koreanische Beauty-Produkte. In Folge der »Hallyu« – der »koreanischen Welle«, die Pop-Kultur aus dem geteilten, ostasiatischen Land in die Welt gespült hat, wissen viele junge Deutsche mehr über mein Geburtsland als ich. Noch etwas hat sich verändert: Je mehr Adoptierte erwachsen wurden, desto unausweichlicher wurde ihre Perspektive. Die Phase in den 2000er Jahren, in der »Berlin Seoul Berlin« entstand, war von den ausführlichen und oft rührselig aufgezeichneten Adoptionsvorhaben von Stars wie Angelina Jolie und Madonna geprägt. Ich empfand diese einseitige Berichterstattung wahnsinnig ärgerlich. Denn in der öffentlichen Wahrnehmung wurden Auslands-Adoptionen eine gute Tat der Adoptiveltern. Sie wurden als Retter betrachtet. Folglich hatten die »geretteten« Kinder dankbar zu sein. Ich schrieb: »Und kaum jemand sprach für die Kinder. Kamen erwachsene Adoptierte zu Wort, dann zumeist gemeinsam mit ihren Adoptiveltern.« Mittlerweile sind einige Adoptierte mitunter Anwält*innen und Journalist*innen im mittleren Alter. Sie sprechen absolut und kompromisslos für sich selbst und ihre Diaspora. Sie wehren sich mit Rechtsmitteln gegen das starke Gefühl der Machtlosigkeit, des Ausgeliefertseins, das aus der Verhandelbarkeit der eigenen Biographie in Adoptierten resultiert und das durch die »Rettungs-Erzählung« verstärkt wird. Am 18. November 2019, genau 36 Jahre nachdem die Adoptierte Kara Bos, laut New York Times, »auf einem Parkplatz in Seoul gefunden wurde«, reichte die US-Amerikanerin eine Vaterschaftsklage gegen ihre mutmaßliche, biologische Familie in Seoul ein. Auf der Suche nach ihrer biologischen Mutter sabotierten die drei Töchter ihres angeblichen biologischen Vaters ein Treffen – mit der Begründung, sie gehöre nicht zur Familie. Das Gericht ordnete den Test an und gab Bos im Juni 2020 Recht. Das Resultat war eindeutig: Es bestehe eine 99,9 % Wahrscheinlichkeit, dass Kara Bos sehr wohl Teil der Familie sei – der Mann muss sich der Vaterschaft stellen. Bos erhofft sich nun von ihm Informationen über ihre biologische Mutter und die Umstände und Gründe ihrer Adoption. Das Urteil gilt als Präzedenzfall für internationale Adoptierte. Bis heute erschweren beispielweise Datenschutzrechte Adoptierten die Suche nach den biologischen Eltern. Im Sommer 2022 gab der dänische Anwalt Peter Møller eine Sammelklage von zweiundfünfzig Dän*innen mit koreanischer Adoptionsgeschichte aus den 1970er und 1980er Jahren am Gericht in Seoul ab. Die Gruppe fordert vom Staat Südkorea sowie der führenden Adoptionsagentur Holt eine umfassende Untersuchung und Aufarbeitung zahlreicher Adoptions-Fälle aus den 70er und 80er Jahren. »Keiner von uns ist in Wahrheit ein Waisenkind«, sagte Møller, Co-Leiter der Danish Korean Rights Group, der Nachrichtenagentur AP. »In vielen Dokumenten hat der koreanische Staat damals Papiere abgestempelt, die besagen, dass die Menschen auf der Straße gefunden wurden. Wenn man ein bisschen rechnet, würde das bedeuten, dass Seoul in den 1970er und 1980er Jahren mit Körben voller Kinder überschwemmt war, die auf der Straße herumlagen. Die Keller der Polizeistationen sind voll mit Meldungen über verlorene Kinder.« Im Dezember 2022 wurde eine offizielle Kommission zur Aufarbeitung der Umstände der Adoptionen eingerichtet, die South Korea’s Truth and Reconciliation Commission. Untersucht werden, laut »The Guardian«, Fälle »dutzender südkoreanischer Adoptivkinder in Europa und den USA, die vermuten, dass ihre Herkunft während der Kinderexportwut Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts...


Stein, Miriam
Miriam Yung Min Stein ist Journalistin und Buchautorin und lebt mit ihrer Familie in Berlin. Sie wurde 1977 in Südkorea geboren und wuchs in einer deutschen Familie als Adoptivkind auf. Sie hat mit Christoph Schlingensief und Rimini Protokoll Theater gemacht und ist eine profilierte deutsche Kulturjournalistin. Miriam Stein hielt sich immer für eine alte Seele im jungen Körper – aus heutiger Perspektive ein Zeugnis jugendlicher Verklärung.



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