E-Book, Deutsch, 174 Seiten
Steinke Sich zeigen: Co-kreatives Coaching und die Methode der Positionierung
2. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7578-5112-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Von der klientenzentrierten, systemischen Beratung zum Professional Coaching
E-Book, Deutsch, 174 Seiten
ISBN: 978-3-7578-5112-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine dialogische Darstellung der Grundlagen, Haltung und Techniken Co-kreativen Coachings mit dem besonderen Schwerpunkt auf Varianten der Methode der Positionierung. Das co-kreative Coaching wird dabei einerseits hervorgehend aus und andererseits abgrenzend zum Ansatz der Prozessbegleitung in klientenzentrierter und systemischer Beratung dargestellt.
Jg. 1966, Studium der pädagogischen, Arbeits- und Organisationspsychologie sowie klinischen Psychologie (Gesprächstherapie). Diplom. Ausbildung in Beratung und Training (Schulz v. Thun), zum Management-Coach (DPA), zum Qualitätsmanager (DIN-ISO) und TQM-Assessor for Business Excellence (EFQM), zum Personaltrainer/Changemanager (CTU) sowie in Hypnotherapie (MEI) und systemischer Supervision und Organisations-beratung (NIK). Langjährige Führungserfahrung als Bereichsleiter und Geschäftsführer in einem Trainingsinstitut sowie Unternehmensberater einer Unternehmensberatungsgruppe. Leiter Fachausschuss Profession (DBVC), seit 2006 Entwicklung des Berufsbildes von Coaching als Profession. Senior Coach (DBVC), Lehr-Coach, Head-Trainer, Fachautor. Gründer und seit 2000 geschäftsführender Gesellschafter der COATRAIN® coaching & personal training GmbH mit den Arbeitsschwerpunkten Führungskräfteentwicklung, Leitbildentwicklung, Leadership-Coaching, Team-Coaching und Konflikt-Coaching.
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Wie wir das Thema Positionierung entdeckt haben
Ariel: Liebe Johanna, lieber Ingo, wir sitzen hier in der Graustraße in Hamburg-Bergedorf, es ist Dezember 2022 und echtes norddeutsches Nieselwetter. Ich bin Journalist, wir kennen uns seit zehn Jahren, ihr habt mich eingeladen, zusammen mit euch mehrere Tage, vielleicht werden es auch Wochen, über das Thema Positionierung zu reden. Ihr werdet euch gleich ausführlicher vorstellen, ich werde mich auch vorstellen, aber lasst uns gern erst mal mitten hineinspringen ins Thema: Wie begann es? Woher kommt euer Ansatz, dass ein Coach sich positionieren soll, sich zeigen soll, auch mal Reibung erzeugen soll? Ingo: Es muss um das Jahr 2004 gewesen sein. Wir saßen im Auto, es war dunkel, wir fuhren von Berlin zurück nach Hamburg, auf dem Rückweg von einer Supervision. Wir waren beschwingt, wir sagten uns: Das hat unheimlich gutgetan. Wir hatten mit unserer Supervisorin zig Stunden über alle möglichen Themen geredet, über unsere berufliche Entwicklung, unsere privaten Rollen, unsere Paarbeziehung. Und nun überlegten wir im Auto, woher unsere Hochstimmung rührte. Johanna: Das Gespräch hat gutgetan. Nicht in einem therapeutischen Sinne, es war wohltuend an der Schnittstelle zwischen Person und Rolle: Wir fühlten uns plötzlich richtig und sicher, justiert in unseren Rollen als Coachende, Führungskraft, Partnerin, Frau und Mann. Das haben die meisten von uns schon mal erlebt: wie bereichernd es ist, wenn einem eine Andere auf Augenhöhe begegnet, eine, die anders denkt und andere Erfahrungen gemacht hat und einem diese zur Verfügung stellt. Und während wir darüber diskutierten, wurde uns klar: Weniger die gut gestellten Fragen unserer Supervisorin waren es, die uns so erfüllten, sondern dass sie sich als Mensch gezeigt hatte, dass sie Stellung bezogen hatte. Sie hatte uns in der Tiefe berührt. Ingo: Da sind wir wohl zum ersten Mal auf dieses große Thema aufmerksam geworden. Und haben uns gefragt: Weiß unsere Supervisorin eigentlich, wie wichtig das für gutes Coaching ist, was sie da macht? Ist sie sich bewusst, dass ihre Positionierung der Kern ihrer Arbeit ist, der eigentliche Grund dafür, wie sehr das Gespräch mit ihr wirkt? Ich gestehe: Ich habe sie bis heute nie darauf angesprochen. Aber die Frage hat mich seither beschäftigt. Johanna: Ich erinnere mich an eine andere Situation einige Jahre später, wir saßen an unserem Lieblingsstrand an der Ostsee, blickten aufs Meer und unterhielten uns über einen Coaching-Prozess, der mir nicht aus dem Sinn ging: Ein Coachee von mir war zugleich in therapeutischer Behandlung, um zu lernen, selbstsicherer zu werden, Grenzen zu setzen, Nein zu sagen. Erst kürzlich hatte er eine Funktion in der Nähe des Vorstandsvorsitzenden übernommen – und war jetzt von ihm zu einem Abendessen eingeladen worden. Mit seiner Therapeutin hatte der Coachee erarbeitet, getreu dem Auftrag, die Einladung abzulehnen. Er sollte sich abgrenzen, Nein sagen und die Absage selbstsicher formulieren. Mein Coachee erzählte mir davon. Ich wusste gleich: Ich konnte jetzt nicht einfach weiter kluge Fragen stellen. Stattdessen habe ich ihm meine Position zur Verfügung gestellt, sinngemäß: „Sie können alles absagen und überall Nein sagen, ganz souverän, aber ein Nein zu einer Abendessen-Einladung des Vorstandsvorsitzenden könnte der Beziehung zu ihm und Ihrer Zugehörigkeit zu dieser Unternehmensebene erheblich schaden. Und nun sagen Sie mir mal: Wo liegt eigentlich der Hase im Pfeffer bei dieser Einladung?“ Es stellte sich heraus, dass der Coachee nicht wusste, wie er sich an dem Abend verhalten, was er anziehen, worüber er sich unterhalten, wen er als Begleitung mitnehmen und wie er als schüchterner, introvertierter Ingenieur den Small Talk gestalten sollte. Das alles haben wir erarbeitet. Ich fragte also Ingo im Strandkorb: Sag mal, wenn man so einen Fall hat – ist es dann okay, wenn ich mich da hinstelle und sage, wie ich die Sache sehe? Wir sahen uns an und lachten, weil die Frage im ersten Moment so absurd klang. Aber auf den zweiten Blick klang sie gar nicht so absurd. Sondern es war einer der Momente, in denen wir die Methode der Positionierung durchdacht haben, erkannten, wie wichtig es sein kann, sich mit Einschätzungen und Ansichten einzumischen – und Haltungen, Prinzipien, Erfahrungswerte und Know-how in das Coaching einzuspeisen. Uns wurde klar, wie regelmäßig wir das bereits praktizierten in unseren Coachings. Wie hilfreich es für unsere Coachees war, wie wirksam. Ariel: Was wurde aus dem Coachee? Johanna: Er hat nicht nur den Abend wunderbar gemeistert, sondern auch seinen Job lange behalten. Ariel: Während die Therapeutin, die einfach nur ihren Stiefel weitergemacht und das Ausgangsthema bearbeitet hätte, der Karriere des Coachees womöglich geschadet hätte. Ingo: Der nächste Schritt war ein Vortrag vor Wirtschaftspsychologen über Coaching in Unternehmen. Das muss 2007 gewesen sein. Ich hatte steile Thesen vorbereitet, unter anderem: „Coaching ist methodenplural und beendet das Schulendenken – Bezeichnungen wie Systemisches Coaching sind ein Zeichen mangelnder Professionalität.“ Und: „Die fröhliche Idylle der Prozessbegleitung ist vorbei – wer professionell coacht, macht sich die Hände schmutzig.“ Damit meinte ich, dass man sich als Coach eben nicht einfach aus der Affäre ziehen kann, sondern mit eigenen Positionen sehr wohl das Handeln der Coachees beeinflusst. Implizit, explizit oder indem man eigene Positionen zurückhält. Ariel: Yes! Ich liebe ja solche klaren Sätze. Wobei ich die Formulierung nicht so glücklich finde, wenn ich das anmerken darf. Ingo: Darfst du, und sehe ich genauso. Heute würde ich sagen: Das Coaching ist nicht die Vorbereitung auf die Realität, das Coaching ist die Realität. Johanna: Den letzten Anstoß gab vielleicht Helmut Schmidt – so um das Jahr 2013 herum muss das gewesen sein. Wir haben gemeinsam sein Buch „Ein letzter Besuch“ gelesen. An einer Stelle äußert sich Schmidt anerkennend über den chinesischen Premierminister Zhao Ziyang: Er bewundere dessen unbeirrbare, glasklare Urteilskraft. An dieser Stelle dachten wir: Das ist es! Auch im Führungshandeln, auch im Coaching geht es um Urteilskraft, um den Willen und Mut zu einer eigenen Beurteilung. So hatte Schmidt 1982 begonnen, gegen den Willen seiner Partei und weiter Teile der Gesellschaft, US-amerikanische Atomraketen in Deutschland stationieren zu lassen … Ingo: … übrigens waren auch wir damals strikt dagegen … Johanna: … jedenfalls war Helmut Schmidt aus seiner Urteilskraft heraus zu der Einschätzung gelangt: Dieser Weg mag noch so unpopulär sein, er ist trotzdem richtig. Den Prozess der politischen Urteilsbildung skizzierte Schmidt in einigen Sätzen am Beispiel eines chinesischen Politikers. Wir merkten auf – und begannen, uns mit politischer Urteilsbildung zu befassen. Denn auch wir müssen uns in unseren Coachings fortwährend ein Urteil bilden. Wobei ich das Wort nicht mag: Urteile werden vor Gericht gefällt, ein Coach ist keine übergeordnete, richtende Instanz. Treffender wäre: Verortung. Es geht darum, eine eigene Position einzunehmen. Ingo: Vielleicht waren wir umso aufgeschlossener für dieses Thema, als wir die Folgenlosigkeit traditionellen, neutralen, sich nicht positionierenden Coachings schmerzhaft am eigenen Leib erlebt hatten. 1998, als unsere Karriere so richtig Fahrt aufgenommen hatte, haben wir als Coaches in einer Unternehmensberatung gearbeitet und wurden mit Coaching-Anfragen geradezu überhäuft. Unsere Aufgabe: die Motive der Menschen zu erfragen, die psychodynamischen Hintergründe ihres Handelns aufzudecken. Es war ein endloses, zähes Fragenstellen, das wir da über Stunden und Stunden veranstalteten. Allenfalls kam heraus, dass jemand gern Macht ausübte, keine Verantwortung übernehmen wollte oder einen respektlosen Kommunikationsstil hatte. Es war eine Art intellektuelle Selbstbefriedigung, eine Lust daran, dass die Leute ihre Projektionen durchschauten, ihre Gefühle spürten und Selbsterkenntnisse hatten. Johanna: Mal abgesehen davon, dass das relativ wenig mit ihrem Job, ihrer Rolle im Betrieb zu tun hatte und eher so etwas wie „Psychotherapie light“ war, haben wir gemerkt, dass dieses rein prozessbegleitende Arbeiten auf dem Papier wunderbar klang, wir aber immer wieder an den Notwendigkeiten des Geschäftslebens vorbeicoachten. Ingo: In diesen bis zu 100 Coaching-Prozessen, die wir da pro Jahr durchführten, haben wir früh begriffen, wie schnell der Einsatz von psychotherapeutischen Methoden im Coaching Menschen psychisch destabilisieren kann. Wie wichtig es demgegenüber ist, die Menschen im Coaching zu stabilisieren und im Erfolg zu halten, anstatt in ihrer Psyche herumzustochern. Ein Coach, der nichts anderes kann, löst Sachen aus, die jemanden vielleicht erfolglos werden lassen, weil...