E-Book, Deutsch, Band 8, 320 Seiten
Reihe: Privatdetektiv Hartmann
Stickelbroeck Fesseltrick
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-95441-550-2
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 8, 320 Seiten
Reihe: Privatdetektiv Hartmann
ISBN: 978-3-95441-550-2
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Hartmann verstrickt sich
Privatdetektiv Hartmann ist mächtig genervt. Sein Kumpel Angie ist vorübergehend bei ihm eingezogen und feiert eine Party nach der anderen. Da kommt ihm ein neuer Fall gerade recht: Der Düsseldorfer Immobilien-König Lutz Busse wurde heimlich bei einem Clubbesuch mit frivolem Fessel-Event fotografiert und wird nun erpresst. Hartmann soll herausfinden, wer der Erpresser ist, damit Busse sich mit ihm einigen kann.
Die Ermittlungen führen ihn in die Düsseldorfer BDSM-Szene, auf ausschweifende Partys und in geheime Privatclubs. Er trifft auf schlagfertige Frauen, frivole Finnen, trinkfeste Schlagerstars und brave Ehefrauen, die alles andere sind als das. Die rumänische Computerspezialistin Alina, Huren-Heinz und Regenrinnen-Rita helfen Hartmann, einen Fall aufzuriffeln, der verknoteter nicht sein könnte. Als er bei seinen Ermittlungen schließlich sogar auf eine Tote stößt, wird ihm schlagartig klar, dass aus einem kunstvoll geknoteten Strick ganz leicht eine tödliche Schlinge werden kann.
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1. Tag
Das durfte doch nicht wahr sein. Die rote Sporttasche entglitt seinen Fingern. Fassungslos fand Hartmann Halt am Türrahmen. Entsetzt strich er sich durchs Haar, die Stirnader pochte. »Das gibt’s doch nicht.« Seine Bude. Seine Wohnung. Sein Wohnzimmerbüro. Es schnürte ihm die Kehle zu. Der Raum roch wie drei Tage Wacken und sah aus, als wäre eine von Dimitris Handgranaten explodiert. Nein, nix Handgranate. Der Ursprung allen Übels, dieses Massakers, trug einen anderen Namen. »Angie«, knödelte Hartmann und spürte Blutdruck. Nur mühsam gelang es ihm, einen weiteren, fassungslosen Schritt in den Raum hinein zu machen, denn der klebrige Fußboden hatte seine Schuhe bereits angesaugt. Die Turnschuhe ließen sich nur mit einem kraftvollen, feuchtschmatzenden Fompp vom eingesauten Laminat lösen. »Nicht zu fassen«, japste Hartmann. Der Wohnzimmertisch war mit leeren Bierflaschen zugestellt. Die beiden leeren Kästen dazu hatten als Sitzgelegenheiten gedient, denn sie standen auf der Seite mit der Öffnung nach vorne gleich davor. Zu den leeren Bierflaschen hatten sich zwei fröhliche Flaschen Jägermeister gesellt. Unter einem riesigen Haufen Kippen erahnte Hartmann einen Aschenbecher. Drei käseverklebte Pizzapappschachteln ließen vermuten, dass ein sehr, sehr durstiges Trio für das abenteuerliche Flaschenpotpourri verantwortlich war. Hartmann stelzte mit weitem Schritt über etwas dunkelblau Zusammengerolltes hinweg ans Fenster und riss es auf. Der Lärm vom Bahnhofsvorplatz dröhnte zu ihm hoch. Eine Straßenbahn dengelte durch den Gleisbereich, irgendwo heulte eine Alarmanlage, Taxifahrer hupten sich gegenseitig Dellen in den weißen Lack. Zischend entwich im Septemberwetter gewärmter Mief nach draußen. Hartmann schüttelte sich, er war doch nur eine einzige Nacht lang weg gewesen. Unter einem Berg Schmutzwäsche war Hartmanns orangefarbene Couch kaum mehr erkennbar und schimmerte an den sichtbaren Stellen ins grünfleckig Bräunliche. Von einem fiesen, hässlichen Fleck gleich darüber an der Tapete schien eine gebrauchte, schwarze Unterhose ablenken zu sollen, die den bestürzten Blick heischend das Sitzelement bethronte. »Angie, du Sack«, war alles, was Hartmann zornig über die knochentrockenen Lippen brachte. Drei Tage zuvor hatte sein Kumpel mitten in der Nacht bei ihm auf der Matte gestanden. Angie war aus seiner Wohnung rausgeflogen. Genau genommen war es natürlich nicht Angies Wohnung gewesen, sondern die von Serkan. Serkan hatte keinen Nachnamen, aber wegen bewaffneten Raubüberfalls auf eine Tankstelle dreieinhalb Jahre bekommen. Jetzt war er plötzlich wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen worden, womit nun wirklich niemand hatte rechnen können. Irgendwas musste da schiefgelaufen sein. Serkan hatte Angies linkes Auge marmoriert, ihn sofort achtkantig rausgeworfen und Hartmann seinen Kumpel für eine Nacht aufgenommen. Für eine Nacht aufgenommen? In dieser Formulierung steckten mehr als ein Dutzend schlimme Fehler. »Wie kann man nur so blöd sein?« Er wusste doch, dass bei seinem im Grunde herzensguten, aber schwer drogensüchtigen Freund immer das komplette Chaos angesagt war, sobald er ihm Unterschlupf bot. Mit geregeltem Wohnraum konnte Angie einfach nicht umgehen. War vielleicht was Genetisches. Oder was aus der frühen Kindheit. Was eine feste Bleibe anging, war Angie seit einigen Jahren ja auch vollkommen aus der Übung. Vorsichtig tippte Hartmann mit der Turnschuhspitze gegen den blauen, zusammengerollten Schlafsack. Wenn da was Lebendes drin gewesen war, dann war es inzwischen tot. Roch zumindest so. Achtkantig hatte Serkan Angie aus seiner Wohnung geworfen? Hier würde Angie bei allernächster Gelegenheit auch rausfliegen. Aber neunkantig! Wie in Trance ergriff Hartmann die halbwarme Flasche Cola, die auf dem Wohnzimmertisch stand, setzte sie sich an den Hals und spülte den Ärger die trockene Kehle runter. Er hatte gestern bei einer Benefizveranstaltung in Köln-Porz seinen ersten Halbmarathon gelaufen und war noch ein paar Liter Flüssigkeit im Fehl. Das abschließende Bäuerchen wirkte befreiend und war bis nach Oberbilk zu hören. Hartmann zuckte zusammen. Das Bad! Das Schlimmste befürchtend schwankte er, die Colaflasche fest umklammert, ins angrenzende Badezimmer. »Puh«, konnte Hartmann erleichtert aufatmen, denn erstens war das Bad menschenleer und zweitens in einem passablen Zustand. Lediglich ein schrumpelig zerdötschter Zigarettenstummel, der auf der weißen Keramikanrichte unterm Spiegel ausgedrückt worden war, wirkte ein wenig deplatziert. Offensichtlich hatten es Angie und seine beiden trinkfreudigen Begleiter eher selten bis ins Bad geschafft. Was in Anbetracht der großen Menge Flüssigkeit, die nebenan genossen worden war, neue, verstörende Fragen aufwarf. Hartmann fuhr herum. »Was machst du denn schon hier?« Das war Angie! Sein Kumpel war … nach Hause gekommen und stand jenseits des Getränketischs. Angie grinste umständlich am Kippenigel vorbei, wrang ungelenk seine Hände und schien im Gesicht noch ein bisschen blasser zu sein als sonst. Seine langen, dünnen, dunklen Haare glänzten fettig. Er trug seine schwarze, an den Seiten geschnürte Lederhose und ein dunkelblaues T-Shirt mit der gelben Aufschrift *Original Prankster. »Ich wohne hier«, erklärte Hartmann. An seinen Worten mochten Eiszapfen gehangen haben. »Äh … Du hier? Jetzt. Schon. Ich hab dich noch gar nicht …«, haspelte Angie. »Ich hatte Besuch.« »Ach was?« »Gestern.« »Eine Hundertschaft?«, fragte Hartmann. »Zwei Bekannte. Kennste nich. Regenrinnen-Rita ist auch auf ein paar Kurze reingeschneit. Deine Nachbarin Heidi von oben hat zwei Jägermeister genommen.« »Heidi?« »Japp. Ganz am Anfang«, nickte Angie. »War nett.« »Nett?«, echote Hartmann ungläubig. Er fragte sich, wie seine über achtzigjährige Nachbarin aus der vierten Etage sich in diese gemeine Trinkrunde hatte verirren können. Andererseits hatte die rüstige Rentnerin mehrere Weltkriege überlebt und in der jüngeren Vergangenheit schon oft bewiesen, dass ihr im Grunde alles zuzutrauen war. »Ist ein wenig ausgeartet, das gemütliche Beisammensein. Ich hab noch nicht mit dir gerechnet und hätte alles fein saubergemacht«, versicherte Angie. Hartmann deutete auf den Fleck an der Tapete. »Und neu gestrichen?« »Da würde sich ein poppiges Poster oder ein hübsches Bild gut machen«, schlug Angie alternativ vor. Hartmann schnaufte. »Ich weiß, was sich jetzt ganz gut machen würde. Noch was Blaues. Auf deinem rechten Auge.« »Tief durchatmen, Kumpel, tief durchatmen«, mahnte Angie. »Was ist mit dem Sofa passiert?« Angie nickte mit Kennerblick. »Ehrlich, mein Freund. Eine orangefarbene Couch? Orangefarben? Orange ist so was von out! Eigentlich ist das jetzt die günstige Gelegenheit, über einen neuen, fetzigen Stoffbezug nachzudenken.« Hartmann schnappte nach Luft, und der Gedanke an ein weiteres blaues Auge in Angies Gesicht gewann tsunamiartig an Sympathie. Angie hob stattdessen plötzlich seine Arme, riss die Augen auf und wurde noch einen Tick blasser. »Äh …« »Was is?«, bemerkte Hartmann den ungewohnt besorgten Blick. »Hast du, äh, aus … dieser … Flasche Cola getrunken?« »Ja. Wieso?« »Oh-oh.« »Was Oh-oh?«, fragte Hartmann. Angie blinzelte. Und holte tief Luft. »Oh-oh.« Rasch schlüpfte sie vom Innenhof durch den Hintereingang ins Gebäude, in den Flur. Leise schloss sie die schwere, grün gestrichene Tür hinter sich. Durchatmen! Hier drinnen war es deutlich kühler als draußen. Und dunkel. Nur durch ein kleines Ausstellfenster schimmerte die Sonne bleichgrau in den kleinen, ansonsten unbeleuchteten Raum. Kein Licht, hatte er in seiner letzten Nachricht geschrieben. Kein Licht … Sie entdeckte wenige Schritte weiter die schmale, abgegriffene Holztür, die hinab in den Keller führen würde. Auf was hatte sie sich nur eingelassen? Sie hielt einen Moment inne, versuchte sich zu konzentrieren und drückte entschlossen...