E-Book, Deutsch, 360 Seiten
Stroby Zum Greifen nah
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-86532-680-5
Verlag: Pendragon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sara-Cross-Krimi
E-Book, Deutsch, 360 Seiten
ISBN: 978-3-86532-680-5
Verlag: Pendragon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wieder eine starke Frau, wieder ein starker Thriller von Wallace Stroby!
Als die junge Polizistin Sara Cross mitten in der Nacht zu einem abgelegenen Highway gerufen wird, erfährt sie, dass ihr Kollege und Ex-Freund Billy einen Mann erschossen hat. Er behauptet, der Mann habe während einer Verkehrskontrolle plötzlich eine Waffe gezogen. Sara will ihm glauben, dass es Notwehr war, doch es bleiben Zweifel.
Als die Witwe des Toten Druck macht und sich auch noch der Berufskiller Morgan an ihre Fersen heftet, verstrickt sich Sara immer tiefer in den Fall. Um sich und ihren Sohn zu beschützen, muss sie die Wahrheit herausfinden - um jeden Preis.
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1 Sara bremste und lenkte ihren Wagen an die Böschung. Was sie sah, schlug ihr gleich auf den Magen. Sieht gar nicht gut aus, dachte sie. Der Kies knirschte unter den Reifen, als sie den Crown Vic zum Stehen brachte. Der Polizeifunk begann zu knistern. „Eight-Seventeen, am Tatort eingetroffen?“ Angie. Sie war in der Polizeizentrale für die Nachtschicht zuständig. „Bereits Kontakt aufgenommen?“ Sara griff zum Funkgerät am Armaturenbrett und gab ihre ID ein. „Eight-Seventeen hier. Gerade erst eingetroffen. Melde mich wieder.“ Im gleißenden Licht ihrer Scheinwerfer sah sie Billy, der hinter seinem grün-weißen Streifenwagen stand, die Hände in die Hüften gestemmt, und hinüber zum Sumpf blickte. Gleich dahinter erkannte sie einen grauen Honda Accord jüngeren Baujahrs, dessen Kofferraum geöffnet war. Zusammen mit dem blassgelben Licht der Scheinwerfer tauchte das rotierende Blau und Rot der Streifenwagen die Szene in ein surreales Licht. Sie hängte ihr Mikro in die Halterung am Armaturenbrett, prägte sich die Szene bestmöglich ein und verfluchte die Tatsache, dass die Gelder für die Dash-Cams noch immer nicht freigegeben worden waren. Sie schaute auf die Uhr: Zehn nach Zwei. Billy drehte sich zu ihr um und verzog keine Miene, bewegte aber kaum merklich seine Backenknochen: An scheinend hatte er ein Kaugummi im Mund. Nach einem kurzen Blick in ihre Richtung schaute er wieder zum Sumpf hinüber. Im Sheriff ’s Office hatte sie ihn zwar nicht gesehen, war sich aber ziemlich sicher, dass auch er heute Nachtdienst hatte. Als sie seine Stimme im Polizeifunk hörte, war die Vermutung zur Gewissheit geworden. Ein Teil von ihr hatte gehofft, dass sich ihre Pfade vor Dienstende kreuzen würden, während der andere Teil panische Angst vor einer Begegnung hatte. Als sie über Funk die Nachricht erhielt, dass bei einer Konfrontation Schüsse gefallen seien, hatte sie gleich das Schlimmste befürchtet. Und nun stand er da, von Gott und der Welt verlassen, und schaute hinaus auf den Sumpf. Was hast du bloß angestellt, Billy Boy? Und warum musstet du es ausgerechnet in meiner Dienstzeit tun? Sie öffnete die Tür, nahm ihr mobiles Funkgerät vom Beifahrersitz und setzte ihren Fuß auf den Schotter. Sie steckte das Funkgerät in den Dienstgürtel und stöpselte das Mikro ein, das an ihrem linken Hemdkragen befestigt war. Mit ihrem rechten Daumen öffnete sie das Holster, das die Glock an ihrem angestammten Platz hielt. Der Kontrast zum klimatisierten Streifenwagen erwischte sie wie ein Schlag. Die schwüle Luft, für Mitte Oktober alles andere als normal, war so dick, dass man sie hätte schneiden können. Der Mond war heute Nacht nirgends zu sehen, doch dafür funkelten über ihrem Kopf Millionen von Sternen. Laut Nummernschild kam der Honda aus New Jersey. Billy hatte seinen Wagen gleich dahinter geparkt – ordnungsgemäß in einer leichten Schräge, um nach dem Aussteigen nicht vom entgegenkommenden Verkehr verletzt werden zu können. Er drehte sich halb um. „Hallo Sara.“ „Hallo Billy. Alles okay mit dir?“ Er wandte sich wieder ab und schaute Richtung Sumpf. Sie hatte ihre Haare zusammengebunden und spürte, wie sich in ihrem Nacken Schweißtropfen bildeten, die nun unter ihre kugelsichere Weste rollten. Sie blieb neben ihm stehen und folgte seinem Blick in die Dunkelheit. Hinter dem Straßenrand war das Gelände zunächst abschüssig, bevor der eigentliche Sumpf begann. Das durchnässte Gras am Rande konnte man noch vergleichsweise gut erkennen, doch im Schatten der Bäume, die von wuchernden Flechten komplett bedeckt wurden, war es stockfinster. Ein Mann, das Gesicht ins Gras gedrückt, lag direkt vor dem Bäumen. Das unnatürlich angewinkelte rechte Bein lag unter dem linken, der rechte Arm war weit ausgestreckt. „Da ist er“, sagte Billy. Sie ließ ihren Blick um die eigene Achse gleiten. Seit sie den Funkruf erhalten hatte und auf die Country Road 23 abgebogen war, hatte sie kein Auto mehr gesehen. Nur Ortsansässige benutzten diese Strecke – und das praktisch auch nie in der Nacht. Gen Osten reihten sich endlose Zuckerrohrfelder hintereinander, bis man in der Ferne den schwachen Lichtkegel der Stadt erahnte. Im Westen erstreckte sich das flache Marschland bis nach Punta Gorda und der Küste, nur unterbrochen von den gespenstischen Silhouetten der Zypressen. Der Geruch fauler Eier, durch das Sulfur im Sumpf ausgelöst, lag schwer in der Luft. Die Funkgeräte der beiden Streifenwagen begannen unisono zu krächzen, erzeugten hinter den geschlossenen Türen aber nur unverständliche Geräusche. Dafür meldeten sich in der Dunkelheit Dutzende Ochsenfrösche – als wollten sie die polizeilichen Anordnungen nicht unkommentiert lassen. Dann, in einer deutlich tieferen Tonlage, das dumpfe Röhren eines Alligators. Die rotierenden Blinklichter auf den Streifenwagen schienen die Bäume und den leblosen Körper bunt bemalen zu wollen. „Ist er tot?“, fragte sie. Er nickte. „Oder knapp davor. Er hat sich jedenfalls die ganze Zeit nicht bewegt. Die Sanitäter sind unterwegs.“ „Hab ich mitbekommen.“ Sie nahm die schwere Stabtaschenlampe aus der Schlaufe ihres Dienstgürtels und schaltete sie ein. Das helle Halogenlicht fraß sich durch die Dunkelheit am Fuß der Böschung. Sie fuhr mit dem Lichtkegel den Körper des Mannes ab, dann den Kopf, der leicht nach rechts gedreht war. Selbst von hier aus konnte sie sehen, dass seine Augen weit geöffnet waren. Khakihosen, blaues Oberhemd, ein dunkler Fleck zwischen den Schulterblättern, das ganze Hemd von Blut durchtränkt. Es war ein farbiger Mann, noch jung, und viel zu elegant gekleidet, als dass er einer der Einheimischen hätte sein können. „Ich werd mal runtergehen und ihn mir genauer anschauen“, sagte sie. „Sei vorsichtig. Wenn du in eins der Löcher trittst und das Gleichgewicht verlierst, kannst du dir leicht das Fußgelenk brechen.“ Sie nahm die Taschenlampe in die linke Hand, hielt die rechte auf dem Holster und machte vorsichtig einen kleinen Schritt hinunter. In der Entfernung hörte sie Sirenen. Immer auf einen sicheren Halt bedacht, fand sie langsam ihren Weg nach unten. Als sie einen Schritt aufs Gras machte, hatte sie das Gefühl, auf einen nassen Schwamm zu treten: Die Sohlen ihrer Schuhe versanken augenblicklich im Wasser. Sie leuchtete mit der Taschenlampe den Boden vor sich ab und hielt die Augen nach Schlangen auf. Irgendetwas bewegte sich und platschte kurz darauf ins Wasser. Die Frösche verstummten für einen Moment, setzten ihr Quaken dann aber fort. Sie richtete die Taschenlampe auf die Waffe im Gras – vielleicht dreißig Zentimeter von seiner rechten Hand entfernt. Es war ein bläulich glänzender Revolver, vermutlich ein .38er, mit Hartgummi-Griff. Sie leuchtete die nähere Umgebung systematisch ab, um vielleicht eine andere Waffe oder Fußabdrücke zu finden, doch nichts. „War sonst noch jemand im Wagen?“, rief sie die Böschung hoch. Die Sirenen waren bereits deutlich nähergekommen. „Nein. Nur er. Ich sagte ihm, er solle stehenbleiben. Ich sagte es laut und deutlich.“ Sie ging in die Hocke und vermied es, mit ihren Knien den Boden zu berühren. Halb unter seinem Gesicht sah sie eine Goldrandbrille, die mit einem Bügel noch über dem Ohr hing. Er sah wie ein Teenager aus, hatte kurzgeschorene Haare und einen kleinen goldenen Ring im rechten Ohrläppchen. Seine Augen waren weit geöffnet. Sie ließ den Schein der Taschenlampe an seinem Körper entlanggleiten. Der linke Arm lag angewinkelt unter seinem Torso, der rechte war weit ausgestreckt, als wolle er mit den Fingern auf den Revolver zeigen. Die hellbraunen Lederschuhe waren frisch poliert, die Sohlen noch neu und glänzend. Mit diesem Schuhwerk wäre er auf dem glitschigen Gras nicht weit gekommen. Sie berührte die Seite seines Halses, registrierte noch einen Hauch von Wärme, aber keinen Puls mehr. „Ist er tot?“, rief Billy von oben. „Ja, er ist tot.“ Irgendetwas bewegte sich in den Bäumen. Instinktiv fuhr ihre Hand zum Holster. Ein Schatten löste sich aus dem Tiefschwarz der Bäume und schwebte geräuschlos davon. Sie fragte sich, um welchen Vogel es sich wohl handelte und verfolgte für einen Moment seinen Flug. Gegen das sternenhelle Firmament sah seine Silhouette fast wie ein schwarzer Scherenschnitt aus. Sie kletterte wieder die Böschung hoch und achtete auch diesmal darauf, bei jedem Tritt einen sicheren Halt zu haben. Als sie den Schotter erreicht hatte, sah sie Billy am Kofferraum des Hondas stehen. „Schau dir das mal an“, sagte er. „Der helle Wahnsinn.“ Sie ging zu ihm hinüber und richtete ihre Taschenlampe in den Kofferraum. Er war leer – bis auf eine halb geöffnete Werkzeugtasche aus Nylon, in der sie metallisch glänzende Gegenstände ausmachte. „Hast du das vorher schon gesehen?“, fragte sie. „Ja. Er war nervös und verhielt sich verdächtig. Ich forderte ihn auf, den Kofferraum zu öffnen. Als ich die Tasche sah, machte er die Biege. Er solle anhalten, rief ich ihm hinterher, doch als er da unten angekommen war, richtete er die Waffe auf mich, drückte aber nicht ab.“ Seine Stimme klang fremd. Sie schaute ihn an und bemerkte, dass seine Augen feucht glänzten. Die Sirenen in der Ferne schienen näherzukommen, wurden dann aber wieder schwächer. „Kalt hier draußen“, sagte er. „Wann ist es bloß so kalt geworden?“ Er stockte zwischen den Worten und atmete so unregelmäßig, als würde er hyperventilieren. Keine Frage: Er stand unter Schock. „Setz dich besser in den...