Thoma | Der Münchner im Himmel | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Reihe: Klassiker der Weltliteratur

Thoma Der Münchner im Himmel

Satiren und Humoresken
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-8438-0537-7
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Satiren und Humoresken

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Reihe: Klassiker der Weltliteratur

ISBN: 978-3-8438-0537-7
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Alois Hingerl, grantelnder Dienstmann auf dem Münchner Hauptbahnhof, wird vom Schlag getroffen, während er übereilt einen Auftrag erfüllen will. Nachdem ihn zwei Engel mit großen Mühen in den Himmel geschleppt haben, wird er dort von Petrus eingeführt – nebst eigener Wolke, auf der er zu frohlocken habe. Diese Pflicht passt dem ehemaligen Dienstmann gar nicht – genauso wenig, dass es im Himmel kein Bier zu geben scheint. Und auch mit den Engeln der Nachbarwolken läuft es nicht gut – der "Neue" aus München eckt immer wieder an und kann das Schimpfen und Fluchen selbst während des Frohlockens nicht lassen. Das bleibt auch Gott nicht verborgen. Kann es eine Zukunft für den Münchner im Himmel geben? In dieser und anderen satirischen Kurzgeschichten nimmt Ludwig Thoma die urbayerischen Eigenschaften mit bissigem und scharfem Blick auf den Arm und eröffnet dem Leser auf humorvolle Weise eine Welt, die altbekannt und doch neu ist – und die genau durch diese Mischung zum Verweilen einlädt. Eine feine Auswahl an Kurzgeschichten, die uns "den Bayer" verstehen und lieben lehrt!
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VON DEN SITTEN UND
GEBRÄUCHEN DER BAYERN
AGRICOLA –
FREI NACH TACITUS »GERMANIA«
Vor beinahe 1800 Jahren hat der berühmteste aller Geschichtsschreiber mit vielem Wohlwollen und ehrlicher Bewunderung unsere Vorfahren geschildert. Da es eine schöne und für die Nachwelt so wertvolle Aufgabe ist, situs gentium describere, Land und Leute zu beschreiben, so will ich versuchen, Sitten und Gebräuche der Nachkommen zu zeichnen. Aber nicht derer, welche untreu germanischer Sitte Städte bewohnen, sondern derer, welche ferne von ihnen die Felder bebauen. Daher auch der Titel der Schrift. Die Ebene Germaniens vom Donaustrome bis zu den Alpen bewohnen die Bajuvaren. Ich halte sie für Ureinwohner dieses Landes, für »selbstgezügelte«, wie sie in ihrer Sprache sich heißen. Fremden Einwanderern ist es schwer, sich mit ihnen zu vermischen. Gewiß ist, daß sie nie mit den Autochthonen verwechselt werden können. Da sich dieses germanische Volk nicht durch Eheverbindungen mit fremden Nationen vermischt, bildet es einen eigenen, sich selbst gleichen Stamm. Daher auch der nämliche Körperbau bei dieser zahlreichen Menschenmasse, dieselben ungewöhnlich ausgebildeten Hände und Füße, dieselbe harte, widerstandsfähige Kopfbildung. Wie die Vorfahren, sind sie zu stürmischem Angriff tauglich und gerne bereit. Für Strapazen und Mühseligkeiten haben sie große Ausdauer, nur Durst können sie nicht ertragen. Das Land ist verschieden gestaltet. Wälder wechseln mit Getreidefeldern, Höhenzüge mit großen Ebenen. In der Nähe der größten Ansiedlung erstreckt sich ein großes Moos; hier hat sich der Stamm am reinsten erhalten. Die Bajuvaren haben viel Getreide und Vieh; doch herrscht über den Wert dieser Dinge jetzt großer Streit. Das Geld haben sie schätzen gelernt. Sie lieben nicht nur die alten, längst bekannten Sorten, sondern auch sämtliche neue. Das Hausgerät ist einfach. Besonders an den Gefäßen schätzen sie den Umfang höher als kunstfertige Arbeit. Waffen. Kriegswesen. Waffen hat dieses Volk vielerlei; doch wird auch hierin mehr auf Tauglichkeit als Schönheit gesehen. Sehr verbreitet ist die kurze Stoßwaffe, welche jeder Mannbare in einer Falte der Kleidung trägt; ihr Gebrauch ist aber nicht freigegeben, vielmehr sucht die herrschende Obrigkeit in den Besitz derselben zu gelangen. In diesem Falle ersetzt sie der Volksgenosse stets durch eine neue. Als Wurfgeschoß dient ein irdener Krug mit Henkel, der ihn auch zum Hiebe tauglich erscheinen läßt. An ihren Zusammenkunftsorten sucht bei ausbrechendem Kampfe jeder möglichst viele dieser Gefäße zu ergreifen und schleudert sie dann ungemein weit. Die meisten Bajuvaren führen eine Art Speer oder in ihrer Sprache Heimtreiber aus dem heimischen Haselnußholze, ohne Spitze, biegsam und für den Gebrauch sehr handlich. Wo diese Waffen fehlen, sucht jeder solche, die ihm der Zufall bietet. Ja, es werden zu diesem Zwecke sogar die Hausgeräte, wie Tische und Bänke, ihrer Stützen beraubt. Beliebt sind auch die Bestandteile der Gartenumfriedung. Vor dem Beginn des Kampfes wird der Schlachtgesang erhoben. Es ist nicht, als ob Menschenkehlen, sondern der Kriegsgeist also sänge. Sie suchen hauptsächlich wilde Töne zu erzielen und schließen die Augen, als ob sie dadurch den Schall verstärken könnten. Sie kämpfen ohne überlegten Schlachtenplan; jeder an dem Platze, welchen er einnimmt. Der Schilde bedienen sie sich nicht. Als natürlicher Schutz gilt das Haupt, welches dem Angriff des Feindes widersteht und den übrigen Körper schirmt. Manche bedienen sich desselben sogar zum Angriff, wenn die übrigen Waffen versagen. Der vornehmste Sporn zur Tapferkeit ist häufig die Anwesenheit der Familien und Sippschaften. Diese weilen in nächster Nähe ihrer Teuern und feuern sie mit ermunterndem Zuruf an. Die Schlacht beendet meist der Besitzer des Kampfplatzes, der hierzu eine auserlesene Schar befehligt. Lebensweise im Frieden. Wenn sie nicht in den Krieg ziehen, kommen sie zu geselligen Trinkgelagen zusammen. Auch hier pflegen sie des Gesanges, der sich aber von dem Schlachtgeschrei wenig unterscheidet. Tag und Nacht durchzuzechen, gilt keinem als Schande. Versöhnung von Feinden, Abschluß von Eheverbindungen, der beliebte Tauschhandel mit Vieh und sogar die Wahl der Häuptlinge wird meist beim Becher beraten. Selten spricht einer allein, häufig alle zusammen. Jeder legt ohne Rückhalt seine Meinung dar und hält daran fest. Bei Verschiedenheit der Meinung obsiegt der mächtige Schall der Stimme, nicht die Kraft der Gründe. Am meisten liebt dieses einfache Volk die unbefangenen Scherze. Auch den anderen ist es nicht abgeneigt. Der männlichen Jugend gilt als das höchste Fest die Wehrhaftmachung. Diese findet in den größeren Ansiedlungen statt, wo die Jünglinge in die Liste der Krieger eingetragen werden. Zu diesem Feste schmückt jeder die Kopfbedeckung mit wildem Gefieder. Die Gefolgschaft eines jeden Dorfes zieht dann mit furchterregendem Geschrei in die Stadt ein. Eine eigenartige Musik begleitet sie. Das Fest endet mit größeren Kämpfen. Denn ein stilles Leben liebt diese Nation nicht. Das Getränk der Bajuvaren ist ein brauner Saft aus Gerste und Hopfen. Häufig beklagen sie den schlechten Geschmack, niemals enthalten sie sich des Genusses. Ihre Kost ist einfach. Aus Mehl zubereitete Speisen nehmen sie in runder Form zu sich; die geringe Nährkraft ersetzen sie durch die große Menge. An einigen Tagen des Jahres essen sie geräuchertes Fleisch von Schweinen und beweisen hierbei geringe Mäßigkeit. Prunkvolle Kleider tragen sie nicht. Auch sehen sie nicht darauf, daß diese die Formen schöner erscheinen lassen. Das Oberkleid des Mannes ist kurz und mit Münzen geziert. Das Unterkleid dagegen ist sehr lang, eng anliegend und reicht bis an die Mitte der Brust. Meist ist es aus Leder gefertigt, schützt gegen Hitze und Kälte und ist dem Luftzuge unzugänglich. Das Kleid des Weibes besteht in übereinandergelegten Säcken und läßt über die Schönheit der Körperbildung im unklaren. So wenig wie auf die äußere Schmückung legt dieses Volk auf die sonstige Pflege des Körpers übergroßes Gewicht. Bäder werden als weichlich verachtet. Die Seife ist selten. Der Gebrauch der Zahnbürste ist unbekannt. Das Weib. Unähnlich hierin den Vorfahren, achtet dieses Volk den Rat derWeiber nicht und glaubt nicht an deren göttliches Wesen. Ihren Aussprüchen horchen sie nur ungern. Doch fehlt nicht alle Verehrung des Weibes. Zu den geselligen Zusammenkünften haben die Weiber Zutritt; ja sie dürfen sogar mit den Männern aus einem Gefäß trinken. In dieser Gastfreundschaft herrscht eifriger Wettstreit. Auch tanzen die Jünglinge, welchen dies eine Lustbarkeit ist, mit ihnen umher. Bei dieser Übung beweisen sie mehr Fertigkeit als Anmut. Eigentümlich ist die Art, wie sie sich zum Tanze paaren, sie beweist die Oberherrschaft des Mannes. Der Jüngling, welcher eine Stammesjungfrau gewählt hat, stößt einen grellen Pfiff aus und winkt ihr befehlend mit der Hand. Häufig hört man auch bei diesen Lustbarkeiten plötzlich den Kriegsruf ertönen. Den Weibern gilt es als ehrenvoll, wenn um ihretwillen der Kampf entbrennt. So ist auch die Werbung um sie oft mit Gefahren verknüpft. Haß der anderen, nächtlicher Überfall und Heimscheitelung bedrohen den Jüngling, welcher einer Volksgenossin zuliebe die Gehöfte aufsucht und Mauern erklettert. Das ist’s, was ich im allgemeinen von dieses Germanenvolkes Sitten erfahren habe. DIE PROBIER
Ursula Reischl steht auf dem Hausanger hinter dem Hofe und tut Mist breiten. Es ist ein schöner Herbsttag, und die Nachmittagssonne brennt so heiß herunter, daß die Ursula oftmals die Arbeit aussetzt und ein bissel Umschau hält, um zu rasten. Sie wischt sich mit dem Ärmel die Schweißtropfen von der Stirne und fährt mit der Hand ein paarmal unter der Nase auf und ab. Dann nimmt sie wieder eine Gabel voll Mist und schüttelt ihn bedächtig auf den Anger. Mit einemmal tönt ein schriller Pfiff vom Hofe herüber, und dann noch einer. Die Urschel schaut um und sieht, daß ihr der Vater winkt. Sie stößt die Mistgabel in den Boden und geht bedächtig auf das Haus zu. »Wos geit’s?« fragt sie, als sie näher gekommen ist. »Der Brandlbauer ist do mit sei’n Nazi und schaut’s Sach o. Mach, daß d’ in d’ Stuben neikimmst.« »Is scho recht«, sagt die Urschel und geht mit dem Vater in das Haus. Vor der Küchentür bleibt sie stehen und schlieft mit den bloßen Füßen in ein Paar Pantoffeln. Dann tritt sie hinter dem Bauern in die Stube und schaut bolzengerade, aber doch ein bissel schüchtern auf die fremden Leute. Am Tisch sitzt der Brandlbauer; ein stämmiger Alter...


Ludwig Thoma (1867-1921) ist für seine satirisch-realistischen Schilderungen des bayerischen Alltags und der dortigen Politik bekannt. Nach einem Studium der Rechtswissenschaft lässt er sich als Rechtsanwalt in Dachau nieder. Dort findet er täglich Inspiration für seine Satiren. In München, wohin er 1897 zieht, begegnen ihm die Eigenheiten der Münchener Stadtbewohner. Die nächsten Jahre werden turbulent: Reisen in Europa, unzählige Veröffentlichungen, Herausgeberschaft der Zeitschrift März (gemeinsam mit Hermann Hesse), eine nicht funktionierende Ehe, Gefängnisaufenthalt wegen eines Spottgedichts im Simplicissimus. 1915 wird er freiwillig Sanitäter im Ersten Weltkrieg. Ein dunkler Schatten liegt über seinen letzten Lebensmonaten: Bis zu seinem Tod durch Magenkrebs verfasst er anonyme, oftmals antisemitische Texte für den Miesbacher Anzeiger.



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