Thomsen / Dithmarscher Landeskunde / Schulz | Die Welt wird schöner mit jedem Tag | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Thomsen / Dithmarscher Landeskunde / Schulz Die Welt wird schöner mit jedem Tag

Zwei Schwestern aus Dithmarschen und die Welt vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg
2. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7534-8563-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Zwei Schwestern aus Dithmarschen und die Welt vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-7534-8563-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Jahre zwischen 1900 und 1914 sind Jahre des Friedens, Wohlstands und eines grenzenlosen Vertrauens in den Fortschritt. Auch Dithmarscher Landwirte können es sich leisten, wie städtische Großbürger zu leben und ihre Töchter auf teure Privatschulen zu schicken. Für sie besteht das Leben aus Feiern, Freundschaften und Urlaubsreisen. Bis der Erste Weltkrieg dieser Idylle für immer ein Ende macht. In diesem Buch entsteht aus einer Zusammenstellung von Briefen, Tagebüchern, Dokumenten, Ansichtskarten und Fotos das Bild einer Welt, die so ganz anders ist, als uns die Kaiserzeit vorstellen - einer Welt der Jugend, des Aufbruchs und der Neugier neuen Entwicklungen gegenüber. Autos, Telefone und Zeppeline sind die Symbole der Moderne, Wandervögel, Mädchenpensionate und Reformbewegungen stehen für eine neue Jugendkultur. Wir sehen diese Welt durch die Augen zweier Schwestern aus Dithmarschen, für die die Welt schöner mit jedem Tag wird - bis es ein böses Ende nimmt!
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Einleitung
Geschichtsschreibung ist immer Vereinfachung. Hochkomplexe Entwicklungen werden auf wenige Schlagwörter reduziert, und wo es in Wahrheit ein großes Durcheinander von einander widerstreitenden und bekämpfenden Kräften gibt, sieht man aus der historischen Vogelperspektive nur einen breiten Strom, der in eine Richtung fließt und alles andere mit sich reißt. In den Büchern erscheint die Geschichte wie eine breite Straße, auf der alles in die gleiche Richtung fährt. Je näher man aber hinsieht, desto mehr bemerkt man auf dieser Straße Reisende, die sich nicht an die historische Straßenverkehrsordnung halten, sondern kreuz und quer, hin und zurück darauf herumwandern, und das in ganz unterschiedlichem Tempo statt der vorgegebenen Einheitsgeschwindigkeit. Das macht es so interessant, die Lebensgeschichten einzelner Menschen oder Familien zu betrachten, denn obwohl alle Kinder ihrer Zeit sind, ist es doch jeder auf seine eigene Weise. Jeder geht seinen eigenen Weg durch die Geschichte und gibt ihr seine individuelle Färbung. Über das deutsche Kaiserreich z. B., die Epoche zwischen 1871 bis 1914, glauben wir alles zu wissen, wenn wir an die großen Truppenaufmärsche zu „Kaisergeburtstag“ denken, an preußischen Untertanengeist, Hackenzusammenschlagen, schlagstockbewehrte Oberlehrer mit wallenden Bärten á la Admiral Tirpitz und – als all das zusammenfassendes Symbol seiner Zeit – an Kaiser Wilhelm II. mit seinen operettenhaften Uniformen und dem nach oben gezwirbelten „Es ist erreicht“-Bart. Das geschichtliche Grundwissen reduziert sich auf wenige herausragende Ereignisse: Reichsgründung 1871, Dreikaiserjahr 1888, Bismarcks Entlassung 1890, und schließlich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914, die finale Katastrophe, auf die mit schicksalhafter Unausweichlichkeit alles zuzulaufen scheint. Die Briefe und Tagebücher, die wir hier vorlegen, vermitteln einen ganz anderen Blick auf diese Zeit. Sie geben die Perspektive zweier junger Mädchen wieder, die die Generation der um 1890 Geborenen repräsentieren, der Generation also, die zwei Weltkriege zu durchleben hatte – falls sie sie denn überlebte! – die aber aus ihrer Jugend einen Schatz von Unbeschwertheit, Freiheitsdrang und Glück mitbrachte, die das Schlagwort von den „herrlichen Zeiten“ (das bekanntlich auf Wilhelm II. zurückgeht) durchaus rechtfertigt. Zunächst einmal ist es eine Zeit ungeheuren Wohlstands. In den über 40 Friedensjahren zwischen dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 war Deutschland mit Riesenschritten zur Industrienation herangereift, und das Bürgertum war so rasch so reich geworden, dass es gar nicht wusste wohin mit all dem Geld. Die mit Plüschmöbeln, Kristallglas und Nippes vollgestopften Wohnzimmer der damaligen Zeit zeugen von diesem Neureichen-Gehabe, das sich in teuren Statussymbolen überbot und überschlug. Und die Hüte der Damen erreichten wahrhaft fantastische Ausmaße! Auch randständige Regionen wie Dithmarschen, die von der Industrialisierung kaum betroffen waren, profitierten von der Entwicklung durch den Aufschwung der Landwirtschaft, der es in den zwei Jahrzehnten vor dem Krieg so gut ging wie nie zuvor und nie danach. Dithmarscher Landwirte waren schon immer besonders geschäftstüchtig gewesen, und sie holten auch aus dieser Entwicklung das Bestmögliche heraus. Wie viel Wohlstand sich damals in den beiden Dithmarscher Kreisen ansammelte, zeigt schon der Blick auf die historische Bausubstanz: Während in benachbarten Regionen wie Eiderstedt noch etliche Hofgebäude aus der vorindustriellen Zeit erhalten sind (die berühmten „Haubarge“) gibt es in Dithmarschen praktisch keine original erhaltenen Hofanlagen mehr – weil ein ungeheurer Bauboom Ende des 19. Jahrhunderts sie alle dahinraffte. Es ist die Welt aus Klaus Groths „Quickborn“, die jetzt für immer untergeht – nicht in Not und Armut, sondern davongespült von einer Welle des Reichtums. Selbst kleine Geestbauern konnten genug erwirtschaften, um eines der typisch gründerzeitlichen Gebäude aus roten Ziegeln mit flachen Walmdächern und Säulenportikus am Eingang neu bauen zu können. Noch mehr galt das für die Marschbauern, die durch den um 1900 aufkommenden Kohlanbau reich wurden. Noch heute erzählt man sich vom Rekordjahr 1911, als explodierende Kohlpreise und sensationelle Ernteerträge zusammentrafen, so dass jeder Kohlbauer sich einen zweiten Hof leisten oder als Altenteilerhaus eine Villa in den Hauptstraßen von Wesselburen oder Marne bauen konnte. Natürlich musste dieser Reichtum auch gezeigt werden: die Höfe, die da neu gebaut wurden, hatten nicht mehr nur die traditionelle „gute Stube“, sondern oft auch einen Saal für festliche Gelegenheiten. Manch einer mag noch Porzellanservices mit 30 bis 40 Gedecken geerbt haben und sich fragen, was das für Feste gewesen sein mögen, wofür man eine solche Menge Geschirr brauchte. Es waren die legendären „Bratenvisiten“, zu denen man in seinen Kutschen von weither angerollt kam. „De Brotenfreters komt!“, sagten die Knechte dann – sie waren natürlich nicht eingeladen. Zweitens ist es eine Zeit der Reiselust. Der Massentourismus ist im wesentlichen eine Erfindung dieser Epoche. Das Eisenbahnnetz war spätestens um 1880 so gut und dicht ausgebaut, dass man praktisch jeden Ort und jede Region in Deutschland damit erreichen konnte, und wenn man die Reisezeiten vergleicht, mögen die Züge zwar deutlich langsamer gewesen sein als heutige ICEs (von der Zuverlässigkeit wollen wir nicht reden), aber man konnte doch an einem Tag zu den meisten Zielen gelangen: Von Köln nach Heide oder von Heide nach Jena in etwa 12 Stunden, und an einem Tag kam man nach Helgoland und zurück. Der Wohlstand steuerte nicht nur das nötige Reisegeld bei, sondern machte es auch möglich, sich für die entscheidenden Wochen im Sommer von der Arbeit zu beurlauben. Süddeutsche reisten ans Meer, Norddeutsche in den Harz oder an den Rhein oder noch weiter in den Süden. Verwandte, Freunde und Bekannte, die in anderen Regionen Karriere gemacht und Familien gegründet hatten, boten Anlaufpunkte für lange Sommerbesuche und gemeinsame Ausflüge. Die Welt, die noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur aus dem heimatlichen Dorf und dem nächstgelegenen Marktflecken bestanden hatte, begann sich immer mehr zu weiten, und nachdem das Deutsche Reich gegründet worden war, konnte man dieses erweiterte Vaterland auf Reisen entdecken und dadurch überhaupt erst ein Gefühl dafür bekommen, was es bedeutete in diesem neuen – und bis dahin noch unbekannten – Deutschland zu leben. Auch zu Fuß übrigens, denn auch das Wandern – als Freizeitbeschäftigung, nicht als berufliche Notwendigkeit – kam in dieser Zeit in Mode. Das gilt natürlich hauptsächlich für das Bürgertum, das mit dem steigenden Wohlstand sowohl Geld als auch Muße zum Reisen übrig hatte. Es gilt auch für die bürgerliche Jugend, die nicht länger gezwungen war gleich nach der Konfirmation ins Berufsleben einzutreten. Die zunehmend komplexer werdende Ausbildung bürgerlicher Berufe (und übrigens auch der Landwirtschaft) verlängerte den Übergang von Kindheit zum Erwachsenenalter, so dass eigentlich jetzt erst der Raum entstand, den man als „Jugend“ wahrnehmen konnte, ein Raum, in dem auch eine „Jugendkultur“ entstehen konnte. Damit sind wir beim dritten Faktor, der für diese Epoche kennzeichnend ist. Ganz im Gegensatz zu der populären Wahrnehmung, dass das Kaiserreich hauptsächlich von alten Männern mit langen Vollbärten, gekleidet in ordenbehängten Uniformen, repräsentiert wurde, war es in Wahrheit eine Epoche der Jugend, und sie wurde immer jugendlicher, je weiter sie vom 19. ins 20. Jahrhundert überging. Es wuchs eine Generation heran, die den Krieg nie gekannt hatte, die nicht gezwungen war als Kind schon zu arbeiten, die viel Zeit hatte sich auf das Berufsleben vorzubereiten, und die diese Zeit nutzte darüber nachzudenken, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte. Und da wurde Manchem bewusst, dass ihnen nicht alles gefiel, was sie da sahen und dass sie keine Lust hatten, einfach nur in die Fußspuren ihrer Eltern zu treten. Wozu die Uniformen, wenn weit und breit kein Krieg in Sicht war? Wozu vom Morgen bis zum Abend arbeiten, wenn man Geld genug hatte auch mal Ferien zu machen? Wozu das enge Korsett der bürgerlichen Benimmregeln, wenn die Jugend doch viel spontaner miteinander umgehen konnte? Wozu das Reisen in Erster-Klasse-Abteilen, wenn man doch auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sein konnte? Und war diese bürgerliche Welt, in die man hineingeboren wurde, denn die einzig mögliche, wenn man durch Zeitungen und Bücher immer mehr von einer Welt „da draußen“ erfuhr, in der es offenbar ganz anders zuging? Alles wurde in Frage gestellt, und selbst der Kaiser war davon nicht ausgenommen. Auf diese Weise entwickelte sich um 1900 eine Jugendbewegung, die alles anders machen wollte – auch wenn sie noch nicht genau wusste, wie. Es begann ganz bescheiden mit einigen Steglitzer Gymnasiasten, die im Sommer 1896...



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