Vee | 1506 - Marmorschlangen, Intrigen und andere brisante Verstrickungen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 07, 136 Seiten

Reihe: Kleine Kulturgeschichten

Vee 1506 - Marmorschlangen, Intrigen und andere brisante Verstrickungen

Kleine Kulturgeschichten
2. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7597-7436-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kleine Kulturgeschichten

E-Book, Deutsch, Band 07, 136 Seiten

Reihe: Kleine Kulturgeschichten

ISBN: 978-3-7597-7436-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



1506 erlaubt sich Albrecht Dürer einen kleinen Scherz in einem Altargemälde. 1506 wird Leonardo da Vinci wegen provozierender Säumnis angeklagt. 1506 kämpft Michelangelo um seine Leidenschaft und erliegt einem Irrtum. 1506 sind die Genies der Kunst umgeben von Intrigen und Machtkämpfen kleiner und großer Herrscher. Historische Fakten aus Kultur und Kunst, in kleinen Geschichten erzählt, spannend, traurig, überraschend, lustig. Was wurde über die Genies der Hochrenaissance im 20. und 21. Jh. Neues herausgefunden? Darüber informiert der zweite Teil, incl. Quellenangaben.

Sibylla Vee ist das Pseudonym einer Autorin, die sich zunächst in Praxis und Theorie ganz der Bildenden Kunst widmete. 2016 wechselt sie vom Pinsel zur Feder und beginnt zwei Serien: KLEINE KULTURGESCHICHTEN erzählen Kurzbiographien, von Entdeckern, Kulturschaffenden und Künstlern, Männern wie Frau-en, die es wert sind, aus dem Schatten der »sehr Berühmten« heraus-zutreten. KLEINE BILDERGESCHICHTEN erzählen von Lieblingsmotiven in Grafik und Malerei, von sehr berühmten wie auch kaum bekannten Künstler*innen und Werken.

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Erwartetes und Unerwartetes
ROM – Januar 1506 Während in Venedig ein Augsburger Kaufmann am Ufer des Canal Grande stand, wartete in Rom ein Florentiner Bildhauer am Quai der Riga Grande ungeduldig auf die Schiffe, die den Tiber heraufkamen, schwer beladen mit Marmorblöcken aus Carrara. Michelangelo Buonarroti hatte sie alle persönlich ausgewählt, für einen Großauftrag des Papstes. Auch wenn er ein starker junger Mann von 30 Jahren war, hatte er noch keine rechte Vorstellung, wie er diesen Auftrag kräftemäßig bewältigen sollte. Für seine Pietà, die hier in Rom, in der Petersbasilika stand, hatte er zwei Jahre gebraucht, und für die Figur des fast fünf Meter hohen David, der ihm großen Ruhm eingebracht hatte und der Stolz von Florenz war, drei Jahre. Wie sollte er da für das Grabmal des Papstes dreißig bis vierzig Figuren schaffen? Jacopo Galli, Florentiner Bankier in Rom, hatte dem Künstler geraten, mindestens zehn Jahre und zwanzigtausend Dukaten auszuhandeln. Aber wer konnte schon mit einem Papst handeln? Und schon gar mit Papst Julius II.? Der war zwar ein Liebhaber der antiken Kunst und von Michelangelos Fähigkeiten überzeugt, aber er duldete keinen Widerspruch und ließ seine Gegner schneller beseitigen als ein Marmorblock von Carrara nach Rom kam. Der Papst hatte ihm nur zehntausend Dukaten und nur fünf Jahre zugebilligt. Michelangelo hatte angenommen, war doch das Gestalten von Marmorskulpturen seine große Leidenschaft. Nördlich von AUGSBURG – Januar 1506 »Gnäd’ger Herr! Ein Brief! Aus Venedig! Vom Herrn Dürer!« rief Clara laut und lief so schnell sie konnte mit der Post in die Wohnstube von Willibald Pirckheimer. Sie war glücklich, dass der hohe Gelehrte aus Nürnberg auf seinem Landsitz weilte. Dann konnte sie etwas Geld verdienen, denn im Leben des Herrn Pirckheimer gab es keine Frau mehr, und jemand musste schließlich den Haushalt führen. »Danke dir, Clara.« Pirckheimer nahm voller Vorfreude den lang erwarteten Brief seines guten Freundes entgegen. Er und Dürer liebten beide das Briefeschreiben und den Austausch, ganz besonders, wenn einer von ihnen in der Ferne weilte. Als Clara Willibald Pirckheimer ein duftendes Mittagsmahl servierte, fragte sie mutig: »Was schreibt er denn, der Herr Dürer?« Diese Frage einer Frau vom Lande an einen studierten Mann der Stadt war in der Tat gewagt, doch Pirckheimer rührte die junge Frau in ihrem Eifer, lesen und schreiben zu lernen, und etwas von der Welt zu erfahren, und so antwortete er: »In Frankfurt bekommt man bessere Ware für weniger Geld, denn bescheissen tuns, die Venezianer.« »Hat der Herr Dürer wirklich dieses Wort geschrieben? Oder sagt Ihr das nur zu mir?« Pirckheimer lachte. »Ja, bescheissen hat er geschrieben, der Herr Dürer hat durchaus eine Vorliebe für deftige Ausdrücke.« Dass er diese Vorliebe und den Humor mit Dürer teilte, das musste seine Haushälterin nicht wissen. »Und einen großen Auftrag hat er bekommen«, fuhr Pirckheimer fort, »von den deutschen Kaufleuten in Venedig. Er soll ein Altarbild malen. Das muss bis Ostern fertig sein.« »Oh«, staunte Clara beeindruckt, »das ist eine Gottesaufgabe, welch ein Segen für ihn!« ›Nicht nur ein Segen für ihn, auch für mich‹, dachte sich Pirckheimer, denn Dürer hatte ihm geschrieben, dass er 110 Gulden für diesen Auftrag bekommen hatte. So stiegen die Chancen, dass er von seinem Freund die 100 Gulden wieder zurückbekommen würde, die er ihm für die Venedigreise geliehen hatte. Zudem freute er sich über den Großauftrag für seinen Freund, denn so bekam Dürer die Gelegenheit, in Venedig auch als Maler bekannt zu werden. ROM – Januar 1506 Am 14. Januar erreichte Papst Julius II. die Nachricht von einem spektakulären antiken Fund. Ein Bote war sofort in den Vatikan geeilt, denn ganz Rom wusste, dass Julius II. die größte Sammlung antiker Kunstschätze besaß. Eine großzügige Zuwendung wäre dem Finder sicher, aber das Verschweigen eines Fundes würde seinen geheiligten Zorn heraufbeschwören. Der Papst war skeptisch und schickte einen Reitknecht zu seinem bevorzugten Architekten, Giuliano da Sangallo. Er solle sich vor Ort ein Bild machen, um was es sich handle, und die Bergung des Fundes überwachen. Der zwölfjährige Francesco spürte sofort die elektrisierende Wirkung, als der Reitknecht mit dem Auftrag des Papstes bei seinem Vater eintraf. »Vater, ich will mit, bitte, ich will mit!« Abb. 2 – Die antike Laokoongruppe, 1506 in Rom gefunden Sangallo war einverstanden. Außer seinem Sohn nahm er auch seinen Freund mit, Michelangelo. Als Bildhauer würde er ihm eine große Unterstützung sein, würde schneller als alle anderen die Echtheit und den Wert des Fundstückes erkennen können. So folgten die drei dem Reitknecht, der sie zum Weinberg des Felice de Fredi bei Santa Maria Maggiore führte und ihnen einen Weg durch die dichte Menschenmenge bahnte, die sich dort angesammelt hatte. Ein sensationeller Fund blieb in Rom nicht lange geheim. Sie stiegen vorsichtig in die Tiefe und waren überwältigt von der Größe des bärtigen Kopfes, den sie als erstes erblickten. Es handelte sich in der Tat um eine Skulpturengruppe, drei männliche Figuren, in der Mitte eine sehr große, links und rechts zwei kleinere. Arme und Beine der drei Figuren wurden umschlungen von zwei kräftigen Schlangen. Michelangelo ließ seine Hände über den Marmor gleiten und war begeistert von der Ausarbeitung der Muskeln. »Wie fantastisch!« rief Sangallo aus. »Michelangelo, das ist die Figurengruppe des Laokoon, wie sie Plinius beschrieben hat, ich habe es gerade gelesen. Plinius hat dieses Kunstwerk mit eigenen Augen gesehen, im Palast von Kaiser Titus, diese Figuren im Kampf mit den Schlangen, …so hat Plinius sie beschrieben.« Es wurde ganz still. Francesco schaute von einem zum anderen. Dann sagte Michelangelo: »Ja, das muss sie sein, die Laokoongruppe, das ist sie, ich habe Plinius auch gelesen. Die drei großen Bildhauer von Rhodos haben sie geschaffen, Athanadoros, Hagesandros und Polydoros!« Francesco wollte so viel fragen und wissen, wer war dieser Laokoon, wer war dieser Plinius und warum kämpften die drei Männer mit Schlangen? Aber er spürte, er musste sich gedulden. Es war ein besonderer Moment, den alle Anwesenden erlebten, ein heiliger Moment, ein Moment, der für alle immer bedeutend bleiben würde. Als Francesco mit seinem Vater wieder zuhause war, zeigte ihm dieser das Buch des antiken Schriftstellers Plinius d. Ä., und las ihm die Beschreibung der Skulpturengruppe in italienischer Sprache vor, denn das Werk war aus dem Lateinischen schon übersetzt worden. »Wer war der Laokoon?« wollte Francesco wissen, der wie sein Vater auch davon überzeugt war, dass Plinius genau diese Skulpturengruppe beschrieben hatte. »Es herrschte Krieg zwischen den Griechen und den Trojanern. Und eines Tages stellten die Griechen ein Geschenk vor die Tore Trojas, sozusagen ein Friedensangebot, ein riesiges Holzpferd. Laokoon war Priester in Troja. Er war misstrauisch. ›Was es auch sei, ich fürchte die Griechen, auch wenn sie Geschenke bringen‹. Das soll Laokoon gesagt haben, als seine Landsleute das Geschenk in die Stadt ziehen wollten. Sie hätten auf ihn hören sollen, denn Laokoon hatte Recht. In dem Pferd steckten bewaffnete Griechen, die durch diese List in die Stadt gelangten, von innen die Stadttore öffnen, das griechische Heer hereinlassen und so Troja besiegen konnten.« »Und in dem Pferd haben die Griechen auch die Schlangen in die Stadt geschmuggelt. Aber warum haben die Schlangen nur die Trojaner angegriffen und nicht die Griechen?« »Nein nein, Francesco, die Schlangen waren nicht in dem Pferd. Die hat die Göttin Athene geschickt. Sie unterstützte immer die Griechen und wollte sichergehen, dass die Trojaner Laokoons Warnung auf gar keinen Fall Glauben schenken. Sie schickte nur diese zwei Monsterschlangen über das Meer, damit sie Laokoon und seine Söhne zu Tode beißen und zerquetschen.« »Wie furchtbar«, murmelte Francesco. »Wie fantastisch«, begeisterte sich sein Vater, »Plinius lesen und den Laokoon finden!« Der Papst war ebenfalls begeistert, so begeistert, dass er den Fund sofort seiner Antikensammlung einverleibte, auch wenn bei allen drei Figuren jeweils der rechte Arm abgebrochen und nicht auffindbar war. Michelangelo sollte sie ersetzen. Felice de Fredi, auf dessen Grund die Marmorgruppe gefunden worden war, wurde reichlich entlohnt. Er durfte sein ganzes Leben lang die Zolleinnahmen an einem der römischen Stadttore erhalten, der Porta San Giovanni. Und er bekam die Zusicherung, dass er auf dem Kapitol seine letzte Ruhestätte finden dürfe, in der Kirche Santa...



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