E-Book, Deutsch, Band 25, 210 Seiten
Reihe: edition spoken script
Vogt hani xeit
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-03853-074-9
Verlag: Der gesunde Menschenversand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
modern mundart
E-Book, Deutsch, Band 25, 210 Seiten
Reihe: edition spoken script
ISBN: 978-3-03853-074-9
Verlag: Der gesunde Menschenversand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Walter Vogt (1927-1988) war mit zahlreichen Romanen, Theaterstucken und Hörspielen massgebend für die Literatur aus der deutschsprachigen Schweiz zwischen 1960 und 1990. Sein grosses Schaffen wurde in den 90er-Jahren mit einer zehnbändigen Werkausgabe im Verlag Nagel & Kimche gewurdigt. Bisher wenig bekannt war, dass er zwischen 1963 und 1980 auch mit der Mundart experimentiert hat. Mit der Initiierung einer Gruppenlesung am 22. Mai 1967 im Theater am Zytglogge in Bern hat er den Begriff "modern mundart" geprägt, der bis heute die kritische Mundartliteratur der späten 60er-Jahre kennzeichnet. "hani xeit" lädt mit bisher weitgehend unpublizierten Mundarttexten zur Wiederentdeckung Vogts ein. Der Spoken-Script-Band versammelt seine ersten berndeutschen Lyrik- und Prosaversuche aus dem Nachlass, die "modern mundart"-Texte, den dramatischen Dialog "Tinnkwisizioon" und die Radiokolumnen "zeitraster" und "Zum neuen Tag". Vogt selber (in einem Brief an eine Studentin) und sein Herausgeber Fredi Lerch in einem Nachwort reflektieren seinen Umgang mit der Mundart als literarischer Kunstsprache.
Walter Vogt (1927-1988). Studium der Medizin. Lebte als Schriftsteller und Psychiater in Muri bei Bern. Vogt war Gründungsmitglied und von 1976 bis 1980 Präsident der "Gruppe Olten". Er erhielt für sein Schaffen zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem 1986 den Grossen Literaturpreis des Kantons Bern. Walter Vogt schrieb Romane, Erzählungen, Lyrik, Theaterstücke, Hörspiele und Fernsehspiele. In den 1990er-Jahren erschien eine zehnbändige Werkausgabe im Verlag Nagel & Kimche.
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Tinnkwisizioon22
Ein Mann. Eine Frau. Der Mann ist ruhig, die Frau erregt. Keine, nicht die leiseste Geräuschkulisse. Wenn beide schweigen, ist es totenstill. Die Inquisition verleugnet ihre Herkunft nicht. Es handelt sich um das Gespräch eines Arztes mit einer Patientin, in einer Nervenklinik, in einem grossen Saal. Aber das Gespräch ist aus dem Rahmen, in dem es statthat, völlig herauspräpariert. Auch von den anderen Kranken, von denen die Rede ist, hört man nichts. Dialekt. Er: Und? Sie: Und?? Er: Personalie! Sie: Personalie?? Er: Name? Sie: Name?? Er: Wi Dr heisset?! Sie: Wini heisse?? Er: Dr Familiename – Sie: Mi Familiename?? Er: Ja, Öie Familiename! Sie: (trocken) Probst. Er: Probst … u dr Vorname? Sie: (zögernd) Rosa. Er: Rosa. Heittr numen ei Vorname? Sie: Rosa … Rosa Anna Probst. Er: Rosa Anna Probst. Frou oder Frölein? Sie: Frou oder Frölein – ?? Er: Frou oder Frölein?? Sie: Es chunnt druf aa – Er: Frou oder Frölein Probst?? Sie: Wie meinet Dr daas? Er: Wini daas meine? So wime daas meint – Sie: So wi me daas meint – Er: Also was jetz: Frou oder Frölein?? Sie: (unsicher) Frölein … Er: Frölein Rosa Anna Probst. Gebore? Sie: Gebore?? Er: Ja, gebore – wenn? (Keine Antwort) Wenn das Dr uf t’Wält choo sit?! Sie: Wenn das ig uf t’Wält choo bi – Er: Also, gebore – wenn?? Sie: 17. 5. 41. Er: 17. 5. 41. Uufgwachse? Sie: Uufgwachse?? Er: Uufgwachse, wo? Bi den Eltere? Sie: (eifrig zustimmend) Ja, bi den Eltere … deheime, ja, bi den Eltere … bi den Eltere bini uufgwachse … ganz deheime. I has immer schön ghaa deheime. Deheime hett me mi gäärn … bi mine Eltere – Er: Schön. Schuele? Sie: Primarschuel – Sekundarschuel – Handelsschuel – Er: Sekretärin? Sie: Ja, Sekretärin – i bi sehr gäärn Sekretärin. Sekretärin isch doch e schöne Pruef. Sekretärin isch doch e ganz schöne Pruef. I wett nüt anders sii als Sekretärin. Zersch hani welle Lehrerin wärde, aber Lehrerin isch doch nüt für mi – gället, Lehrerin isch nüüt für mi?? Er: Jetz verzellet echli – wi chömet Dr dahäre? Hm? Sie: Me hett mi ppraacht … Er: Das weis i – aber werum? Sie: Das isch e längi Gschicht. Er: E längi Gschicht … Vrzellet mr se! (Pause) Sie: I weis nid, werum i da bi – (Pause) Werum het me mi dahäre ppraacht?? Er: Das wett i vo Öich wüsse. Sie: (mühsam witzelnd) Und i vo Öich … (Pause) Er: Was isch los gsii? Sie: Eigetlech gar nüt – Er: Aber wäge nüüt hett me Nech nid zu üüs ppraacht … Sie: Werum nid – das chunnt dänk vor – Er: Sällte – Sie: Fraget mini Bekannte – Er: Was die säge, weis i scho. Sie: Was säge de die?? Er: Ach, nüt gnaus … Bekannti wüsse doch nie rächt, was los isch – (Pause) Sie: Chani jetz gaa? Er: Zeersch wetti wüsse, was los gsii isch … Sie: Nachäär chani gaa? Er: Ender nid …zeersch schlafet Dr de no bi üüs. Sie: (angstvoll) Und moorn – chani gaa?? Er: Vrzellet mr jetz, was los gsii isch! Sie: Und de chani de moorn gaa – weni hie echli – uusgschlafe ha?? Er: Das gseh mr de no. Aber einisch lö mr Nech de sicher scho la gaa … Sie: I wott telefoniere. Er: Vrzellet mr jetz, was los gsii isch. Sie: Nüt. Er: Vrzellet mr, was los isch gsii – Sie: Nüt. Eifach nüt – Er: Chömet, vrzellet mr doch jetz echli, was los gsii isch … Sie: Nüt. Rein nüt. Nüt wome cha vrzelle – Er: Es isch nid nüt los gsii – Frölein Probst! Sie: I wett jetz telefoniere … I ha schliesslech mini Vrpflichtige – i wirden erwartet – i cha doch nid eifach hie blibe und umehocke – solang das es Öich passt … Er: Diir söttet aber hie blibe. Und telefoniere chöi mr de nachäär no lang. Sie: Dir heit kes Rächt, mi hie iizschpere! Er: Mr schpere Nech nid ii – Sie: Dir heit kes Rächt, mi hie zphallte! Er: Mir hei sogar t’Pflicht, Nech hie zphallte, Frölein Probst! Sie: I ghööre nid dahäre. Er: Das gseh mr de no – aber bevor mr Nech genauer kenne, chöi mr das nid entscheide. Im Ougeblick sitter hie am beschten uufghobe … und jetz blibet Dr no nes Zittli daa … Sie: Was heisst: es Zittli?? Er: Solang wis nötig isch. Ke Tag lenger. Sie: Was heisst daas? (Keine Antwort) Sie: I wott use – i ghööre nid dahäre – ig wott jetz telefoniere – i mues doch gaa … Er: Vrzellet mr jetz, was los isch gsii! Sie: Nüt. Das hani scho mängisch gseit. Er: Und i hanech scho mängisch gseit, dass Dr nid wäge nüt dahäre choo sitt!! Sie: (verstockt) Me hett mi ppraacht. Er: Das weis i … Ganz freiwillig sitter nid choo – Sie: Abgfüert hett me mi – (schreit) gfesslet! Er: Aber jetz sitter frei – Sie: (erstaunt) Ja, jetz bini frei – (schluchzt) Er: Was isch los gsii? Hm? Wo sitter gsii? Sie: Im Hotel. Er: Und? Sie: Plötzlech isch alls zämeggloffe, zmitts ir Nacht, alls isch uf mi zdoorf – Er: Und? Sie: Gfesslet hei si mi – Und eine hett mr öppis gschprützt – Er: Ja – Sie: U nachäär hei si mi dahäre ppraacht … Er: Aber werum? Sie: I weis es nid – Er: Aber loset jetz einisch, Frölein Probst: wäge nüüt und wider nüüt si si doch nid zmitts ir Nacht zämeggloffe, i däm Hotel – hm?? Frölein Probst! Wäge rein nüt louffe die doch nid alli zäme, imene Hotel, u de no zmitts ir Nacht!! Die wei doch iri Rueh haa – Sie: Gället, die wei doch iri Rueh haa!! Imene Hotell! Er: Ja schoo – äbe – und die Rueh heittir dänk echli gschtöört?? Sie: I ha die Rueh nid gschtöört. I bi sälber dr ruehigst Möntsch. Und usserdäm bini zur Erholig dört gsii. Er: I däm Hotel – Sie: I ha Rueh ppruucht – nüüt als Rueh und Erholig – Rueh Rueh Rueh und nomal Rueh. – Aber me hett mi nid in Rueh gglaa – Er: Wär hett Nech de nid in Rueh gglaa? Sie: Alli zäme – alli die wo uf mi loschoo si, zmitts ir Nacht – (klagend) Die hei mi doch nid in Rueh gglaa — (Steigerung) Die hei mi doch nid in Rueh gglaa – die hei mi doch gar nid in Rueh gglaa … Er: Aber – zeersch mues doch öppis ggange si – bevor sie uf Nech zdoorf si?! Sie: (nach einer Pause der Überlegung) I ha Tablette ggnoo – die hett mr dr Arzt vrschribe gghaa – i ha gmeint, die sige ganz harmlos – i ha doch nüt als echli Grippe ghaa – da vrschribt mr dää Tablette – n-es ganzes Röhrli voll – zwänzg Schtück – er hett mr doch überhoupt nüt gseit, wivill i mues nä vo dene. I ha eifach tänkt, die sige harmlos – i ha welle gsund wärde, so schnäll wi müglech – Das wott me doch, gsund wärde – so schnäll wis nume geitt?? Er: Und de heitter zvill vo dene Tablette gno? Sie: All zwänzg ufds Mal hani ggnoo – Und drum bini jetz hie – us keim andere Grund bini überhoupt da … das isch doch nid rächt, oder??...