Vorländer | Sehnsuchtsort Heimat | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 224 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm

Vorländer Sehnsuchtsort Heimat


1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-96038-140-2
Verlag: edition chrismon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 224 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm

ISBN: 978-3-96038-140-2
Verlag: edition chrismon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Jeder hat eine. Manche behaupten sogar, sie hätten mehrere: Heimat. Wenn Sie das Wort „Heimat“ sagen und die Augen schließen – was fällt Ihnen ein? Ihr Lieblingscafé um die Ecke, der heimische Kirchturm, Ihre Familie, Freunde, Erlebnisse aus Kindertagen und die Straßen der Stadt, durch die Sie mit Ihren Schulkameraden stromerten? Heimat lebt von Erinnerung. Sie hat Bilder, einen Klang, einen Geruch – und einen festen Platz im Herzen.

Doch was ist eigentlich Heimat? Kann man mehr als eine Heimat haben? Wie entsteht dieses wohlige Gefühl von Heimat? Wie lange muss man an einem Ort wohnen, damit es sich einstellt? Und wie viel Fremde verträgt Heimat – kann sie mir auch entgleiten, obwohl ich gar nicht weggezogen bin? Kann man vielleicht auch ganz ohne Heimat leben, als globaler Weltenbürger?

Heimat verändert sich. Das war schon immer so, heute umso mehr – in Zeiten, in denen die Welt zusammenwächst und Mobilität ein hohes Gut ist.

Die Autorinnen und Autoren dieses Buches erzählen davon, wie und wo sie Heimat gefunden haben und was Heimat ausmacht. Persönlich, vielstimmig, anregend.

U.a. mit Beiträgen von:

Düzen Tekkal - deutsche Fernsehjournalistin und Bundestagsabgeordnete aus einer kurdisch.jesidischen Familie

Simon und Matthias Classen - zwei Brüder aus Wesel, die in Los Angeles ein Restaurant namens "Berlins" betreiben - das beliebteste Dönerrestaurant der Stadt

Markus Söder - in Bayern nicht nur Finanzminister, sondern auch für Heimatschutz zuständig

Gabriele Kosack - geboren als Missionarstochter in Indonesien, lebt heute als freie Autorin in Deutschland und Marokko

Paul Wagner - Geschäftsführer einer Werbeagentur, der darüber nachdenkt, wie Werbung Heimat widerspiegelt bzw. wie man für Heimat Werbung macht

Lisa Kaufmann - aus einer deutsch-ägyptischen Familie stammend, aufgewachsen in Leipzig, lebt jetzt als freie Autorin in Essen

Manfred Kittel - ehemaliger Direktor der Stiftung Flucht und Vertreibung, der darüber schreibt, wie die Nationasozialisten den Heimatbegriff missbraucht haben

Susanne Breit-Keßler - Regionalbischöfin in Bayern, zugewandert und aufgewachsen als unehelich geborene Evangelische im tiefsten Oberbayern

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Einigkeit und Recht
und Freiheit Heimat ist da, wo ich sein darf
und wunderbarerweise genau dadurch
Raum auch für andere ist
SUSANNE BREIT-KESSLER
Susanne Breit-Keßler als Kind (mit Mama) in ihrer neuen oberbayerischen Heimat. „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Was für ein Satz aus der Bibel. Mitten ins Herz von Menschen wie Susanne Breit-Keßler, die Heimat nicht einfach nur lieben, sondern brauchen, um stabil zu bleiben. Die Regionalbischöfin von München und Oberbayern erkundet Heimat biblisch und biografisch. „Heimat bedeutet Aufrichtigkeit, Anstand, ja – und Selbstkritik“, so hat sie es erlebt und findet: Wir dürfen Heimat nicht den neuen Nationalisten überlassen. Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ (Hebräer 13,14) Dieser Satz aus dem Zentrum des Hebräerbriefs im Neuen Testament lässt keinen Platz für Illusionen. Es gibt kein stetes Zuhause, weil wir unterwegs sind in die Ewigkeit. Und trotzdem geht es nicht anders, als sich mit Herz und Verstand, mit allen Sinnen einzunisten in dieser Welt, bevor man ins seelische Nichts stürzt. Die kleine, vermeintlich russische aphoristische Ironie „Wer sich überall zu Hause fühlt, ist nirgends daheim“ ist geradezu harmlos gegen die Erfahrung, keinen heimatlichen Halt zu haben. Umgekehrt ist es wundervoll zu spüren, dass man da, wo man ist, auch wirklich hingehört. Als kleines Kind bekam ich von Spielgefährten zu hören: „Du hast keinen Vater, und deine Mutter ist eine Hexe.“ Sie plapperten emsig nach, was sie wohl so ähnlich am Tisch der Eltern gehört hatten. Ein Versuch, mir mein Daseins- und Heimatrecht abzusprechen. Aber meine Mutter, mitnichten eine Hexe, sondern eine starke, tapfere Frau, erläuterte mir verständlich, warum mein Vater zu diesem Zeitpunkt nicht bei uns leben konnte. Heimat ist keine volkstümelnde Idylle, voll mit schunkelnden, bier- oder weinseligen Grinsetrachtlern, die selber braun keinem Schwarzen grün sind, sondern gleich rotsehen. Kein Gebiet, in dem ausschließlich die eigene Meinung Richtlinienkompetenz hat. Heimat ist da, wo ich sein, mich entfalten darf und wunderbarerweise genau dadurch Raum auch für andere ist. Solche Heimat habe ich dann mit meinen Eltern im Oberbayerischen gefunden, wo man die Liberalitas Bavarica zu leben verstand. Eine voralpenländische Willkommenskultur, die thüringisch-oberfränkisch-schwäbischen Migranten offen stand. Mein Vater wurde geduzt und als Platzwart im Tennisclub sogleich am Stammtisch aufgenommen, meine Mutter galt richtigerweise als gärtnernde Superhausfrau und Löwenmutter. Ich selbst wurde zwar als einziges evangelisches Mädchen in der Klasse kräftig bestaunt, aber wegen meiner Kombination aus offensivem Fleiß und geheimer Frechheit schnell akzeptiert. Niemand von uns musste sich ändern, aber alle drei haben wir uns dort eingefügt, wo es uns sinnvoll und stimmig erschien. Ich tanzte weiß gekleidet dezent durch die Fronleichnamsprozession, schnupperte in der römisch-katholischen Dorfkirche den Weihrauch, bis mir schwindlig wurde, entdeckte dort für immer meine Krippenleidenschaft. Schaute in der Aussegnungshalle neugierig-schaudernd auf die offen aufgebahrten Toten. Meine Mutter brillierte mit ihren gigantischen selbst angebauten Zucchini, überzeugte mit pflegerischem Können und alternativem, eher traditionellem medizinischen Wissen. Meine Klassenkameradinnen beneideten mich um sie, weil sie sofort losstürmte, wenn ich Ungerechtigkeiten ausgesetzt war. Hatte ich etwas selbst vermasselt, war es mit Rettungsaktionen à la Jeanne d’Arc nichts. Heimat bedeutet Aufrichtigkeit, Anstand, ja – und Selbstkritik. Mein Vater, der seinen thüringischen Akzent nie wirklich ablegen konnte und wollte, kam bestens mit den Urbayern zurecht. Sie verstanden ihn und er sie – ohne die albernen Untertitel, die heute im Fernsehen schon verwendet werden, wenn jemand bloß Altbayerisch oder Schweizerdeutsch spricht. Man gibt sich keine Mühe mehr, das Heimatidiom des anderen zu verstehen – oder auch einmal staunend stehen zu lassen, was der andere sagt. Heimat bedeutet nicht Simultandolmetschen, sondern den Versuch zu begreifen, was der andere meinen könnte. Das kostet Mühe, braucht Zeit. Aber man ist ja schließlich nicht auf der Durchreise, sondern zu Hause. Als er starb, mein Vater, wurde er auch offen aufgebahrt wie alle anderen. Etwas anderes war gar nicht denkbar. Und als ich hoffte, ein Lebenszeichen an ihm zu entdecken, und das dunkle Kerzenwachs auf seinem Leichentuch als Blutfleck zu identifizieren glaubte, war es der Friedhofswärter, der die weinende junge Frau behutsam zum Vater führte, damit sie sehen konnte, dass er wirklich tot war. Auch das ist Heimat: Trauer teilen, sich nichts vormachen, miteinander den Kummer tragen. Bei der Beerdigung meines Vaters war das ganze Dorf auf den Beinen, sechs Jahre später bei meiner Mutter auch. Irgendwann kam dann ein neuer Bürgermeister und bat mich, längst in die Großstadt verzogen, im Kurpark eine Eiche zu pflanzen, schließlich noch einen Apfelbaum an der Landstraße. Heimat heißt, nicht zu vergessen, wer zu einem gehört, Menschen zurückzuholen, und sei es auf einen Besuch, der fruchtbar ist. Ich bin aus Oberaudorf am Inn, sage ich, wenn man mich fragt, wo ich herkomme. Obwohl ich da gar nicht geboren wurde und auch die ersten neun Jahre meines Lebens woanders verbracht habe. Aber ich komme da her, bin dort daheim, weil ich die Landschaft liebe, den Duft der gemähten Wiesen, den kleinen See, die Trollblumen oben am Berg, die direkte Nachbarschaft Österreichs mit seinen herrlichen Käseläden und Wirtshäusern, die Sprache, den Dialekt. Fragt mich jemand in Europa, wo ich zu Hause bin, sage ich Deutschland, Bayern, München. Das klingt überall gut, auch in Asien. Dort bleibt allerdings Bayern München hängen und ich in einer fröhlichen Fußballspielercharakterisierung. Macht nichts: Heimat bedeutet auch, ich kenne mich aus in dem, was daheim los ist. Kann davon erzählen. Ich muss mich nicht mit allem identifizieren, was in meiner Heimat geschieht. Aber ich kann Stellung dazu beziehen, ich kann mich dazu verhalten. Wer aus Bayern kommt, wird im Rest der Republik gelegentlich belächelt. Überall sonst auf der Welt sind die Bayern die Deutschen, denen am meisten Anerkennung entgegengebracht wird. Mit beidem muss man umgehen können. Heimat – das ist Solidarität mit und Loyalität zu dem Ort, dem Land, aus dem man kommt, zu der Familie, der man entstammt. Heimat zu haben bedeutet aber auch, eine kritisch-konstruktive Distanz einzunehmen, wo dies nötig ist. Blut- und-Boden-Ideologie ist zerstörerisch, weil sie das Eigene absolut setzt, obwohl es doch immer einen Schritt zurück braucht, um klarsehen zu können. Globalisierung heute ist die Chance, diesen Schritt zu tun – und zu sehen, wie andere leben. Sich davon begeistern und manchmal auch erschrecken zu lassen, davon zu lernen im annehmenden und durchaus auch im abweisenden Sinn. Die Ambivalenz ist notwendig, die Chance, angetan, aber auch mal abgestoßen zu sein. Man kann alles verstehen, muss es aber nicht gutheißen, wenn man vernünftige Gründe dafür hat. Es ist ganz falsch, Menschen das Gefühl aufnötigen zu wollen, selbst ein Global Player zu sein, und ihnen das als höchsten Wert zu verkaufen. Was dann passiert, sieht man allenthalben: Die Abwehr wächst, weil wirklich niemand, der von Geborgenheit auch nur eine dumpfe Ahnung hat, sich überall gleich daheim fühlt. Diese Abwehr, weil einem nicht näher vergönnt wird, anderes als fremd und nicht unbedingt nachahmenswert zu empfinden, produziert dumme Nationalismen. Heimat – höchste Zeit, Kinder, Jugendliche und Erwachsene diese Beziehung wieder in vollen Zügen genießen, ausleben zu lassen. Statt sie aus vermeintlicher politischer Korrektheit zu zwingen, die ganze Welt als ihr Spielfeld zu betrachten. Noch dazu, weil diejenigen, die an vielen Stellen des Globus ein Fähnchen stecken könnten, weil sie dort schon einmal gelebt haben, dort gar nicht wirklich zu Hause sind. Sie bringen ihre Herkunft mit sich, leben in der Ferne, was sie daheim auch tun, und nehmen nur an, was ihnen brauchbar erscheint. Mit Missvergnügen denke ich an Geschäftsleute, die aus Hongkong nichts anderes zu erzählen haben, als dass dort die Geschäfte 24 Stunden lang offen haben, und die das als zivilisatorischen Gewinn für die Menschheit betrachten. Diese vermeintlichen Weltbürger sind oft nichts anderes als neuzeitliche Imperialisten, die in eine fremde Heimat wie in ein Wachsbett das eindrücken, was sie – meist wirtschaftlich – für unverzichtbar halten und umgekehrt: Sie nehmen irgendwann nach Hause mit, was Geld bringt. Wer ihnen in Deutschland den Sonntagsschutz entgegenhält, der dem unbegrenzten Gewinnstreben, vor allem aber der Ökonomisierung des Menschen Grenzen setzt, der wird nicht selten als provinziell abqualifiziert, obwohl er doch „nur“ die mühsam errungenen Qualitäten der Heimat propagiert. Urlaubsländer erwecken Begeisterung ob ihrer Strände – dass dort gleichgeschlechtlich lebende Menschen vom Mob durch die Straßen gejagt werden, spielt keine Rolle. Man wird wieder hinfahren, weil man sich heimisch fühlt. Der eine braucht dazu vertraute Küche, die an fernen Gestaden angeboten wird, der andere delektiert sich an unbekannten Genüssen, um davon dann fachmännisch zu berichten. Sand, Meer, kühle Drinks und...


Vorländer, Martin
Martin Vorländer, geboren 1972 in Erlangen, ist "Neu-Hesse mit bayrischem Migrationshintergrund". Er wuchs im Libanon, im Allgäu und in München auf. Evangelische Theologie studierte er in München, Paris und Heidelberg. Nach dem Studium war er als Gemeindepfarrer in München, Istanbul und Mainburg in Niederbayern tätig. Seit 2014 arbeitet als theologischer Redakteur im Medienhaus der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Frankfurt am Main.



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