E-Book, Deutsch, Band 2, 378 Seiten
Reihe: Little Secrets-Reihe
Wagner Would You Trust Me?
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-948346-80-5
Verlag: MAXIMUM Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Spannender und mitreißender Jugendthriller
E-Book, Deutsch, Band 2, 378 Seiten
Reihe: Little Secrets-Reihe
ISBN: 978-3-948346-80-5
Verlag: MAXIMUM Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
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Schwarz – wie der Himmel
»Kommt rein. Du willst wahrscheinlich als Erstes dein Zimmer sehen, oder Alia?« Mamas Lover stellt unsere Koffer vor einem Schuhschrank in einem breiten Flur ab, der sich nach rechts zu einem Wohn- und Essbereich öffnet. Mein Zimmer? Ich weiß, wie mein Zimmer aussieht, vielen Dank auch. Wenn ich könnte, würde ich mich in meinem Bett verkriechen und erst wieder aufstehen, wenn dieser Wahnsinn vorbei ist. Aber mein Bett ist Hunderte von Kilometern entfernt und Beamen wurde noch nicht erfunden. Insofern, nein Marco, selbst wenn ich mein Zimmer sehen wollte, könntest du mir nicht helfen. »Hier!«, sagt er, mit einem Lachen im Gesicht und geht zu einer Tür schräg gegenüber des Eingangs. Bevor er sie öffnet, sehe ich das rote Poster mit schwarzblauer Schrift und einem Totenkopf. Er bemerkt meinen Blick. »Ich habe das Poster erst mal hängen lassen. Wusste nicht, was du mitbringst und was dir gefällt. Aber du kannst es entfernen, wenn du es nicht magst.« Mama legt eine Hand auf meine Schulter und schiebt mich in das Zimmer. Sperrgebiet … Das Poster kann bleiben. Könnte mir keinen besseren Namen für dieses Zimmer vorstellen, in dem ich nicht sein will. An der linken Wand ist ein Fenster und gegenüber eine Glastür, die auf einen Balkon führt. Ein Zimmer mit Balkon? Bin ich falsch abgebogen und in einem Hotel gelandet? Moment. Weht da draußen an der Seite ein Vorhang? Super. Der Balkon hat noch einen zweiten Zugang. Wenigstens kann man das Bett rechts im Eck von draußen aus nur sehen, wenn man direkt vor der Balkontür steht. Das Bett. Wie schmal ist das bitte? Die Wand hinter dem Kopfende des Bettes ist komplett schwarz gestrichen, mit weißen Punkten, die ein unregelmäßiges Muster ergeben. »Das haben Colin und ich vor ein paar Jahren zusammen gemacht«, erklärt Mamas Lover. Er lacht und fasst sich in den Nacken. »Das war in seiner Weltraumphase. Die Punkte ergeben unsere Sternzeichen.« »Was für eine süße Idee«, murmelt Mama, und sie lächeln sich an. »Wir können das übermalen, ich wollte nur vorher mit dir besprechen, ob du die Wände einfach weiß haben möchtest oder lieber in einer anderen Farbe«, wendet er sich wieder an mich. Übermalen. Viel Spaß dabei, Marco. Niemals bekommst du die schwarze Wand wieder weiß. Finleys Wand hat immer noch einen Rosastich und das, obwohl er das Rot ungefähr acht Mal überstrichen hat. Ich zucke mit den Schultern und drehe mich weg. Es ist mir egal, ob die Wand schwarz oder weiß ist. Ich habe nicht vor, lange zu bleiben. Links neben der Tür steht ein leeres Regal, direkt vor dem Fenster sind ein Schreibtisch und ein schwarzer Drehstuhl mit orangen Streifen. Neben der Balkontür ist noch ein alter Holzschrank, und das ist alles. Im Vergleich zu meinem Zimmer ist das hier total leer, obwohl es ein ganzes Stück größer ist. Keine Sitzecke zwischen Schrank und Schreibtisch gequetscht. Keine halb verdorrte Yuccapalme. Und trotzdem fühlt es sich zu voll an. In jedem Quadratzentimeter kann ich die Energie dieses Colins spüren, der sein Zimmer für mich räumen musste. Ich kann hier drin nicht atmen! »Natalie meinte, dass du deine Möbel nicht mitbringen wolltest.« Bitte? Wenn ich sie mitgenommen hätte, könnte ich ja nie wieder zurückgehen. Ich starre Mamas Lover an. »Bernd und ich sind übereingekommen, dass es sinnvoller ist, wenn Alia bei ihm noch ein Zimmer hat, falls sie über die Sommerferien für zwei oder drei Wochen zu ihm fährt«, mischt Mama sich ein. »Ja, so war es bei Colin auch.« Mamas Lover geht zur Balkontür und macht sie auf. »Aber jetzt ist er achtzehn, und er und seine Mutter wohnen sowieso nicht weit weg. Ich glaube, er hat das Zimmer hier im letzten halben Jahr schon nicht mehr zum Übernachten genutzt. Wenn ihr wollt, können wir neue Möbel kaufen. Wie hört sich das an?« Grandios. Scherz. Ich erwidere seinen Blick und schüttle den Kopf. Nein, danke. »Alia!«, fährt Mama mich an. »Das ist total nett von Marco, dass du dir das Zimmer hier so einrichten kannst, wie du es möchtest. Und von Colin auch! Wann lernen wir ihn eigentlich kennen?«, wendet sie sich an ihren Lover. »Er kommt später zum Abendessen vorbei. Und morgen holt er dich ab, Alia. Er geht auf die gleiche Schule wie du, ist jetzt im letzten Jahr. Ihr könnt zusammen mit den Rädern fahren. Colin hat noch ein Ersatzrad. Das kannst du nehmen. Und er kann dich in der Schule herumführen, damit du gleich alles findest.« Großartig. Will er mich vielleicht noch an der Hand nehmen und bei meiner Klassenlehrerin abgeben? Ich unterdrücke ein Schnauben. Nichts anmerken lassen, nicht zucken. Pokerface. Ein Babysitter, der von Mamas Lover angeheuert wurde. Extra für mich. Kann Colin morgen bitte einen Platten haben? Oder spontan über Nacht Fieber bekommen? »Du kannst dir alles in Ruhe durch den Kopf gehen lassen«, sagt Mamas Lover, ehe er das Zimmer über den Balkon verlässt. »Das Angebot für neue Möbel steht auch noch in ein paar Monaten.« Die Worte nehmen mir kurz die Luft. In ein paar Monaten? Heißt das, ich soll nach den Sommerferien wieder hierher zurückkommen? * Mama lässt mich auch allein. Damit ich in Ruhe auspacken kann. Dabei habe ich fast nichts mitgenommen. Nur den Koffer, voll mit Sommerklamotten, einen Karton mit Waschzeug, vier Paar Schuhen, der orangen Regenjacke und meinen PC. Das Wichtigste von allem sind die Geige und der Verstärker, der von der Umzugsfirma hierhergebracht wurde. Der Rest ist zu Hause in meinem wirklichen Zimmer. Egal was Mamas Lover sagt, ich werde nach dem Sommer wieder dort wohnen. Sie können mich nicht zwingen, hierzubleiben! Ich mache mir etwas vor. Wenn sie es nicht könnten, wäre ich nie mitgekommen. Langsam rutsche ich an der schwarzen Wand nach unten, bleibe neben dem Bett sitzen und ziehe das Handy aus der Tasche. Hannah hat ihr Profilbild geändert. Es sind nicht mehr unsere Fußspuren im Schnee mit den beiden Herzen, sondern sie und Tilde. Arm in Arm, jede einen Basketball trippelnd. Klar, im Juni passt ein Schneebild nicht mehr. Aber warum ändert sie es ausgerechnet an dem Tag, an dem ich wegziehe? Bin angekommen … Ich schreibe es in den Gruppenchat. Nicht nur, weil ich keine Lust habe, Hannah direkt zu kontaktieren und so zu tun, als ob alles in Ordnung wäre. Profilbild hin oder her. Ich schreibe es in den Gruppenchat, weil Bastian dort mitliest und ich ihn schlecht persönlich antexten kann, das wäre total schräg. Ich glaube, ich habe noch keine drei Worte mit ihm geredet, seit er bei uns an der Schule ist. Dabei hätte ich eineinhalb Jahre Zeit gehabt. Hannah würde mir jetzt in den Hintern treten. Woher soll er bitte wissen, dass du auf ihn stehst, wenn du ihn laufend ignorierst? Das hat sie mich oft gefragt. Ja, ich stelle es mir genau so vor: Bastian hat sich bei unserer ersten Begegnung sofort in mich verknallt, als ich beim Verlassen des Klassenzimmers versehentlich in ihn hineingerannt bin. Und genau wie ich weiß er seit fünfhundertsiebenundvierzig Tagen nicht, wie er mich ansprechen soll. Unwahrscheinlich. Soweit ich das beurteilen kann, hat er keine Probleme, mit irgendwem zu reden. Aber nicht unmöglich!, erklärt mir Hannah immer wieder. Wieso hat sie noch nicht geantwortet? Ich stehe auf, mache ein Foto von der schwarzen Wand und schicke es an Finley und Papa. Ein Zimmer zum Wohlfühlen, oder? Finley antwortet sofort, allerdings nicht in dem Chat, den ich eben für ihn und Papa eröffnet habe. Er schreibt mich direkt an. Seid ihr angekommen? Was ist das? Die Wand in dem Zimmer, in dem ich ab jetzt schlafen und wohnen soll. Ernsthaft??? Nein, du Idiot, ich verarsche dich. Wenn er noch mehr blöde Fragen stellt, blockiere ich seine Nummer. Ich bin kurz davor, das Handy gegen die Wand zu knallen. Es ist so unfair! Ich muss mit Mama zu ihrem Lover ziehen, und mein dreizehnjähriger Bruder darf zu Hause bleiben. Nicht, dass es bei Papa gerade besser wäre, so wütend wie der ist. Aber Finley ist nicht gezwungen, irgendwo am Ende der Welt neu anzufangen. Er hat immerhin noch seine Freunde um sich und musste nicht die Liebe seines Lebens verlassen, bevor er die Chance hatte, ihr das zu sagen! Und nein, ich hatte nicht genügend Zeit, um Bastian gegenüber den Mund aufzumachen. Hier ist es gerade auch nicht viel besser … Finley schickt ein Foto von der Wand in unserem Wohnzimmer, an der Mama seit Jahren die besten Schnappschüsse der Familie aufhängt. Nur hängen da keine Bilder mehr. Kleine Quadrate und Rechtecke markieren die Stellen, an denen sie waren. Sie sind nur zu erkennen, weil sie einen winzigen Tick heller sind als der Rest der vergilbten Wand. Bevor ich reagieren kann, kommt das nächste Foto. Es zeigt das Innere unserer Mülltonne, in dem sich die Bilderrahmen auf Mülltüten stapeln. Dazwischen funkeln ein paar Glassplitter. IHR HABT DIE FOTOS WEGGEWORFEN??? Papa. Keine Sorge, die Fotos habe ich gerettet. Er sieht sowieso nie in meinen Schrank. Sorry … Wofür? Dafür, dass ich sauer auf dich bin, weil du zu Hause...