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E-Book

E-Book, Deutsch, 187 Seiten

Wahl Brutale See


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95607-297-0
Verlag: HEY Publishing GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 187 Seiten

ISBN: 978-3-95607-297-0
Verlag: HEY Publishing GmbH
Format: EPUB
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Jeder kennt sie – die Geschichten über wagemutige Seefahrer, tragische Schiffsunglücke und blutige Meutereien. Aber was verbirgt sich hinter den Mythen um Kapitän Ahab, William Bligh und den berühmt-berüchtigten Sklavenaufstand auf der Amistad?

Dicht und hoch spannend erzählen Joachim und Susanne Wahl neun prägende Begebenheiten aus der Geschichte der Seefahrt und nehmen Sie mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Begegnen Sie tollkühnen Abenteurern, eitlen Emporkömmlingen, grausamen Menschenschindern und wahren Helden. „Brutale See“ ist ein Buch über stolze Schiffe, nautische Meisterleistungen und mächtige Nationen. Aber vor allem ist es ein Buch über Menschen, die durch ihr Können und ihre Selbstlosigkeit, ihre Schwäche und Lasterhaftigkeit entscheidend zu dem Verlauf einiger der aufsehenerregendsten Kapitel der Seefahrtsgeschichte beigetragen haben.

Jedes Kapitel enthält eine Einführung zum Zeitgeschehen, eine Beschreibung der Schiffe und ihrer Besatzungen sowie Erläuterungen zu Motivation und Ziel der Reisen. Wer mehr über die einzelnen Ereignisse oder allgemeine Aspekte der Seefahrt erfahren möchte, findet Infokästen zu ausgewählten Themen sowie ein ausführliches Literaturverzeichnis.

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Weitere Infos & Material


Kapitel 3
Die Nijenburg 1763 – Meuterei der „Schwefelbande“
Drastische Rekrutierungsmethoden
Die VOC hat im Laufe ihres rund 200-jährigen Bestehens circa 1500 Handelsschiffe unter Segel gesetzt, die im Idealfall mehrfach zwischen den Niederlanden und Südostasien hin und her pendelten oder im innerasiatischen Raum unterwegs waren. Zudem mussten die überseeischen Handelsniederlassungen mit Personal unterhalten und die kolonialen Bestrebungen mit Truppen ausgestattet und immer wieder aufgefüllt werden. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Kaufmanns in Ostindien betrug zwei bis drei Jahre. Hauptursachen dafür waren Tropenkrankheiten und das ungewohnte Klima. Ein einfacher Soldat hatte vor Ort noch eine ähnliche Lebensspanne vor sich, seine Vorgesetzten im Mittel das Doppelte. Während der Überfahrt war die gesamte Besatzung über Monate hinweg der Unberechenbarkeit der Elemente ausgeliefert. Skorbut, mangelnde Hygiene, ungenügende medizinische Versorgung und die Risiken des Schiffsalltags forderten ihren Tribut. Groben Schätzungen zufolge sahen nur etwa 20 bis 30% der Menschen jemals ihre Heimat wieder. Für die Herren XVII bestand somit permanenter Bedarf vor allem an Matrosen und Soldaten, die sich neben den Offizieren und Kaufleuten auf drei oder fünf Jahre zum Dienst verpflichten ließen. Um das seitens der VOC stetig nachgefragte Personal entwickelte sich in Holland, insbesondere in Amsterdam, eine staatlich geduldete Schattenwirtschaft, die sogenannten „Seelenverkäufer“, im Volksmund auch „Zettelverkäufer“ genannt, die als gewerbsmäßige Stellenvermittler fungierten. Diese „Mäkler“ warben mittellose und Arbeit suchende Männer an, indem sie ihnen das Blaue vom Himmel versprachen, sie in ihre Obhut nahmen, betrunken machten, ihnen Unterkunft anboten und ein kleines Handgeld gaben, wenn sie sich anmustern ließen. Bei der Umsetzung ihrer Geschäfte waren sie zuweilen wenig zimperlich, schreckten auch vor körperlichen Misshandlungen nicht zurück. Sobald der Artikelbrief unterschrieben war, fanden sich die auf diese Weise Rekrutierten anderntags hinter verschlossenen Türen, bis sie auf Karren verfrachtet, nach Texel transportiert und auf die segelbereit wartenden Schiffe getrieben wurden. An Bord waren sie dann zwar den Seelenverkäufern entronnen, nun aber den Offizieren und Unteroffizieren ausgeliefert. Die Werber, die auch als „Heuerbaase“ oder „Schlafbaase“ bezeichnet wurden, nicht selten Betreiber/-innen von Gasthäusern, erhielten von der Compagnie pro Person einen sogenannten Transportzettel, eine Art Schuldbrief, der dem Inhaber 150 Gulden zusicherte. Diese Summe wurde den neuen Seeleuten und Soldaten von der Heuer beziehungsweise vom Sold abgezogen und demjenigen ausbezahlt, der den Zettel vorweisen konnte – es sei denn, der Angeworbene starb vor Ablauf der festgesetzten Frist und konnte die Schuld nicht abarbeiten. Dann hatte der Zettel keinen Wert mehr. Die Folge: um ihr unternehmerisches Risiko zu vermindern, gaben die Seelenverkäufer ihn häufig zu einem geringeren Preis an reiche Leute weiter. Diese Form der Rekrutierung von Schiffspersonal, zum Beispiel erwähnt in dem kleinen Prosabändchen „Maerchen, Erzaehlungen und kleine Romane“ von August Lafontaine, wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts gesetzlich verboten. Der siebenjährige Krieg und seine Folgen
Bei den Kriegen um Herrschaft und Handelsressourcen in Übersee verzeichneten die Engländer im Rahmen des siebenjährigen Krieges zunehmend deutlichere Erfolge gegenüber den Franzosen. Sie bezwangen sie in Amerika wie auch in Afrika und Indien. Die Wende zugunsten der Briten zeichnete sich bereits in den Jahren 1758/1759 ab. Um in den Kolonien siegreich zu sein, bedurfte es einer größeren Zahl ausgebildeter und erfahrener Seeleute wie auch der Fähigkeit, in kurzer Zeit mehr Schiffe auf Kiel legen und bemannen zu können. In beidem waren die Briten den Franzosen klar überlegen. Sie hatten schon bald mehr als die doppelte Zahl von Schiffen im Einsatz, später wurde ihre Überzahl noch größer. In der Folge errangen die Engländer auch bei Konfrontationen auf See einen Sieg nach dem anderen. Die Niederlande waren im siebenjährigen Krieg zwar neutral, bekommen jedoch die anschließende Wirtschaftskrise deutlich zu spüren. In den 1780er Jahren drosselt England die Einfuhren aus Indien und wendet sich anderen Märkten zu. Die VOC, durch Fehlentscheidungen und die Korruption ihrer Mitarbeiter in der Zwischenzeit bereits zu einem Schatten ihrer selbst verkommen, gerät 1795 unter staatliche Aufsicht und wird vier Jahre später aufgelöst. Schon 1763 haben die Herren XVII einen Teil ihrer einstigen Macht eingebüßt und den Entscheidungsträgern sind die kruden Anwerbepraktiken zur Vervollständigung ihrer Schiffsbesatzungen wohl bekannt. Am Ende des siebenjährigen Krieges suchen abgedankte Soldaten, versprengte und entlassene Söldner scharenweise ihr Glück im vermeintlich reichen Holland. Dass der Stern der Compagnie bereits im Sinkflug begriffen und deren Flotte inzwischen ziemlich marode ist, können sie nicht wissen. Ohne gültige Pässe und der Landessprache nicht oder nur ansatzweise mächtig, sind die entwurzelten Männer ein willkommener Nachschub an Menschenmaterial für die Seelenverkäufer. Die VOC nimmt jeden an, egal ob Handwerker oder ungelernt, jemals auf einem Schiff gewesen oder nicht – Hauptsache, er ist für geringen Lohn einzukaufen. So besteht auch die Mannschaft der Nijenburg, als sie im Mai 1763 den Anker lichtet, außer den mittleren und höheren Diensträngen, die mit erfahrenen Seeleuten, in der Mehrzahl Niederländern, besetzt sind, zu einem großen Teil aus fremden, unerfahrenen und mit falschen Versprechungen angelockten, zufällig zusammengewürfelten Männern, die häufig noch nicht einmal mit dem Vokabular der Seefahrt vertraut sind und gegen ihren Willen an Bord gebracht worden waren. Das Schiff und seine Besatzung
Die Nijenburg erhielt ihren Namen nach einem Landgut zwischen Alkmaar und Heiloo in der Provinz Nordholland. Der Ostindienfahrer wurde 1757 im Auftrag der Kammer Hoorn auf der VOC-Werft in Hoorn auf Kiel gelegt. Mit einer Länge von 140 Fuß und einer Kapazität von etwa 880 Tonnen gehörte der Dreimaster zu den mittelgroßen Retourschiffen, konzipiert für eine Besatzung von etwas mehr als 230 Mann. Die erste Reise der Nijenburg von Texel nach Batavia dauerte vom 10. April 1759 bis zum 12. Oktober desselben Jahres. Es folgten Einsätze im Umfeld von Java. Für ihre Rückfahrt im Jahr 1762 von Batavia in die Heimat benötigte sie dann fast einen Monat länger. Die nachfolgend beschriebenen Geschehnisse ereigneten sich auf ihrer zweiten Fahrt. Zu ihrem Transportgut gehörten dabei unter anderem Kisten mit Goldbarren und Dukaten im Gesamtwert von über 100.000 Gulden. Für den aus dem seinerzeit dänisch kontrollierten Husum stammenden und von Gicht geplagten Schipper Jacob Ketel, ist es der dritte Oberbefehl über ein Schiff in die Kolonien. Ihm zur Seite stehen unter anderem Obersteuermann Epke Elders, Untersteuermann Reinier Peterson, als dritter Offizier und Steuermann Teunis Jacobsz de Kok, ein Profos, der für die Vollstreckung der Strafen an Bord zuständig war, die Matrosen Johann Philipp Meyer, Pieter Pietersz Smit und Jacob van der Vliet, die sich später auf die Seite der VOC-Getreuen schlagen werden. Zu den sogenannten Müßiggängern gehören der Schmied, Oberzimmermann Dirk Faber, Zimmermann Willem Berkman, ein Chirurg mit zwei Assistenten, der Pastor und Krankentröster sowie dessen Gehilfe Dirk Kleinhout. Zur Wahrung der Compagnie-Interessen ist Unterkaufmann Anthony de Wigman an Bord, der vorher in Batavia stationiert war und in Begleitung seiner Frau reist. Die Besatzung besteht aus insgesamt 236 Menschen – einem der Berichte zufolge, ist sie später noch auf 364 erweitert worden: Die Nijenburg sei „vollgepackt“ gewesen „wie eine Sardinenbüchse“. Darunter stellen die Deutschen mit weit über einhundert Männern das größte Kontingent. Daneben finden sich Franzosen, Skandinavier unterschiedlicher Herkunft, Letten, Engländer, Schweizer, Italiener, Portugiesen und Malteser, die allesamt nur minimale oder gar keine Erfahrungen als Seeleute haben. Den Aufzeichnungen zufolge, wurden an Bord mehr als ein Dutzend verschiedene Sprachen gesprochen, was der Durchführung notwendiger Manöver nicht gerade zuträglich gewesen sein dürfte. Die „Schwefelbande“
Am 8. Mai 1763 sticht die Nijenburg als Teil der Osterflotte von Texel aus mit Ziel Batavia in See. Die ersten drei Wochen der Fahrt verlaufen relativ reibungslos. Bis zum 29. Mai sind im Logbuch fünf Sterbefälle registriert: Obersegelmacher Jan Witpaard, Matrose Jacob de Jong, die beiden Deutschen Jan Robinson (Soldat) und Jan Ulke (Matrose) und zuletzt der zweite Zimmermann Klaas Fabrys. Gut zwei Wochen später passiert das Schiff die Kanarischen Inseln und am Abend des 14. Juni entdeckt der Böttcher, dass Wasserfässer heimlich angezapft und womöglich auch Weinflaschen aus dem Privatbestand der Offiziere gestohlen wurden. Da der Schipper mit Fieber und Gelenkschmerzen krank in seiner Koje liegt, entscheiden der Obersteuermann und der Bootsmann, den Vorfall erst am nächsten Morgen weiter zu untersuchen. Diese Situation nutzen die Meuterer aus, die bereits seit Beginn der Fahrt in kleinem Kreis beratschlagten, wie sie ihrer Notlage möglichst bald entfliehen könnten. Es war die Chance für die durch falsche Versprechungen angelockten oder in betrunkenem Zustand zwangsrekrutierten...


Wahl, Susanne
Susanne Wahl, 1955 in Erlangen geboren, studierte Völkerkunde und Anthropologie in Frankfurt. Seit 2001 hat die erfolgreiche Autorin unter Pseudonymen und eigenem Namen 16 Romane und ein Dutzend Kurzgeschichten veröffentlicht, unter anderem bei namhaften Verlagen wie Rowohlt, Droemer Knaur, Heyne und Blanvalet.
Seit 1981 ist Susanne Wahl mit Joachim Wahl verheiratet. Gemeinsam hat das Autorenduo zwei Kinder.

© Foto: Privat

Wahl, Joachim
Prof. Dr. Joachim Wahl (Jahrgang 1954) studierte Biologie, Vor- und Frühgeschichte sowie Paläontologie. Er nahm an zahlreichen Ausgrabungsprojekten im In- und Ausland teil, ist als Anthropologe beim Landesamt für Denkmalpflege in Baden-Württemberg tätig und seit vielen Jahren in die Lehre im Arbeitsbereich Paläoanthropologie der Universität Tübingen eingebunden. Daneben bestehen intensive Kontakte zur Gerichtsmedizin, zum Deutschen Archäologischen Institut und zu musealen Einrichtungen.
In seiner Publikationsliste finden sich sowohl Fachartikel als auch populärwissenschaftliche Arbeiten über Skelettreste vom Homo steinheimensis zum Neandertaler über das Mesolithikum, die Römerzeit und das Frühmittelalter bis hin zu historischen Persönlichkeiten oder Hinrichtungsopfern aus dem 18. Jahrhundert. Sein Buch „15000 Jahre Mord und Totschlag – Anthropologen auf der Spur spektakulärer Verbrechen“ ist bereits in der 2. Auflage erschienen. Mit der Auswertung des jungsteinzeitlichen Massengrabs von Talheim setzte er Maßstäbe zur Analyse von Spuren tätlicher Auseinandersetzungen.

© Foto: Privat



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