Wedekind / von Hoff | Frühlings Erwachen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 118 Seiten

Reihe: Frank Wedekind - Werke in Einzelbänden.

Wedekind / von Hoff Frühlings Erwachen

Eine Kindertragödie
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-8353-4442-6
Verlag: Wallstein
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Kindertragödie

E-Book, Deutsch, 118 Seiten

Reihe: Frank Wedekind - Werke in Einzelbänden.

ISBN: 978-3-8353-4442-6
Verlag: Wallstein
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das große Skandalstück über erwachende Sexualität, ungewollte Schwangerschaft,

Onanie und eine in Tabus erstarrte Erwachsenenwelt.

Mit seiner Kindertragödie 'Frühlings Erwachen' wird Frank Wedekind zum Weltautor. Sein 1891 zuerst publiziertes Drama, von Max Reinhardt 1906 in den Berliner Kammerspielen uraufgeführt, forderte den Geschmack und die gesellschaftliche Ordnung seiner Zeit heraus. Witzig und lebhaft im Stil, grotesk und surreal in der Szenengestaltung, präsentiert Wedekind eine moderne Idee von Libido, die drei junge Menschen in ihrer zerbrechlichen und zugleich gewaltbereiten Sexualität zeigt, einer Sexualität freilich, die durch Schule, Familie und bürgerliche Moral eingezwängt und verbogen wird.

Grundlage des Bandes ist die Erstausgabe, in der die erotischen Szenen enthalten sind, die zensurbedingt in der zweiten Fassung von 1906 weggefallen sind. Das Werk lädt dazu ein, mit Humor gelesen zu werden. Wedekind selbst wünschte sich diese Gelassenheit und Aufgeschlossenheit gegenüber dem Komischen, die einer moralisierenden und psychologisierenden Rezeptionsweise entgegenstehen.

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ERSTER ACT
Erste Scene Wohnzimmer.   WENDLA Warum hast du mir das Kleid so lang gemacht, Mutter? FRAU BERGMANN Du wirst vierzehn Jahr heute! WENDLA Hätt’ ich gewußt, daß du mir das Kleid so lang machen werdest, ich wäre lieber nicht vierzehn geworden. FRAU BERGMANN Das Kleid ist nicht zu lang, Wendla. Was willst du denn! Kann ich dafür, daß mein Kind mit jedem Frühjahr wieder zwei Zoll größer ist. Du darfst doch als ausgewachsenes Mädchen nicht in Prinzeßkleidchen einhergehen. WENDLA Jedenfalls steht mir mein Prinzeßkleidchen besser als diese Nachtschlumpe. – Laß’ mich’s noch einmal tragen, Mutter! Nur noch den Sommer lang. Ob ich nun vierzehn zähle oder fünfzehn, dies Bußgewand wird mir immer noch recht sein. – Heben wir’s auf bis zu meinem nächsten Geburtstag; jetzt würd’ ich doch nur die Litze heruntertreten. FRAU BERGMANN Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich würde dich ja gerne so behalten, Kind, wie du gerade bist. Andere Mädchen sind stakig und plump in deinem Alter. Du bist das Gegentheil. – Wer weiß wie du sein wirst, wenn sich die Andern entwickelt haben. WENDLA Wer weiß – vielleicht werde ich nicht mehr sein. FRAU BERGMANN Kind, Kind, wie kommst du auf die Gedanken! WENDLA Nicht, liebe Mutter; nicht traurig sein! FRAU BERGMANN (sie küssend) Mein einziges Herzblatt! WENDLA Sie kommen mir so des Abends, wenn ich nicht einschlafe. Mir ist gar nicht traurig, und ich weiß, daß ich dann um so besser schlafe. – Ist es sündhaft, Mutter, über derlei zu sinnen? FRAU BERGMANN – Geh’ denn und häng’ das Bußgewand in den Schrank! Zieh’ in Gottes Namen dein Prinzeßkleidchen wieder an! – Ich werde dir gelegentlich eine Handbreit Volants unten ansetzen. WENDLA (das Kleid in den Schrank hängend) Nein, da möcht’ ich schon lieber gleich vollends zwanzig sein …! FRAU BERGMANN Wenn du nur nicht zu kalt hast! – Das Kleidchen war dir ja seinerzeit reichlich lang; aber … WENDLA Jetzt, wo der Sommer kommt? – O Mutter, in den Kniekehlen bekommt man auch als Kind keine Diphteritis! Wer wird so kleinmüthig sein. In meinen Jahren friert man noch nicht – am wenigsten an die Beine. Wär’s etwa besser, wenn ich zu heiß hätte, Mutter? – Dank’ es dem lieben Gott, wenn sich dein Herzblatt nicht eines Morgens die Ärmel wegstutzt und dir so zwischen Licht Abends ohne Schuhe und Strümpfe entgegentritt! – Wenn ich mein Bußgewand trage, kleide ich mich darunter wie eine Elfenkönigin … Nicht schelten, Mütterchen! Es sieht’s dann ja niemand mehr.     Zweite Scene Sonntag Abend.   MELCHIOR Das ist mir zu langweilig. Ich mache nicht mehr mit. OTTO Dann können wir Andern nur auch aufhören! – Hast du die Arbeiten, Melchior? MELCHIOR Spielt ihr nur weiter! MORITZ Wohin gehst du? MELCHIOR Spazieren. GEORG Es wird ja dunkel! ROBERT Hast du die Arbeiten schon? MELCHIOR Warum soll ich denn nicht im Dunkeln spazieren gehn! ERNST Centralamerika! – Ludwig der Fünfzehnte! – Sechzig Verse Homer! – Sieben Gleichungen! MELCHIOR Verdammte Arbeiten! GEORG Wenn nur wenigstens der lateinische Aufsatz nicht auf morgen wäre! MORITZ An nichts kann man denken, ohne daß Einem Arbeiten dazwischen kommen! OTTO lch gehe nach Hause. GEORG Ich auch, Arbeiten machen. ERNST Ich auch, ich auch. ROBERT Gute Nacht, Melchior. MELCHIOR Schlaft wohl! (Alle entfernen sich bis auf Moritz und Melchior.) MELCHIOR Möchte doch wissen, wozu wir eigentlich auf der Welt sind! MORITZ Lieber wollt’ ich ein Droschkengaul sein um der Schule willen! – Wozu gehen wir in die Schule? – Wir gehen in die Schule, damit man uns examiniren kann! – Und wozu examinirt man uns? – Damit wir durchfallen. – Sieben müssen ja durchfallen, schon weil das Klassenzimmer oben nur sechzig faßt. – Mir ist so eigenthümlich seit Weihnachten … hol’ mich der Teufel, wäre Papa nicht, heut’ noch schnürt’ ich mein Bündel und ginge nach Altona! MELCHIOR Reden wir von etwas anderem. – (Sie gehen spazieren.) MORITZ Siehst du die schwarze Katze dort mit dem emporgereckten Schweif? MELCHIOR Glaubst du an Vorbedeutungen? MORITZ Ich weiß nicht recht. – – Sie kam von drüben her. Es hat nichts zu sagen. MELCHIOR Ich glaube, das ist eine Charybdis, in die Jeder stürzt, der sich aus der Scylla religiösen Irrwahns emporgerungen. – – Laß uns hier unter der Buche Platz nehmen. Der Thauwind fegt über die Berge. Jetzt möchte ich droben im Wald eine junge Dryade sein, die sich die ganze lange Nacht in den höchsten Wipfeln wiegen und schaukeln läßt … MORITZ Knöpf’ dir die Weste auf, Melchior! MELCHIOR Ha – wie das Einem die Kleider bläht! MORITZ Es wird weiß Gott so stockfinster, daß man die Hand nicht vor den Augen sieht. Wo bist du eigentlich? – – Glaubst du nicht auch, Melchior, daß das Schamgefühl im Menschen nur ein Product seiner Erziehung ist? MELCHIOR Darüber habe ich erst vorgestern noch nachgedacht. Es scheint mir immerhin tief eingewurzelt in der menschlichen Natur. Denke dir, du solltest dich vollständig entkleiden vor deinem besten Freund. Du wirst es nicht thun, wenn er es nicht zugleich auch thut. – Es ist eben auch mehr oder weniger Modesache. MORITZ Ich habe mir schon gedacht, wenn ich Kinder habe, Knaben und Mädchen, so lasse ich sie von früh auf im nämlichen Gemach, wenn möglich auf ein und demselben Lager, zusammenschlafen, lasse sie Morgens und Abends beim An- und Auskleiden einander behülflich sein und in der heißen Jahreszeit, die Knaben sowohl wie die Mädchen, tagsüber nichts als eine kurze, mit einem Lederriemen gegürtete Tunica aus weißem Wollstoff tragen. – Mir ist, sie müßten, wenn sie so heranwachsen, später ruhiger sein, als wir es in der Regel sind. MELCHIOR Das glaube ich entschieden, Moritz! – Die Frage ist nur, wenn die Mädchen Kinder bekommen, was dann? MORITZ Wieso Kinder bekommen? MELCHIOR Ich glaube in dieser Hinicht nämlich an einen gewissen Instinkt. Ich glaube, wenn man einen Kater zum Beispiel mit einer Katze von Jugend auf zusammensperrt und Beide von jedem Verkehr mit der Außenwelt fernhält, d.h. sie ganz nur ihren eigenen Trieben überläßt – daß die Katze früher oder später doch einmal trächtig wird, obgleich sie sowohl wie der Kater niemand hatten, dessen Beispiel ihnen hätte die Augen öffnen können. MORITZ Bei Thieren muß sich das ja schließlich von selbst ergeben. MELCHIOR Bei Menschen glaube ich erst recht! Ich bitte dich, Moritz, wenn deine Knaben mit den Mädchen auf ein und demselben Lager schlafen und es kommen ihnen nun unversehens die ersten männlichen Regungen – ich möchte mit jedermann eine Wette eingehen … MORITZ Darin magst du ja Recht haben. – Aber immerhin … MELCHIOR Und bei deinen Mädchen wäre es im entsprechenden Alter vollkommen das nämliche! Nicht daß das Mädchen gerade … man kann das ja freilich so genau nicht beurtheilen … jedenfalls wäre vorauszusetzen …… und die Neugierde würde das Ihrige zu thun auch nicht verabsäumen! MORITZ Eine Frage beiläufig – MELCHIOR Nun? MORITZ Aber du antwortest? MELCHIOR Natürlich! MORITZ Wahr! MELCHIOR Meine Hand darauf. – – Nun Moritz? MORITZ Hast du den Aufsatz schon?? MELCHIOR So sprich doch frisch von der Leber weg! – Hier hört und sieht uns ja niemand. MORITZ...


von Hoff, Dagmar
Dagmar von Hoff ist Professorin für Germanistische Medienwissenschaft und Ästhetik der textorientierten Medien am Deutschen Institut der Universität Mainz.

Wedekind, Frank
Frank Wedekind (1864–1918) gehörte mit seinen gesellschaftskritischen Theaterstücken zu den meistgespielten Dramatikern seiner Epoche. Er prangerte mit Stücken wie »Lulu« und »Frühlings Erwachen« hinlänglich schulische Dressur, bürgerliche Scheinheiligkeit und Prüderie an.



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