Buch, Deutsch, 176 Seiten, gebunden, Format (B × H): 151 mm x 155 mm, Gewicht: 289 g
Für Beruf und Alltag
Buch, Deutsch, 176 Seiten, gebunden, Format (B × H): 151 mm x 155 mm, Gewicht: 289 g
ISBN: 978-3-608-94709-0
Verlag: Klett-Cotta Verlag
Einfach den Anleitungen auf den CDs zu folgen, erleichtert es innezuhalten, Ruhe und Zugang zur Innenwelt sowie zu regelmäßigem Üben zu finden. Der Begleittext unterstützt dabei, indem er über das Wesen der Achtsamkeit und über ein breites Spektrum von Anwendungs- und Variationsmöglichkeiten der einzelnen Übungen informiert.
- Effiziente Übungen gegen Stress und Burnout und für mehr Lebensqualität
- Sofortige Umsetzung durch die CDs
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
Einführung.7
Grundlagen
Was ist Achtsamkeit ?. 17
Die vier Bausteine der Achtsamkeit. 22
Worauf richtet sich die Aufmerksamkeit ?. 34
Wozu Achtsamkeit: Die Auswirkungen der Praxis. 52
Das Teilemodell: Achtsamkeit zur Erforschung der Selbstorganisation. 63
Achtsamkeit in Beziehungen.68
Praxis
Grundsätzliches zur Praxis. 81
Formale Praxis.83
Informelle Praxis. 88
Innehalten und Selbsterinnern im Alltag.89
Grundsätzliches zu den einzelnen Übungen. 93
Die Übungen
Achtsames Sitzen: Atembeobachtung. 101
Achtsames Liegen: Der Bodyscan. 107
Achtsames Stehen.112
Achtsames Gehen.114
Achtsam Innen und Außen wahrnehmen. 118
Zooming. 122
Achtsame Selbstberührung: Die Hand auf der Brust.125
Achtsames Experimentieren mit dem Atem. 128
Achtsames Spüren von Spannung und Entspannung. 130
Achtsamer Umgang mit Unangenehmem: Die Eiswürfelübung. 134
Achtsame Einladung und Erforschung eines Persönlichkeitsanteils. 138
Achtsamer innerer Dialog. 141
Achtsamkeit in der Begegnung zu zweit: Eine Berührung. 145
Weitere Übungen. 148
Zusammenfassende Hinweise zur Übung im Alltag.153
Anhang
Schlüsselbegriffe der Achtsamkeit. 157
Weiterführende Literatur. 167
Weblinks. 168
Anmerkungen. 169
Übungen auf den CDs.172
EINFÜHRUNG
Achtsamkeit hat eine ehrwürdige und jahrtausendealte Tradition. Zugleich ist
sie sowohl in der wissenschaftlichen Forschung als auch in vielfältigen
Anwendungen hoch aktuell. Sie bildet einerseits den Kern des Befreiungsweges der
buddhistischen Psychologie und steht andererseits im Zentrum moderner
achtsamkeitsbasierter Verfahren, die sich in den letzten Jahren bei der
Stressbewältigung, in Medizin, Psychotherapie und im Coaching mit
bemerkenswerten Erfolgen bewährt haben. Die buddhistische Psychologie erklärt
zunächst die allgemeinen Ursachen von menschlichem Leid und zeigt darauf
aufbauend einen praktischen Übungsweg, um dieses Leid zu vermindern. Medizin und
Psychologie setzen dagegen beim einzelnen Menschen an, sie interessieren
sich für seine persönliche Innenwelt und seine Geschichte und sie ?nden
individuelle Lösungen. Das vorliegende Buch verbindet das alte Erfahrungswissen
von den grundsätzlichen Ursachen menschlichen Leidens mit modernen Erkenntnissen
über individuelles Reifen und Heilen.
Heute ist es selbstverständlich geworden, Menschen als eine Einheit von
Körper und Seele zu verstehen. Wir Autoren teilen diese Ansicht. Menschen sind
zudem eingebunden in Beziehungen zu anderen Menschen und in das größere Ganze
ihrer kulturellen und biologischen Umwelt. Sie werden – und das spielt in diesem
Buch eine große Rolle – geprägt von den Erfahrungen, die sie von klein auf
machen. Dabei entwickeln sie ein Repertoire automatisch funktionierender
Automatismen, um mit sich und der Welt angemessen umgehen zu können. Achtsamkeit
ist eine besondere menschliche Fähigkeit, die auch hilft, solche Automatismen zu
bemerken und sich insbesondere jenen zuzuwenden, die einschränkend wirken.
Achtsamkeit erzeugt Klarheit über Sichtweisen, die man sich von der Welt
und von sich selbst angeeignet hat. Sie macht auch deutlich, dass diese vielfach
gar nicht bewussten Sichtweisen eben nur subjektive Sichtweisen sind, die oft
eine unmittelbare und genauere Wahrnehmung verhindern oder sie zumindest
verzerren. Achtsamkeit vertieft zudem die sinnliche Erfahrung des Hier und
Jetzt, des Körpers, der Innenwelt und der Fülle des Lebens. Wenn wir sie üben,
verfeinert sich die Wahrnehmung. Sie stärkt außerdem die Fähigkeit zur
Konzentration, fördert innere Ruhe und Gelassenheit und
macht einen liebevolleren Blick auf sich selbst und Andere möglich.
Achtsamkeit in Worten zu beschreiben ist wie jemandem erklären zu wollen, wie
z.B. eine Mango schmeckt. Eine Mango zu genießen ist eine komplexe und
einzigartige Erfahrung, die sich nur ansatzweise mit etwas anderem vergleichen
lässt. Man muss sie selbst sehen, riechen und schmecken. Im Textteil dieses
Buches können wir in diesem Sinne nur eine grobe Vorstellung zur Praxis und der
Bedeutung der Achtsamkeit ermöglichen. Mit den beiden CDs wollen wir daher
insbesondere ihren tatsächlichen Geschmack in praktischen Übungen vermitteln.
Diese Übungen bauen aufeinander auf und laden dazu ein, sich immer komplexeren
Erfahrungen zuzuwenden. Wir werden dabei zum Erforscher unserer selbst: wie wir
uns automatisch von Moment zu Moment selbst 'organisieren', wie unser Körper,
unsere Gefühle und unsere Gedanken ausgelöst werden, von allein ablaufen und
innere Wirkungen entfalten und schließlich, wie wir mit unseren inneren Abläufen
und Reaktionen in die Welt um uns herum eingebettet sind.
Die erste CD beginnt mit der Anleitung zur Beobachtung des Atmens. Sie
führt ins Hier und Jetzt und vertieft den Kontakt mit dem Körper. Auch im Alltag
immer wieder innezuhalten und sich auf den Atem zu konzentrieren führt zu mehr
Ruhe und Gelassenheit. Die zweite Übung ist eine Forschungsreise durch den
Körper zur Vertiefung der Achtsamkeit und zur Verfeinerung der Wahrnehmung. Im
Textteil finden sich Anregungen zur Umsetzung der geübten Fähigkeiten im Alltag.
Sie laden dazu ein, die in den Übungen des 'achtsamen Stehens' und des
'achtsamen Gehens' erlebten Qualitäten auch im Alltag wach zu rufen. Weiter geht
es mit Anleitungen zum Experimentieren mit der Aufmerksamkeitslenkung. Der
'Scheinwerfer der Aufmerksamkeit' wird bewusst gebündelt, um ihn auf ein
umschriebenes Objekt zu richten. Dann wird er wieder weit gestellt, um für alles
offen zu sein, was im Feld des Gewahrseins auftaucht. Schließlich werden Innen-
und Außenwelt gleichzeitig auf dem 'inneren Bildschirm' festgehalten. Diese
Übungen entstammen ihrem Wesen nach der buddhistischen Tradition. Die heute
verbreiteten Achtsamkeitstrainings zur Stressreduktion oder zur
Rückfallprophylaxe von Depression schlagen ähnliche Übungen vor. Sie sind die
Basis jeder Achtsamkeitsschulung.
Die Übungen der zweiten CD haben ihren Ursprung in der seit den 1960er
Jahren kontinuierlich entwickelten Anwendung von Achtsamkeit in der
HAKOMI-Methode und der Arbeit mit der 'inneren Familie' nach Richard Schwartz.
Es sind Anleitungen zu kleinen Experimenten in Achtsamkeit. Sie dienen der
Selbstregulation und der Erforschung der Selbstorganisation. Es wird beobachtet,
wie sich Veränderungen des Atemrhythmus oder eine Berührung der Brust mit der
eigenen Hand auswirken. Es werden die Automatismen im Umgang mit unangenehmen
Reizen untersucht und wie deren Unterbrechung neue Erfahrungen ermöglicht. Zwei
Übungen erforschen, wie sich die menschliche Psyche aus unterschiedlichen
Persönlichkeitsanteilen zusammensetzt. Eine Übung zu zweit macht Muster
deutlich, die im Kontakt mit anderen Personen aktiviert werden.
Der Textteil dieses Büchleins beginnt mit Definitionen von Achtsamkeit
und beschreibt anschließend ihre vier Bausteine: (1) Die bewusste Lenkung der
Aufmerksamkeit auf die, (2) sich von Augenblick zu Augenblick entfaltende
gegenwärtige Erfahrung. (3) Das teilhabende Beobachten aus einer,
(4) nicht bewertenden, sondern wohlwollend akzeptierenden Haltung.
Der nächste Abschnitt beschäftigt sich mit den Möglichkeiten der
Aufmerksamkeitslenkung und den Objekten der Wahrnehmung. Menschliches Erleben
wird dadurch mitbestimmt, welche Teile der Innen- und Außenwelt im jeweiligen
Moment bewusst wahrgenommen werden. Die Welt sieht anders aus, je nach dem, ob
man an einem Sommertag im Park von dunklen depressiven Gedanken gefangen
gehalten wird oder ob man dafür offen ist, die Blumenwiese zu sehen, das
Vogelgezwitscher zu hören und die Wärme der Sonne auf der Haut zu spüren.
Es folgen Übersichten zu Anwendungsbereichen und Auswirkungen der Achtsamkeit
und dazu, wie man sich ihre Wirkungen erklärt. Das vorgeschlagene Kultivieren
eines 'Inneren Beobachters' schafft einen erleichternden Abstand von Gedanken
und Gefühlen, ohne die Verbindung mit ihnen zu verlieren. Man kann immer wieder
innehalten und bewusst wahrnehmen, was innerlich abläuft. Dies ermöglicht, aus
belastenden Automatismen auszusteigen und vorher nicht bemerkte
Wahlmöglichkeiten zu nutzen. Achtsamkeit macht vorher nicht Bewusstes bewusst.
Auf diese Weise wird es bearbeitbar und fördert eine gute Integration. Dazu
trägt auch die akzeptierende Haltung allen inneren Anteilen gegenüber bei. Ein
freundlicheres Betrachten von Ungeliebtem und die Begegnung mit bisher
Unbeachtetem eröffnen Wege für bereichernde Erfahrungen.
Durch die Verknüpfung von Achtsamkeit mit einem Modell der
Persönlichkeitsanteile entsteht auch die Möglichkeit zu beobachten, welche
inneren 'Zustände' im jeweiligen Augenblick aktiviert sind und zu entscheiden,
ob sie für die Situation passend und gewünscht sind. Ziel ist es, zur
'Selbstführung' aus dem inneren Beobachten heraus eine übergeordnete Instanz zu
entwickeln, die alle Mitglieder des 'inneren Teams' im Auge hat, sie versteht
und für sie sorgen kann. Diese innere Instanz kann für eine Balance zwischen den
unterschiedlichen Anteilen der Persönlichkeit sorgen. In den Übungen werden
einige davon erforscht, speziell auch jene, die im Weg zu stehen scheinen. Ein
achtsamer 'innerer Dialog' wird angeregt.
Für uns Autoren hat die Achtsamkeit in Beziehungen ganz besondere
Bedeutung. Wir Menschen sind soziale Wesen und unser Glück hängt in hohem Maße
davon ab, wie gut wir in Beziehungen zu anderen Menschen eingebettet sind. Die
Anwendung der Achtsamkeit auf den Umgang mit wichtigen und geliebten Menschen
birgt oft die größte Herausforderung. Beides, den Umgang mit uns selbst und den
mit Anderen, sehen wir als untrennbar miteinander verbunden. Zentrales Ziel der
von uns vorgeschlagenen Achtsamkeitspraxis ist daher die Entwicklung von Achtung
und Mitgefühl für Andere, gepaart mit einer wesensnahen Selbstfürsorge.
Der Übungsteil des Buches enthält Anmerkungen zu jeder einzelnen
Übung. Es werden Vorbereitung, Übungsfelder, der Transfer in den Alltag und
Variationsmöglichkeiten beschrieben. Den Einstieg bilden allgemeine Empfehlungen
zum Üben und zum Gebrauch der CDs.Den Abschluss bilden Hinweise auf
weiterführende Literatur, Weblinks und Schlüsselbegriffe der Achtsamkeit.
Das Buch versucht, Theorie und Praxis zu verbinden, wodurch dem Leser (Wir
verwenden im Hinblick auf eine bessere Lesbarkeit des Textes zumeist die
männliche Form. Wir sind allerdings darauf bedacht, so oft wie möglich
geschlechtsneutrale Worte zu nutzen.) je nach persönlicher Vorliebe zwei Wege
offen stehen: sich die Theorie über die Übungen zu erschließen oder sich
zunächst theoretisch mit dem Konzept der Achtsamkeit vertraut zu machen, um erst
dann mit den Übungen zu beginnen. Wir empfehlen in beiden Fällen vor dem Hören
der Übungen die jeweiligen Anmerkungen zu lesen. Alle Übungen erfordern die
volle Aufmerksamkeit, sie sind daher nicht geeignet, sie nebenbei zu
hören, etwa beim Autofahren.
Grundlagen
WAS IST ACHTSAMKEIT ?
Wurzeln der Achtsamkeit und ihre
aktuelle Bedeutung
Achtsamkeit ist eine Fähigkeit des Bewusstseins, die jeder Mensch entwickeln
kann. Sie zu üben ist Teil vieler spiritueller Wege, etwa im Christentum und im
Sufismus, vor allem aber in der 2 500 Jahre alten Tradition des Buddhismus.
Buddha beschrieb einen Weg zur Befreiung vom Leid, dessen Herzstück die
Achtsamkeit ist. Ihre Ursprünge liegen somit in einem ganz bestimmten
weltanschaulichen, ethischen und spirituellen Gesamtzusammenhang. Die Anwendung
von Achtsamkeit ist aber keineswegs an eine Religion gebunden. Buddha selbst hat
seine Schüler dazu ermuntert, nichts zu glauben, nur weil es Lehrer
behaupten oder es in Büchern steht. Alles möge an der eigenen Erfahrung geprüft
werden.
Schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts hat es in Europa immer wieder
Bewegungen gegeben, die sich für die Lehren aus dem Osten interessierten. Doch
erst seit den 1960er Jahren gewinnt ihr Wissen – und damit auch die Achtsamkeit
– in der westlichen Welt zunehmend an gesellschaftlicher Bedeutung. So konnten
die Beatles mit ihrem Guru Interesse für Meditation wecken, Mönche und Yogis
wurden in Labors untersucht. Die eindrucksvollen Bilder des menschlichen Gehirns
während meditativer Zustände machten auch Skeptikern deutlich, welche
Möglichkeiten in der Nutzung des alten östlichen Erfahrungsschatzes liegen. Am
Beginn der Entwicklung wurde Achtsamkeitstraining als Entspannung verstanden,
später als mentales Training zur Erreichung von Höchstleistungen. In den letzten
Jahren wurden Verfahren zur Behandlung von psychischen und körperlichen
Erkrankungen entwickelt. Dabei wird auch die stressreduzierende und
emotionsregulierende Wirkung von Achtsamkeit genutzt. Ein intensives
Langzeittraining von Achtsamkeit kann Möglichkeiten eröffnen, die über die
Psychologie des 'normalen' Alltagsbewusstseins weit hinausgehen.
Das letzte Jahrzehnt brachte der Psychotherapie und Medizin geradezu einen
'Achtsamkeits-Boom'. Der Großteil der veröffentlichten Studien bezieht sich auf
die Arbeit von Jon Kabat-Zinn. Er entwickelte in den 1970er Jahren in
Massachusetts ein achtsamkeitsbasiertes Stressbewältigungsprogramm. Dieses
Gruppenprogramm, 'Mindfulness-Based Stress Reduction' (MBSR) genannt, ist
inzwischen weltweit verbreitet und hat sich bei unterschiedlichsten Zielgruppen
bewährt. Seit den 1960er Jahren wurden parallel zum Siegeszug der auf
klassischer Achtsamkeitspraxis basierenden Gruppenprogramme auch
achtsamkeitszentrierte Verfahren für tiefenpsychologische Einzeltherapie
und Coaching entwickelt. Dies sind vor allem die Hakomi-Methode, sowie zumindest
in Ansätzen die Arbeit mit der 'inneren Familie' (IFS) und das Focusing
(siehe Hakomi, S. 161; IFS, S. 162; Focusing, S.
161).Definitionen von Achtsamkeit
Auf die Frage, was Achtsamkeit ist, wird man sehr wahrscheinlich recht
unterschiedliche Antworten bekommen. Wenn man buddhistische Mönche fragt, wird
die Antwort davon abhängen, welcher Tradition diese angehören, ob sie Novizen
sind oder jahrzehntelange Erfahrung haben. Sie werden bei ihrer Antwort auch das
Wissen und die Vorerfahrungen der Fragenden mit berücksichtigen.
Der vietnamesische buddhistische Mönch und Friedensaktivist Thich Nhat Hanh,
einer der Lehrer, die Achtsamkeit im Rahmen des 'engagierten Buddhismus' im
Westen populär gemacht haben, beschreibt sie folgendermaßen:
'Achtsamkeit ist die Fähigkeit, in jedem Augenblick unseres täglichen
Lebens wirklich präsent zu sein. (…) Achtsamkeit ist eine Art von Energie, die
jedem Menschen zur Verfügung steht. Wenn wir sie pflegen, wird sie stark, wenn
wir sie nicht üben, verkümmert sie. (…) Achtsamkeit lässt uns erkennen, was im
gegenwärtigen Augenblick in uns und um uns herum wirklich
geschieht'.1In Achtsamkeitstrainings zur Stressbewältigung
wird Achtsamkeit folgendermaßen beschrieben:
'Achtsamkeit ist jenes Gewahrsein, das entsteht, wenn sich die
Aufmerksamkeit mit Absicht und ohne zu bewerten auf die Erfahrungen richtet, die
sich von Moment zu Moment entfalten.'2
Die unterschiedlichen Definitionen beinhalten vier Bausteine, die aus der
Sicht der Autoren essenziell sind:
1. Die Lenkung der Aufmerksamkeit
ist beabsichtigt und damit bewusst. 2. Die Aufmerksamkeit wird auf die
Gegenwart, den jeweiligen Augenblick gelenkt. Dies führt zu einer
besonderen Qualität von Präsenz.
3. Das Licht, in dem die gegenwärtige Erfahrung wahrgenommen wird, ist
wohlwollend, freundlich, akzeptierend und nicht bewertend oder gar
verurteilend.4. Achtsamkeit ist durch das Erwachen eines 'Inneren
Beobachters' charakterisiert.
Achtsamkeit ist ein Wort mit vier unterschiedlichen Bedeutungen: 1. Achtsam
sein bedeutet, sich in einem genau beschriebenen Zustand zu be?nden:
Einem geistig aktiven aber zugleich passiv aufnehmenden Beobachten und
Gewahrsein dessen, was innen und außen im gegenwärtigen Moment vorgeht.
Automatische Reaktionen werden nicht unmittelbar in Handlungen umgesetzt –
Impulse werden zunächst nur beobachtet. Achtsamkeit steht somit im Gegensatz zum
Alltagsbewusstsein, in dem man eher automatisch, wie in einem
'Autopiloten-Modus' funktioniert. Zusätzlich besteht auch Bewusstheit darüber,
worauf die Aufmerksamkeit im jeweiligen Augenblick gerichtet ist.
2. Achtsam
sein bedeutet, der Erfahrung gegenüber eine bestimmte Haltung
einzunehmen: Objekte in der Außenwelt, aber auch innere Vorgänge wie Gedanken,
Gefühle und Körperempfindungen werden so angenommen, wie sie sind. Sie werden
nicht bewertet, es erfolgt keine Einordnung in bestehende Konzepte und auch
keine Verknüpfung mit vergangenen Erfahrungen. Diese Haltung entsteht von allein
durch häufiges und längeres Verweilen in Zuständen von Achtsamkeit.
3.
Achtsamkeit beruht auf bestimmten Techniken. Konzentration und
Fokussierung der Aufmerksamkeit führen zu innerer Ruhe. Aus dieser
'Zugangskonzentration' entsteht die grundlegende Fähigkeit zu immer genauerem
und konstanterem Beobachten. Einzelne Elemente der Wahrnehmung können auch
innerlich benannt werden, ohne sie einer Analyse zu unterziehen.
4.
Oft wird Achtsamkeit mit den Auswirkungen der Praxis gleichgesetzt.
Achtsamkeitspraxis kann zur Entwicklung von Einsicht, von Ruhe und innerem
Frieden und von Gelassenheit und Gleichmut führen. Sie kultiviert Mitgefühl und
Mitfreude, Gegenwärtigkeit und Präsenz. Sie verbessert die
Selbstregulationsfähigkeit und öffnet den Menschen für neue Erfahrungen.
'Einsicht' bedeutet in dieser Tradition die Loslösung von Konzepten mit dem
Ziel, die Welt immer genauer und umfassender so wahrzunehmen, wie sie ist.
DIE VIER BAUSTEINE DER
ACHTSAMKEIT
Baustein 1: Lenkung der Aufmerksamkeit
Eine Grundannahme der buddhistischen Psychologie besteht darin, dass jeder
Mensch in seiner eigenen Welt lebt. Wie er diese Welt konstruiert, hängt von den
Aspekten der Außen- und Innenwelt ab, die er wahrnimmt. Die Auswahl dieser
Aspekte ist das Ergebnis der Lenkung der Aufmerksamkeit. Sie bestimmt, was wir
registrieren und was wir ausblenden. Diese Lenkung erfolgt in der Regel nicht
bewusst. Wir erleben es subjektiv meist eher so, dass etwas unsere
Aufmerksamkeit auf sich zieht, wir dann wieder abgelenkt werden und es uns
schwer fällt, über längere Zeit bei einer Sache zu bleiben. Diese Lenkung ist
zwar nicht bewusst aber sehr wohl ein aktiv gestaltender Prozess. Somit
handelt es sich vielmehr um eine 'Wahrgebung'3 als um eine
Wahrnehmung.
Wenn man die Aufmerksamkeit mit dem Lichtkegel eines Bühnenscheinwerfers
vergleicht, hieße Achtsamkeit, zugleich Beleuchter und Regisseur zu sein. Wo der
Lichtschein hinfällt, folgt dann nicht mehr den automatischen Gesetzen des
Alltagsbewusstseins, so wie man sich unwillkürlich in die Richtung dreht, aus
der man plötzlich ein lautes Geräusch hört. In einem achtsamen Zustand kann man
im Gegensatz dazu ganz bewusst jene Stelle auf der Bühne des Lebens auswählen,
die beleuchtet werden soll. Der BewusstseinsScheinwerfer kann dann entweder
diffus die gesamte Bühne beleuchten, wie ein Spot einen kleinen Ausschnitt
hervorheben oder wie ein Laserstrahl nur einen Punkt fokussieren und zwar so
lange, wie der Regisseur es will.
Achtsamkeit bedeutet, diese Wahlmöglichkeit zu nutzen. Man kann sich die
automatischen Aufmerksamkeitslenkungsprozesse bewusst machen und selbst die
Regie übernehmen. Damit kann man sich dem zuwenden, was im Augenblick wesentlich
ist. Man kann die Aufmerksamkeit sich selbst und seiner Innenwelt schenken,
speziell dann, wenn man sonst dazu neigt, sich selbst zu vergessen. Man kann
seinen Körper spüren, etwa die Atmung. Man kann sich einem Gefühl zuwenden, um
seine Botschaft zu hören. Man kann sich beim Denken zuschauen und bemerken, ob
die Gedanken im Kreis laufen oder sinnvoll weiter führen. Und man kann
beobachten, welche Auswirkungen die augenblickliche Lenkung der Aufmerksamkeit
hat, ob sie sich günstig auswirkt oder vielleicht sogar schadet.
Wenn man praktisch ausprobiert, die Aufmerksamkeit bewusst auf ein Objekt zu
lenken und darauf konzentriert zu bleiben, wird schnell deutlich, wie wenig man
seine Aufmerksamkeit und die eigenen Gedanken im Griff hat. Im Osten wird der
Geist mit einem Affen verglichen, der ruhelos herum hüpft. Achtsamkeitspraxis
hat das Ziel, diesen 'Affengeist' zu zähmen, ihn zur Ruhe zu bringen. So
wird etwa in der Atemachtsamkeit geübt, die Aufmerksamkeit auf das Ein- und
Ausströmen des Atems zu richten und diesen Fokus über längere Zeit
beizubehalten. Ein erstes Ziel ist es, zu bemerken, wenn der Geist ohne unsere
Absicht auf Wanderschaft geht, um ihn wieder sanft zum gewählten Fokus
zurückzubringen: tausendmal abschweifen, um ihn tausendundeinmal wieder zurück
zu bringen. Man kann sich das wie mentales Hanteltraining vorstellen: jedes
Senken der Hantel ein Nachlassen der Sammlung, jedes Anheben eine Stärkung der
Konzentrationsfähigkeit. Auf der Ebene der Neurobiologie bedeutet das, auch die
für die Lenkung der Aufmerksamkeit zuständigen neuronalen Netzwerke im
Stirnlappen und anderen Teilen des Gehirns werden gestärkt. Dieser Zusammenhang
ist bereits recht gut erforscht. Daher die gute Nachricht: Es wird leichter, je
länger ich übe. Die Pausen zwischen den Ablenkungen durch die Gedanken werden
mit zunehmendem Training länger. Der Zustand der reinen Beobachtung des
gewählten Gegenstands dauert ohne Mühe an und wird immer angenehmer.
Achtsamkeitspraxis schult somit zunächst die Aufmerksamkeit, um sie immer
beständiger und leichter lenken zu können. Die Atem-Achtsamkeit ist dafür die
Basisübung. Auch der 'Bodyscan' verfeinert die Konzentration auf einzelne
Körperteile und eine immer ganzheitlicher werdende Körperwahrnehmung.
Eine beständige Achtsamkeitspraxis führt dazu, sich auch im Alltag zunehmend
bewusst darüber zu sein, worauf die Aufmerksamkeit in jedem Augenblick gerichtet
ist. Dies ermöglicht, den Fokus bewusst zu wählen. Achtsamkeit hat somit auch
die Funktion eines Pförtners. Sie bestimmt, auf welche Gegenstände die
Aufmerksamkeit fällt und welche damit in die Innenwelt eingelassen und dort
genährt werden. Sie lenkt, wohin Energie und Informationen fließen. 'Energy
flows where attention goes' – heißt es bei den Kahunas, den hawaiianischen
Schamanen. Bei häufiger Wiederholung dieses Flusses erfolgt auf der
neurobiologischen Ebene eine 'Bahnung': Neuronen, die häufig gemeinsam aktiv
sind, verbinden sich immer fester. Die Geschichte von den 'zwei Wölfen'
illustriert diesen Zusammenhang: Ein alter Indianer sitzt mit seinem Enkel am
Lagerfeuer. Nach langem Schweigen berichtet der Alte aus seinem Leben: 'Weißt
du, im Herz von jedem Menschen kämpfen zwei Wölfe. Einer ist selbstsüchtig,
nachtragend und wütend, der andere ist liebevoll, sanft und mitfühlend.' 'Und
welcher der bei den gewinnt ?' fragt der Enkel besorgt. 'Der, den du mehr
fütterst !' antwortet der Großvater. So können wir uns – wie der Indianerjunge –
die Frage stellen, wen wir füttern, wohin wir unsere Aufmerksamkeit richten und
was wir in uns kultivieren oder eben gerade nicht. Im Zeitalter des Multitasking
oder – wie es manchmal beschrieben wird – eines kollektiven
Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndroms (ADHS) scheint die Fähigkeit,
den Fokus bewusst zu wählen und sich auf eine Sache zu konzentrieren,
unterentwickelt. Sich über längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren ist
allerdings nicht grundsätzlich besser als Multitasking. Achtsamkeit bedeutet
eher Bewusstheit darüber zu haben, was man tut, unterschiedliche Möglichkeiten
zur Auswahl zu haben und diese Wahl bewusst zu treffen, eben der
jeweiligen Situation angemessen. Baustein 2: Gegenwärtigkeit
Achtsamkeit bedeutet, sich dem gegenwärtigen Moment zuzuwenden. Menschen
neigen dazu, darüber nachzudenken, was war oder was sein wird, sie freuen sich
auf etwas, was sein wird, haben Angst oder betrauern Vergangenes. Diese
Beschäftigung mit Vergangenheit und Zukunft führt dazu, dass jener Zeitabschnitt
vernachlässigt wird, in dem sich das Leben ausschließlich abspielt: gerade
jetzt. Dieser Gegenwartsmoment hat keine bestimmte Dauer, er ist gerade so lang,
dass eine Erfahrung auftauchen und ins Bewusstsein treten kann. Und doch spielt
sich das Leben an genau diesem Punkt ab. Nur hier haben wir die Möglichkeit
eines Einwirkens. Es ist der einzige Moment, in dem wir unser Potential
entfalten können.
Achtsamkeit bedeutet in diesem Sinne Wertschätzung für jeden einzelnen
Augenblick des Lebens. Diese Wertschätzung ist die Voraussetzung dafür, ihn
wahrzunehmen und die Fülle des Lebens in sich aufzunehmen. In der Regel wird die
Wahrnehmung eines Gegenstandes oder eines Moments ganz automatisch mit Gedanken
und Bewertungen verknüpft, die sich zu Ketten verbinden und uns auf einem
ungesteuerten Kurs halten. So kann etwa die Wahrnehmung einer einzig artigen
Rose zum grundsätzlichen Nachdenken über Rosen führen oder über das Rot, die
Dornen, die Vergänglichkeit, den hohen Preis im Blumengeschäft, zu Erinnerungen
und weiteren Assoziationen. Damit ist der Kontakt zur Rose verloren.
Achtsamkeitspraxis schult die Fähigkeit, bei der unmittelbaren sinnlichen
Wahrnehmung zu verweilen und zwar diesseits aller Konzepte. Sie ermöglicht ein
genaueres und intensiveres Erleben.
'Nimm wahr, als hättest du keine
Vergangenheit und keine Zukunft', könnte die Anleitung zu einer Haltung lauten,
die man als 'Anfänger-Geist'4 bezeichnet. Man begegnet dabei
Dingen oder Menschen so wie ein Kind. Man betrachtet sie, als ob man sie noch
nicht kennen würde und sie noch nie gesehen hätte. Konzepte, innere Kommentare
und Bewertungen tauchen dann gar nicht auf. Das führt zu einem offenen,
neugierigen und interessierten Erfahren des Augenblicks.
Wenn sich mit der Zeit die Qualität der Beobachtung verfeinert und man über
längere Zeit bei einem Objekt verweilen und genauer schauen, hören und spüren
lernt, tritt auch die Vergänglichkeit aller Dinge deutlicher ins
Bewusstsein. Dieser ständige Wandel ist manchmal neutral, manchmal mit
Abschied verbunden und schmerzlich. Wandel macht aber auch in jedem Augenblick
einen Neubeginn möglich. 'Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne', lautet eine
Zeile in einem Gedicht von Hermann Hesse. Seine Vergänglichkeit macht oft erst
den Wert des Augenblicks bewusst.Baustein 3: Wohlwollende Akzeptanz
Zwei menschliche Automatismen schaffen Leiden: etwas zu wollen, was
nicht ist und etwas nicht zu wollen, was ist. Die buddhistische
Psychologie nennt diese beiden Tendenzen Ablehnung bzw. Hass und Anhaften bzw.
Gier. Sie schlägt etwas Drittes vor: einen Weg zu kultivieren, auf dem wir
lernen, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind. Dies gilt für den jeweiligen
Augenblick und bedeutet keinesfalls, Unheilsames unnötig lange auszuhalten und
dass man sich nicht um Veränderung bemühen soll. Akzeptanz führt allerdings
dazu, einen aussichtslosen und zum Scheitern verurteilten Kampf gegen
Unveränderbares zu beenden oder ihn erst gar nicht zu führen. Es ist wie bei
jenen Menschen, die dem Tod ins Auge schauen müssen und sich mit ihm
angefreundet haben. Da können eine tiefe Stille, Freude am Leben und große Liebe
allen Dingen gegenüber eintreten. Es ist allerdings oft gar nicht so einfach, zu
unterscheiden, was veränderbar ist und was nicht oder in welchem Zeitraum. Nicht
selten ist es sogar so, dass sich eine unangenehme Situation nicht verändert
oder sogar verstärkt, solange man dagegen ankämpft. Erst wenn es gelingt, sie
freundlich zu akzeptieren, verändert sie sich manchmal wie von selbst oder löst
sich auf. Psycho logen sprechen vom 'Paradoxon der
Veränderung'5. Eine Ebene der Erklärung dafür könnte sein, dass
es einer gewissen Akzeptanz bedarf, um überhaupt einmal genau hinzuschauen,
speziell wenn ein problematischer Zustand massiv abgelehnt und eine
Auseinandersetzung damit vermieden wird. Ein genaues Hinschauen ist dann
Voraussetzung dafür, auf kenntnisreichere und intelligentere Weise auf das
Problem einzugehen.
Die buddhistische Psychologie beschreibt noch eine weitere Eigenheit des
Menschen, die völlig automatisch abläuft: nämlich alles Wahrgenommene durch
Gedanken zu begleiten. Mit diesen Gedanken sind meistens Bewertungen verbunden,
z.B. die Abwertung von sich selbst oder von Anderen mit Sätzen wie 'Wie sehe ich
heute nur wieder aus ?' oder 'Was redet der für einen Unsinn?' Achtsamkeit führt
dazu, eine neue, meist ungewohnte Haltung den eigenen Wahrnehmungen und
Erfahrungen gegenüber einzunehmen: Sie wie Gäste in sein Haus einzuladen, sie
willkommen zu heißen, sie kommen und wieder gehen zu lassen und zwar ohne
Bevorzugung oder Ablehnung. Dazu muss die natürliche Tendenz aufgegeben werden,
Unangenehmes zu vermeiden und Angenehmes zu suchen. Durch das Üben der
Achtsamkeit soll auch Platz für schmerzhafte Erfahrungen gemacht werden, genauso
wie für Altern, Krankheit und Tod. Aus der Sicht der buddhistischen Psychologie
ist es unvermeidlich, alles zu verlieren, was man liebt. Es wird nur dann Ruhe
einkehren, wenn wir nicht mehr gegen das ankämpfen, was unvermeidlich ist. Ein
solcher Kampf führt nur zu weiterem unnötigen Leiden.
Es ist nicht leicht, aus den Mustern von Bewertung und Vermeidung
herauszutreten. Der erste Schritt in diese Richtung ist, zu beobachten, welche
Bewertungsprozesse automatisch ablaufen und welche Impulse ein näheres
Hinschauen verhindern. Allein schon dieses Beobachten führt zu einer größeren
Distanz gegenüber den Bewertungen und erleichtert, sich wieder der unmittelbaren
Erfahrung zuzuwenden. Nach dieser Auffassung verlässt man gleichsam das Kino, in
dem der innere Film mit den Bildern läuft, die man sich von einer Sache gemacht
hat. Man ist wieder frei, sie unmittelbar wahrzunehmen, wie sie wirklich
ist.Der Zustand des inneren Beobachtens schafft einen befreienden Abstand
und ein genaueres Hinschauen wird leichter. Durch das genaue Hinschauen
Lieben Interesse
Akzeptieren Wahrnehmen
Verstehen
gewinnt man Verständnis, was wiederum hilft, eine akzeptierende Haltung zu
finden. Und je besser ich etwas kenne und annehme, umso mehr kann ich es lieben.
Dadurch kommt ein sich selbst verstärkender Kreisprozess in Gang. Dieser führt
über wohlwollendes Interesse, genauere Wahrnehmung und Verstehen zum Akzeptieren
und zu einer tieferen Liebe zu den Dingen aber auch zu anderen Menschen und zu
sich selbst.
Es gibt in den Traditionen der Achtsamkeit unterschiedliche Auffassungen
darüber, ob Akzeptanz ein Bestandteil der Definition von Achtsamkeit sein soll
oder ob sie eine natürliche Folge der Achtsamkeitspraxis darstellt. Wahrnehmen
ohne zu bewerten ist dagegen Teil nahezu aller Definitionen. Ob die
gefühlsmäßige Tönung dieser Wahrnehmung nur neutral oder wohlwollend und
liebevoll ist, darin unterscheiden sie sich wiederum. Unbestritten ist
allerdings, dass kontinuierliche Achtsamkeitspraxis zu mehr Mitgefühl und
'Liebevoller Güte' führt und dies ein wesentliches Ziel allen Übens
ist.Baustein 4: Der 'Innere Beobachter' führt zu Disidentifikation
Wir beschreiben Achtsamkeit hier auch als das Erwachen des 'Inneren
Beobachters'. Die Achtsamkeitspraxis zielt aus dieser Perspektive darauf ab,
einen inneren Beobachter zu kultivieren, der sich sogar seiner selbst bewusst
ist.
Es ist ein teilhabendes Beobachten, charakterisiert durch einen engen
Kontakt zur Erfahrung, während gleichzeitig Distanz zu ihr besteht. Man kann
sich das wie einen Schritt in eine größere Entfernung vorstellen oder wie einen
Fluss, den der Beobachter vorbeifließen sieht. Entscheidend ist der
Perspektivenwechsel: nicht mehr von den Fluten mitgerissen zu werden,
sondern aus der Stille heraus das Vorbeifließen zu beobachten, vielleicht die
Zehen oder einen Finger einzutauchen, um die Temperatur und die Strömung zu
spüren.
In der buddhistischen Lehre wird immer wieder von 'reinem Gewahrsein'
gesprochen, was bedeuten soll, sich dieses Beobachtens bewusst zu sein, selbst
wenn nichts mehr beobachtet wird. Dies sind besondere Zustände, die nach langem
Training auftreten. Sie sind mit Worten nicht adäquat zu beschreiben, vermitteln
dem Übenden aber eine subjektive Erfahrung dessen, was er 'wirklich' ist.