Williams / Aechtner / Gungl | In 18 Morden um die Welt | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Williams / Aechtner / Gungl In 18 Morden um die Welt

Kriminelle Kurzgeschichten von fünf Kontinenten
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-945782-72-9
Verlag: TZ-Verlag & Print GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Kriminelle Kurzgeschichten von fünf Kontinenten

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

ISBN: 978-3-945782-72-9
Verlag: TZ-Verlag & Print GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Zwanzig Autorinnen erzählen als Hommage an Jules Vernes von Tatorten aus der ganzen Welt.

Da geht es um den Ravenmaster, der sich um die Raben im Londoner Tower kümmert. Um Sarah, die mit einem Katamaran in der indonesischen Inselwelt kreuzt. Oder um zwei schwarz-weiße Paare in Ghana. Dann um einen Schönheitschirurgen und seinen Patienten in Neu-Dehli. Um die Silvesterreise eines Paares nach Rio de Janeiro. Kann man sich vorstellen, dass es im Wiener Burgtheater hinter der Bühne leidenschaftlicher zugeht als auf ihr? Und schließlich: Was ist der berühmteste Cold Case Australiens?

"Es gab nur diesen einen Schlüssel und den besaß sie. Dieser Stollen war ihr Geheimnis. Alle anderen, die davon wussten, waren längst tot. Sie war die Einzige, die Zugang zur Hölle hatte."

(Aus: „Dem Himmel so fern“ von Thea Lehmann)

Eine Reise rund um den Erdball, infiziert vom Lese-Virus, aber völlig Corona-frei!

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GROSSBRITANNIEN
Pia O’Connell Meister der Raben »Ich muss hier raus«, sagte Jess und hielt ihre bandagierte Hand schützend gegen das Sonnenlicht, das durch die historischen Butzenscheiben fiel. Mit einem Ruck setzte sie sich im Bett auf. »Ich halte diesen Zirkus nicht mehr aus.« Demonstrativ hielt sie sich beide Ohren zu. Bauarbeiter waren seit Tagen damit beschäftigt, ein Gerüst am Weißen Turm im Tower of London hochzuziehen. Der metallene Klang ihrer Hämmer drang bis in die entlegensten Winkel und vermischte sich mit dem aufgeregten Schnattern der Schulklassen und Touristen, die sich schon in aller Frühe vor den Toren des Towers versammelt hatten. Harry Hancock sah auf seine Frau hinunter und stellte eine dampfende Tasse Tee auf ihren Nachttisch. Er war bereits in Uniform. Der dunkelblaue Rock mit der roten Paspelierung, der roten Krone und den Buchstaben E II R auf der Brust verlieh ihm eine mittelalterlich anmutende Würde. Seine schwarzen Schuhe waren auf Hochglanz poliert. »Wir sprechen heute Abend darüber«, sagte er beschwichtigend. »Ich muss mich jetzt um die Raben kümmern.« »Die Raben! Die Raben! Immer nur die Raben«, beklagte sich Jess. »Hauptsache, den Raben geht es gut. Wie es mir geht, ist dir scheißegal.« Sie rutschte im Bett nach unten und zog sich die Decke über ihren zerzausten Blondschopf. Jesses rotgetigerte Katze Riana sprang zu ihr hinauf und fauchte Harry an. »Schatz, jetzt sei doch nicht so, das stimmt doch gar nicht.« Harry warf einen Blick auf die Uhr, setzte sich dann seufzend auf die Bettkante, schubste die Katze hinunter und gab seiner Frau einen Kuss auf die Locken, die unter der Decke hervorspitzten. »Der heutige Abend gehört nur uns beiden. Du und ich, im Restaurant, bei Kerzenlicht.« Harry strich seiner Frau sanft über die Hand. »Champagner, unser Hochzeitstags-Menü«, er küsste ihre Finger, »du in deinem neuen Kleid, das dir so gut steht.« Langsam kam Jess unter der Decke hervor, drehte sich um und sah ihren Mann mit zusammengezogenen Brauen an. »Harry Hancock, das eine sage ich dir: Wenn du nicht pünktlich um sechs Uhr hier auf der Matte stehst, dann kannst du mit deinen elenden Raben Hochzeitstag feiern.« Damit rollte sie sich zur Seite und zog sich die Decke wieder über den Kopf. »Verdammte Rabenbrut«, hörte er sie leise fluchen. »Immerhin bin ich der verdammte Rabenmeister«, brummte Harry, ging aus dem Schlafzimmer und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Im Flur nahm er den ballonartigen dunkelblauen Hut vom Haken und setzte ihn auf. Seit er vor drei Jahren den Dienst nach langer aktiver Militärzeit quittiert hatte, arbeitete er im Tower von London als Yeoman Warder. Von manchen Leuten wurden er und seine Kollegen Beefeaters genannt, doch Harry Hancock bevorzugte den Titel Yeoman Warder. Vor zwei Jahren war er vom amtierenden Ravenmaster als Nachfolger auserwählt worden. Seitdem kümmerte er sich um die sieben Raben, die im Tower lebten. Harry liebte seinen Job. Und er schätzte es, gemeinsam mit den anderen Yeoman Warders und ihren Familien im Tower zu leben. Wenn nur Jess sich besser eingewöhnt hätte. Doch seit einem Jahr lag sie ihm nun fast täglich in den Ohren damit, dass er sich eine andere Stelle suchen sollte. Harry versuchte, sie hinzuhalten, und hoffte dabei insgeheim, dass Jess sich irgendwann doch noch an das Leben im Tower gewöhnen würde. Aber sie tat es nicht. Stattdessen sprach sie immer öfter davon, dass sie sich beobachtet fühlte, und behauptete, die Raben würden sie verfolgen. Gedankenverloren begann er, die über die Grünflächen des Towers verteilten steinernen Wasserschüsseln der Raben zu reinigen und mit frischem Wasser aufzufüllen. Dann ging er zu den Volieren, in denen die Vögel die Nacht verbrachten. Raben gehen lebenslange Partnerschaften ein und werden deshalb paarweise in ihrem Nachtquartier untergebracht. Beim Öffnen der Gitter musste er immer streng darauf achten, die Hackordnung unter den Raben zu befolgen. Corb und Cora durften als Erste jeden Morgen ihren Nachtplatz verlassen. Sie hatten ihren Stammplatz im Nordosten des Towers. Dann Gharrab und Wuya, die zum South Lawn flogen. Schließlich Kraai und Kala. Kraai und Kala waren das dominante Paar und durften deshalb immer erst als Letzte ihre Voliere verlassen. Harry achtete darauf, dass die anderen Raben unbehelligt ihr Territorium erreichen konnten und nicht unterwegs von Kraai und Kala gestellt wurden. Harry genoss das Schauspiel am frühen Morgen, wenn der Nebel noch über der Themse hing und die Raben die Flügel ausbreiteten, einen kurzen Hüpfer machten und mit einem einzigen Flügelschlag in der Luft waren. Er schaute ihnen nach, wie sie lautlos zu ihren Stammplätzen im Tower glitten. Harry seufzte. Wie sehr würde er dieses Morgenritual vermissen, falls Jess ihren Kopf durchsetzen würde. Schweren Herzens machte er sich auf den Weg zum Tower Green, wo Mara, der letzte seiner Raben, ihren Stammplatz ganz in der Nähe seines Hauses hatte. Sie weigerte sich, mit den anderen Raben in der Voliere zu schlafen, und mochte sich nicht einsperren lassen. Harry verharrte kurz und blickte über die Themse zur Tower Bridge. Auch nach all der Zeit im Tower hatte er sich noch nicht sattgesehen an diesem Ausblick. Mara hatte ihn von ihrem Ausguck am Beauchamp Tower erspäht und krächzte ihm ein »Guten Morgen« zu. Zumindest redete Harry sich ein, dass sie das tat, denn sie war sein Lieblingsrabe. Störrisch wie ein Maulesel folgte sie nur ihrem eigenen Kopf. Trotzdem war sie der einzige Rabe, der mit ihm eine innige Beziehung pflegte. Die anderen Raben duldeten Harry nur. Sie ließen sich von ihm füttern, ihre Wasserschüsseln auffüllen und sich am Abend in ihren fuchssicheren Volieren einsperren. Mara aber hatte sich Harry anscheinend als ihren Lebenspartner erwählt. Wenn sie nicht gerade Touristen bestahl, Mäuse jagte oder Tauben angriff, suchte sie Harrys Nähe und verbrachte viel Zeit mit ihm, während er seinen Pflichten im Tower nachging. Wenn er es sich genau überlegte, musste er sich eingestehen, dass Mara sich Jess gegenüber tatsächlich seltsam verhielt. Fast so, als wäre sie eifersüchtig auf seine Frau. Sobald ihm Jess zu nahe kam, hackte Mara auf sie ein. Dass sie Jess den Finger gebrochen hatte, hatte er trotzdem als Unfall hingestellt. Aber wenn er es sich genau überlegte … Auch heute kam Mara sofort angeflogen, nachdem sie Harry erspäht hatte, und begrüßte ihn mit lautem »Klock-Klock«. »Mara, meine Schöne.« Harry hielt ihr einen mit Blut getränkten Hundekeks vor den Schnabel. Vorsichtig nahm Mara den Keks mit ihrem kräftigen, scharfen Schnabel aus Harrys Hand, hüpfte auf den Rasen und vertilgte ihn genussvoll. Dann flog sie in die Äste einer Eiche, unter der sich eine Schulklasse versammelt hatte. Die Rabendame hatte eine Schwäche für Kartoffelchips. Sie wusste aus Erfahrung, dass bei den Schulkindern meistens welche zu holen waren. Harry überließ Mara ihrem Tagwerk und machte sich daran, die Ratten, die er über Nacht im Kühlschrank der Rabenküche auftauen ließ, an die anderen Raben zu verteilen. Harry stand im Schlafzimmer seines Hauses und mühte sich vor dem Spiegel mit seiner Krawatte ab. Er war in Hochstimmung und beglückwünschte sich, dass er überpünktlich zu Hause gewesen war. Jess war bereits fertig angezogen und sah hinreißend aus. Sie hielt die Augen gesenkt und beobachtete ihn durch ihre langen Wimpern hindurch. Harry ging auf sie zu, zog sie vom Hocker hoch und küsste sie. »Du bist wunderschön«, murmelte er und vergrub seinen Kopf in ihrer Halsbeuge. »Und du riechst so gut.« Weiter kam er nicht, weil sein Handy klingelte. »Ja«, meldete er sich knapp, um dem Anrufer zu bedeuten, dass er nicht gestört werden wollte. Die panische Stimme seines Assistenten am anderen Ende überschlug sich fast. »Fuchsangriff«, hörte er, »zwei Vögel tot; von Mara keine Spur.« Harry wurde bleich. »Was ist los«, fragte seine Frau. »Ich muss noch mal weg.« Harry war schon auf dem Weg zur Haustür. »Ein Notfall!« »Harry! Du kannst doch jetzt nicht …!« Harry schlug die Tür hinter sich zu. Er hörte noch, wie etwas gegen die geschlossene Eichentür klirrte. Beim Rabengehege angekommen, sah er das ganze Ausmaß der Zerstörung. Gharrab und Wuya lagen mit zerbissener Kehle blutüberströmt vor dem Gatter ihrer Behausung. Schwarze Federn stoben auf bei jedem Schritt, als Harry und sein Assistent Shay näherkamen. »Wie zum Teufel ist der Fuchs hier hereingekommen?« Harry suchte das Gehege nach möglichen Schwachstellen ab. »Er hat...



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