E-Book, Deutsch, 204 Seiten
Wimmer Massenphänomen Computerspiele
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-7445-0084-5
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Soziale, kulturelle und wirtschaftliche Aspekte
E-Book, Deutsch, 204 Seiten
ISBN: 978-3-7445-0084-5
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Computerspiele sind ein allgegenwärtiges und globales Phänomen von großer sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Bedeutung. Online oder offline gespielt, ziehen Games inzwischen nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern zunehmend auch Erwachsene in ihren Bann. Das Buch gibt einen wissenschaftlich fundierten Überblick über Computerspiele und deren Nutzer. Es liefert damit die notwendigen Hintergrundinformationen für das Verständnis der aktuellen Debatten um den gesellschaftlichen Stellenwert von Computerspielen. Dabei wird nicht nur die Faszination, sondern zugleich auch die Macht des neuen Leitmediums der Unterhaltungsindustrie veranschaulicht. Konkret werden u. a. zentrale Charakteristika von Computerspielen, deren Entwicklungsgeschichte sowie deren vielfältige Spielerschaft vorgestellt. Die aktuelle politische Diskussion um Computerspiele aufgreifend werden auch die Effekte von Gewaltdarstellungen und die vielfältigen Lern- und Sozialisationsprozesse im Rahmen virtueller Erlebniswelten kritisch diskutiert. Ein ausführlicher Blick auf den entsprechenden Industriezweig und die Darlegung einer sinnverstehenden Analyse von Computerspielen runden das Buch ab. Mit einem Glossar, Spielverzeichnis sowie kommentierten Literatur- und Linkhinweisen.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Soziologie | Soziale Arbeit Spezielle Soziologie Mediensoziologie
- Sozialwissenschaften Soziologie | Soziale Arbeit Spezielle Soziologie Freizeitsoziologie, Konsumsoziologie, Alltagssoziologie, Populärkultur
- Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftssektoren & Branchen Medien-, Informations und Kommunikationswirtschaft Informationstechnik, IT-Industrie
Weitere Infos & Material
2 Was sind Computerspiele?
2.1 Definition und Charakteristika
Eine klare und vor allem umfassende Definition des Begriffs „Computerspiel“ zu geben, ist nicht einfach. Das liegt in erster Linie an der Mannigfaltigkeit des Phänomens, das durch diese Bezeichnung abgedeckt werden muss. Computerspiele werden auf dem heimischen PC gespielt, aber auch an Spielkonsolen wie der PlayStation 3, Nintendo Wii oder Xbox 360, um drei aktuell erfolgreiche Spielesysteme zu nennen. Ebenso können darunter auch mobile Spielkonsolen (so genannte Handhelds) wie beispielsweise der Klassiker Game Boy oder die PlayStation Portable zusammengefasst werden. Auf den ersten Blick existiert hier eine definitorische Problematik. Die Bezeichnung Computerspiel bezieht sich streng genommen ausschließlich auf Spiele, die in einer dem Medium entsprechenden digitalen Form gespielt werden können, z. B. auf einem betagten Homecomputer wie die mittlerweile legendären C 64 oder Commodore Amiga, einem hochmodernen Spiele-PC, auf einem der vielen, ausschließlich auf den Spielbetrieb optimierten Video- bzw. Konsolenspielsysteme wie z. B. Schachcomputer, im Rahmen von Computerspiel-Apps auf Mobiltelefonen oder in den mannigfaltigen Online-Spielwelten. Grundsätzlich stellen digitale Spiele also eine bestimmte Form des Spiels dar, die durch eine Reihe von spezifischen Merkmalen beschrieben werden kann. Das Attribut „digital“ verweist zunächst auf eine der wichtigsten Eigenschaften dieser Spiele: Sie werden über elektronische Geräte und/oder in digitaler Form vermittelt. So führt der südamerikanische Game-Designer und Computerspielforscher Gonzalo Frasca (2001: 14) als Definition aus: „[A]ny forms of computer-based entertainment software, either textual or imagebased, using any electronic platform such as the personal computer or consoles and involving one or multiple players in a physical or networked environment.“ Ihm folgend sind Computerspiele daher immer auch als ein transmediales Phänomen zu verstehen, denn sie hängen nicht von einer konkreten Darstellungsform (Bild oder Text), einem spezifischen Medium oder der konkreten Spielerkonstellation ab. Ähnlich breit definiert der deutsche Branchenverband G.A.M.E. (2005) Computerspiele: „Computer- und Videospiele umfassen alle interaktiven, non-linearen Medien, die mit Hilfe audiovisueller Wiedergabe das Spielen ermöglichen oder Spiel zu Lernzwecken einsetzen. Dabei sind Trägermedium, Wiedergabesystem oder Übertragungsweg unwesentlich. Spiel ist eine freiwillige Beschäftigung von Einzelnen oder Gruppen, welche durch mindestens folgende Eigenschaften definiert ist: Interaktion zwischen Spiel und Medium/zwischen den Spielern, die Existenz eines Spielfeldes/Spielbereiches und das Vorhandensein von Spielregeln.“ Es ist daher analytisch unzureichend, nur von Computer-, Konsolen-, Bildschirm- oder Videospielen zu sprechen. Diese Begriffe sind zu stark auf einzelne, mitunter rasch veraltende Medientechnologien bezogen und können nicht für das gesamte Phänomen stehen – auch wenn in der Umgangssprache das Wort „Computerspiel“ oft synonym für jegliche Form von Unterhaltungssoftware verwendet wird. Der Ausdruck „Digitales Spiel“ hingegen bietet sich als Oberbegriff für alle Möglichkeiten an, wie ein Spiel mithilfe digitaler Technologien gespielt werden kann. Denn er umfasst auch digitale Spielformen auf den verschiedenen Spieleplattformen wie Spielautomat, Konsolen- und Computersysteme, auf mobilen Geräten wie Handhelds, Smartphones oder Tablet-Computer oder auch weiterführende Formen wie Online-Spiele oder Augmented Reality Games. Aufgrund der Popularität und Geläufigkeit der Begrifflichkeit „Computerspiel“ wird diese hier letztendlich verwendet. Für die Vereinfachung spricht, dass die verschiedenen Formen eines digitalen Spiels auf den mannigfaltigen, technisch z. T. sehr unterschiedlichen Plattformen aus der Perspektive des Konsumenten deutlich weniger strikt differenziert werden. So spricht man im Alltag vom „Computerspielen“ und weniger vom „Spielen eines digitalen Spiels“. Zwar besitzt jede Spieleplattform spezifische und dabei vor allem technische Eigenheiten, die Begriffe Computerspiel und Computerspielen stellen aber aus alltagskultureller Perspektiver den größten gemeinsamen Nenner der verschiedenen Phänomene dar, um über diese Art von Spielen als Einheit reden zu können. Interessanterweise löst sich die Differenz der verschiedenen technischen Plattformen in den letzten Jahren zunehmend auf, da erfolgreiche Spieletitel wie z. B. Assassin’s Creed vermehrt plattformübergreifend, d h. für PC, Spielkonsolen, Handhelds etc. gleichzeitig produziert werden, auch wenn sie sich im Detail wie z. B. vorhandene Spielmodi unterscheiden. Ein Überblick über die verschiedenen Eingabegeräte wie u. a. Joystick, Gamepad oder Tastatur veranschaulicht die technische Bandbreite des Computerspielens (vgl. Abb. 1). Abb. 1: Eingabegeräte für Computerspiele Die Vielfalt an Eingabegeräten, von denen bei weitem nicht alle abgebildet sind, lässt mehrere Rückschlüsse zu: Die Spirale technischer Erneuerungen wird immer schneller und damit wächst auch die Vielfalt an Spielen und Genres. Spielgattungen können sowohl durch ihre zugrundeliegende Gestaltung als auch durch ihre Einbettung in technische und nutzungsbezogene Kontexte differenziert werden. So spielen die Hardwareeigenschaften eine wichtige Rolle, denn u. a. die Potenziale der Grafikkarten, CPUs und Eingabegeräte geben den technischen Rahmen für das Spielvergnügen. Online-Spiele, also Computerspiele, die mit Hilfe des Internets spielbar sind, stellen heutzutage mit die populärste Variante dar. Die Bezeichnung „Online-Spiel“ ist ungenau, denn sie deutet noch nicht darauf hin, wie das jeweilige Spiel mit dem Internet verknüpft ist. Es ist ein Unterschied, ob ein Spiel „im Internet oder über das Internet “ und „mit Hilfe eines Computers“ oder „mit einem Computer“ gespielt wird (Schmidt et al. 2008: 10). Im Internet spielen bedeutet, dass der Spielort ein digitaler Raum ist, den die Spielteilnehmer aufsuchen. Findet das Spiel allerdings über das Internet statt, dann dient das Netz eher als Kanal, der die Teilnehmer miteinander verbindet. Mit Hilfe eines Computers kann man über das Internet mit anderen Menschen in Interaktion treten, während derjenige, der mit einem Computer spielt, auf diese sozialen Interaktionen verzichtet und mit dem Computer interagiert, indem er zum Beispiel eine computergenerierte Herausforderung meistert und sich an der Interaktivität des Computerspiels erfreut. Nicht enden wollende Innovationsschübe und eine stete Professionalisierung des Marketings erschließen immer neue Marktsegmente. So galten bis vor kurzen die so genannten Social Games wie z. B. FarmVille als ein großer Wachstumsmarkt mit mehreren hundert Millionen Spielern weltweit. Aber auch auf den ersten Blick recht unspektakuläre PC-Spiele wie der Landwirtschafts-Simulator, mit dem man die täglichen Arbeitsroutinen eines Bauern virtuell nachempfinden kann, finden aktuell einen Spielerkreis, der in die Hundertausende geht. Zuallererst soll aber die Genealogie der Spiele knapp skizziert werden. 2.2 Geschichte und Genres
Es gab zwar recht früh einige Vorläufer moderner Computerspiele, beispielsweise als 1958 ein Physiker am Brookhaven National Laboratory ein simples Tennisspiel namens Tennis for two auf einem Oszilloskop entwickelte, das – glaubt man den Chronisten – insbesondere Besucher des Institutes begeisterte. Das erste digitale Spiel, das auf Computertechnik basierte, war allerdings Spacewar!, welches 1961 von einem Forscherteam unter der Führung von Steve Russell am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelt wurde. Steve Russell und seine Freunde vom Tech Model Railroad Club, eine Studentenvereinigung, die sich ursprünglich für Modelleisenbahnen und komplexe elektronische Signalanlagen faszinierte, brauchten insgesamt ein halbes Jahr, um Spacewar! fertig zu stellen. Das Spiel, in dem man eine gegnerische Rakete abschießen musste, breitete sich vom MIT rasch auf viele amerikanische Forschungslaboratorien aus. 1972 gründete der US-Amerikaner Nolan Bushnell mit Kollegen die Firma Atari, deren erster Videospielautomat Pong als einer der Urväter der Computerspiele gilt (vgl. Abb. 2). Abb. 2: Screenshot Pong So sprach 2006 das Berliner Computerspielmuseum in seiner Ausstellung „pong.mythos“ von dem entscheidenden, da publikumswirksamen Schritt des Computerspieles hin zu einem Unterhaltungsmedium, da der Spielautomat in vielen öffentlich zugänglichen Räumen wie z. B. Eingängen von Kaufhäusern aufgestellt wurde. Auch kommerziell war das Spiel erfolgreich. Die Produktion des Spiels wurde auf ungefähr $ 500 geschätzt. Atari verkaufte mehr als 8.500 Exemplare bei einem damaligen Verkaufspreis von $ 1.200. Das Spielprinzip war eher simpel und wurde von Atari mit drei knappen Handlungsanweisungen umschrieben, die auf dem Spielautomaten...