E-Book, Deutsch, Band 12, 420 Seiten
Windl / Dammerer / Wiesner Mentoring als Auftrag zum Dialog
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7065-6191-4
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Professionalisierung und Qualifizierung von Lehrpersonen. Wahrnehmen, wie wir interagieren
E-Book, Deutsch, Band 12, 420 Seiten
Reihe: Pädagogik für Niederösterreich
ISBN: 978-3-7065-6191-4
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mentoring will begleiten, nicht beraten. Fördern, nicht fordern. Begründen, nicht überreden. Unterstützen, nicht unterweisen. Dialog anbieten, nicht Instrumente. Professionalisieren, nicht Meisterlehre sein. Ko-konstruieren auf Augenhöhe. Im Mentoring interagieren wir, wenn wir bilden.
Wenn Lehrpersonen im Dialog operieren, wird der Berufseinstieg zum Aufstieg für Lernende und Lehrende, nicht zum Umstieg – auch Schüler*innen werden zu Dialogpartner*innen.
Dieser Mentoring-Fortsetzungsband reflektiert Zugänge aus der Geschichte bis hin zu den digitalen Herausforderungen von Kommunikation.
Autoren/Hrsg.
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Elisabeth Windl
Begleitung in den Praxisphasen der Lehrerausbildung – der Schlüssel zum Erfolg?
Abstract
Der vorliegende Artikel setzt sich mit den Erwartungen und Einstellungen von Studierenden, Praxislehrpersonen und Hochschullehrenden zu Praxisphasen in der Lehrerbildung auseinander. Es ist davon auszugehen, dass bei deren geringer Kompatibilität die professionelle Kompetenzentwicklung der Studierenden nicht im gewünschten Ausmaß auftritt. Handlungsoptionen zur Verbesserung diese Kompatibilität werden basierend auf Forschungsergebnissen abschließend diskutiert. 1 Einleitende Gedanken
Vonseiten der Lehramtsstudierenden ist der Ruf nach „Mehr an Praxis“ seit Beginn der Lehrerausbildung bekannt. Themenrelevante Forschungen zeigen, dass eine quantitative Erhöhung allein nicht zur Kompetenzsteigerung bei den Studierenden führt, sondern die Qualität der Praxisanteile eine entscheidende Komponente darstellt, insbesondere die systematische, reflexive und qualitativ hochwertige Begleitung (Brouwer & Korthagen, 2005; Hascher, 2012a; Gröschner et al., 2013) in den Praxisphasen. Basierend auf ausgewählten Forschungsergebnissen werden nach einem kurzen Exkurs zu den Praxisphasen die Einstellungen und Erwartungen der Studierenden, der Praxislehrpersonen und der Hochschullehrpersonen der Begleitlehrveranstaltungen in den Fokus genommen. Es ist davon auszugehen, dass bei geringerer Kompatibilität der gewünschte Effekt, die Steigerung der professionellen Kompetenzen der Studierenden, durch diese Begleitung nicht im gewünschten Ausmaß eintritt. Abschließend werden Möglichkeiten zur Annäherung der individuellen Einstellungen und Erwartungen der unterschiedlichen Akteur*innen diskutiert, um sich den gewünschten Kompetenzentwicklungen anzunähern. Die dargestellten Möglichkeiten nehmen die Ausbildung der Primarstufenlehrer*innen in Österreich in den Fokus mit den Spezifika, dass Primarstufenlehrer*innen in Österreich alle Fächer mit Ausnahme von Religion unterrichten und die Ausbildung in einem einphasigen Modell an Pädagogischen Hochschulen erfolgt, d. h., dass die theoretische und die praktische Ausbildung, die im § 8 des Hochschulgesetzes (BGBl. I Nr. 30/2006, Hochschulgesetz, 2005) geregelt ist, parallel laufen. 2 Praxisphasen in der Lehrerausbildung
Die Pädagogisch-praktischen Studien stellen einen zentralen Erfahrungsort dar, welcher Bewährung und Überprüfung theoretischer Erkenntnisse in Verbindung mit konkreter Praxis ermöglicht (Braunsteiner et al., 2014). Theoretische und praktische Lernangebote werden integrativ verknüpft, um den Fokus der Studierenden darauf zu richten, „zu lernen, wie man eigene Erfahrungen auswertet und wie man lernt, wie eine Lehrperson wahrzunehmen, zu sprechen und zu denken“ (Nolan, 2016, zitiert nach Reusser & Fraefel, 2017, S. 32). Zur Erreichung dieser Zielsetzungen sind die Pädagogisch-praktischen Studien in den Curricula der Lehrerausbildung in Österreich im Umfang von mindestens 40 ECTS-AP verankert. Sie setzen sich aus Phasen schulischer Praxis (Hospitationen, unterrichtliche Tätigkeiten, Reflexionen) und Begleitlehrveranstaltungen zusammen. Es ist zu bedenken, dass die Pädagogisch-praktischen Studien jener Ort der Ausbildung sind, an dem unterschiedliche Kulturen mit ihren jeweiligen Herangehensweisen aufeinandertreffen, die Kultur der Nähe in der Schule und die Kultur der Distanz in der Hochschule. Die Kultur der Nähe zeichnet sich durch das Sammeln von Erfahrungen, durch Handlungsnotwendigkeiten und durch das Treffen von Entscheidungen aus, die Kultur der Distanz durch theoretische Analyse und Reflexion beziehungsweise durch das Begründen der Handlungen und Entscheidungen (Košinár, 2020; Wiesner, 2020). Bommes et al. (1995) weisen den schulischen Praxisphasen folgende fünf Funktionen zu: (a) die Funktion der Kontaktaufnahme, (b) die Funktion der Selbstvergewisserung, (c) die Funktion der Lernortverknüpfung, die eine Verknüpfung von Theorie und Praxis schaffen soll, (d) die Funktion der kritischen Berufs- und Studienorientierung sowie (e) die Funktion der Beobachtung und Reflexion von Unterricht. Die unterrichtlichen Tätigkeiten der Studierenden und deren Reflexion als bedeutsame Funktion wird in dieser Auflistung nicht dargestellt. Aus Sicht der Studierenden werden die schulischen Praxisphasen als einer der wichtigsten Bestandteile des Studiums in Zusammenhang mit ihrer Kompetenzentwicklung wahrgenommen (Schubarth et al., 2014). Sie verorten den Erwerb professioneller Handlungskompetenz offensichtlich im praktischen Handeln und weniger in reflexiven Lerngelegenheiten (Reintjes & Bellenberg, 2017). Ihre Forderung nach einem „Mehr an Praxis“, wobei sie darunter jene Praxis mit direktem Schülerkontakt verstehen, scheint daher nachvollziehbar. Die seit Mitte der 2000er Jahre vermehrten Studien im deutschsprachigen Raum zu Praktika in der Lehrerausbildung zeichnen allerdings auch ein anderes Bild zu diesem Thema, denn es können neben den erwünschten positiven Effekten auch weniger erwünschte auftreten, die eventuell zu Deprofessionalisierung führen (Hascher, 2012a; Gröschner et al., 2013; Gröschner, 2014). Bach (2013) weist darauf hin, dass die bloße quantitative Erhöhung der Praxisanteile „eher die Adaption einer wie auch immer beschaffenen, d. h. zum Teil auch problematischen Schul- und Unterrichtspraxis“ (Bach, 2013, S. 123) bringen könnte. Auch die Studien von Baer et al. (2011) zur Kompetenzentwicklung von Studierenden weisen in diese Richtung: „Die angehenden Lehrpersonen lernen, traditionellen Klassenunterricht besser durchzuführen“ (S. 112). Das ist gut vorstellbar, denn bereits die ersten Erfahrungen in der schulischen Praxis verdeutlichen den Studierenden nicht nur die Komplexität der Anforderungen im Lehrerberuf, sondern stellen sie auch vor große Herausforderungen (Rothland & Boecker, 2015). Daher versuchen sie durch Rückgriffe auf eigene schulische Erfahrungen und Verhaltensmuster diese zu bewältigen (Dann et al., 1978; Mayr & Neuweg, 2009). Die Qualität macht also den Unterschied. Bisherige Forschungsbefunde deuten darauf hin, dass systematische, reflexive und qualitativ hochwertige Begleitung von Studierenden als eines der bedeutsamsten Qualitätsmerkmale schulischer Praktika bezeichnet werden kann und einen wichtigen Faktor für die Kompetenzentwicklung darstellt (Brouwer & Korthagen, 2005; Gröschner et al., 2013; Hascher & Moser, 2001; Gröschner & Häusler, 2014). Weitere wichtige Merkmale im Zusammenhang mit Qualitätssteigerung der schulischen Praxisphasen sind die Klarheit der Zielsetzung sowie deren curriculare systematische Einbindung in das Gesamtsystem der Ausbildung, in dem der professionelle Kompetenzaufbau der Studierenden klar zu erkennen ist und durch organisatorische Rahmenbedingungen unterstützt wird. Dies hat insofern eine sehr große Bedeutung, da den Studierenden der Zusammenhang von theoretischen und praktischen Lehrveranstaltungen nicht automatisch ersichtlich ist. Sie sehen diese beiden Bereiche unabhängig voneinander und beklagen, dass die Inhalte der Lehrveranstaltungen an der Hochschule nicht in die Praxis umgesetzt werden können. Durch die curriculare Integration der Praktika kann den Studierenden verdeutlicht werden, dass sich nicht unmittelbar aus wissenschaftlichen Theorien für die Praxis lernen lässt, aber im Gegenzug die Praxis auch nicht den Gegenstand dieser Theorien bestimmt (Cramer, 2014; Weyland, 2014). In diesem Zusammenhang darf nicht darauf vergessen werden, dass der Erfolg der Maßnahmen wesentlich davon abhängt, wie alle an den Praktika beteiligten Akteur*innen die Lerngelegenheiten als solche erkennen, positiv bewerten und entsprechend nutzen. 3 Die Erwartungen der Studierenden an die Praxisphasen
Wie bereits im Kapitel 2 erwähnt, verstehen die Studierenden unter Schulpraxis meist nur jenen Teil mit direktem Schülerkontakt, daher beziehen sich die Aussagen in den meisten empirischen Forschungen auf diesen Teilbereich und beruhen häufig auf Selbsteinschätzungen der Studierenden. Jenek et al. (2019) untersuchten die Wahrnehmung der Studierenden in Bezug auf die Funktionen der Praxiserfahrungen im Studium. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Selbsterprobung und die Überprüfung der eigenen Berufswahl als zentrale Funktionen von Praktika genannt werden. Die Studierenden wollen ihr berufspraktisches Können durch Ausprobieren verbessern, Materialien und Ideen sammeln, Sicherheit und Routinen entwickeln, sich für die theoretischen Inhalte des Studiums sensibilisieren und wissenschaftliche Theorien überprüfen. Sie möchten in diesen ihr Theoriewissen direkt anwenden und verstehen häufig nicht, dass sie den Transfer selbst bewältigen müssen. Auf letzteres verkürztes Verständnis von Theorie und Praxis weisen auch Schüssler und Keuffer (2012) hin. Das Feedback von Praxislehrpersonen, von Hochschullehrenden, von anderen Studierenden sowie von den Schüler*innen ist für Studierende unterschiedlich bedeutsam (Schüssler & Keuffer, 2012). Richtet man den Blick auf die Erwartungen der Studierenden an gute schulische Praktika, dann konnten Beck und Kosnik (2002) sieben Kriterien identifizieren: (a) emotionale Unterstützung durch die Praxislehrpersonen,...