Wintersteiner / Zelger | Frieden | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 142 Seiten

Reihe: ide - information für deutschdidaktik

Wintersteiner / Zelger Frieden

Reflektieren und Imaginieren, Zweifeln und Hoffen, Arbeiten an einer Kultur des Friedens
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7065-6396-3
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Reflektieren und Imaginieren, Zweifeln und Hoffen, Arbeiten an einer Kultur des Friedens

E-Book, Deutsch, 142 Seiten

Reihe: ide - information für deutschdidaktik

ISBN: 978-3-7065-6396-3
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die weltpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre haben wieder gezeigt, wie notwendig Friedensbildung ist. Gerade der Deutschunterricht eignet sich dazu, angesichts von Gewalt und Krieg die Möglichkeiten eines friedlichen Zusammenlebens auszuloten. Widerspruchsreiche Friedensvorstellungen können über Literatur und Film erschlossen, imaginative Fähigkeiten in produktiven Zugängen auf- und ausgebaut werden. Wissen über die vielfältigen Ursachen von Krieg und Gewalt lässt sich rezeptiv-analytisch erwerben, um so ein prozesshaftes Friedensverständnis zu entwickeln. Friedensbildung kann nicht verordnet, wohl aber gefördert werden. Sie involviert Lehrende und Lernende gleichermaßen: durch Kriegslogiken in Sprache und Games, beim Stöbern in historischen Dokumenten des Pazifismus, beim Reflektieren von Kriegsfibeln und -reportagen, mit Emotion beim Lesen, Schauen und Hören von Antikriegsklassikern u.v.m. Ideen und Fragen der Beiträge zum stets unvollkommenen Frieden sind Einladung an uns alle.
Wintersteiner / Zelger Frieden jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Sabine Zelger Friedens-Fragen in Gesellschaft und Deutschunterricht
Friedensbildung im Deutschunterricht ist ein Anliegen, das gewünscht wird und verordnet ist, auch wenn Zugänge und Materialien rar sind. Zwar sind Ideen aus der Vergangenheit, wie den Zeiten der großen Friedensbewegungen, überliefert, zum Beispiel in Form von pazifistischen Lesebüchern und Konzepten der kritischen Friedenserziehung. Aber kann und muss die Deutschdidaktik mit den audiovisuellen und sozialen Medien, diskursanalytischen und mehrsprachigen Ansätzen, mit dem Fokus auf Handlungsfähigkeit und Ästhetik ihre Zugänge und Materialien nicht erweitern? Dieser Leitartikel argumentiert für einen »transformatorischen Imperativ« (Betty Reardon), der sowohl für die Friedensbildung als auch für den friedensbildenden Deutschunterricht konstitutiv ist. Der Modus, in dem dieser entwickelt und realisiert werden müsste, ist die Frage, wie sie auch den gesamtgesellschaftlichen Friedensprozess antreibt und begleitet. Entlang von Fragen aus Grundlagentexten zu Krieg und Frieden von Virginia Woolf (1938), Rossana Rossanda (1974), Susan Sontag (2003) und Judith Butler (2010) werden sprach-, literatur- sowie mediendidaktische Perspektiven für die Friedensbildung entwickelt und mit Blick auf die Beiträge des ide-Heftes Frieden dargelegt. 1. Was versteht man unter Frieden und Friedensbildung?
Frieden verstehen wir – im Einklang mit den aktuellen Vorstellungen der Friedensforschung – nicht bloß als einen Zustand des Gegenteils von Krieg, sondern als einen Prozess, der Krieg, Gewalt und Unrecht jeder Art zu überwinden trachtet. Es geht also um ein »Denken als handlungsleitende Kraft«, das »neue widerspruchsreiche Vorstellungen von Frieden entwickeln kann« (Jalka 2018, S. 8). Das bedeutet, dass unser Friedensverständnis sowohl den Widerstand gegen globale Ungleichheiten wie auch gegen die systemische Zerstörung der Biosphäre durch unsere Lebensweise umfasst. »Was so entsteht, ist das Bild eines ›unvollkommenen Friedens‹ [im Sinne Muñoz 2006], welcher der im positiven Sinne unvollkommenen menschlichen Natur und den menschlichen Beziehungen entspricht, die permanent zwischen Konflikt und Kooperation oszillieren.« (Koppensteiner 2018, S. 25) Dementsprechend meint Friedensbildung die Herausbildung von Fähigkeiten, unfriedliche Prozesse und Strukturen zu erkennen, zu analysieren und nach Möglichkeit zu verändern. Dies ist ein sehr umfangreiches Unterfangen, das auch Selbstbeobachtung und Selbstreflexion einschließt. Also kann die Bereitschaft zur Friedensbildung nicht verordnet, wohl aber gefördert werden. Wie jede politische Bildung involviert auch die Friedensbildung Lehrende und Schüler:innen gleichermaßen und kann nur in demokratischen Arrangements verwirklicht werden. Widersprüche und Mehrdeutigkeiten sind nicht zu vermeiden, sondern bilden die Grundlage für ästhetische Erfahrungen und kritische Reflexion. Maßgeblich für schulische Friedensbildung ist außerdem, dass es sich dabei um ein Querschnittsanliegen handelt, das im Deutschunterricht fächerintegrativ, aber auch fächerspezifisch realisiert werden kann. Wie für alle fachübergreifenden und interdisziplinären Themenbereiche ist damit zweierlei nötig: (1) interdisziplinäre Fundierung und (2) Orientierung auch an fachfernen Didaktiken. Das Querschnittsthema muss interdisziplinär – hier eben: friedenswissenschaftlich – fundiert sein, um zu vermeiden, »dass durch die didaktische Reduktion die Querschnittsthemen banalisiert und die hegemonialen Deutungsmuster, die Fachfremden in medialen Diskursen als natürliche vermittelt werden, reproduziert werden« (Zelger 2020, S. 8). Für Friedensbildung ist das Zusammenspiel verschiedener Bezugsdisziplinen vonnöten, damit Fehlstellen und blinde Flecken ausgeglichen werden können: Politikwissenschaftliche, psychologische und kulturwissenschaftliche Ansätze der Friedensforschung müssen miteinander und schließlich auch mit den literatur-, sprach- und medienwissenschaftlichen Grundlagen des Deutschunterrichts verbunden werden. Aber geht das? 2. Wie wurde Friedensbildung bislang in den Deutschunterricht integriert?
Die Verbindung von Deutschdidaktik, Deutschunterricht und Friedensbildung hat eine lange Tradition,1 aber man darf sich nicht erwarten, dazu immer und in jeder Epoche auch programmatische und konzeptionelle Reflexionen zu finden (vgl. die Bibliographie von Jan Theurl und Werner Wintersteiner in diesem Heft). Denken wir nur an die Generation explizit pazifistischer Literat:innen nach 1945, die ihren Weg in die Lesebücher und in den Schulunterricht gefunden haben, wie Wolfgang Borchert, Heinrich Böll, Ernst Jandl, H. C. Artmann oder Ingeborg Bachmann. Denken wir an die Bemühungen von Autor:innen und Wissenschaftler:innen, den Wert des Friedens mittels Kinder- und Jugendliteratur zu verbreiten, etwa an Jella Lepmans großartiges Projekt der Internationalen Jugendbibliothek (IJB), heute im Schloss Blutenburg, oder an die zahlreichen Autorinnen, die teilweise auch in der österreichischen Stimme der Frau publizierten, wie Mira Lobe, Christine Nöstlinger, Renate Welsh usw., schließlich auch an Karl Bruckner (Sadako will leben war nicht sein einziges pazifistisches Buch). In den 1970er Jahren, als die Friedensbildung international wie auch im deutschen Sprachraum einen großen Aufschwung nahm und sich als Kritische Friedenserziehung konstituierte, traf sie auf eine Bewegung, die sich als kritische Deutschdidaktik verstand. Richtungsweisend war etwa das Projekt Sprache als soziales Handeln, ein friedenspädagogisches Curriculum für den Deutschunterricht, das Horst Rumpf, Dietmar Larcher und Bernhard Rathmayr (1973) mit Unterstützung der pazifistischen Berghof-Stiftung entwickelten. Ein weiteres praktisches Ergebnis dieser Arbeit war das österreichische Schulbuch für die Sekundarstufe I, unter der oberfläche (Dermutz/Larcher u. a. 1977). Besonders in den 1980er Jahren, unter dem Einfluss der damaligen großen Friedensbewegungen, wurden spezifisch deutschdidaktische Konzepte erarbeitet und umgesetzt, zu nennen sind etwa Franz Hebel, Ursula Heukenkamp, Ingelore Oomen-Welke, Wolfgang Popp, Gerhard Rupp, Christiane Rajewsky, Albrecht Schau, Reiner Steinweg oder Bernhard Weisgerber (vgl. ide 1/1991). Seit den 2000er Jahren scheint sich der Schwerpunkt der friedenspädagogischen Bemühungen auf den Bereich des Umgangs mit Mehrsprachigkeit und Deutsch als Zweitsprache verlagert zu haben (vgl. Wintersteiner 2019). Und heute? 3. Wie kann heute Friedensbildender Deutschunterricht konzipiert werden?
Wenn es um Krieg geht, sind Aufrufe und Antworten auf der Tagesordnung: militärische, politische, analog und digital. Werden Fragen gestellt, sind sie auf Lösungen fokussiert und gern an die Adresse von Feldherren oder allmächtigen Führungskräften gerichtet, aus deren Perspektive heraus für den Waffenstillstand, den Sieg, auch für Rückzug oder Sicherheit argumentiert wird. Mit einer Friedensbildung, die einem »transformatorischen Imperativ« folgt und auf Veränderungen in sozialen Strukturen und Denkmustern für ein planetarisches Bewusstsein abzielt (Reardon 1988; zit. nach Wintersteiner in diesem Heft), ist dieser Umgang mit Krieg und Konflikt unzureichend, ja kontraproduktiv. Stattdessen sind es Fragen, die den Motor für den gesamtgesellschaftlichen Friedensprozess bilden und die auch dem friedensbildenden Deutschunterricht zugrunde gelegt werden können: von Virginia Woolf (1938/2021), Rossana Rossanda (1974/1994), Susan Sontag (2003) und Judith Butler (2010). Nicht zufällig sind es Autorinnen aus den Bereichen Literatur-, Kultur-, Medienwissenschaften und Journalismus, die den Fragemodus wählen, um das Ungenügen enger Friedensvorstellungen und Mechanismen versteckter Gewaltlogiken zutage zu fördern. Dieser lässt sich auch für Anliegen der Friedensbildung in Literatur-, Medien- und Sprachdidaktik nutzen. 3.1 »Wie lässt sich Ihrer Meinung nach ein Krieg verhindern?« (Woolf 2021, S. 5) Angesichts großer Themen und allzu großer Herausforderungen ist es beliebt, simple große Fragen zu stellen: Wie Krieg verhindern, beenden, Sicherheit garantieren? Kann und soll dies jemand beantworten? An wen sind solche Fragen gerichtet? Welches Wissen, für Antworten und Rückfragen, für neue Fragen, ist nötig? Welche Rolle spielen Beteiligung und Unbeteiligtsein der Adressierten? Virginia Woolf wurde am Vorabend des Zweiten Weltkriegs mit der Frage nach der Verhinderung eines Krieges konfrontiert, gibt jedoch keine Meinung kund, sondern holt aus. Sie eruiert, wer hier wen befragt und wem der Zugang zur Beteiligung verwehrt wird. Unter Rückgriff auf verschiedene Fakten fragt sich Woolf, ob diese nicht den Beleg dafür liefern, »dass Bildung, die beste Bildung der Welt, dem Menschen nicht beibringt, Gewalt zu hassen, sondern sie anzuwenden [.]« (ebd., S. 48; kurs. S. Z.). Fänden wir heute nicht ebenso viele Beweise für diese These? Aber Woolf arbeitet nicht an Antworten, sondern fragt nach den Bedingungen für die Erforschung...


IDE ist die Zeitschrift für den Deutschunterricht. IDE hält den Dialog zwischen der Praxis in der Schule und didaktischer Forschung aufrecht. IDE ist das Podium für den ständigen Erfahrungsaustausch zwischen DeutschlehrerInnen in der Praxis. IDE öffnet Klassenzimmer und Konferenzräume: Informationen und Kommunikation über Praxis und Projekte, über Erfahrungen, Reaktionen, über Wünsche und Horizonte. Für alle Schultypen. Für alle Schulstufen.
IDE – INFORMATIONEN ZUR DEUTSCHDIDAKTIK erscheint viermal im Jahr.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.