E-Book, Deutsch, 127 Seiten
Reihe: Beck kompakt
Wittkowski / Felisiak Mitarbeitereinsatz im Ausland
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-406-74253-8
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sicher aufgestellt im Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht
E-Book, Deutsch, 127 Seiten
Reihe: Beck kompakt
ISBN: 978-3-406-74253-8
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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C. Dienstreisen
Der häufigste Fall eines Auslandseinsatzes ist der einer Dienstreise innerhalb der EU. Grenzüberschreitende Dienstreisen gehören zu dem Alltag vieler Unternehmen und betreffen Mitarbeiter unterschiedlichster Hierarchieebenen. Auch wenn die A1-Bescheinigung dafür gesorgt hat, dass Mitarbeiter und Unternehmen sensibler für die Komplexität bei grenzüberschreitenden Dienstreisen innerhalb der EU geworden sind, handelt es sich bei der A1-Bescheinigung nur um die „Spitze des Eisbergs“. Meldepflichten in Online-Portalen, die Einhaltung von Mindestarbeitsbedingungen in den jeweiligen Ländern und das Mitführen von Unterlagen, die je nach Zielland variieren, stellen viele Unternehmen vor erhebliche Probleme. Und das selbst innerhalb der Europäischen Union! Eine strukturierte Vorbereitung ist damit unerlässlich: 1. Vorbereitungsphase
In einem ersten Schritt ist zu klären, wie die Auslandsbeschäftigung rechtlich zu qualifizieren und was hierfür zu beachten ist. So macht es z. B. einen Unterschied, ob der Mitarbeiter für einen kurzfristigen Kundenbesuch, ein befristetes Projekt oder eine längerfristige Marktbearbeitung ins Ausland geht. Fall: Mitarbeiterschulung in Österreich Die deutsche X GmbH hat gruppenweit ein neues ERP-System eingeführt. Nun ist vorgesehen, dass Mitarbeiter aus Deutschland zu den ausländischen Standorten reisen und vor Ort die Mitarbeiter schulen. Herr Schmidt, spanischer IT-Experte, der seit ein paar Monaten in München lebt, wird zur österreichischen Tochter-GmbH reisen. Seine Anwesenheit vor Ort ist für drei Monate vorgesehen. Seine Leistungen werden als Dienstleistung zwischen den Gesellschaften verrechnet. Da die Beurteilung je nach Rechtsgebiet unterschiedlich ausfallen kann, ist es sinnvoll, den jeweiligen Fall separat zu betrachten. In der Folge werden wesentliche Fragen beleuchtet, die sich aus arbeitsrechtlicher (Ziffer 1.1) steuerlicher (Ziffer 1.2) und sozialversicherungsrechtlicher (Ziffer 1.3) Sicht im Rahmen der Vorbereitungsphase stellen: 1.1 Arbeitsrechtliche Fragen bei Dienstreisen innerhalb der EU
Anknüpfend an die arbeitsrechtlichen Grundsätze (vgl. Kapitel B, Ziffer 3.1 Arbeitsrechtliche Basics, ab Seite 11), die unterschiedlichen Vertragsmodelle sowie die Pflicht, die (Mindest-)Arbeitsbedingungen des Ziellands einzuhalten, sollten Antworten auf folgende Fragen für den vorgenannten Beispielsfall gefunden werden: Muss der Arbeitsvertrag geändert werden? In der Regel werden sich weder die Weisungsrechte des deutschen Unternehmens noch die Vergütungsansprüche während einer dreimonatigen Tätigkeit in Österreich ändern. Eine Änderungsvereinbarung, in Form einer Entsendevereinbarung, wird daher nicht notwendig sein. Auch liegt es nahe, dass es betriebliche Regelungen zu dem Thema Reisespesen gibt. Dennoch kann es sein, dass das Unternehmen vertraglich aktiv wird: Dies ist der Fall, wenn die Vergütung nach dem deutschen Vertrag unterhalb des österreichischen Kollektivlohns liegt. In diesem Fall muss für die Zeit des Auslandseinsatzes eine Zusatzvereinbarung bzgl. der Differenz vereinbart werden. Zudem ist § 2 Abs. 2 Nachweisgesetz zu beachten. Dieser spielt jedoch in der Praxis eine untergeordnete Bedeutung (vgl. § 2 Abs. 3 Nachweisgesetz). Ist eine Entsendung eine grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung? Das ist möglich und muss zwingend vorab näher untersucht werden. Hierbei handelt es sich um eine wichtige, in der Praxis oft übersehene Frage. Diese ist jedoch von besonderer Bedeutung, da bei Vorliegen einer grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung die Regelungen der beteiligten Länder beachtet und eingehalten werden müssen. Teilweise ist eine grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung sogar verboten. Sollte eine grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung vorliegen, wären sowohl die Regelungen des deutschen Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) als auch die österreichischen Regelungen zu beachten. Ein Berufen auf das aus dem deutschen AÜG bekannte Konzernprivileg hilft in diesen Fällen – wenn überhaupt – nur für die deutschen Regelungen. Sollte das deutsche Unternehmen über eine deutsche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügen, ist diese Erlaubnis auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Ggf. wäre es daher notwendig, auch in Österreich eine entsprechende Erlaubnis zu beantragen. Andernfalls würde eine illegale Arbeitnehmerüberlassung nach österreichischem Recht vorliegen. Worin unterscheidet sich eine Arbeitnehmerüberlassung von einer Entsendung? Eine Entsendung setzt voraus, dass dem Auslandseinsatz ein Werk- oder Dienstvertrag zu Grunde liegt. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen einer Arbeitnehmerüberlassung und einem Dienst-/ Werkvertrag ist jedoch nicht, welche Vertragsart gewählt wurde, sondern auf welche Art und Weise der Personaleinsatz tatsächlich erfolgt. Alle Umstände des konkreten Einzelfalls sind heranzuziehen. Hierin liegt gerade das Risiko in der Praxis. Hauptkriterien für die Abgrenzung sind das Weisungsrecht und die Eingliederung in den Betrieb. Wichtig ist danach, dass trotz des Auslandseinsatzes Herr Schmidt die Weisungsrechte von seinem deutschen Unternehmen erhält. Auch bei der Beauftragung eines Subunternehmers aus dem Ausland besteht das gleiche Risiko. Denkbar ist es in diesen Konstellationen, dass die Beauftragung des Subunternehmers auf einer Dienst- oder Werkvertragsbasis oder im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung erfolgt. Nur wenn ein drittbezogener Personaleinsatz auf Grundlage eines echten Dienst- oder Werkvertrags vorliegt, sind die Voraussetzungen des deutschen und des ausländischen Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht zu beachten. Andernfalls besteht das Risiko, dass der drittbezogene Personaleinsatz in Wahrheit eine verdeckte und damit unzulässige Arbeitnehmerüberlassung darstellt. Welche zwingenden Arbeitsbedingungen gelten für den Auslandseinsatz? Mit Blick auf das Arbeitsrecht müssen die jeweiligen (Mindest-) Arbeitsbedingungen aus dem ausländischen Recht (hier: österreichischer Kollektivvertrag) recherchiert und auf ihre Einhaltung überprüft werden. die österreichischen Arbeitszeitregelungen recherchiert und beachtet werden. die österreichischen Urlaubsregelungen recherchiert und ggf. beachtet werden. die österreichischen Regelungen des Arbeitsschutzes (Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz; Mutterschutz und Schutz von Jugendlichen) recherchiert und beachtet werden. Welche weiteren Formalitäten sind im Vorfeld zu berücksichtigen? Wichtig ist, dass sich Unternehmen über folgende Formalitäten informieren und diese einhalten: In Österreich: Meldepflichten bei der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung (In allen anderen Ländern muss sich das Unternehmen über die zuständige Meldestelle informieren) Vorbereitung der mitzuführenden Unterlagen Ggf. Beschaffung einer Arbeitsbewilligung Gibt es Branchenbesonderheiten? Ja. In der Regel sind insbesondere in der Bau- und Transportbranche einige Besonderheiten zu beachten. Für die Baubranche gibt es beispielsweise besondere Regelungen für die Bauurlaubskasse (in Österreich: BUAK). 1.2 Steuerrechtliche Fragen bei Dienstreisen innerhalb der EU
Anknüpfend an die steuerlichen Grundsätze (vgl. Kapitel B, Ziffer 3.2 Steuerliche Basics, ab Seite 22) sind grundsätzlich folgende Fragen relevant: Was bedeuten Dienstreisen für den deutschen Lohnsteuerabzug? Auch bei grenzüberschreitenden Dienstreisen von nur wenigen Tagen sollte das Unternehmen vorab prüfen, ob womöglich durch die Dienstreise eine Lohnsteuerpflicht im Ausland eintritt. Das passiert immer dann, wenn der inländische Mitarbeiter für eine ausländische Gruppengesellschaft oder für eine ausländische Betriebsstätte tätig wird und Kosten an diese Auslandseinheiten weiterbelastet werden. In diesen Fällen kommt es zu einer tageweisen Lohnsteuerpflicht im Ausland. Was kann dem Mitarbeiter bei einer Dienstreise steuerfrei zugewendet werden? Bei reinen Dienstreisen ins Ausland gibt es für Mitarbeiter grundsätzlich keine steuerfreien Vergünstigungen, die über die reine Erstattung von Reise- und Unterkunftskosten bzw. die Vergütung von Verpflegungsmehraufwendungen hinausgehen. Worauf ist bei der Vorbereitung von Dienstreisen steuerlich zu achten? Die Entstehung von Lohnsteuer im Ausland ist das eine. Etwas anderes ist die Gefahr der „unachtsamen“ Begründung einer Betriebsstätte im Ausland. Die nationalen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Betriebsstätte im Ausland variieren immens. Insofern lohnt es sich zu fragen, in welchen Staaten längere bzw. verlängerte Dienstreisen zu einem ertragsteuerlichen Problem werden können. Die Tätigkeit von Mitarbeitern im Ausland wird häufig durch die Personalabteilung abgewickelt. Das Rechnungswesen, die Steuerabteilung oder bei kleineren...