E-Book, Deutsch, 159 Seiten
Wörishöffer Robert der Schiffsjunge (Abenteuer-Klassiker)
1. Auflage 2016
ISBN: 978-80-268-5067-0
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Robert des Schiffsjungen Fahrten und Abenteuer auf der deutschen Handels- und Kriegsflotte
E-Book, Deutsch, 159 Seiten
ISBN: 978-80-268-5067-0
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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An Bord der »Antje Marie«
Inhaltsverzeichnis Die Matrosen liefen an Deck hin und her, der Schlepper arbeitete mit voller Maschinenkraft, und die Galliot folgte gehorsam in seinem Kielwasser. An Bord kommandierte der Lotse, denn obwohl das Schiff schon mehrere Tage vorher vollständig seeklar gemacht worden war, unterzog man doch alles einer nochmaligen genauen Prüfung. Verschiedene Wanten wurden nachgesetzt, die Befestigung des großen Bootes, das immer mitten auf Deck vor dem Großmast steht, untersucht und die Segel auf den Rahen soweit gelöst, daß sie auf Kommando sofort gesetzt werden konnten. Robert stand in der Nähe des Matrosenlogis und sah hinter sich den Hafen von Hamburg allmählich verschwinden; dann folgte St. Pauli mit dem Hafenkrankenhaus auf der höchsten Höhe und endlich Altona. Und nun passierte die Galliot das reizende Neumühlen; hier hatte im Oktober der »Blitz« gelegen, hier hatte damals die Sonne ein so bezaubernd schönes Landschaftsbild beschienen, doch heute kräuselte ein frischer Ostwind die Wellen am Bug zu weißem Schaum, heute pfiff es schneidend kalt durch das Takelwerk, und an Land huschten in den Gärten die welken Blätter wie Gespenster wirbelnd durcheinander. Starr heftete der Junge die Augen auf das Ufer. Teufelsbrücke, Blankenese, der Leuchtturm – alles glitt schneller und schneller vorüber. Immer breiter wurde die Elbe, schon ließ sich eine leichte Dünung spüren, und Robert stand noch ganz in Gedanken versunken, da legte sich eine Hand auf seine Schulter. »Nun, mein Junge, was treibst du hier?« fragte eine Männerstimme. Robert fuhr auf. Der das sagte, war ein älterer Mann von mindestens fünfzig Jahren, mit schwermütigem, kränklichem Gesicht und großen, tiefliegenden Augen, die jedoch freundlich auf den Jungen herabsahen. »Möchtest du lieber wieder zurück nach Hause? – Bei Glückstadt ist das noch möglich.« »Mohr!« rief in diesem Augenblick die Stimme des Kapitäns von der Kajütentür herüber, »Mohr – mach keine Dummheiten, hörst du.« Der Alte wandte sich ab. »Der Montag«, flüsterte er mit einem unterdrückten Seufzer, »der Montag. Es wäre so schade um dich!« Robert hatte inzwischen Zeit gefunden, die Frage ganz zu verstehen. »Ich fühle durchaus keine Reue«, antwortete er lebhaft, »und ich will Seemann werden um jeden Preis. – Aber was ist denn mit dem Montag?« fügte er neugierig hinzu. Der Seemann schüttelte leicht den grauen Kopf. »Er bringt kein Glück«, antwortete er, »man soll nichts am Montag beginnen.« Kapitän van Swieten kam breitspurig über das Deck. »Junge«, sagte er, »geh in die Kajüte und wasch das Kaffeegeschirr, hörst du. Nachher soll dir der Steuermann deine Pflichten genau aufzählen, damit du sie ein für allemal kennenlernst.« Die Worte wurden sehr freundlich, aber so bestimmt gesprochen, daß Robert die Absicht des Kapitäns, ihn von dem alten Matrosen zu trennen, klar durchschaute. Aber warum das? Der Mann mit den weißen Haaren und den ernsten Augen hatte ihm doch sehr gefallen. Er ging in die Kajüte und begann das Kaffeegeschirr zu spülen. Während dieser Beschäftigung erschien der Steuermann, dessen mürrisches Gesicht ihm von vornherein Furcht einflößte, und dessen roter Bart fast an eine Mähne erinnerte. Nachdem er in barschem Ton den neuen Kajütenjungen nach Namen und Herkunft gefragt hatte, sagte er stirnrunzelnd: »Du scheinst mir ein sehr vorlautes Maul zu haben, das soll aber bald anders werden. Du hast die Kapitänskajüte und auch meine rein zu halten, Stiefel zu putzen, Kleider auszubürsten und bei Tisch zu bedienen. Für das Geschirr bist du verantwortlich, und was du zerschlägst, das mußt du von deiner Heuer bezahlen. Deine Koje werde ich dir später zeigen. Über ihr befindet sich ein Wandschrank, und – aber geh nur gleich mit mir«, unterbrach er seinen eigenen Satz – »du sollst den Schrank sehen, damit dir meine Befehle verständlicher werden.« Er führte den Jungen zum Vorderteil des Schiffes und gab ihm einen kleinen Schlüssel. »Mach auf!« befahl er, auf eine Tür deutend, und fuhr dann in seiner Erläuterung fort. »Hier steht das Geschirr, jedes in einem bestimmten Fach, um es vor dem Fallen zu sichern, und darunter sind drei kleine Schubladen für den wöchentlichen Bedarf des Kapitäns an Kaffee, Tee und Zucker. Das wird dir vom Untersteuermann an jedem Sonnabend zugeteilt, und damit mußt du auskommen. Ertappe ich dich beim Naschen, so schmeckst du das Tauende.« Robert wurde abwechselnd rot und weiß. Ihm kam die Erinnerung an das gestohlene Geld, von dem er zwar keinen Groschen für sich behalten hatte, dessen Entwendung er aber doch begünstigt hatte. Unfähig, zu antworten, schwieg er und ließ den Obersteuermann seinen Vortrag beenden. »In jedem Matrosen siehst du deinen Vorgesetzten«, fuhr dieser fort, »und untersteh dich nicht, eine vorlaute oder trotzige Antwort zu geben. Wenn der Kapitän nach dir klingelt, erscheinst du sofort mit der Mütze in der Hand, betrittst die Kajüte und fragst höflich nach seinen Wünschen. – Wenn ich selbst dich rufe, so antwortest du gar nicht, sondern hörst nur, was ich sage. Auf jeden Ungehorsam folgt eine Lektion mit dem Tauende, das merke dir vor allem. Und jetzt geh an Deck, um mit anzufassen, wenn die Segel gesetzt werden.« Er verließ das Logis, in dessen Nähe der Kapitän mit langsamen Schritten auf- und abgegangen war, offenbar um die Unterhaltung zwischen ihm und Robert deutlich zu hören. Jetzt winkte er dem Obersteuermann, ihm in die Kajüte zu folgen. Kapitän van Swieten nahm aus dem Schrank eine Flasche, trank, und bot sie dann dem anderen an. »Renefier«, sagte er, »warum hast du den neuen Jungen so hart angefahren? Ich will die gewöhnlichen Schiffsgesetze auf meiner Galliot nicht eingeführt haben; ich kann sie nicht brauchen, das habe ich dir schon oft gesagt. Ein Verräter untergräbt uns die ganze Zukunft, und du selbst weißt doch am besten, welche goldenen Früchte das Geschäft trägt.« Der Obersteuermann zuckte die Achseln. »Die Galliot ist nicht so ganz allein dein Eigentum, van Swieten«, antwortete er, »das vergiß nicht. Oder willst du mir im nächsten Hafen meinen Anteil auszahlen und dir einen anderen Steuermann suchen? Du selbst kannst kein Schiff über den Ozean führen, das weißt du.« Der Kapitän wurde blaß vor Ärger. »Wenn du annimmst, daß ich das weiß, Renefier, so waren ja deine Worte überflüssig«, sagte er. »Was hast du davon, den Herrn zu spielen und vielleicht einen dummen Jungen gelegentlich durchzuprügeln?« Des Steuermanns Augen blitzten. »Was ich davon habe, van Swieten?« wiederholte er. »Den nötigen Respekt bei der Mannschaft, daß du es nur weißt. Es geht auf der 'Antje Marie' zu, als hätte ein Weib das Kommando. Komme ich heute nicht, komme ich morgen. Das ärgert mich.« Der Kapitän trank wieder. »Ach was!« sagte er, »das ist dummes Zeug, Renefier, daran änderst du nichts mehr. Wir sind eine Welt für uns, wir bilden eine geschlossene Gemeinschaft, deren Glieder untereinander vor allen Dingen gute Freunde sein müssen – das geht aber nicht bloß mit dem Tauende, mein Bester. Frißt der Schlingel ein paar Pfund Zucker, so tu, als hättest du es nicht gesehen, und gibt er eine naseweise Antwort, so lache darüber, dann gefällt ihm das Leben an Bord und er ist treu. Zehn bis zwanzig echte Spitzen im Hafen von Havanna glücklich den Augen der Spürhunde entzogen, ein paar Kisten Champagner mit Geschick an Land gebracht, und er kann so viel Geschirr zerschlagen, wie er Lust hat. Ich sage dir, du sparst Pfennige, während du Taler über Bord wirfst, oder glaubst du, daß der Bengel später die gefährliche Arbeit für unsere Rechnung willig tut, wenn man ihn jetzt hart anfaßt? – Ich mache die Reise zum sechzehnten Male und bin bei allen meinen Leuten beliebt; du bist erst seit acht Tagen an Bord und willst mir jetzt schon Lehren geben?« Der Obersteuermann nahm die Mütze ab und kratzte sich hinter dem Ohr. »Wollte auch, ich hätte es nie getan«, brummte er. »Wie ist das Deck gescheuert und wie sind die Kojen gelüftet, wie ist der Proviant verstaut? Zum Davonlaufen!« Van Swieten lächelte überlegen. »Kleinigkeiten«, schmunzelte er, »unbedeutende Nebensachen. Die Matrosen sind treu, weil sie wissen, daß der Dienst auf der 'Antje Marie' mehr einbringt, als man jemals auf irgendeinem andern Fahrzeug verdienen kann. Das ist es, was wir brauchen.« Der Obersteuermann schwieg und ärgerte sich im stillen. Hätte er ahnen können, was im Logis die Leute flüsterten, so würde ihm vollends die Galle ins Blut getreten sein. »Du«, sagte einer, »wie gefällt dir der neue 'Erste'?« »Gestrenge Herren regieren nicht lange!« rief ein anderer. »Der braucht einmal eine Sturzsee!« meinte der dritte. »So zehn Meter hoch aus dem Mast – das kühlt den Eifer.« Die andern lachten. »Wer weiß? Wenn er das Maul zu voll nimmt, regnet es vielleicht einmal unvermutet hinein.« Robert hörte das alles mit Erstaunen. Er hatte sich nach Georgs Berichten den Dienst an Bord viel strenger und härter gedacht als er hier zu sein schien. Die buntgewürfelte Mannschaft besaß offenbar von Gehorsam nur sehr schwache Begriffe; es war mehr eine Art lustiger Zechkameradschaft, denn auch mehr als eine Flasche Rum sah Robert von Hand zu Hand gehen, obwohl ihm sein Freund häufig gesagt hatte, daß Alkohol nur ausnahmsweise und in geringen Mengen vom Steuermann verteilt werde. Sobald aber an Deck ein Kommando ertönte, änderte sich wie durch einen Zauberschlag das nachlässige Wesen der Leute. Einer suchte es im Laufen und...