Zamoyski 1815
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-406-67124-1
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Napoleons Sturz und der Wiener Kongress
E-Book, Deutsch, 703 Seiten
ISBN: 978-3-406-67124-1
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Selten in der Geschichte gab es an einem Ort so viel Scharfsinn und Intrigen, so viel Gier, Bestechung, Spionage, Sex und Pracht wie auf dem Wiener Kongress. Während die mächtigsten Männer Europas neue Grenzlinien über die Karte des Kontinents ziehen und Entscheidungen von epochaler Tragweite treffen, wird auf dem großen Welttheater die menschliche Komödie aufgeführt. Doch dann kehrt Napoleon zurück… Nach dem grandiosen Bestseller „1812“ entfaltet Adam Zamoyski in „1815“ erneut ein fulminantes historisches Panorama. Mit seltener Erzählkunst führt er uns in das Zeitalter Napoleons, Metternichs und Talleyrands, als wäre es gestern gewesen.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Europäische Geschichte
- Interdisziplinäres Wissenschaften Wissenschaften Interdisziplinär Friedens- und Konfliktforschung
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Internationale Beziehungen Konflikt- und Friedensforschung, Rüstungskontrolle, Abrüstung
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politikwissenschaft Allgemein Politische Geschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Militärgeschichte
Weitere Infos & Material
1;Cover;1
2;Titel;2
3;Zum Buch;3
4;Über die Autoren und Herausgeber;3
5;Impressum;4
6;Inhalt;5
7;Einleitung;7
8;1. Der aufgeschreckte Löwe;15
9;2. Der Retter Europas;29
10;3. Die Friedensstifter;51
11;4. Ein Krieg für den Frieden;68
12;5. Diskrete Verhandlungen;86
13;6. Farce in Prag;106
14;7. Das Spiel um Deutschland;122
15;8. Die ersten Walzertakte;145
16;9. Ein Stück vom Kuchen;166
17;10. Diplomatie des Schlachtfelds;181
18;11. Triumph in Paris;199
19;12. Frieden;217
20;13. Die Londoner Runde;237
21;14. Gerechte Vereinbarungen;252
22;15. Die Bühne wird gerichtet;273
23;16. Punkte auf der Tagesordnung;298
24;17. Noten und Bälle;321
25;18. Ferienzeiten für die Fürsten;338
26;19. Ein Friedensfest;358
27;20. Guerre de plume;373
28;21. Ein politisches Karussell;386
29;22. Diplomatische Explosionen;404
30;23. Kriegstanz;418
31;24. Krieg und Frieden;433
32;25. Der sächsische Handel;454
33;26. Unerledigte Punkte;472
34;27. Der Flug des Adlers;495
35;28. Die Hundert Tage;508
36;29. Der Weg nach Waterloo;524
37;30. Wellingtons Sieg;541
38;31. Die Bestrafung Frankreichs;553
39;32. Letzte Riten;570
40;33. Disharmonisches Konzert;586
41;34. Der Stillstand Europas;606
42;Anhang;628
42.1;Anmerkungen;630
42.2;Literatur;668
42.3;Bildnachweis;692
42.4;Personenregister;694
Einleitung
Die Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongreß ist wahrscheinlich der folgenreichste Vorgang der modernen Geschichte. Nicht nur zeichnete der Kongreß die Landkarte völlig neu. Er entschied, welche Nationen über die nächsten hundert Jahre politisch existieren würden und welche nicht. Er verordnete dem ganzen Kontinent eine Ideologie, die sich aus den Interessen der vier Großmächte ableitete. Sein Versuch, die Vereinbarungen dieser Mächte in Stein zu meißeln, führte dazu, daß sich ihre expansionistischen Bestrebungen auf Afrika und Südasien richteten. Er veränderte die Gestaltung der internationalen Politik von Grund auf. Zu den Folgen des Kongresses gehört damit alles, was seit seinem Ende in Europa geschehen ist, auch der aggressive Nationalismus, der Bolschewismus, der Faschismus, die beiden Weltkriege und letztlich die Europäische Union. Die Akteure dieses dramatischen Schauspiels mit all seinen vielen Schicksalswendungen zählen zu den faszinierendsten Gestalten der europäischen Geschichte. Im Zentrum des Geschehens stand Napoleon, der verzweifelt um seinen Thron kämpfte und doch mit jedem neuen Schritt seine Chancen untergrub und das Unheil offenbar hemmungslos auf sich zog. Auf der anderen Seite stand Zar Alexander von Rußland, der inzwischen überzeugt war, von Gott zur Erlösung der Welt berufen zu sein, ohne zu sehen, daß er in den Augen aller anderen eine Bedrohung dieser Welt darstellte. Der begnadete Strippenzieher Metternich übertraf sich selbst darin, schmeichelnd und beeinflussend die Ereignisse seiner eigenen Vision von einer sicheren Welt anzupassen. In seinem besessenen Bemühen, aus den Trümmern des napoleonischen Reiches für Frankreich – und für sich – zu retten, was zu retten war, knüpfte der listige Talleyrand immer wieder seine Netze. Der ungemein liebenswürdige Castlereagh, in jeder Hinsicht ein grundanständiger Mensch, mußte feststellen, daß er ebenso rücksichtslos Nationen zerlegte und Tauschgeschäfte mit Seelen trieb wie jeder andere Realpolitiker. Viele andere Charaktere nahmen zu gegebener Zeit ihre Plätze in diesem großen Karneval ein, einschließlich des Herzogs von Wellington, der sich als ebenso guter Staatsmann erwies wie als General. Und es gab ein faszinierendes Aufgebot von Frauen, die sich die Leidenschaften und enttäuschten Ambitionen der großen Männer Europas zunutze machten, was immer wieder Augenblicke großer Tragödien und kleiner Farcen schuf. Vom blutgetränkten Schlachtfeld und den armseligen Hütten am Wegesrand bis zu den vergoldeten Boudoirs und Ballsälen Wiens entsprach die Szenerie in allem der Erhabenheit und Erbärmlichkeit dieses Schauspiels. Die Geschichte hat bei den meisten Gebildeten allerdings ein Bild höfischer Eleganz und walzerseligen Leichtsinns hinterlassen. Als ich im Katalog der British Library die Wörter «Wiener Kongreß» eingab, wurde mir eine Liste von Büchern angeboten über: den Ersten Internationalen Meteorologenkongreß, den Kongreß zu ökologischen Problemen von Lipiden, den Kongreß der Europäischen Vereinigung für Regionalwissenschaften, Literatur zu statistischen, sexuellen und philatelistischen Kongressen, zu Kongressen für angewandte Chemie, der Bibliophilen, für Dermatologie, für genealogische und heraldische Wissenschaften, Krampfadern, Exfoliativzytologie, Geburtsfehler, Hepatitis B, Elektroenzephalographie, Klinische Neurophysiologie und viele, viele andere, die alle während des vergangenen Jahrhunderts in Wien veranstaltet worden waren. Zwischen diesen verführerischen Titeln versteckten sich nicht mehr als ein halbes Dutzend, die sich auf die Ereignisse von 1814/15 bezogen. Weitere Nachforschungen ergaben, daß die Literatur zu diesem Gegenstand tatsächlich schwer faßbar ist. Die umfangreichen und kompakten deutschen Untersuchungen, die überwiegend während des Prozesses der deutschen Einigung im 19. Jahrhundert und dann in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden, spiegeln die speziellen Anforderungen der jeweiligen Epoche wider. Ein jüngerer französischer Beitrag, «Le Congrès de Vienne. L’Europe contre la France», enthält bereits im Titel eine Sichtweise, die charakteristisch für einen großen Teil der französischen Literatur zum Thema ist. Britische Studien zeichnen sich durch eine unglaubliche Überheblichkeit aus, die sich einer Unkenntnis der europäischen Bedingungen und der Überzeugung verdankt, daß Großbritannien keine Eigeninteressen verfolgte und seine Beteiligung daher unparteiisch und wohlwollend war. Wo immer sie auch geschrieben wurden, die meisten vorhandenen Bücher über den Kongreß sind ihrer Art nach oberflächlich, und die besten sind paradoxerweise jene, die sich redlicherweise nur auf die sozialen und auf die erotischen Aspekte des Ganzen beschränken. Kurzum, es gibt keine zufriedenstellende umfassende Untersuchung dieses Ereignisses, und folglich wissen die meisten Leute wenig darüber, außer daß auf diesem Kongreß viel getanzt wurde. Die Gründe dafür wurden mir klar, als ich mich den Komplexitäten des Gegenstandes zuwandte. Es fängt damit an, daß der Wiener Kongreß in einem formellen Sinn niemals wirklich stattgefunden hat. Ähnlich wie «Jalta» für Verhandlungen und Abkommen zwischen 1943 und 1945 und sogar danach steht, umschreibt «Wiener Kongreß» pauschal einen Prozeß, der im Sommer 1812 begann und erst zehn Jahre später zu Ende ging. Wie so oft bei einem sich lange hinziehenden Prozeß sind es die scheinbar nebensächlichen Details, deren Lösung in frühen Phasen der Verhandlungen vertagt wurde, die dann aber in der entscheidenden Schlußphase die Verhandlungen beherrschen und verzerren. Es läßt sich daher unmöglich ein umfassender und verständlicher Bericht dieses Ereignisses schreiben, ohne eine sehr lange Zeitspanne in den Blick zu nehmen, und das verlangt viel Arbeit und erzwingt einen komplexeren Text, als ihn sich manch ein Historiker vornehmen möchte. Ebenso wichtig ist es für jeden, der sich dieses Gegenstandes annehmen will, so viele europäische Sprachen wie möglich hinreichend zu kennen. Die Verhandlungen, die zwischen 1812 und 1815 geführt wurden, lassen sich mit einem Pokerspiel vergleichen, dessen Verlauf nur verständlich wird, wenn man sieht, welche Karten jeder Spieler auf der Hand hat und wie er sie ausspielt. Darüber hinaus ist etwas erforderlich, mit dem Historiker, die ihr Handwerk zu anderen Zeiten gelernt haben, besonders schwer umgehen können: eine Empathie mit den Wünschen und Ängsten jedes Mitspielers aufbringen zu können, weil sonst deren Entscheidungen und Reaktionen unverständlich bleiben. Der Grund dafür, daß es während des Wiener Kongresses mehrfach fast zum Krieg kam, war nicht die unprovozierte Aggressivität Preußens, nicht die Widerborstigkeit Rußlands oder die Doppelzüngigkeit Österreichs, er lag bei allen in der Furcht davor, von den anderen über den Tisch gezogen zu werden. Als ich dieses Buch schrieb, beabsichtigte ich, die Verhandlungen, die zu dem Friedensabkommen führten, so vollständig wie möglich darzustellen, denn ich hoffte, daß die Abfolge der Ereignisse sich schließlich zu einer Erklärung dessen verdichten würde, wie dieses Ergebnis erreicht wurde. Ich habe mich bemüht, die Hoffnungen und die Befürchtungen jeder Seite so distanziert und zugleich so mitfühlend wie möglich zu schildern, wobei ich der festen Überzeugung war, daß es in diesem Spiel weder «gute» noch «böse» Akteure gab, sondern ausschließlich angstvolle. Der Umfang der Untersuchung, den ich vorgesehen hatte, gestattete mir nicht, so ausführlich auf die Politik der bourbonischen Restaurationen einzugehen, wie ich es mir gewünscht hätte; das gleiche gilt für die verschlungenen Kräfteverhältnisse, in denen das italienische Problem einer Lösung zugeführt wurde, und erst recht für die Komplexitäten der deutschen Frage. Einer der wichtigsten, wenn nicht gar der wichtigste Gegenstand in dem, was wir als Wiener Kongreß bezeichnen, ist die territoriale und staatsrechtliche Neuordnung Deutschlands. Ich habe ihr sicherlich nicht so viel Raum gegeben, wie sie verdient hätte, und doch entschuldige ich mich hier dafür nicht. Es handelt sich bei ihr um einen so vielschichtigen und verwickelten Prozeß, daß nur ein erfahrener Spezialist für deutsche Geschichte ihn adäquat erfassen könnte, und dem dazu entstehenden Bericht könnte auch nur jemand folgen, der kaum weniger in diesem Thema versiert wäre. Für ein verständliches Gesamtbild der wesentlichen Aspekte des Kongresses ist es unvermeidlich, viele zusätzliche Zusammenhänge unberücksichtigt zu lassen, so faszinierend sie auch sein mögen. Ich habe mich außerdem, im Sinne einer leichteren Lesbarkeit meiner Darstellung, auf die Hauptakteure konzentriert und es vermieden, viele ihrer zusätzlichen Mitarbeiter und Gegner zu erwähnen. Die Zahl derer, die sich an diesem großen Gerangel um Land, Macht und Einfluß beteiligten, war so groß, daß manch spannender Nebenschauplatz dieser Geschichte...