Zeeb / Dabringhaus / Gander Die Dynamik der Freundschaft
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-86234-797-1
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Eine philosophische Untersuchung der Konzeptionen Montaignes, La Rochefoucaulds, Chamforts und Foucaults
E-Book, Deutsch, Band Band 002, 497 Seiten
Reihe: Freunde – Gönner – Getreue
ISBN: 978-3-86234-797-1
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;5
2;Danksagung;13
3;Anmerkungen zur Zitierweise;15
4;Einleitung;17
5;Teil I: Michel de Montaigne – Freundschaft und die skeptische Anerkenntnis von Lebenswelt;29
5.1;I.1 Einleitende Bemerkungen;29
5.2;I.2 Die pyrrhonische Skepsis;32
5.3;I.3 Montaignes Entwurf einer skeptischen Anerkenntnis von Lebenswelt;44
5.4;I.4 Montaignes Annäherung an das Phänomen der Freundschaft;66
5.5;I.5 Montaignes skeptische Sicht auf die Freundschaft;92
5.6;I.6 Rekapitulierende Schlussbemerkungen;107
6;Teil II: François de La Rochefoucauld – Freundschaft und die Ethik der Höflichkeit;113
6.1;II.1 Einleitende Bemerkungen;113
6.2;II.2 Höflichkeit und politesse;116
6.3;II.3 La Rochefoucaulds kritische Haltung gegenüber den Konventionen der politesse;137
6.4;II.4 La Rochefoucaulds problematisches Authentizitätsideal;147
6.5;II.5 Das Ideal des honnête homme – Vom erlaubten moralischen Schein;170
6.6;II.6 Die société des honnêtes gens als Reduktionsform des Ideals der Freundschaft;190
6.7;II.7 Zum Stil der Maximes;228
6.8;II.8 Rekapitulierende Schlussbemerkungen;239
7;Teil III: Nicolas Chamfort – Freundschaft und das Denken der Distanz;241
7.1;III.1 Einleitende Bemerkungen;241
7.2;III.2 Zur Erkenntnistheorie Chamforts;244
7.3;III.3 Zur Texttheorie Chamforts;262
7.4;III.4 Zur Anthropologie Chamforts;278
7.5;III.5 Zur Soziologie Chamforts;294
7.6;III.6 Der honnête homme und der philosophe als gebrochene ethische Ideale;320
7.7;III.7 Eine Ethik des Rückzugs als Freundschaft mit sich selbst;343
7.8;III.8 Die Freundschaft mit anderen;374
7.9;III.9 Rekapitulierende Schlussbemerkungen;397
8;Schlußsynopse der moralistischen Freundschaftskonzeptionen;399
8.1;Die Dynamiken moralistischer Freundschaftskonzeptionen;399
9;Teil IV: Michel Foucault – Freundschaft und die Sorge um sich;415
9.1;IV.1 Freundschaft als zentrales Interesse des späten Denkens Michel Foucaults;415
9.2;IV.2 Ästhetik der Existenz – Ethik der Selbstsorge. Eine Standortbestimmung;417
9.3;IV.3 Foucaults historische Analysen zur Sorge um sich;422
9.4;IV.4 Foucaults Aktualisierung der Selbstsorge;445
9.5;IV.5 Freundschaft;466
9.6;IV.6 Fazit;476
10;Bibliographie;479
10.1;Michel de Montaigne;479
10.2;François de La Rochefoucauld;479
10.3;Nicolas Chamfort;479
10.4;Michel Foucault;480
10.5;Sekundärliteratur;481
Teil III: Nicolas Chamfort – Freundschaft und das Denken der Distanz (S. 241-242)
III.1 Einleitende Bemerkungen
»Chamfort. – Dass ein solcher Kenner der Menschen und der Menge, wie Chamfort, eben der Menge beisprang und nicht in philosophischer Entsagung und Abwehr seitwärts stehen blieb, das weiss ich mir nicht anders zu erklären, als so: Ein Instinct war in ihm stärker, als seine Weisheit, und war nie befriedigt worden, der Hass gegen alle Noblesse des Geblüts: vielleicht der alte, nur zu erklärliche Hass seiner Mutter, welcher durch die Liebe zur Mutter in ihm heilig gesprochen war, – ein Instinct der Rache von seinen Knabenjahren her, der die Stunde erwartete, die Mutter zu rächen.
Und nun hatte ihn das Leben und sein Genie, und ach! am meisten wohl das väterliche Blut in seinen Adern dazu verführt, eben dieser Noblesse sich einzureihen und gleichzustellen – viele, viele Jahre lang! Endlich ertrug er aber seinen eigenen Anblick, den Anblick des ›alten Menschen‹ unter dem alten Regime nicht mehr; er gerieth in eine heftige Leidenschaft der Busse, und in dies erzog er das Gewand des Pöbels an, als seine Art von härener Kutte! Sein böses Gewissen war die Versäumniss der Rache.«
Nicolas Chamfort wird 1740, vermutlich als illegitimes Kind einer Angehörigen der höheren Aristokratie und eines Domherren, geboren und wächst als Pflegesohn eines Krämers in einfachen Verhältnissen auf. Ein Stipendium ermöglicht es ihm dennoch, in Paris eine der besten Schulen des Landes zu besuchen. Nach deren Abschluss beschließt er, sich professionell der Literatur zu widmen. Einige dramatische Stücke verschaffen ihm schließlich denApplaus des Publikums und eröffnen ihm den Zugang zur mondänen Gesellschaft.
Seine Tragödie Mustapha et Zeangir wird 1776 sogar vor dem Königspaar zur Aufführung gebracht, woraufhin er eine königliche Pension und eine Anstellung als Sekretär des Prinzen von Conde erhält. Die Aufnahme in die Academie Franeaise erfolgt 1781. Auf dieser Höhe des Erfolgs angelangt, beginnen Chamforts Versuche, sich aus seinem mondänen Umfeld zurückzuziehen – was ihm allerdings nicht recht gelingen mag.985 Weiterhin inmitten der aristokratischen Gesellschaft lebend, scheint sich in ihm jedoch ein klares Bewusstsein derWidersprüche und Fragwürdigkeiten der französischen Gesellschaft der Zeit sowie der politischen Organisation des Landes zu entwickeln und seine innere Distanz zu seinem Lebensumfeld kontinuierlich zu vergrößern.
Offenbar aus dieser Distanz sowie aus einer ersten euphorischen Hoffnung auf die Möglichkeit zur Gestaltung einer humanitäreren, freieren Gesellschaft heraus schließt sich Chamfort der Revolution an. Er ist Mitglied im Klub der Dreißig, der die ersten demokratischen Wahlen Frankreichs vorbereiten wird,987 verfasst in seinen Tableaux historiques de la Revolution franeaise eine Chronik der Revolution, 988 ist für einige Zeit Leiter der Gazette Nationale de France sowie der Nationalbibliothek.