Zöller | Hegels Philosophie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

Reihe: C. H. Beck Wissen

Zöller Hegels Philosophie

Eine Einführung
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-406-74961-2
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Einführung

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Reihe: C. H. Beck Wissen

ISBN: 978-3-406-74961-2
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Hegels Geburtstag jährt sich 2020 zum 250. Mal - seine ebenso berühmte wie berüchtigte Publikation "Grundlinien der Philosophie des Rechts" erschien vor 200 Jahren. Aus diesem doppelten Anlass führt der Münchner Philosoph Günter Zöller klar und konzise ein in das Werk des bedeutendsten Philosophen des 19. Jahrhunderts. Er umreißt seinen politischen und philosophischen Kontext und legt den Fokus der Darstellung auf Hegels vier Hauptschriften sowie seine späten Vorlesungen zu Weltgeschichte, Ästhetik, Religionsphilosophie und Philosophiegeschichte.

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1. Einleitung:
Zwischen Revolution und Restauration
Die gut sechzigjährige Spanne von Hegels Leben erstreckt sich von den letzten beiden Jahrzehnten der alten europäischen Ordnung (Ancien Régime) über die Französische Revolution und das Kaiserreich Napoleon Bonapartes bis zur Neuordnung des nachrevolutionären Europa im Zeichen von absoluter Monarchie und christlicher Religion (Restauration) und weiter zur politischen Unterdrückung erster nationaler, liberaler und demokratischer Bestrebungen (Reaktion) und schließlich zur politischen Erhebung von 1830 in Paris (Julirevolution) mit den anschließenden Aufständen in den Vereinigten Niederlanden und in Polen. Als aufmerksamer Zeitgenosse und fleißiger Zeitungsleser verfolgt Hegel die politischen Entwicklungen und gesellschaftlichen Veränderungen seiner Zeit mit stetem Interesse. Als historisch und politisch denkender Philosoph ist er bestrebt, das äußere Geschehen in seiner geschichtlichen wie gegenwärtigen Bedeutung zu erfassen. Die im Folgenden aufgeführten drei Signaturen seiner Zeit liefern deshalb zugleich die Orientierungspunkte für Hegels Denkweg vom intelligenten Beobachter zum originellen Interpreten des Zeitgeists. Aufklärung und Ancien Régime
Die Epoche der Spätaufklärung, in der Hegel aufwächst, ist eine Zeit des Übergangs. In Kontinentaleuropa dominiert weiterhin die absolutistische Regierungsform. Kulturell geht die politische Unmündigkeit des Bürgertums aber einher mit einer beträchtlichen Blüte von Kultur, Wissenschaften und Künsten. Generell zielen die aufklärerischen Bestrebungen auf die weitere Verbreitung und allgemeinere Verfügbarkeit von Kenntnissen und Fertigkeiten über den engen Kreis von Spezialisten und Eingeweihten hinaus. Exemplarisch für die populäre Tendenz der Spätaufklärung ist das publizistische Großunternehmen der von d’Alembert und Diderot herausgegebenen Enzyklopädie (Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, 1751–?72). Im europäischen Vergleich unterscheidet sich die relativ gemäßigte und weitgehend akademisch geprägte Aufklärung in Deutschland von ihrer radikaleren Form in Frankreich, die auch die Extrempositionen von Materialismus (La Mettrie), Atheismus (d’Holbach) und Republikanismus (Rousseau) einschließt, aber auch von der schottischen Aufklärung, die wegweisende Beiträge leistet zur politischen Ökonomie und Sozialgeschichte (A. Smith, A. Ferguson). Typische Themen der Aufklärung in Deutschland – oder vielmehr: in den protestantisch geprägten Teilen Deutschlands – sind das Verhältnis von Kirche und Staat (exemplarisch diskutiert im Hinblick auf die Zivilehe), das von säkularer Vernunft und religiöser Offenbarung sowie das von politischer Kritik und bürgerlichem Gehorsam. Für die Nachwirkung der Aufklärung in Hegels späterem Denken spielen neben deren allgemein kritischem Geist auch die neuen wissenschaftlichen Orientierungen, die im Verlauf des 18. Jahrhunderts zutage treten, eine Rolle. Neben die frühere Fokussierung der neuzeitlichen Naturwissenschaft auf die Physik (Newton) tritt die sich herausbildende biologische Wissenschaft («Naturgeschichte») in Gestalt der klassifikatorischen Botanik (Linné) und Zoologie (Buffon). Als besonders prägend für das zeitgenössische und spätere Denken über Gestaltungsprozesse und Formveränderungen verschiedenster Art erweisen sich dabei die Theoriebildungen über Entstehung und Entwicklung des tierischen Organismus in Embryologie und Physiologie. Zu den Naturwissenschaften tritt in der späteren Phase der Aufklärung die wissenschaftliche Beschäftigung mit Gesellschaft, Geschichte und Geographie als Teil einer weit gefassten Moralphilosophie (philosophia moralis, moral science, science morale) und einer allgemeinverständlichen Philosophie (Popularphilosophie, common sense philosophy). Historisch weitet sich der philosophisch aufgeklärte Blick dabei auf die Weltgeschichte, geographisch auf den außereuropäischen Raum und kulturell auf überseeische Völker und Staaten. Das maßgebliche Werk solcher komparativen, rechtlich-politisch orientierten Kulturmorphologie über Zeiten und Räume hinweg ist Montesquieus Vom Geist der Gesetze (1748). Speziell der eurasische Raum während knapp anderthalb Jahrtausenden ist Gegenstand der philosophischen Geschichtsschreibung von Gibbons Verfall und Untergang des Römischen Reiches (1776–?88), einem monumentalen Werk, das außer dem am Ausgang der Antike untergegangenen Weströmischen Reich auch das Reich von Ostrom (Byzanz, umbenannt in Konstantinopel, jetzt Istanbul) umfasst, das bis zu seiner Eroberung durch das Osmanische Reich (1453) überdauert. Antike und Moderne
Das aufklärerische Interesse an fremden und fernen Kulturen steht im größeren Zusammenhang mit dem steigenden Interesse an der Ortsbestimmung der eigenen gesellschaftlichen Gegenwart im Spiegel früherer Formen von sozialer und politischer Existenz. Von besonderer Bedeutung ist hier die Selbstunterscheidung der neuzeitlichen Gegenwart gegenüber der klassischen Antike. Ihren Ausgang nimmt die kritische und selbstkritische kulturelle Ortsbestimmung der neueren Zeit von dem in Frankreich schon im 17. Jahrhundert entfachten Streit zwischen den Verfechtern der fortgesetzten Mustergültigkeit der klassischen Antike («die Alten») und den Vertretern einer von der Antike spezifisch verschiedenen zeitgenössischen Kultur in den Bereichen von Wissenschaften, Künsten und Politik («die Modernen»). Anders als die vergleichsweise unkritische Wiederaufnahme klassisch-antiker Autoren und Traditionen in den frühneuzeitlichen Strömungen des gelehrten Humanismus und der künstlerischen Renaissance ist der «Streit der Alten und der Modernen» (Querelle des Anciens et des Modernes) im 17. und 18. Jahrhundert methodisch reflektierter und theoretisch differenzierter. Selbst die Verfechter der fortgeführten Nachahmung antiker Denk- und Lebensmuster in der fortgeschrittenen Moderne sehen in den klassischen Vorbildern neben der geschichtlichen Größe den Niedergang («Korruption» oder «Verderbnis», «Dekadenz» oder «Verfall») und neben den mustergültigen Kulturleistungen (Architektur, Skulptur, Dichtung, Philosophie) deren brutale Begleitumstände (Sklaverei, Proletariat). Besondere Bedeutung kommt in der differenzierten Antikenrezeption des 18. Jahrhunderts, an der auch Hegel teilhat, der Geschichte Roms zu, die ebenso für politische Freiheit («Republik») und für Weltherrschaft («Imperium») steht wie für despotische Exzesse (Cäsarentum, Militärdiktatur) und für chaotischen Untergang (Barbareneinfälle, «Völkerwanderung»). Vor dem Hintergrund des römisch-republikanischen Kults von Bürgertugend (virtus) und politisch freier Lebensweise (libertas) stellt sich den Zeitgenossen die Frage nach dem Eigenwert von persönlicher Selbstbestimmung und gewinnorientiertem Handeln in einer durch Individualität und Freizügigkeit geprägten, im spezifischen Sinne modernen Gesellschaft, wie sie sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts in Westeuropa zunehmend ausbildet. Im Vergleich zur immensen Bedeutung Roms als geschichtlichem Parallelfall für die Entwicklungen in der aufklärerischen Moderne ist die andere Hälfte der klassischen Antike – Griechenland – insgesamt betrachtet nur von geringer Bedeutung für die Selbstverständigung des europäischen 18. Jahrhunderts. Das gründet zum einen in der praktischen Unzugänglichkeit des damals unter osmanischer Herrschaft stehenden griechischen Mutterlandes und seiner kleinasiatischen Kolonien. Nur der griechische Kolonisationsraum in Süditalien samt Sizilien steht für zeitgenössische Entdeckungen oder Wiederentdeckungen griechischer Architektur (Paestum mit seinen drei dorischen Großtempeln) offen. Vor allem aber ist den politisch Denkenden des Aufklärungszeitalters die griechische Erfahrung mit direkter Demokratie suspekt wegen der historisch mit dieser Regierungsform verbundenen Phänomene von Populismus («Demagogie»), Pöbelherrschaft («Ochlokratie») und rapiden Regimewechseln («Bürgerzwist», stasis). Wenn im Verlauf des 18. Jahrhunderts Freiheit und Gleichheit theoretisch reklamiert oder praktisch durchgesetzt werden (Amerikanische Revolution, Französische Revolution), geschieht dies durchweg im Rückgriff auf Rom und seine aus monarchischen, aristokratischen und demokratischen Elementen oder Funktionen zusammengesetzte politische Einrichtung («gemischte Verfassung»). Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wird sich,...


Günter Zöller ist Professor für Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.



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