Allhutter | Dispositive digitaler Pornografie | Buch | 978-3-593-38858-8 | sack.de

Buch, Deutsch, Band 39, 315 Seiten, Format (B × H): 143 mm x 214 mm, Gewicht: 440 g

Reihe: Politik der Geschlechterverhältnisse

Allhutter

Dispositive digitaler Pornografie

Zur Verflechtung von Ethik, Technologie und EU-Internetpolitik
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-593-38858-8
Verlag: Campus

Zur Verflechtung von Ethik, Technologie und EU-Internetpolitik

Buch, Deutsch, Band 39, 315 Seiten, Format (B × H): 143 mm x 214 mm, Gewicht: 440 g

Reihe: Politik der Geschlechterverhältnisse

ISBN: 978-3-593-38858-8
Verlag: Campus


Durch die Verbreitung der neuen Medien ist Pornografie Teil der Massenkultur geworden. Doris Allhutter analysiert die Herstellung und Verbreitung pornografischer Inhalte über das Internet und verknüpft die technologischen Aspekte mit den ethischen und politischen Diskussionen zu diesem Thema.
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Inhalt

Dank

"Fission Impossible" - Ein Vorwort

1. Pornografie als Diskurs, Praktik und Politikfeld
1.1 Geschlechtertheoretischer Zugang: Dekonstruktion und Technowissenschaftsforschung
1.2 Normativität und situiertes Wissen: die feministische Porno-Debatte
1.3 Ko-Konstruktion von Technologie, Geschlecht(erdifferenz) und digitaler Pornografie
1.4 "Disentanglement"

2. Informationsethische Pornografie-Diskurse
2.1 Das Forschungsfeld der Informationsethik
Informationsethische Zugänge und Werte - Geschlechterperspektive und feministische Kritik - Pornografie als Gegenstand der Informationsethik
2.2 Dekonstruktion einer Opposition
Zur Konstruktion von Wissensansprüchen - Implizit vermittelte Werte: Pornografie als Schaden oder Ärgernis - "Neutrale" Auslassungen und verdeckte Widersprüche
2.3 Rediskursivierung von Geschlecht und Technologie

3. Soziotechnologische Praktiken: digitale Pornografie als Artefakt
3.1 Visuelle Pornografie und Medientechnologien
Digitale Anwendungsformate - Genres digitaler Pornografie
3.2 Technologische Verbreitung und Regulierung: die Infrastruktur digitaler Pornografie
Suchkategorien als Organisationsprinzip sexistischer und heteronormativer Darstellungskonventionen - Rassisierende und ethnisierende Suchbegriffe - Alter und soziale Hierarchie in Porno-Suchmaschinen - "Sorting Things Out": Homogenisierung und Informationsautonomie
3.3 Die Herstellung von CG-Pornografie: Design-Entscheidungen als Schnittstelle zwischen EntwicklerInnen und Artefakten
Technologische Entwicklungsprozesse als soziale Konstruktionsentscheidungen - "Die Puppen zum Tanzen bringen" oder Porno-Bricolage - Differenz als Techno-Warenfetisch
3.4 Die Repräsentation von Sexualität als Spielelogik: Design-Entscheidungen als Schnittstelle zwischen Porno-Games und UserInnen
3D-Sex-Simulatoren - Normierte Handlungsspielräume
3.5 Die Aneignung pornografischer Phantasmen als individueller und kollektiver Akt
Technology "simulates what stimulates" - Individuelle Lesarten und disziplinierte Entschlüsselung

4. "Illegale und schädigende Internetinhalte" als Politikfeld
4.1 Der Framing-Ansatz im Forschungsfokus pornografischer Internetinhalte
4.2 Die Entwicklung der EU-Internetpolitik
Das Politikfeld - Grundrechtlicher Rahmen
4.3 Werte und Normen in den "Aktionsplänen zur sichereren Nutzung des Internet"
Agenda Setting, Politikformulierung und Inhalt - Das Policy-Framing der institutionellen EU-AkteurInnen
4.4 Strategien eines Privatisierungsdiskurses
Grundrechtseingriffe und liberale Abwehrrechte - "Geschlechterperspektive" und feministische Zugänge im Politikprozess - Von konkurrierenden Policy-Frames zur (Re-)Konstituierung hegemonialer Werte

5. Dispositive digitaler Pornografie: die Verflechtung
5.1 Verschränkung informationsethischer Pornografie-Diskurse und der Policy-Framings der EU
5.2 Das Differenz- und das neoliberale Marktdispositiv als implizites Wissen soziotechnologischer Praktiken
5.3 "Die Informatik der Herrschaft": Beziehung und Funktion der diskursiven Knotenpunkte

Literatur

Abkürzungen


Fission Impossible - Ein Vorwort

Spätestens mit der Verbreitung und Kommerzialisierung des Internets ist Pornografie zum massenkulturellen Phänomen geworden. "Erotik"-Dienste für mobile Technologien, die zunehmende Pornografisierung des öffentlichen Raums und der Massenmedien normalisieren und propagieren den Konsum von Pornografie. Als "adult entertainment" gesellschaftlich legitimiert scheint jede Gegenposition einer offenen Gesellschaft zuwider zu laufen. KulturkritikerInnen befürchten, dass die Idealisierung des Pornografie-Konsums unterstützt durch die informationstechnologische Infrastruktur sexistische Gesellschaftsstrukturen weiter verfestigen, dass in den unkontrollierbaren Weiten des Internets noch misogynere Repräsentationen kursieren, und dass die neuen Technologien in Verbindung mit dem internationalen Frauen- und Mädchenhandel als logistische All-in-One-Lösung für die Sex-Industrie dienen. Cyberfeministische Auseinandersetzungen mit der Technologisierung von Körpern und der Vervielfältigung von Geschlechteridentitäten betonen allerdings auch das oppositionelle und subversive Potenzial der neuen Technologien. Sie würden Diskurse eröffnen, die die Wahrnehmung physischer Begrenztheit und Determinationen verschieben und es damit ermöglichen, neue Geschlechterperformanzen zu imaginieren. Pornografie stellt ein gesellschaftlich widersprüchliches Themengebiet dar, dessen Widersprüche auch in der vorliegenden Arbeit nicht ausgeräumt werden können. Die Vereinfachung von Kausalzusammenhängen, wie etwa das ursächliche Verhältnis von Pornografie und Vergewaltigung oder Pornografie und Frauenhandel, wurde innerhalb der feministischen Pornografie-Debatte zu Recht kritisiert. Dennoch steht weiterhin die Frage nach den neoliberalen, geschlechterhierarchischen Rahmenbedingungen, unter denen Pornografie produziert und konsumiert wird und auch nach möglichen Auswirkungen des kollektiven Phantasmas der Mainstream-Pornografie im Raum. Das wachsende pornografische Angebot ist in Verbindung mit der massiven Verschlechterung der ökonomischen Situation vieler Frauen im Zuge von Globalisierung und Neoliberalisierung zu betrachten. Der Neoliberalismus als "Projekt gesellschaftlicher Modernisierung" hält ganz klar an altbewährten geschlechtlichen Doppelstandards fest, insofern er einerseits auf "Re-Traditionalisierung sozialer Verhältnisse", konkret auf die Stabilisierung traditioneller Familienverhältnisse setzt, und gleichzeitig Individualisierung und "soziale Ent-Bindung […] als ›Qualität‹ neoliberaler, ›flexibler‹ Menschen" propagiert (Kreisky 2001: 39). Als stereotyp-weibliche Rollenbilder dienen in diesem System nach wie vor das Bild der Frau als Mutter, wie es in sozial-politischen Diskursen und im Kontext der Reproduktionstechnologien strapaziert wird, und das Bild der Frau als Hure, das unter anderem durch die Zurschaustellung und Präsentation von als weiblich definierter, übersexualisierter Körperlichkeit rekonstruiert wird.

Mit der Etablierung der Porn Studies in den USA hat die (feministische) Pornografie-Debatte auch in Europa wieder an Bedeutung gewonnen. Und nach wie vor scheint sich der Diskurs an Positionen abzuarbeiten, die einerseits gegen die Verfügbarkeit über Frauenkörper und andererseits gegen die soziale Disziplinierung sexueller Ausdrucksmöglichkeiten jenseits des Mainstreams kämpfen. Die Oppositionen der "sex wars" der 1970er und 1980er Jahre sind keineswegs überwunden. Die polarisierende Debatte, das unglaubliche Massenangebot, wie auch die Inhalte mancher Darstellungen, erwecken das Anliegen, schlussendlich zu einer Position zu gelangen, die dem Zusammenhang ihrer Herstellungs- und Rezeptionskontexte Rechnung tragen kann. Angesichts der Vielfalt an pornografischen Ausdrucksformen ist der Anspruch, zu einem finalen Urteil über die Pornografie zu gelangen, längst obsolet geworden. Nichtsdestotrotz verlangt die Allgegenwärtigkeit pornografischer Bilder, sich mit diesen uneindeutigen Repräsentationen näher zu beschäftigen.

Die Ambivalenz, die sich hier zeigt, manifestiert sich einerseits im feministischen Anspruch, politisch zu agieren und vielschichtige Herrschaftsverhältnisse von Politik, Wirtschaft, Technologie und Kultur im Zusammenhang wahrzunehmen und zu kritisieren. Auf der anderen Seite müssen oppositionelle Strategien jenseits der Produktion ontologischer Wahrheiten über "die Pornografie" oder das "feministische Subjekt" und das "richtige Bewusstsein" verfolgt werden. In Donna Haraways (1995a: 40) Worten solle "niemand mehr vor dauerhaften partiellen Identitäten und widersprüchlichen Positionen zurückschrecken. Der politische Kampf bestehe darin, beide Blickwinkel zugleich einzunehmen, denn beide machen sowohl Herrschaftsverhältnisse als auch Möglichkeiten sichtbar, die aus der jeweiligen anderen Perspektive unvorstellbar sind". Haraway bezeichnet diese Strategie ironisch als "Fission Impossible, Spaltung Unmöglich".

Diskussionen mit KollegInnen haben mich immer wieder mit der Frage zurückgelassen, wie ich ohne generalisierend zu argumentieren, Pornografie inhaltlich dennoch kritisieren und behaupten kann, dass sie einen Einfluss auf Geschlechterverhältnisse habe. Wie kann Pornografie als darstellendes Genre differenziert betrachtet werden, ohne dass damit jede politische Aussagekraft verloren geht? Um den "göttlichen Trick", den universalen Blick von oben, gegen eine Wissenschaft und Politik der "Interpretation […] und des partiell Verstandenen" (Haraway 1995b: 89f.) auszutauschen, ist in einer analytischen Herangehensweise eine Abgrenzung der pornografischen Sphären von Produktion und Konsum nötig. Wenn Pornografie, bestimmte pornografische Genres oder bestimmte pornografische Repräsentationen als sexistisch und menschenverachtend, als subversiv und lustvoll erachtet werden, kann dies sicherlich nicht als unabhängig von den Produktionsverhältnissen, aus denen sie hervorgehen, betrachtet werden. Eine (positive oder negative) Kritik von Repräsentationen oder deren Wirkungen kann sich aber nicht - wie oft versucht wird - allein aus dieser Sichtweise argumentieren. In meiner Arbeit habe ich versucht, den Spuren, die gesellschaftliche Verhältnisse in den Artefakten und ihren Herstellungs-, Verbreitungs- und Aneignungspraktiken hinterlassen, nachzugehen. Diese Spurensuche verliert das Gesamtbild nicht aus den Augen, sondern soll zeigen, wie unspektakulär jede Praktik für sich agiert und wie sich gleichzeitig im Zusammenwirken wissenschaftlicher, kultureller, soziotechnologischer und politischer Praktiken realitätsmächtige Herrschaftsstrukturen reproduzieren.


Allhutter, Doris
Doris Allhutter, Dr. phil., arbeitet am Institut für Technikfolgen- Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Doris Allhutter, Dr. phil., arbeitet am Institut für Technikfolgen- Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.



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