Börnert-Ringleb / Casale / Balt | Lern- und Verhaltensschwierigkeiten in der Schule | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 285 Seiten

Börnert-Ringleb / Casale / Balt Lern- und Verhaltensschwierigkeiten in der Schule

Erscheinungsformen - Entwicklungsmodelle - Implikationen für die Praxis
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-17-040426-7
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Erscheinungsformen - Entwicklungsmodelle - Implikationen für die Praxis

E-Book, Deutsch, 285 Seiten

ISBN: 978-3-17-040426-7
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



SchülerInnen mit Lernschwierigkeiten zeigen häufig auch Probleme im Verhalten - und umgekehrt. Für SchülerIinnen und Lehrkräfte sind solche gleichzeitig auftretende Phänomene eine große Herausforderung, die mit Fragen zur gezielten Unterstützung dieser Zielgruppe einhergeht.

Das Buch fokussiert das Phänomen gleichzeitig auftretender Lern- und Verhaltensschwierigkeiten in der Schule mit dem Ziel, Grundlagen- und Handlungswissen zu dem Thema zu vermitteln. Dabei richtet sich das Werk gleichermaßen an interessierte PraktikerInnen, Studierende und Forschende, die sich aus verschiedenen Anlässen mit dem Thema auseinandersetzen wollen. In insgesamt 25 Kapiteln bearbeiten ausgewiesene ExpertIinnen aus der Sonderpädagogik, der Psychologie, der Erziehungswissenschaft und der Bildungsforschung verschiedene Themen, die für das gemeinsame Auftreten von Lern- und Verhaltensschwierigkeiten in der Schule relevant sind.

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Lernschwierigkeiten
Moritz Börnert-Ringleb Schulisches Lernen variiert in Erfolg, Form und Inhalt sowohl zwischen Kindern und Jugendlichen als auch im Laufe der Entwicklung eines Kindes. Erfolgreiche Lernprozesse hängen dabei von zahlreichen Faktoren auf unterschiedlichen Einflussebenen ab. Neben internen Bedingungen erfolgreichen Lernens (wie z.?B. kognitive Fähigkeiten, Arbeitsgedächtnis, Motivation oder auch emotionale Zustände) kann Lernen ebenfalls durch kontextuelle, externe Einflüsse und Bedingungen (z.?B. die Qualität des unterrichtlichen Angebotes) beeinflusst werden. Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Einflussvariablen erscheint es naheliegend, dass sich beim schulischen Lernen auch Formen von Schwierigkeiten manifestieren. Gleichzeitig stellt jedoch das Feld der Lernschwierigkeiten ein in sich äußerst vielfältiges Feld dar, welches in der Praxis und Forschung gelegentlich mit vermeintlich synonymen Begriffen wie z.?B. Lernstörungen, Lernbehinderung oder sonderpädagogischer Förderbedarf Lernen gleichgesetzt wird (Mähler, 2020). Bei Betrachtung des Forschungsfeldes wird jedoch deutlich, dass sich das Feld der Lernschwierigkeiten und der angewandten Begriffe in verschiedene Perspektiven unterscheiden lassen kann, welche gleichzeitig mit eigenen Annahmen, diagnostischen Kriterien und Perspektiven für die Förderung einhergehen. Vor diesem Hintergrund sollen in diesem Kapitel diese verschiedenen Perspektiven betrachtet, Überschneidungen aufgezeigt und Differenzlinien erörtert werden. 1 Lernschwierigkeiten als Oberbegriff
Vor dem Hintergrund der Vielfalt an Begriffen, die erschwerte schulische Lernprozesse beschreiben, stellt der Begriff der Lernschwierigkeiten einen Oberbegriff für verschiedene Ausprägungsformen dar. Gold (2018) beschreibt Lernschwierigkeiten in Anlehnung an Zielinski (1980) dahingehend, dass Lernschwierigkeiten dann vorliegen, wenn im schulischen Lernen »wichtige individuelle, soziale oder institutionelle Normanforderungen dauerhaft verfehlt werden« (zitiert nach Gold, 2018, S.18). Diese Definition umschließt somit eine ganze Reihe von Szenarien, in welchen Lernschwierigkeiten auftreten können, da sie die Gesamtheit an möglichen Bezugsrahmen in der Beurteilung von schulischen Lernergebnissen umfasst. Eine Differenzierung der Gesamtheit erscheint jedoch insbesondere mit Bezug auf drei zentrale Dimensionen sinnvoll: 1. Der zeitlichen Dimension der Problematik: Fast alle Lernenden haben zu einzelnen Zeitpunkten ihrer schulischen Laufbahn kurzfristige Schwierigkeiten im Lernen. So können beispielsweise temporäre ungünstige motivationale und emotionale Zustände, Verständnisschwierigkeiten oder auch fehlendes Interesse dazu führen, dass Lernprozesse temporär nicht erwartungskonform verlaufen. Gleichzeitig erfordern diese temporären Einschränkungen nicht notwendigerweise besondere Formen von Unterstützung im Sinne zusätzlicher Ressourcen oder Förderung. Weniger Lernende zeigen langandauernde und übergreifende Schwierigkeiten beim Lernen, welche nicht allein durch nur kurzfristig wirkende Variablen erklärt werden können. Solche Formen von Lernschwierigkeiten überdauern im zeitlichen Verlauf und benötigen spezifische Formen der Unterstützung. 2. Der Schwere der Schwierigkeiten: Lernschwierigkeiten unterscheiden sich neben der zeitlichen Umfänglichkeit auch mit Bezug auf die Intensität. Wie schon in der oben angewandten Definition beschrieben, können die Bezugsrahmen für die Beurteilung abweichender Lernprozesse variieren. So können Lernergebnisse zwar noch eine soziale Bezugsnorm erfüllen, dennoch im Kontext individueller Bezugsrahmen als problematisch beschrieben werden (oder vice versa). In diesem Sinne können somit auch interindividuelle als auch intraindividuelle Verständnisse von Lernschwierigkeiten ergeben. Neben der Wahl des Bezugsrahmens erscheint zudem die Bezugsgröße (im Sinne der Diskrepanz gezeigter Leistung und angewandter Norm) variabel. 3. Dem Umfang der Schwierigkeiten: Das Phänomen der Lernschwierigkeiten umfasst sowohl bereichsspezifische als auch bereichsübergreifende Lernschwierigkeiten. Besonders prominent werden Schwierigkeiten beim Lernen beschrieben, die insbesondere den Erwerb der Kulturtechniken (Rechnen, Lesen und Rechtschreiben) betreffen. Diese Schwierigkeiten können sowohl isoliert in einzelnen Kompetenzbereichen als auch in Kombination auftreten. Darüber hinaus können jedoch auch weitere Lernsituationen betroffen sein. So können sich Lernschwierigkeiten auch durch eine übergreifend eingeschränkte Fähigkeit der Regulation des Lernprozesses kennzeichnen Die verschiedenen Ausprägungsformen bzw. Begriffsverständnisse von Lernschwierigkeiten können sich entlang dieser zentralen Dimensionen unterschieden. Die begriffliche Kategorisierung von unterschiedlichen Formen von Lernschwierigkeiten ist hierbei zudem abhängig von der entsprechenden Bezugswissenschaft bzw. dem entsprechenden Unterstützungssystem (»Provinienz«; Koßmann, 2019, S. 26). So haben sich im Kontext klinisch-psychologischer bzw. medizinischer Forschung und Praxis insbesondere die Termini unterschiedlicher Lernstörungen etabliert. Mit Bezug auf das System Schule sind hingegen die Begriffe der Lernbehinderung, der Lernbeeinträchtigungen wie auch die Bezeichnung des sonderpädagogischen Förderbedarfs im Förderschwerpunkt Lernen zu finden. Darüber hinaus existieren weitere Begriffe im englischen Sprachraum wie »learning disabilities«. 2 Formen von Lernschwierigkeiten
Lernstörungen und Lernschwächen
Das Begriffsfeld der Lernstörungen ergibt sich insbesondere mit Blick auf eine psychologisch-medizinische Perspektive auf Lernschwierigkeiten. In diesem Sinne entsprechen auch diagnostische Kriterien in den einschlägigen klinisch-diagnostischen Manualen (DSM-V, ICD-10) dieser Perspektive. Nach DSM-V handelt es sich bei Lernstörungen demnach um ein »grundlegendes Störungskonzept [...], das sich in verschiedenen spezifischen Formen im Bereich des Lesens, Rechtschreibens und Rechnens darstellt« (Schulte-Körne, 2014, S. 269). Als wesentliches diagnostisches Kriterium wird bei der Feststellung einer Lernstörung dabei auf eine festgestellte Diskrepanz zwischen gezeigter Leistung und sozialer Norm verwendet. Es handelt sich hierbei somit um eine nicht alters- bzw. klassenstufengerechte Leistung im Erwerb einer bzw. mehrerer Kulturtechniken. Gleichzeitig erscheint das Ausmaß der Diskrepanz zwischen gezeigter Leistung und Norm nicht abschließend spezifiziert und »sollte in einem Bereich [...] von 1?–?2.5 Standardabweichungen« (Schulte-Körne, 2014, S. 270) liegen. In der englischsprachigen Version der DSM-V werden Lernstörungen unter dem Begriff »specific learning disabilities« geführt. Im deutschsprachigen Bereich wird im Kontext der Lernstörungen insbesondere auf die ICD-10 verwiesen, in welcher diese als »umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten« (z.?B. Hasselhorn & Schulte-Körne, 2015) beschrieben werden. Im Weiteren werden diese in Rechenstörung, Lese-Rechtschreibstörung sowie eine kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten unterschieden. Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten können somit sowohl isoliert in einzelnen Kompetenzbereichen als auch kombiniert auftreten. Sowohl in DSM-V als auch ICD-10 ist zudem auszuschließen, dass die Schwierigkeiten nicht durch allgemeine Entwicklungsverzögerungen bzw. Intelligenzbeeinträchtigungen zu erklären sind. Fischbach et al. (2013) weisen hier jedoch auf uneinheitliche Definitionen unbeeinträchtigter Intelligenz hin (IQ < 70 bzw. IQ < 85). Trotz deutlicher Überschneidungen der Diagnosekriterien zur DSM-V liegt ein wesentlicher Unterschied in der ICD in der Forderung nach doppelter Diskrepanz. Neben einer Abweichung von sozialer Klassen- und Altersnorm sollte die gezeigte Leistung zudem in Diskrepanz zur erfassten Intelligenz stehen, also geringer sein, als es aufgrund von Alter und Intelligenz zu erwarten wäre. Dieses doppelte Diskrepanzkriterium führt somit zum Ausschluss zahlreicher Szenarien, in denen die Schulleistung nach wie vor deutlich unter der Leistungsnorm liegt. In diesem Zusammenhang werden häufig auch die Begriffe der Lernschwäche (nicht erfüllte Diskrepanz zur Intelligenz) und Lernstörung (erfüllte Diskrepanz zur Intelligenz) unterschieden (Fischbach et al., 2013). In der Prävalenzstudie beschreiben Fischbach et al. (2013) zudem, dass ca. 23?% aller Kinder und Jugendlichen eine Form der Lernschwäche zeigen, von diesen jedoch lediglich 57?% auch eine »Diagnose mit Störungswert« (S. 69) (im Sinne doppelter Diskrepanz) aufweisen. Nicht ohne Grund hinterfragen daher zahlreiche Arbeiten den Nutzen und die Sinnhaftigkeit dieses Kriteriums (z.?B. Ehlert et al., 2012; Mähler, 2020). So fasst Mähler (2020) zusammen, dass »die Vorstellung von grundsätzlichen Unterschieden zwischen lernschwachen Kindern mit versus ohne Diskrepanz zur Intelligenz unzutreffend ist«...


Dr. Moritz Börnert-Ringleb ist Juniorprofessor für Pädagogik bei Beeinträchtigungen des Lernens an der Leibniz Universität Hannover. Dr. Miriam Balt ist dort wissenschaftliche Mitarbeiterin. Dr. Moritz Herzog ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Dr. Gino Casale ist Professor am Institut für Bildungsforschung in der School of Education der Bergischen Universität Wuppertal.

Mit Beiträgen von Janis Bosch, Armin Castello, Charlotte Dignath, Andreas Gold, Conny Griepenburg, Michael Grosche, Tobias Hagen, Mackus Hasselhorn, Thomas Hennemann, Markus Hess, Christian Huber, Linda Juang,
Dorothea Krampen, Johanna Krull, Jörg-Tobias Kuhn, Pawel Kulawiak, Tatjana Leidig, Friedrich Linderkamp, Timo Lüke,
Katja Mackowiak, Sina Napiany, Lars Orbach, Sharleen Pevec, Bodo Przibilla, Heinrich Ricking, Herbert Scheithauer,
Marion Scherzinger, Kirsten Schuchardt, Miriam Schwarzenthal, Roland Stein, Karolina Urton, Christin Vanauer, Marie-Christine Vierbuchen, Alexander Wettstein, Jürgen Wilbert.



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