Finke | Das Netzwerk der Gefühle | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 18, 160 Seiten

Reihe: Personzentrierte Beratung & Therapie

Finke Das Netzwerk der Gefühle

Personzentrierte Emotionspsychologie in Psychotherapie und Beratung
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-497-61865-1
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Personzentrierte Emotionspsychologie in Psychotherapie und Beratung

E-Book, Deutsch, Band 18, 160 Seiten

Reihe: Personzentrierte Beratung & Therapie

ISBN: 978-3-497-61865-1
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Angst, Trauer, Wut, Scham, Schuld: Diese oft als überwältigend erlebten Gefühle sind häufig Anlass, therapeutische Hilfe zu suchen. Dieses Buch eröffnet einen neuen Weg, den empathischen Zugang zu Klientinnen und Klienten zu erweitern. Es macht Erscheinungsbild, Funktion und Vernetzung der fünf Grundregungen transparent und analysiert die Wechselwirkungen emotionaler Anteile bei häufigen psychischen Störungsbildern. So können auch unterschwellige Gefühle identifiziert und in ihrem Zusammenspiel mit Bedürfnissen, Fantasien und Erinnerungen erfasst werden.

Zahlreiche Formulierungsbeispiele zeigen, wie man Klientinnen und Klienten darin unterstützt, emotionale Spannungen bewusst wahrzunehmen, zu regulieren und für eigene Bedürfnisse und Selbstentfaltung fruchtbar zu machen.

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Zielgruppe


PsychologInnen, PsychotherapeutInnen und andere in psychosozialer Beratung tätige Berufsgruppen


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


2Angst Angst ist das Gefühl, das wohl in der Weise seines Erlebens am wenigsten einem kulturellen Wandel ausgesetzt war, dass also am eindeutigsten eine Art anthropologische Konstante darstellt, und zumindest in analoger Form auch bei höheren Tieren vorkommt (Demmerling & Landweer, 2007). Angst warnt vor Gefahren und motiviert zu Flucht oder Kampf (der auch eine Abwehr der Angst bedeutet) und sie hat insofern eine wichtige biologische Funktion. So ist die Angst einerseits ein sehr basales, „urtümliches“ Gefühl, andererseits hat es auch Philosophen dazu angeregt, in ihr ein Phänomen zu sehen, das den Menschen vor sich selbst, vor seinen möglichen Irrwegen und fatalen Entscheidungen warnt (Kierkegaard, 1844/1963). Angst wäre also aus dieser Perspektive ein für das Selbstverstehen des Menschen bedeutsames Gefühl. Dabei spielen aber bei der Angstauslösung nicht nur konkrete äußere Gefahren eine Rolle, sondern auch „innere“ Gefahren. Diese können einerseits das Ergebnis von Imaginationen im Kontext philosophischer Betrachtungen sein, andererseits die Folge von Abwehrvorgängen, was zu einer Erörterung psychopathologischer Phänomene der Angst führt, die im Folgenden erörtert werden sollen. 2.1Erscheinungsbild der Angst Angst ist ein Zustand, bei dem in besonderer Weise psychische und physiologische Phänomene miteinander verbunden sind. Die Wahrnehmung einer Gefahr löst praktisch gleichzeitig psychische und physiologische Reaktionen aus. Psychisch bedingt diese Wahrnehmung eine erhöhte Aufmerksamkeit und Wachheit (Hypervigilanz), eine innere Angespanntheit und Erregung. Dies kann eine eher lustvolle („Angstlust“), angriffs- oder, allgemeiner, aktivitätsbereite und leistungs- und konzentrationssteigernde Erregung sein, wie sie Sportler oder Schauspieler und Vortragende kurz vor ihrem Einsatz oft empfinden. Physiologische Zeichen dieses Zustandes sind Erhöhung der Herzschlag- und Atemfrequenz (Vermehrung der Sauerstoffzufuhr) und des Blutdruckes. Steigt aber der (tatsächliche oder nur vermeintliche) Grad der Gefahr und wird dem entsprechend die Angst überwältigend und vermischt sie sich mit Angstfantasien, bei der bevorstehenden Aufgabe zu versagen, vielleicht sogar als ganze Person zu scheitern, so wird die Anspannung zum körperlichen Empfinden von Beengung (das bedeutet etymologisch der Begriff Angst) und die Aktivitätslust zur Aktivitätshemmung und gar zur niederdrückenden Qual. Ein Gefühl der Enge im Hals- oder Brustbereich, einer Lähmung der Konzentrations- und eventuell sogar der Bewegungsfähigkeit kann sich einstellen. Es kommt schließlich zu einem Erleben von Ausweglosigkeit, Kontrollverlust und bedrückender Ohnmacht. Das Gefühl angespannter Angst kann umkippen in resignierende Depressivität. Physiologisch kommt es zu einer Umschaltung der Aktivierung des Sympathikus, des aktivierenden Systems, zu einer des Parasympathikus, des entspannenden Systems, infolge derer der Blutdruck sinkt und eine Neigung zu Ohnmachtsanfällen sowie auch zu unkontrolliertem Harn- und Stuhlabgang („Hosenscheißer“) entsteht (Hülshoff, 2006). Wenn das Angstgefühl aus der Perspektive der ersten Person, hier also die der Klientin, eine für den PZA zentrale Perspektive, beschrieben wird, wird der Schwerpunkt der Beschreibung auch auf jene körperlichen Anzeichen liegen, die das Erleben der Betreffenden dominieren. Die trockene Zunge, der eingeschnürte Hals, die Enge der Brust, der hämmernde Herzschlag, das hechelnde Atmen sind ein so aufdringliches Empfinden, sodass demgegenüber das eigentliche Angstgefühl nur als ein diffuses Erleben des Grauens und des Schreckes spürbar ist. Aus der Perspektive der dritten Person, des distanzierten Beobachters, ist dann u. U. nur eine gewisse Steifigkeit in den Bewegungen der sich ängstigen Person zu beobachten, eine stockende Stimme, geweitete Augen. Das Angstgefühl ist, wie die meisten anderen Gefühle auch, auf etwas gerichtet, eben auf die jeweilige Gefahr, auf das „Wovor“ der Angst (Heidegger, 1927/1963, S. 185f.), oft auch ihr Gegenstand genannt. Damit macht das Angstgefühl auch eine Aussage bzw. eine emotionale Beurteilung über einen bestimmten, eben gefährlichen Sachverhalt, etwa im Sinne von „Dieser zähnefletschende Hund ist in dieser Situation gefährlich“. Die Philosophen sprechen hier von der propositionalen, d. h. urteilsbildenden Struktur eines Gefühls (Demmerling & Landweer, 2007). Dabei ist in den verschiedenen Schulen der Emotionspsychologie umstritten, ob es sich hier um ein unmittelbares Gefühlsurteil handelt oder ob es kognitive Anteile der Emotion sind, die die eigentlich urteilsbildende Struktur darstellen. Ob also die Wahrnehmung und ihre Bewertung bzw. Einschätzung als eine drohende Gefahr durch kognitive Aspekte der Emotion bedingt sind oder eben durch eine unmittelbar emotionale Bewertung der Situation, das ist zwischen den „Kognitivisten“ (Lazarus, 1966) und „Emotionalisten“ (Döring, 2009; Greenberg, 2011) in der Emotionspsychologie umstritten. Diese Streitfrage soll hier offenbleiben, da ihre Beantwortung für die weiteren Erörterungen unerheblich ist. Das Diagnosesystem DSM-5 (Falkai & Wittchen, 2015) nimmt eine Unterscheidung zwischen Furcht und Angst vor. Danach ist Furcht die emotionale Reaktion auf eine unmittelbar bevorstehende Bedrohung, Angst dagegen die Folge der Antizipation zukünftiger Bedrohung. Diese Unterscheidung kommt philosophischen Betrachtungen der Angst nahe, bei denen ebenfalls häufig ein Unterschied von Angst und Furcht gemacht wird, wobei letztere gegenstandsbezogen ist (man fürchtet dieses oder jenes) und die Angst eher einer diffusen, „gegenstandslosen“ Stimmung entspricht. Nach anderen Unterscheidungskriterien wird eine „Realangst“ der irrealen oder neurotischen Angst gegenübergestellt (Freud, 1926/1971). Davon wiederum unterscheiden könnte man die existenzielle Angst. Letztere eben ist jene Angst, von der die Philosophen sprechen (z. B. Kierkegaard, Heidegger). Diese imponiert eher als Stimmung, in der sich das Erleben unbestimmt bleibender Bedrohlichkeit des in die Welt „geworfenen“ Menschen spiegelt (Stumm, 2019). Phänomene, die einer existenziellen Angst nahekommen, finden sich faktisch nicht selten bei Heranwachsenden als diffuse Angst vor den Ungewissheiten der Zukunft, eine Zukunft, die in beruflicher und auch gesundheitlicher Hinsicht voller Risiken zu sein scheint und auch in Hinblick auf den eigenen Lebensentwurf oft noch als ganz ungeklärt erscheint (Hülshoff, 2006). Im Folgenden soll eine Unterscheidung von Angst und Furcht nicht gemacht werden, wohl aber die Unterscheidung von Realangst und irrealer bzw. „innerer“ Angst. Für die Diagnose einer Angststörung spielt zwar zunächst diese Unterscheidung keine ausdrückliche Rolle, da natürlich das Phänomen „Angst“ gegeben sein muss, die „Realität“ oder eben „Irrealität“ aber am Phänomen der Angst nicht unmittelbar ablesbar ist. Als ein diagnostisches Kriterium, um von einer Angststörung, also einem Phänomen, das Krankheitswertigkeit hat, sprechen zu können, wird dagegen von den Diagnosesystemen die Dauer der Angstsymptome genannt. Für etliche Angststörungen wird eine Dauer ihres Auftretens z. B. nach dem DSM-5 von sechs Monaten und länger vorausgesetzt. Wenn der Therapeut entscheiden muss, ob die Angstsymptome Krankheitswertigkeit haben, etwa weil eine Krankenkasse die Therapiekosten übernehmen soll oder der Klient „krankgeschrieben“ werden will und muss, spielt als Kriterium auch das Ausmaß der Einschränkung seiner Arbeits- und psychosozialen Funktionsfähigkeit eine Rolle. „Krankhafte“ Angst, also ein Angsterleben, das auch die Betroffenen selbst und ihre Angehörigen als therapiebedürftig erleben, zeigt sich bekanntlich in unterschiedlichen Erscheinungsbildern (Kap. 2.4). Dem versucht die moderne psychiatrisch-psychotherapeutische Diagnostik durch ein möglichst phänomennahes Klassifizieren, bei dem die verschiedenen Facetten des jeweiligen „Angst-Bildes“ in Ausprägung und Dauer exakt beschrieben werden, gerecht zu werden. Die gängigen Klassifikationssysteme wie die ICD-11 oder das DSM-5 (Falkai & Wittchen, 2015) sind dabei bemüht, kausale Hypothesen über die Entstehung des jeweiligen Störungsbildes weitgehend zu vermeiden. Für die Angststörungen sind die üblichen Klassifikationseinheiten dabei die Phobien, die sich wiederum aufgliedern in die Agoraphobie, die soziale Phobie und die spezifischen Phobien, die generalisierte Angststörung und die Panikstörung. Das DSM-5 listet dazu noch die „Störung mit Trennungsangst“ auf. Dieser Name impliziert zwar nun doch wieder einen Hinweis auf eine „Ursache“ der Störung. In den folgenden Ausführungen wollen wir als Vertreter eines Ansatzes der verstehenden Psychologie (Galliker, 2015) jedoch die rein phänomenale Ebene überschreiten und von...


Dr. med. Jobst Finke, Essen, ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie für Neurologie und Psychiatrie, Gesprächspsychotherapeut und tiefenpsychologischer Psychotherapeut. Er ist in der Ausbildung für tiefenpsychologisch fundierte und personzentrierte Psychotherapie tätig.



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