E-Book, Deutsch, Band 2349, 130 Seiten
Reihe: Beck'sche Reihe
Jursa Die Babylonier
4. Auflage 2023
ISBN: 978-3-406-78968-7
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Geschichte, Gesellschaft, Kultur
E-Book, Deutsch, Band 2349, 130 Seiten
Reihe: Beck'sche Reihe
ISBN: 978-3-406-78968-7
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Name Babylon erfreute sich von der Antike bis in die Gegenwart nicht selten nur eines zweifelhaften Rufs. So galt der legendäre Turmbau zu Babel als Symbol menschlicher Vermessenheit, die Gott mit Sprachverwirrung strafte, und lange hielt sich das Bild von der Hure Babylon gleichsam als Chiffre für Sittenlosigkeit und Verderbtheit. Jenseits aber von Mythen und Vorurteilen erscheint das historische Babylonien als eine der ältesten Hochkulturen der Menschheit, die durch frühe Entwicklung der Schriftlichkeit und durch Ausprägung von Wissenschaften wie Sternenkunde, Medizin und Mathematik beeindruckt. Unvergänglichen Ruhm erwarb sich König Hammurapi, der im 18. Jahrhundert v. Chr. Babylonien zu einem stabilen Großreich umgestaltete und ein umfassendes Gesetzeswerk schuf, und schließlich erhielt um 1200 v. Chr. das Gilgamesch- Epos, das bis heute als eines der Hauptwerke der Weltliteratur gilt, in Babylonien eine einheitliche, kanonische Fassung.
Michael Jursa bietet eine kompakte, gut lesbare Einführung in die Geschichte eines der bedeutendsten Völker des Alten Orients. Er beschreibt den Aufstieg der Babylonier im 2. Jahrtausend v. Chr. unter König Hammurapi, die Entwicklung ihrer Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Religion und ihres Re chtswesens, die außenpolitische Entwicklung ihres Reiches sowie schließlich dessen Untergang in den Kämpfen gegen die Perser im 6. Jahrhundert v. Chr.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. Forschungsgeschichte und Quellen
Das Alte Testament und die griechischen Quellen
Die Kenntnis von der Existenz Babyloniens und seiner vergangenen Größe war selbst vor dem Beginn archäologischer Forschungen in Mesopotamien im vorletzten Jahrhundert nie ganz verloren. Das Alte Testament überliefert viele historisch korrekte Details zur Geschichte Babyloniens im 1. Jahrtausend (wichtige babylonische Könige wie etwa Nebukadnezar sind heute noch unter der hebräischen, nicht der babylonischen, Form ihres Namens bekannt); vor allem aber erhob es die Stadt Babylon in der Turmbau-Erzählung zu dem im jüdisch-christlichen kulturellen Gedächtnis wohl wirkmächtigsten Symbol für menschliche Hybris (Genesis 11) und in den machtvollen Worten von Jesaja und anderen zu einem Inbegriff gottfeindlicher Weltmacht, an der sich die Prophezeiung des (‹verdienten›) Untergangs eindrücklich bewahrheitet hat: «Wie es Sodom und Gomorra erging, … so wird es Babel ergehen … Für immer wird es unbewohnt sein, bis zu den fernsten Generationen wird es nicht mehr besiedelt. … Dort haben nur Wüstenhunde ihr Lager, die Häuser sind voller Eulen, Strauße lassen sich dort nieder, und Böcke springen umher. Hyänen heulen in Babels Palästen, in den Lustschlössern heulen Schakale» (Jes.13:19–?22a) – ein Konzept, das bis in das Neue Testament hineinwirkt, in dem Babylon als Deckname für das ebenfalls gehasste (oder jedenfalls gefürchtete) Rom verwendet wird. Die in der klassischen Literatur überlieferten Informationen zu Babylonien vermitteln, in Verbindung mit dem Alten Testament, eine rudimentäre, aber in Grundzügen zutreffende Vorstellung von Chronologie und politischer Geschichte Babyloniens im 1. Jahrtausend. Die Antike kennt im Übrigen Babylonien vor allem als Heimat der in Magie, Astrologie, Astronomie, Physiognomik und anderen Wahrsagetechniken bewanderten babylonischen Priester, der sogenannten Chaldäer. Unter den Autoren der griechisch-römischen Antike, die über Babylonien berichten, sind zwei von besonderer Bedeutung: Berossos, von dessen Babyloniaka leider nur Fragmente überliefert sind, und der um vieles einflussreichere Herodot. Berossos (um 280) war ein Priester des Gottes Bel in Babylon. Sein Werk ist bruchstückhaft in Griechisch oder in Übersetzungen aus dem Griechischen überliefert, könnte aber im Original durchaus in Aramäisch abgefasst gewesen sein. Was Berossos zu babylonischen Vorstellungen von Geographie, Mythologie und Geschichte berichtet, schöpft direkt aus dem einheimischen Schrifttum; seine Informationen haben sich, seitdem sie direkt mit Keilschriftquellen verglichen werden können, immer wieder als akkurat herausgestellt und reflektieren jedenfalls getreu das Weltbild der babylonischen Priesterschaft des 3. Jh.s. Ganz anders verhält es sich mit Herodot (ca. 490–?420). Im ersten Buch seiner Geschichte bietet er eine detaillierte Stadtbeschreibung Babylons nebst «ethnologischen» Kuriosa, die bis in das 19. Jahrhundert detaillierteste Informationsquelle für babylonische Gesellschaft und Kultur. Leider ist die Stadtbeschreibung in wesentlichen Punkten unrichtig oder wenigstens ungenau, und viele der von Herodot geschilderten Bräuche der Babylonier – darunter so «sensationelle» bzw. aus griechischer Sicht «skandalöse» wie die Behauptung, jede babylonische Frau müsse sich einmal in ihrem Leben im Tempel der Liebesgöttin prostituieren – dürften entweder schlicht und einfach erfunden oder im besten Fall von Herodots Informanten (er selbst war nie in Babylon) grob missverstanden worden sein. Erwähnungen Babyloniens finden sich neben denen im Alten Testament (und jüngeren jüdischen Texten) und in der klassischen Literatur auch bei mittelalterlichen syrisch-aramäischen und arabischen Historikern. All diese Informationen verblassen aber vor der Fülle an neuen Kenntnissen, die man den babylonischen Quellen selbst entnehmen kann, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zugänglich geworden sind, als Europäer archäologische Untersuchungen im damals zum Osmanischen Reich gehörigen Südmesopotamien aufnahmen. Die Wiederentdeckung Babyloniens im 19. Jahrhundert und die Entstehung der Altorientalistik
Die ersten systematischen Ausgrabungen in Mesopotamien wurden von dem französischen Konsul in Mossul, Paul Emile Botta, vorgenommen, der in den 1840er Jahren in Nordmesopotamien (Assyrien) arbeitete. Wenig später begann der Engländer Austen Henry Layard seine Ausgrabungen in Ninive, bei denen nicht nur eindrucksvolle Skulpturen und Reliefs gefunden wurden, sondern auch die spektakuläre Bibliothek des Assyrerkönigs Assurbanipal, die nach der Entzifferung der Keilschrift die Wiederentdeckung der wichtigsten Werke der babylonisch-assyrischen Literatur ermöglichen sollte. Diese Entzifferung gelang, aufbauend auf den Arbeiten des Deutschen Georg August Grotefend, der als Erster die altpersische Keilschrift (weitgehend) korrekt gedeutet hatte, dem irischen Landpfarrer Edward Hincks in den 1850er Jahren. Diese Leistung wird oft Henry Rawlinson zugeschrieben, einem englischen Offizier, der jene dreisprachige Felsinschrift veröffentlicht hatte, deren altpersische, nach Grotefend im Wesentlichen lesbare Version der Schlüssel zu der babylonischen Parallelversion sein sollte, und der durchaus wichtige Erkenntnisse zur Entzifferung beisteuerte. Der Ruhm, den entscheidenden Durchbruch geschafft zu haben, gebührt aber sicherlich Hincks. Diese Funde rückten Mesopotamien in das Blickfeld der westlichen Öffentlichkeit und stimulierten weitere Untersuchungen. In Südmesopotamien (Babylonien) wurde erst etwas später im größeren Stil gegraben, obwohl William K. Loftus schon um 1850 die gewaltige Ruinenstätte Warka, das alte Uruk, untersucht hatte. In den 1880er Jahren grub Hormuzd Rassam für das British Museum in Mittelbabylonien, vor allem in Sippar, wo Zehntausende Keilschrifttafeln gefunden wurden, sowie in Borsippa und Babylon. Die französische Grabung (ab 1877) in Tello, dem alten Girsu, führte zur Wiederentdeckung der bis dahin gänzlich unbekannten sumerischen Kultur. Ab 1889 untersuchte eine US-amerikanische Expedition die Stadt Nippur, wo unter anderem altbabylonische Häuser mit Bibliotheken gefunden wurden, die später die Rekonstruktion der wesentlichen Werke der sumerischen Literatur erlauben sollten. Angesichts der englischen und französischen Erfolge wollte auch Deutschland um die Jahrhundertwende nicht länger zurückstehen (archäologische Arbeiten im Vorderen Orient hatten in dieser Zeit durchaus auch eine politische Konnotation). Die Deutsche Orientgesellschaft (DOG) begann 1912 mit Ausgrabungen in Uruk. Man gelangte dort bald in Schichten des späten 4. und frühen 3. Jahrtausends, also an die Wurzeln der mesopotamischen Hochkulturen. Richard Koldewey grub ebenfalls für die DOG ab 1899 in Babylon. Er konnte die Stadt in ihrer Form des 1. Jahrtausends buchstäblich wiederauferstehen lassen, fand den Hochtempel (die Zikkurrat) Marduks, das Vorbild des biblischen «Turms von Babel» (von dem allerdings kaum etwas erhalten war), die von Herodot (ungenau) beschriebenen gewaltigen Mauern, den Palast Nebukadnezars und außerdem Tausende Keilschrifttafeln. Die Aufarbeitung der Schriftfunde hatte zu dieser Zeit ebenfalls beträchtliche Fortschritte gemacht, wobei die Parallelen zwischen Werken der babylonischen Literatur und dem Alten Testament, etwa in der (Sint-)Fluterzählung, die sich auch im Gilgamesch-Epos findet, als besonders sensationell empfunden und dementsprechend besonders intensiv behandelt wurden. Große öffentliche Aufmerksamkeit wurde vor dem Ersten Weltkrieg in Deutschland dem sogenannten Babel-Bibel-Streit zuteil, der vom Assyriologen Friedrich Delitzsch begonnen worden war und in dem es um Fragen der Priorität babylonischer Motive im Vergleich zu den biblischen Entsprechungen ging, und der bald mit eindeutig antisemitischen Untertönen geführt wurde. Der Stand der Altorientalistik heute
Der Erste Weltkrieg markiert das Ende der «Gründerzeit» der Altorientalistik. Danach konnte sich das Fach zunehmend an den wichtigsten Universitäten in Mitteleuropa, Frankreich, England, Italien und den USA etablieren. Später bildete sich auch die Vorderasiatische Archäologie als eigene Disziplin heraus. Die Ausgrabungstätigkeit auf dem Gebiet des heutigen Irak und in Syrien erbrachte kontinuierlich neue Erkenntnisse, neue Keilschrifttexte, neue Kunstwerke und eröffnete immer wieder gänzlich unerwartete Perspektiven, wie etwa die italienische Grabung in Tell Mardich in Westsyrien, dem alten Ebla, wo...