Lincoln | Kognitive Verhaltenstherapie der Schizophrenie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 225 Seiten

Reihe: Therapeutische Praxis

Lincoln Kognitive Verhaltenstherapie der Schizophrenie

Ein individuenzentrierter Ansatz
2., überarbeitete Auflage 2014
ISBN: 978-3-8409-2575-7
Verlag: Hogrefe Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Ein individuenzentrierter Ansatz

E-Book, Deutsch, 225 Seiten

Reihe: Therapeutische Praxis

ISBN: 978-3-8409-2575-7
Verlag: Hogrefe Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Die Neubearbeitung des Manuals liefert eine praxisorientierte Darstellung kognitiv-verhaltenstherapeutischer Interventionen zur ambulanten und stationären Behandlung von Patienten mit Schizophrenie. Anhand zahlreicher Beispiele werden Techniken zur Veränderung von Wahn, Halluzinationen und Negativsymptomatik ausführlich beschrieben.

Nach einer kurzen Einleitung zur klinischen Symptomatik, Klassifikation, Epidemiologie und Diagnostik, bietet das Manual einen aktuellen Einblick in die Erforschung psychologischer Mechanismen, die an der Entstehung und Aufrechterhaltung von Psychosen beteiligt sind, sowie einen Überblick über neue Evaluationsstudien zur Therapieforschung. Den Schwerpunkt des Buches bildet die Beschreibung psychotherapeutischer Interventionen, die u.a. den Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung, die Entwicklung individueller Erklärungsmodelle für die Symptome und Probleme sowie die Vermittlung von Strategien im Umgang mit störenden Symptomen wie Stimmenhören oder desorganisiertem Verhalten umfassen. Weiterhin werden Strategien zur gezielten Umstrukturierung wahnhafter Überzeugungen und zugrunde liegender dysfunktionaler Kognitionen, Techniken zur Reduktion von Negativsymptomatik und Interventionen zur Vorbereitung auf Rückfälle dargestellt. Zahlreiche Beispiele und konkrete Formulierungsvorschläge veranschaulichen das Vorgehen.

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Kognitive Verhaltenstherapie der Schizophrenie;1
1.1;Inhaltsverzeichnis;7
2;Kapitel 1 Beschreibung schizophrener Störungen;17
3;Kapitel 2 Ätiologie;33
4;Kapitel 3 Diagnostische Verfahren;51
5;Kapitel 4 Überblick über Behandlungsansätze;58
6;Kapitel 5 Kognitive Verhaltenstherapie für Schizophrenie;64
7;Kapitel 6 Rahmenbedingungen;79
8;Kapitel 7 Einstieg, Zielerklärung, Diagnostik und Erarbeitung von Erklärungsmodellen;87
9;Kapitel 8 Arbeit mit Halluzinationen;101
10;Kapitel 9 Arbeit mit dem Wahn;113
11;Kapitel 10 Interventionen für Negativsymptomatik;124
12;Kapitel 11 Arbeit mit weiteren belastenden Symptomen;135
13;Kapitel 12 Umstrukturierung dysfunktionaler Grundannahmen;140
14;Kapitel 13 Rückfallprävention;145
15;Kapitel 14 Zielklärung und Abschied;155
16;Literatur;157
17;Anhang;167
18;CD-Inhalte
;174


Kapitel 1 Beschreibung schizophrener Störungen (S. 15-16)

1.1 Symptomatik

Die charakteristischen Symptome einer akuten Schizophrenie sind vielfältig und umfassend, wobei kein spezifisches Symptom bei allen Betroffenen auftritt. In der Regel stehen in verschiedenen Stadien unterschiedliche Symptome stärker im Vordergrund. Dem Ausbruch einer akuten Phase geht meistens eine Prodromalphase voraus. In dieser Zeit wird häufig ein Absinken des vorher bestehenden Leistungsniveaus beobachtet. Die Betroffenen klagen über Konzentrationsund Schlafstörungen, ziehen sich zurück und die Kommunikation mit ihnen ist erschwert. In der akuten (floriden) Phase der Schizophrenie dominieren Symptome wie Wahn, Halluzinationen oder desorganisiertes Verhalten und formale Denkstörungen während in der post-akuten Phase oft eher Symptome wie Antriebslosigkeit, sozialer Rückzug und verflachter Affekt zu beobachten sind. Im Folgenden werden die wichtigsten Symptome und Merkmale der Schizophrenie, teilweise anhand von Beispielen, geschildert.

Wahnphänomene Als besonders charakteristisch gelten Wahnphänomene, die bei etwa 80 bis 90 % aller an Schizophrenie erkrankten Personen im Verlauf der Störung auftreten (Andreasen & Flaum, 1991). Nach DSM- IV werden Wahnvorstellungen definiert als „falsche Überzeugungen, die gewöhnlich mit einer Fehldeutung von Wahrnehmungen und Erfahrungen einhergehen“ (S. 329, DSM-IV, Saß et al., 2003).

Kasten 1: Beispiele für Wahnvorstellungen
1. Herr V. ist überzeugt davon, dass er im Golfkrieg als Soldat eine herausragende Rolle gespielt hat und mehrfache Heldenauszeichnungen erhalten hat. Auf Nachfrage, ob er die Auszeichnungen zeigen könnte, erwidert er, dass diese im Kriegsfeuer verbrannt seien. Zudem seien die Narben, die er in den Kriegseinsätzen erwarb, alle auf wundersame Weise verheilt, so dass keine Spuren seines Kampfeinsatzes mehr zu sehen seien.
2. Obwohl Anhaltspunkte dafür fehlen, und Herr Z. nicht politisch aktiv ist, ist er überzeugt, dass die chinesische Geheimpolizei hinter ihm her ist und ihn bespitzelt. Er verbrennt deshalb alle seine schriftlichen Dokumente.
3. Frau M. ist davon überzeugt, dass sie mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ausgestattet und in der Lage ist, in besonderer Weise mit Gott zu kommunizieren und Aufträge von ihm zu erhalten. Manchmal erhält sie den Auftrag, wochenlang das Haus nicht zu verlassen.

Wahnvorstellungen variieren erheblich sowohl in der Überzeugungsstärke als auch thematisch (vgl. Kasten 1). Am Anfang handelt es sich oft eher um fixe Ideen, überzogene dysfunktionale Konzepte oder Interpretationen. Wenn jemand bereits sehr verfestigte Wahnvorstellungen hat und neue, widersprüchliche Information zunehmend in seine Vorstellungen integriert, bzw. diese entsprechend ausweitet, spricht man von einem Wahnsystem. Inhaltlich finden sich am häufigsten Verfolgungswahn oder wahnhafte negative oder positive Überzeugungen in Bezug auf das Selbst (z. B. die Überzeugung, dass eigene Gedanken entzogen werden oder die Überzeugung, telepathische Fähigkeiten zu besitzen). Im Prinzip kann eine große Bandbreite an Themen wahnhaft verarbeitet werden. Typisch sind jedoch religiöse oder politische Inhalte, bei denen ein Bezug zum Selbst besteht, die Themen Sexualität und Partnerschaft oder körperbezogene Wahnhalte (z. B. hypochondrischer Wahn). Seltener sind negative oder positive Wahnvorstellungen in Bezug auf die Welt oder andere nicht selbstbezogene Inhalte (vgl. auch Appelbaum, Robbins & Roth, 1999).

An wahnhaften Überzeugungen wird in der Regel stark festgehalten. Sie werden also trotz Gegenargumenten, widersprüchlichen Erfahrungen oder falsifizierender Information nicht leicht in Frage gestellt. Klassischerweise beinhalteten Definitionen von Wahn deshalb Kriterien, wie „eine Überzeugung an der mit absoluter Überzeugung festgehalten wird“ und die „unveränderbar durch Erfahrung“ ist. In einem Standardwerk für Psychiatrie und Psychotherapie heißt es: „Die Patienten halten an ihren Wahnideen mit unerschütterlicher Überzeugung fest, unkorrigierbar durch andersartige Erfahrungen oder Argumente anderer“ (Olbrich et al., 2004, S. 462). Solche prototypischen Definitionen sind jedoch inzwischen umstritten, weil es vielfache Belege dafür gibt, dass Wahnphänomene in der Überzeugungsstärke variieren und modifizierbar sind (Chadwick, Lowe, Horne & Higson, 1994; Moritz et al., 2013; Sharp et al., 1996).

Neuere Therapieansätze finden ihren Ursprung in der Annahme, dass die Grenzen zwischen normalen Überzeugungen und Wahn fließend sind und dass Wahn auf einem Kontinuum mit normalen Überzeugungen betrachtet werden sollte (Johns & van Os, 2001; McGovern & Turkington, 2001). Insgesamt wird jedoch die Frage, ob es sich bei Wahnvorstellungen um einen qualitativ anderen Mechanismus handelt oder sich Überzeugungen nur in ihrer Ausprägung auf verschiedenen Dimensionen unterscheiden weiterhin kontrovers diskutiert (David, 2010).

Halluzinationen

Etwa 60 % aller Patienten mit der Diagnose Schizophrenie erleben in der akuten Phase akustische Halluzinationen (Andresen & Flaum, 1991). Eine Halluzination ist eine Wahrnehmung, die in Abwesenheit eines angemessenen Stimulus erfolgt, aber den vollen Umfang und die Auswirkung einer realen Wahrnehmung hat. Das bedeutet zum Beispiel, dass jemand Stimmen hört, obwohl niemand spricht. Halluzinationen können in jeder Sinnesmodalität auftreten. Die häufigste akustische Halluzination ist jedoch Stimmenhören. Dabei handelt es sich meistens um kommentierende Stimmen, gefolgt von dialogischen oder kommandierenden Stimmen (Andreasen & Flaum, 1991).

Die Stimmen produzieren meistens kurze Sätze (1 bis 5 Worte), die repetetiver Natur sind. Die meisten Stimmenhörer berichten, dass sie mehr als eine Stimme hören. Die Stimmen können laut und deutlich oder leise und verschwommen vernommen werden. Auch die Zuschreibung der Quelle der Stimme(n) variiert erheblich. Die Anzahl der Patienten, die berichten, dass Stimmen von außen (durch die Ohren) kommen, ist ebenso hoch wie die Anzahl von Patienten, die angeben, dass Stimmen von innen stammen. Wenn Stimmen als von innen kommend wahrgenommen werden, werden sie dennoch klar vom Ursprung der eigenen Gedanken abgegrenzt und nicht als selbstgeneriert wahrgenommen (Chadwick, Birchwood & Trower, 1996). Patienten entwickeln aufgrund der Charakteristika der Stimmen eine Vorstellung über deren Identität. Oft ist die Stimme dem Betroffenen vertraut, sie klingt beispielsweise wie die Stimme eines Verwandten oder Bekannten. Dabei handelt es sich manchmal um längst verstorbene Personen (z. B. der verstorbene Großvater), in anderen Fällen um Personen aus aktuellen Beziehungen (z. B. die Stimme des Nachbarn). Manchmal wirkt es für die Betroffenen, als würden die Stimmen wie aus heiterem Himmel kommen. Meistens kommen sie jedoch in spezifischen Situationen, oft im Zusammenhang mit wahnbezogenen Gedanken. Viele Patienten berichten, dass Stimmen das erste Mal nach einem belastenden oder traumatischen Erlebnis aufgetreten sind (Romme & Escher, 1989). Stimmen sind häufig auf die eigene Person bezogen und verursachen Angst. Die Inhalte der Stimmen sind den Inhalten automatischer Gedanken bei anderen psychischen Störungen wie Depression, soziale Phobien oder Zwangsstörungen ähnlich (Beck & Rector, 2003; Morrison, Haddock & Tarrier, 1995). In Kasten 2 sind Beispiele für akustische Halluzinationen aufgeführt.



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