Richard / Grünwald / Recht | Flickernde Jugend - rauschende Bilder | Buch | 978-3-593-39305-6 | sack.de

Buch, Deutsch, 290 Seiten, Format (B × H): 140 mm x 215 mm, Gewicht: 372 g

Richard / Grünwald / Recht

Flickernde Jugend - rauschende Bilder

Netzkulturen im Web 2.0
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-593-39305-6
Verlag: Campus

Netzkulturen im Web 2.0

Buch, Deutsch, 290 Seiten, Format (B × H): 140 mm x 215 mm, Gewicht: 372 g

ISBN: 978-3-593-39305-6
Verlag: Campus


Wie kommunizieren "digital natives"? Über das Internet, so die naheliegende Antwort. Doch es geht noch genauer: Sie kommunizieren über Bilder. Flickr, YouTube, myspace und Facebook sind heutzutage für Jugendliche die zentralen Plattformen, auf denen sie sich selbst inszenieren und mit anderen austauschen können. Kommunikation und Präsentation funktionieren dabei vor allem visuell über Bild-Netze, speziell über Online-Videos und "Fotosharing". Die Autorinnen und Autoren analysieren diese Social Networking Sites im Web 2.0. Sie entwickeln Methoden, die auf die besonderen Eigenschaften der neuen Medien zugeschnitten sind, und zeigen, warum der Begriff "privat " für die hier geteilten Informationen nicht mehr passt. Vielmehr geht es im Netz darum, ein Bild von sich zu inszenieren und sich damit in Sachen Mode, Geschlecht oder Musik darzustellen. Die in diesem Buch vorgestellte Grundlagenforschung liefert erstmals ein Instrumentarium, mit dem sich diese jugendliche Netzkultur erfassen lässt, und gibt überraschende und aufschlussreiche Einblicke in die Jugendkulturen im Netz.
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Weitere Infos & Material


Inhalt

Vorwort 9
Einleitung 11
1 Einführung in Felder sozialer Netzwerke 16
1.1 Problemfelder 16
1.2 Privacy Management und Privacy Awareness 26

2 Jugendbildforschung: Analyse-Instrumentarien für jugendliche Medien, Bilder, Netzwerke 38
2.1 Netzscan 38
2.2 Shifting Image, Bildcluster und Schlüsselbild: bildtheoretische Überlegungen 39
2.3 Eigenschaften der Bild-Netze im Web 2.0 als Ausgangspunkt für eine Jugendbildforschung 47
2.3.1 Das "typische" Profilbild 48
2.3.2 Bildsorte, Bildsuche und Bildprinzip 50

3 Soziale Netzwerke: medien- und bildstrukturelle Spezifika 54
3.1 YouTube: Universum der Bewegt-Bilder 55
3.2 Flickr: visueller Hypertext 69
3.3 Facebook: Timeflux = Echtzeit-Sharing 85
3.4 MySpace: von Musik-Promo zu Profil-Customizing 93

4 Inhaltliche Felder der jugendlichen Bild-Netzwerke 100
4.1 Posen der Selbstdarstellung bei YouTube und Flickr 100
4.2 Fashion Victims: Jugendliche Mode-Bilder 125
4.3 Das Böse, die Gewalt und der Tod 147
4.4 Kreativ-okkupative Musikkulturen 192
4.5 Jugend-Bilder im Web 2.0 als mimetische Selbstdarstellung 205

5 Babes in Toyland - Widerständige Geschlechterbilder im Web 2.0 210
5.1 Problematisierung des Begriffs der Widerständigkeit 210
5.2 Stached Women: Der Bart als Motiv abweichender Inszenierung von Weiblichkeit auf Flickr 213
5.3 Dimensionen der Abweichung 222

6 Jugend und Kunst im visuellen Online-Medium 250
6.1 Neue Formen von Kunst im Web 2.0 252
6.2 Klassiker der neuen Kunst auf YouTube 254
6.3 Medienadäquate Strategien von Online-Videokunst 257
6.4 Online-Video: "Mashup" und Bastard-Kunst von Medienmeistern 259

7 Sinnlosigkeit, Künstlichkeit, Pathos und Bastardbilder in
asozialen Netzwerken als zentrale Schwerpunkte der Jugendbildforschung 263
7.1 "Identität" als Illusion: Das verdoppelte Spiegelstadium in asozialen Netzwerken 269
7.2 Durch das asoziale "shifting image" zum visuellen Wissen 271

8 Literatur 275


1 Einführung in Felder sozialer Netzwerke

"Wie die bisher vorliegenden Daten zeigen, gehören Heranwachsende, d. h. Personen bis etwa Mitte 20, zu den stärksten Nutzern von Weblogs, Videoplattformen oder "Social Network Sites" wie studiVZ. Allerdings gibt es bislang wenig darüber hinausgehende Erkenntnisse zu den Nutzungspraktiken in dieser Altersgruppe sowie ihren Konsequenzen, z. B. im Hinblick auf die Verschiebung von Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre, auf die Einstellungen zu Datenschutz oder zum Umgang mit politisch oder anderweitig extremen Inhalten."

1.1 Problemfelder

Im sozialen Web 2.0 kann die neue Mischung von Öffentlichem und Privatem und dem neuartigen Paradox einer persönlichen Öffentlichkeit Probleme aufwerfen. Mit diesen soll begonnen werden, um dann vor allem in den nächsten Kapiteln die ästhetischen Möglichkeiten und Potentiale der neuen sozialen Webbilder und Webkulturen herauszuarbeiten.
Alle Studien zeigen, es gibt auch Negatives im social web, wie zum Beispiel Mobbing, jedoch überwiegen die positiven Erfahrungen mit den neuen ästhetischen und kommunikativen Möglichkeiten. Das soziale Web 2.0 steht nicht außerhalb der etablierten Medienlandschaft, so die Studien, weshalb Muster des Umgangs mit Medien der öffentlichen Kommunikation für das social web angenommen werden.
Hier genau zeichnet sich das methodische Problem der Forschungen zum Medium Web 2.0 ab: es ist medienstrukturell anders als die umgebenen Medien wie etwa TV, und es bietet ganz andere gestalterische und ästhetische Möglichkeiten, das heißt vor allem ganz neuartige Bildformate, die hier untersucht werden sollen.
Das soziale Netz hat einen hohen Stellenwert im Medienrepertoire jugendlicher Lebenswelten und wird zur Selbstdarstellung, Partizipation, Vernetzung und Beziehungspflege benutzt. Die intensive Nutzung und vor allem die investierte Zeit im Onlinenetzwerk zur digitalen Beziehungspflege anhand von technisch medial bestimmten Kommunikationsformen für interpersonale Kommunikation hat also erwiesenermaßen große Bedeutung für Jugendliche.
Die Studien stellen jedoch ebenso fest, dass das Ideal das persönliche Treffen bleibt. Es waren also keine Verschiebungen ins Netz festzustellen, jedoch zeigt die Studie, dass Häufigkeit und Intensität der Begegnungen im Netz die personelle Kommunikation übertreffen und damit auch dessen Bedeutung für soziale Beziehungen eine wichtige ist. Es kann allerdings auch zu Fehleinschätzungen bezüglich der Reichweite, Dynamik und des Risikos der Nutzung des Angebots kommen, so die Studien, da man sich in geschlossenen und privaten Communities wähnt und Publikum sowie Folgen des Handelns nicht bedacht werden, zum Beispiel bei einem vermeintlich lustigen Foto. Die Nachhaltigkeit eventuell virtueller Jugendsünden wird unterschätzt, da Personalabteilungen, Eltern und Lehrer im Netz recherchieren. Zu Recht wird immer wieder vor der Situation einiger Arbeitssuchender gewarnt, die bei Vorstellungsgesprächen mit privaten Fotos ihrer Online-Portale konfrontiert wurden. Der Blick in die Communities wird zunehmend auch von Arbeitgebern genutzt, um Informationen über mögliche Bewerber einzuholen. Dadurch haben sie die Möglichkeit, mehr von den Interessen des Bewerbers zu erfahren, einen Eindruck von dessen sozialen Kompetenzen zu bekommen, jedoch auch gleichzeitig von potentiellen Verfehlungen zu erfahren.
Die Halbwertszeit der eingestellten Daten sowie die existierenden Dateninseln zur eigenen Person werden nicht reflektiert, und die Eigendynamik der Interaktionen (schnelle Verbreitung von Botschaften über Plattformen, ungewollte Verlinkung durch Andere) wird unterschätzt.
Jugendlichen NutzerInnen wird also eine widersprüchliche Wahrnehmung des Webs nachgesagt: Sie sehen es einmal als eigenen, selbstbestimmten Raum, andererseits kennen sie die Diskussionen der Erwachsenen um den sogenannten Datenexhibitionismus. Das wäre der Extremfall, wo die intimsten Informationen der Community preisgegeben werden. Auch die Datensammlung durch Dritte gilt als Risiko.
Jugendliche haben zudem eine genaue Kenntnis vom medialen Diskurs, was dort erlaubt ist und was vermieden werden sollte: Hier spielt der Faktor der sozialen Erwünschtheit eine große Rolle. Vor allem beim Umgang mit vielen visuellen Erzeugnissen wissen Jugendliche, was sie sagen können und was sie am besten verschweigen. Die Studien sehen als Problem, wenn die Teilnahme ein Maß an Offenheit und "Authentizität" verlangt; wobei hier davon ausgegangen wird, dass es so etwas wie das "wahre Selbst" in den Selbstdarstellungen von Jugendlichen nicht gibt; es handelt sich immer um ein Konstrukt, wie insbesondere im Kapitel 4.1.3 über "Posing true und real" nachzulesen ist.
Die Studie JIMplus von 2008 stellt fest, dass 34 Prozent der Jugendlichen ihre kompletten persönlichen Daten im Internet zeigen, 61 Prozent zeigen sich nur den "Freunden". Dieser Begriff ist allerdings mehr als weit gefasst, im Schnitt sind das mehr als 70 Freunde, also eher Bekannte, die meist aber auch außerhalb des Netzes bekannt sind. Mit wachsendem Alter werden immer mehr persönliche Informationen bewusst eingestellt. Dreiviertel aller NutzerInnen stellen persönliche Daten, wie zum Beispiel Vorlieben und Hobbies, aber vor allem Fotos ins Internet (Selbst 60 Prozent und Freunde/Familie 46 Prozent). Sichtbar werden meist E-Mail-Adresse und Messenger-Nummer, aber keine Telefonnummern. Die JIM-Studie fragte den Umgang mit den eigenen persönlichen Daten ab und kam zu dem Ergebnis, dass 40 Prozent der NutzerInnen schon fotografisch ohne ihre Zustimmung online gestellt wurden, was eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte darstellt.
Die JIM-Studie 2008 zeigte auch, dass insbesondere die drahtlosen Übertragungsmöglichkeiten von Bildern neue Problemfelder mit sich bringen können: Bluetooth ermöglicht auch den Versand von "problematischen Inhalten": 30 Prozent der befragten UserInnen bekamen bereits auf diesem Übermittlungsweg pornographische oder gewaltverherrlichende Inhalte zugeschickt. Hier gilt es die Frage zu stellen, ob dies unfreiwillig geschah: Jugendliche stellen sich hier natürlich Erwachsenen gegenüber eher als Opfer dar: Wer gibt schon zu, sich über die zugesandten Pornos gefreut zu haben. Die Konfrontation mit problematischen Inhalten (hier werden auch zum Beispiel selbstschädigende Praktiken, extremistische Videos benannt) kann dazu benutzt werden, sich auf autonome Art und Weise mit solchen Themen auseinanderzusetzen und diese unter Gleichaltrigen zu diskutieren.
Das sogenannte "Cyberbullying" und "Online-Mobbing" läuft primär über die Communities ab, nicht über das Handy. Auch "Happy Slapping" stellt ein Problem dar: 28 Prozent der Befragten wissen mit dem Begriff etwas anzufangen. Es bleibt offen, ob sie selbst Zeugen waren oder ob sie durch die Medien über das Thema informiert wurden.


Birgit Richard ist Professorin für Neue Medien am Institut für Kunstpädagogik der Universität Frankfurt. Marcus Recht ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Kunst/Neue Medien, Nina Metz promoviert dort. Jan G. Grünwald, Dr. phil., vertritt die Professur für Kunstdidaktik an der Universität Gießen und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Neue Medien am Institut für Kunstpädagogik der Universität Frankfurt am Main.



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