Rothe | Lebenslanges Lernen als Programm | Buch | 978-3-593-39425-1 | sack.de

Buch, Deutsch, Band 9, 465 Seiten, Format (B × H): 140 mm x 213 mm, Gewicht: 582 g

Reihe: Biographie- und Lebensweltforschung

Rothe

Lebenslanges Lernen als Programm

Eine diskursive Formation in der Erwachsenenbildung
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-593-39425-1
Verlag: Campus

Eine diskursive Formation in der Erwachsenenbildung

Buch, Deutsch, Band 9, 465 Seiten, Format (B × H): 140 mm x 213 mm, Gewicht: 582 g

Reihe: Biographie- und Lebensweltforschung

ISBN: 978-3-593-39425-1
Verlag: Campus


Die Rede vom lebenslangen Lernen bestimmt heute die öffentliche Bildungsdebatte sowie die Erwachsenenbildungsforschung.

Daniela Rothe zeigt, dass dadurch Lernen zunehmend als selbstgesteuerte Anpassung an den gesellschaftlichen Wandel gesehen wird und der Zugang zu Bildung in Abhängigkeit von Kosten- Nutzen-Kalkülen gerät. Sie plädiert für einen kritischen Abstand zum Programm

Lebenslanges Lernen und für autonome Konzepte zur Analyse und Begleitung von Lernen in der Lebensspanne.

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Inhalt

Vorwort9

Einleitung11

Teil A
Lebenslanges Lernen in der Erwachsenenbildungsforschung - Muster der Bezugnahme und Forschungsergebnisse19

1Wie die akademische Erwachsenenbildung die Bildungspolitik beobachtet: Zwischen Analyse und Verdopplung24
1.1Die Rezeption und Darstellung bildungspolitischer Konzepte und Positionen25
1.2Bildungspolitische Dokumente als Gegenstand der Analyse35
1.3Kritische Bezugnahmen40
1.4Die Übersetzung bildungspolitischer Programme in Praxiszusammenhänge46
1.5Beobachtungen und Diskussion aus feldtheoretischer Perspektive49
2Lebenslanges Lernen als Forschungsprogramm
der Erwachsenenbildung52
2.1Die Forschungsprogramme und ihre Hintergrundkonstruktionen53
2.2Lebenslanges Lernen: Bildungspolitisches Konzept oder wissenschaftlicher Begriff?62
2.3Theoretische Perspektiven und Forschungsgegenstände66
2.4Beobachtungen und Diskussion aus feldtheoretischer Perspektive70
3Theorie und Empirie des Lernens in der Lebensspanne75
3.1Biographietheoretische Perspektiven auf Lernprozesse im Lebensverlauf77
3.2Lebenslanges Lernen und die Universalisierung des Pädagogischen123
3.3Gouvernementalität als theoretische Perspektive auf Lebenslanges Lernen138
3.4Beobachtungen und Diskussion aus feldtheoretischer Perspektive158
4Zwischenfazit und Ausgangspunkte für die diskursanalytische Untersuchung164

Teil B
Lebenslanges Lernen als diskursive Formation im bildungspolitischen Feld - Theoretische Grundlagen und methodisches Vorgehen171

5Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes175
5.1Die Individualisierung der Untersuchungseinheit178
5.2Die Ordnung der diskursiven Formation: Subjektpositionen und Mechanismen der Kontrolle189
5.3Die Produktivität der diskursiven Formation: Gegenstände und Begriffe194
6Methodisches Vorgehen199
6.1Die Konstruktion des Datenkorpus199
6.2Die Auswertungsstrategie209

Teil C
Diskursanalytische Rekonstruktionen213

7Die zeitliche Ordnung der diskursiven Formation215
7.1Die Renaissance Lebenslangen Lernens in der europäischen und internationalen Bildungspolitik216
7.2Lebenslanges Lernen als Lernbewegung: Nachträgliche Anschlüsse an internationale Konzepte229
7.3Lebenslanges Lernen als Programm einer neuen Bildungsreform: Reformempfehlungen und Entwicklungsprogramme238
7.4Lebenslanges Lernen als bildungspolitische Strategie: Diskursive Schließungen251
7.5Merkmale der diskursiven Formation Lebenslanges Lernen in der deutschen Bildungspolitik: Zusammenfassende Diskussion262
8Die Gegenstände der diskursiven Formation270
8.1Gesellschaftlicher Wandel als Hintergrundkonstruktion271
8.2Lernen als Imperativ der Lebensführung293
8.3Chancengleichheit - Chancengerechtigkeit - Bildungsgerechtigkeit: Konzeptionelle Transformationen im Zugang zu Bildung355

Teil D
Abschlussdiskussion391

9Lebenslanges Lernen als Regierungsprogramm393
9.1Die Merkmale der diskursiven Formation und die Konstruktion der Gegenstände: Zentrale Ergebnisse der diskursanalytischen Rekonstruktionen395
9.2Lernen als Imperativ der Lebensführung statt Reform des Bildungswesens400
9.3Das Feld der Erwachsenenbildungsforschung und der bildungspolitische Diskurs406
9.4Reflexion des methodisch-methodologischen Vorgehens410
9.5Forschungsperspektiven414

Teil E
Anhang - Überblick über das Datenkorpus418

Institutionalisierte Sprecher: Abkürzungen und Überblick420
Dokumentformate: Abkürzungen und Überblick421
Tabellarische Übersicht über das Datenkorpus424
Literatur442


Bildungspolitik ist wieder ein Thema, und das nicht erst seit Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse. Nach zwei Jahrzehnten der Stagnation beginnt in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zögerlich in fachpolitischen Kontexten und von der allgemeinen Öffentlichkeit zunächst kaum wahrgenommen eine erneute Auseinandersetzung über bildungspolitische Grundsatzfragen - beispielsweise die Strukturen der Bildungsfinanzierung, die inhaltliche Ausgestaltung des Bildungsauftrags von Kindertageseinrichtungen, die Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Weiterbildung. Lebenslanges Lernen ist einer der zentralen Topoi in dieser Debatte. Der Begriff ist zwar nicht neu, aber keineswegs identisch mit den internationalen bildungspolitischen Konzepten der 1970er Jahre, an die er anschließt. Lebenslanges Lernen bewegt sich zwischen der Verheißung neuer individueller und gesellschaftlicher Perspektiven durch die Ausdehnung von Lern- und Bildungsmöglichkeiten und der inzwischen weithin etablierten Anforderung, das Leben als kontinuierlichen Lernprozess zu begreifen.

Das Interesse, das der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt, hat sich aus der Beobachtung verschiedener Formen des Umgangs mit dem Begriff "Lebenslanges Lernen" in der Öffentlichkeit und in der Erziehungswissenschaft, insbesondere in der Erwachsenenbildungsforschung entwickelt. So verweist dieser Begriff in Abhängigkeit vom Kontext auf ein bildungspolitisches Konzept, ein alltäglich zu beobachtendes Phänomen, eine moralische Verpflichtung oder dient lediglich als Worthülse, für die von allen Seiten Zustimmung erwartbar ist, auch wenn ihr konkreter Inhalt unklar bleibt. Diese Unklarheit scheint zudem für unterschiedliche Felder zu gelten: den Alltag, die Bildungspraxis, aber auch die Wissenschaft.

Eine zentrale Prämisse dieser Arbeit ist die Annahme, dass die Rede über Lebenslanges Lernen, unabhängig davon, ob man sie für angemessen hält, Wirksamkeit entfaltet, auch wenn (noch) nicht gesagt werden kann, worin diese genau besteht. Wirksamkeit meint in diesem Fall nicht, dass die Prozesse eintreten, die mit den verschiedenen Konzeptionen intendiert sind, sondern dass die bildungspolitischen und erziehungswissenschaftlichen Diskurse, in denen Lebenslanges Lernen verhandelt wird, verändern, was gesellschaftlich als Lernen anerkannt wird und was nicht. Die Rede vom Lebenslangen Lernen nimmt Einfluss darauf, wie über Lernen gedacht wird, in welcher Weise Lernbedingungen und -verhältnisse verändert und gestaltet werden, wie Akteure sich selbst und ihr eigenes Tun verstehen - als Lernende, als Lehrende, als Professionelle in den verschiedenen Bereichen des Bildungswesens - und wie sie ihre eigenen Lernprozesse organisieren oder Einfluss auf das Lernen anderer zu nehmen suchen. Insofern ist es nicht nur interessant, genauer zu untersuchen, was unter diesem Begriff verhandelt wird, sondern auch notwendig, genauer hinzusehen, um die seit einigen Jahren stattfindenden Veränderungen der gesellschaftlichen Lernverhältnisse besser verstehen zu können. Bildungspolitische und disziplinäre Diskurse spielen in diesem Gefüge eine zentrale Rolle, weil sie sowohl bestimmte Problembeschreibungen erzeugen und durchsetzen als auch entsprechende Lösungsperspektiven entwickeln, die relevante Kontexte für pädagogisches Handeln und Alltagshandeln darstellen.

Vor diesem Hintergrund können die Forschungsinteressen und Fragestellungen dieser Arbeit auf drei Ebenen präzisiert werden: auf der gegenstandsbezogenen, auf der theoretisch-methodischen und der bildungspolitischen Ebene.

Gegenstandsbezogene Interessen

Betrachtet man die Dauer der Auseinandersetzung um den Begriff Lebenslanges Lernen, erscheint klärungsbedürftig, warum er nach mehr als zehn Jahren anhaltender bildungspolitischer (stellvertretend Gerlach 2000, Schemmann 2007) und wissenschaftlicher Diskussion (stellvertretend Alheit/Dausien 2000, Brödel (Hrsg.) 1998, Alheit/von Felden (Hrsg.) 2009, Herzberg (Hrsg.) 2008, Kade/Seitter 1996) noch immer diffus und vieldeutig erscheint. Der Konsens über den Begriff reicht aus, um miteinander zu diskutieren, und ist offen genug, die Diskussion fortzusetzen und immer neue Aspekte damit verbinden zu können. Nach wie vor scheint unklar, ob und gegebenenfalls welchen inhaltlichen Gehalt der Begriff im erziehungswissenschaftlichen Feld hat und wofür er in der bildungspolitischen Diskussion steht.

Die vorliegende Studie versucht eine etwas andere Perspektive einzunehmen, um an dieser Klärung zu arbeiten. Mich interessiert nicht vorrangig, was Lebenslanges Lernen ist, sondern wie Lebenslanges Lernen ab Mitte der 1990er Jahre über eine Dauer von etwa zehn Jahren thematisiert und konstruiert wird. Zwei Dinge stehen dabei im Vordergrund: zu klären, wie im wissenschaftlichen Kontext der deutschen Erwachsenenbildungsforschung mit Lebenslangem Lernen umgegangen wird, und die bildungspolitische Auseinandersetzung zu untersuchen, die in Deutschland unter Bezugnahme auf dieses Konzept stattgefunden hat.
Forschung über Bildungspolitik ist in Deutschland kein sehr intensiv bearbeitetes Feld. Systematische Forschung über aktuelle Bildungspolitik jenseits von Schulpolitik (wie z.B. Tillmann u.a. 2008) gibt es in Deutschland kaum, wenn man von einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern absieht, die sich zum Teil sehr kritisch mit bestimmten Teilaspekten derzeitiger bildungspolitischer Entwicklungen beschäftigen (z.B. Lohmann 2007, Lohmann/Rilling (Hrsg.) 2002). Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass gegenwärtig unter dem Stichwort "Educational Governance" (z.B. Altrichter/Brüsemeister/Wissinger (Hrsg.) 2007) ein neues Forschungsfeld entsteht, das sich unter anderem mit der empirischen Analyse von politischen Steuerungsprozessen im Bildungswesen beschäftigt. Der Mangel an Forschung über bildungspolitische Entwicklungen wird auch in den Einführungen zur Bildungspolitik (vgl. Fuchs/Reuter 2000, Münch 2002, Pechar 2006) sichtbar, die primär als beschreibende Darstellungen zum Beispiel der Akteure, Institutionen, Gremien und historischen Phase angelegt sind, aber kaum theoretische oder empirische Zugänge zur Forschung über Bildungspolitik beinhalten. Insofern galt es zu Beginn der Arbeit überhaupt erst einen theoretischen Zugang zu finden, mit dem die benannten Fragen und Interessen begründet verfolgt werden können.


Daniela Rothe, Dr. päd., ist Mitarbeiterin am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien.



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