E-Book, Deutsch, Band 21, 128 Seiten
Reihe: edition pace
Rotterdam / Liechtenhan / Drewermann Alle müssen den Krieg verlästern
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7597-1736-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
"Die Klage des Friedens" 1517, übersetzt von Rudolf Liechtenhan - mit einem Vorwort von Eugen Drewermann
E-Book, Deutsch, Band 21, 128 Seiten
Reihe: edition pace
ISBN: 978-3-7597-1736-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
"Alle müssen sich gegen den Krieg verschwören und ihn gemeinsam verlästern", so ruft uns der Christ und Humanist Erasmus von Rotterdam (gest. 1536) in seiner pazifistischen Hauptschrift "Die Klage des Friedens" (1517) zu. Der antimilitaristische Schweizer Pfarrer, Theologe und religiöse Sozialist Rudolf Liechtenhan (1875-1947) legte fünf Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg in banger Sorge seine jetzt neu edierte Übersetzung der "Querela Pacis" vor. Die vorliegende Ausgabe wird ergänzt durch einen einleitenden Text von Eugen Drewermann, zwei Erasmus-Essays (E. Eisentraut, Stefan Zweig) und eine Bibliographie im Anhang. Wie niemals zuvor in der Geschichte entscheidet sich heute am Friedensruf des Erasmus das Geschick der Einen Menschheit. Papst Franziskus beklagt den neuen "Weltkrieg auf Raten". Das öffentliche Leben wird auf erschreckende Weise von Militarisierung, Aufrüstungspropaganda und Kriegsertüchtigung durchdrungen. Eugen Drewermann konstatiert in seinem Vorwort: "Der Krieg ist 'die allgemeine Krankheit des Erdkreises.' (Erasmus) Oder anders ausgedrückt: er ist in Vorbereitung, Durchführung und ideologischer Rechtfertigung die Geisteskrankheit, der Wahnsinn, die vollendete Verrücktheit des Politischen. Dringend benötigt würde also zur Durchsetzung der einfachsten Forderungen der Vernunft eine von Grund auf wirksame Therapie. Doch jetzt kommt alles noch schlimmer dadurch, daß man die einzige und beste Medizin gegen die paranoische Psychose des Politischen: das Christentum, gerade dieses, in eine Kriegsdroge für Süchtige verwandelt hat." Seit den Tagen des römischen Soldatenkaisers Konstantin (gest. 337) folgen die dem Staat durch mannigfache Privilegien verbundenen Kirchenkomplexe und Bischöfe nicht der Bergpredigt Jesu, sondern den irrationalen militärischen Heilslehren der Regierenden. Erasmus fordert die Rückkehr zur Botschaft des Anfangs: "An euch appelliere ich, ihr Gott geweihten Priester: ihr wißt wohl, was Gott wohlgefällig ist; wendet alle Mühe daran, es zu verwirklichen! Was ihm aber am meisten verhaßt ist, das treibt aus! An euch appelliere ich, ihr Theologen, verkündet das Evangelium des Friedens, daß es laut in die Ohren des ganzen Volkes hineintöne! An euch appelliere ich, ihr Bischöfe und übrigen hohen Würdenträger der Kirche, werft eure Autorität in die Waagschale, um den Frieden mit ewigen Banden herbeizuzwingen!" edition pace - Band 21 Herausgeber: Peter Bürger
Erasmus von Rotterdam (geb. vor 1470, gest. 1536 in Basel), Niederländer, als unehelicher Sohn eines Priesters, aufgewachsen in einem Augustinerkloster. Priesterweihe 1492. Lange Aufenthalte u.a. in Paris, England und Italien. Erasmus war die Leitgestalt des europäischen Humanismus. Er predigte scharf gegen die Beteiligung des hohen Kirchenklerus an der Militärreligion der Regierenden, weil diese dem Christentum diametral widerspricht. Sein Programm lautet: "Alle müssen sich gegen den Krieg verschwören und ihn gemeinsam verlästern. Den Frieden aber sollen sie im öffentlichen Leben und im privaten Kreise predigen, rühmen und einhämmern." Die Hauptschrift unter seinen pazifistischen Werken ist die "Klage des Friedens" (Querela Pacis, 1517), die vor drohenden Kriegsabenteuern bis heute immer wieder neu gelesen wird.
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Vorwort zu
‚Erasmus von Rotterdam:
Die Klage des Friedens‘
EUGEN DREWERMANN Inmitten einer Welt des Krieges erhebt die Friedenssehnsucht unablässig ihre unerhörte Klage: Sie liegt in der Natur des Menschen, sie macht uns allererst zu Menschen, und sie entspricht dem Kern der Botschaft Jesu, meint ERASMUS.1 Jedoch: wo denn in der Geschichte der Menschheit fände je sich Frieden? Man hat ihn von der Welt verjagt, so gründlich, daß die Gewöhnung an das Grauen des Krieges längst schon „das Wahrnehmungsvermögen für das Böse“ beim auftragsgemäßen Ermorden von Menschen auf den Schlachtfeldern der Welt nahezu unempfindlich gemacht hat (34). Wie von Furien gehetzt, erkennen die Menschen in ihrem Unglück „die Schwere der eigenen Krankheit“ nicht mehr, Krieg und Kriegsbereitschaft sind „ein für allemal eine Art Ozean aller Übel, … die es überhaupt … gibt.“ (28) Jeder weiß das. Dennoch gilt es „fast als Kapitalverbrechen“, wenn man von Frieden auch nur spricht (61). Was des ERASMUS „Klage des Friedens“ wohl am meisten faszinierend, aber auch am meisten deprimierend macht, ist ihre scheinbar unverändert andauernde Aktualität. „Frieden braucht Verteidigung“ liest man derzeit (im Mai 24) auf den Werbeplakaten der Spitzenkandidatin der FDP für das EU-Parlament; vordem mußte man sich kriegsertüchtigen, um die Freiheit zu verteidigen; jetzt, seit Beginn des „russischen Aggressionskriegs“ am 24. Februar 22 in der Ukraine, gilt in politischer Korrektheit als ein Kriegsbefürworter, wer noch, wie zum Beispiel Papst Franziskus, einen Verhandlungsfrieden fordert, statt einer ständigen Ausweitung und Verlängerung der Kampfhandlungen. Ein Gegner wie der russische „Diktator“ versteht nach Meinung des derzeitigen Außenministeriums der BRD allein die Sprache der Gewalt, und erst wenn er besiegt ist, darf man mit ihm reden. Also: der einzige Weg zum Frieden ist ein gewonnener Krieg, und um ihn zu gewinnen, muß man soviele Menschen töten und soviel an Material zerstören wie nur möglich, bis daß der Gegner in Ermangelung an Mannschaft und an Nachschub zur Aufgabe gezwungen ist. Die Hunderttausende von Toten, die diesen Pfad zum Siegfrieden in ein Meer von Blut verwandeln, haben weder Skrupel noch Bedenken zu erregen, denn die Schuld daran trägt ausschließlich, wie stets, der Gegner, man selbst – versteht sich – tritt allein für Recht und Ordnung ein; man bekämpft das Böse als Verteidiger des Guten, denn wohlgemerkt: man schützt heroisch und entschlossen den Wert der Menschlichkeit gegen die Inhumanität von Willkür und Gewalt. Ist wirklich da ERASMUS noch als „Humanist“ zu würdigen, wenn er genau ein solches Denken als einen eklatanten Widerspruch zu den Grundsätzen menschlicher Moral sowie den Mahnungen des Christentums erklärt? Fest steht: seine „Klage des Friedens“ ist eine kompakte Anklage gegen die als ganz normal geltende Friedlosigkeit der Welt. Sie macht bewußt, wie unnatürlich, unmoralisch und unchristlich wir unter dem Diktat der Mächtigen in Politik und Wirtschaft dahinleben, und fordert dazu auf, den allenthalben anzutreffenden Zustand staatlicher Handlungsweise und Verwaltung nicht länger hinzunehmen – im Namen unseres eigenen Gewissens und der Stimme Gottes, die uns sagt: Du sollst nicht töten. Vernunft und Frömmigkeit verlangen einmütig nach Frieden; die Tür zum Krieg hingegen ist die Torheit und ihr verführerischer Prunk die Perversion des Religiösen. Die Torheit ist gepaart, ja ganz identisch mit Mitleidlosigkeit, Hartherzigkeit und Blindheit. – Wie kurz ist jedes Menschenleben und wie viel an Leid legt die Natur ihm auf? „Wie vielen Krankheiten, wie vielen Unglücksfällen ist es ausgesetzt!“ fragt rhetorisch ERASMUS, um fortzufahren: „obwohl es schon von sich aus mehr Übel mit sich bringt, als man ertragen kann, verursachen die Verrückten sich dennoch den größten Teil der Übel selbst. Eine solche Blindheit hat die Sinne der Menschen besetzt, dass sie nichts davon durchschauen … Sie kämpfen überall und ständig miteinander, und es gibt kein Maß und kein Ende. Es stößt Volk mit Volk zusammen, Stadt mit Stadt, … Fürst mit Fürst, und wegen der Dummheit oder wegen des Ehrgeizes zweier Menschlein, die bald wie Eintagsfliegen dahinsterben müssen, werden die menschlichen Dinge hinauf und hinab verwirrt.“ (53) Die „menschlichen Dinge“ – sie lehrten eigentlich uns Demut, Mitgefühl und Eintracht, hat doch die Natur selbst uns „wehrlos und gebrechlich“ hervorgebracht, so daß wir ohne den „Antrieb zur gegenseitigen Liebe“ gar nicht überleben könnten (32; 33). Wer daher das Wort „Mensch“ vernimmt, der sollte glauben, es kündige dem Frieden eine Heimstatt an. Aber stattdessen: allerorten Streitigkeiten, Advokaten, Ringmauern und kaum ein Haus, in dem „wenigstens ein paar Tage lang Platz“ für den Frieden wäre (35). Hat man die Staaten und Regierungen nicht eingerichtet, daß sie Frieden hüteten und Ordnung hielten? Jedoch gerade an den Fürstenhöfen erkennt man „nicht einmal den Schatten wahrer Eintracht … Alles … geschönt und erlogen, durch offene Parteiungen, geheime Intrigen und Rivalitäten vollständig zerrüttet … von hier (stammen) die Quellen und Keime aller Kriege.“ (36) Denn ständig geht hinter der zelebrierten Maskerade eitler Freundlichkeit und Feierlichkeit erbarmungslos der Kampf um Geld und Geltung weiter. Ein Nachbarland, wie Frankreich um 1517, als ERASMUS seine Friedensklage formulierte, lebt zum Beispiel relativ in Glück und Wohlstand, – und was folgt? Eben seines Wohlstands wegen wird es angegriffen (56)! Es droht stärker zu werden als man selbst! Neid, Konkurrenz und Mißgunst bedingen einen steten Streit, um kleinliche Vorteile im Konkurrenzkampf zu erhaschen oder zu verteidigen. – Die Wehrlosigkeit unserer menschlichen Natur führt also gerade nicht, wie wünschenswert, zu Hilfsbereitschaft und Verständigung, – wenn sie das tut, dann allenfalls in Überlagerung der Angst vor der Gefahr, die ein Mensch einem anderen bedeutet. Sobald der eine sich an Machtmitteln als stärker zu erweisen droht als ein anderer, schließt man sich kriegsbereit in Bündnissen zusammen, um mit ihm gleichzuziehen, und vermehrt dadurch das Übel der Gewalt anstatt es zu verringern. Die Tiere möchte man unter diesen Umständen beneiden, daß sie mit Waffen ausgestattet sind, die ihnen im Rivalitätskampf und beim Beutefang behilflich sind; die Menschen, weil sie wehrlos auf die Welt gekommen sind, rüsten sich auf „mit höllischen Kriegsmaschinen … Wer mag … glauben,“ fragt fassungslos der Friede des ERASMUS, „daß Kanonen eine Erfindung des Menschen sind?“ (57) Bei GOETHE bringt’s der Teufel auf den Punkt, wenn er dem Liebe und Wahrheit suchenden Faust den Irrsinn des menschlichen Treibens mit den Worten erklärt: „Er nennt’s Vernunft und braucht’s allein, um tierischer als jedes Tier zu sein.“ So viel steht fest: Tiere zünden keine Wasserstoffbomben, um Millionen Menschen auf einen Schlag zersprengen, verbrennen und verstrahlen zu können. Wie kann es überhaupt geschehen, daß man es als Heldentum hochpreist, wenn jemand sein Schwert schneller in die Eingeweide seines Gegners stößt, als daß ihm dieser seinen Kopf abschlagen könnte? Für so etwas mag man „junge Männer“ begeistern, „denen der Krieg so sehr gefällt, weil sie noch nicht erfahren haben, wie viel Übel er hat.“ (71) Den Worten nach sühnt man im Krieg eine Rechtsverletzung; doch welch eine Begründung wäre zu „geringfügig, daß sie nicht ein geeigneter Anlass für den Krieg zu sein scheint?“ (58) „Ja, wo gar kein Grund vorhanden ist, denken sie (sc. die Regierenden, d. V.) sich selbst Gründe für Zerwürfnisse aus, indem sie die Ländernamen (sc. Nationalinteressen, d. V.) zum Schüren des Hasses missbrauchen.“ (74) Besonders „den profanen Namen ‚Vaterland‘“ führen sie „als gewichtigen Grund“ an, „warum ein Volk nach der Vernichtung eines anderen Volkes trachtet.“ Als wäre nicht „diese Welt das gemeinsame Vaterland aller“! (75). Und stimmt es denn überhaupt? Man bekämpft im Krieg das Verbrechen? Gerade darin besteht die zentrale Lüge aller Kriegsbegründer! Der Krieg selbst ist eine einzige Aneinanderreihung von Verbrechen, die man verüben muß, um über die vorgegebenen oder vermeintlichen „Verbrecher“ siegreich zu werden. „Wenn du Raubzüge verabscheust: Eben diese lehrt der Krieg. Wenn du Vatermord verfluchst: Den lernt man im Krieg. Wie sollte denn einer noch Hemmungen haben, im Affekt einen einzigen umzubringen, der, für ein kleines Handgeld gedungen, so viele Menschen absticht? … Der Krieg ist der Lehrmeister...