E-Book, Deutsch, 176 Seiten
Stoschek Foundation / Anthropy / Benedict WORLDBUILDING
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7757-5867-3
Verlag: Hatje Cantz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gaming and Art in the Digital Age
E-Book, Deutsch, 176 Seiten
ISBN: 978-3-7757-5867-3
Verlag: Hatje Cantz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
WORLDBUILDING: Videospiele und Kunst im digitalen Zeitalter untersucht die Beziehung zwischen Gaming und zeitbasierter Medienkunst. Es ist die erste generationenübergreifende Ausstellung dieser Größenordnung, die einen Überblick vermittelt, wie sich zeitgenössische Künstler*innen weltweit Ästhetiken und Technologien aus dem Videospielbereich für ihre Praxis aneignen.
Das Projekt präsentiert Arbeiten von mehr als 50 Künstler*innen, darunter Rebecca Allen, Cory Arcangel, LaTurbo Avedon, Meriem Bennani, Ian Cheng, Harun Farocki, Cao Fei, Porpentine Charity Heartscape, Pierre Huyghe, Rindon Johnson, KAWS, Sondra Perry, Jacolby Satterwhite, Sturtevant und Suzanne Treister.
Der Katalog zur Ausstellung ist als zukünftiges Standardwerk konzipiert. Neben Werktexten renommierter Theoretiker*innen, Kurator*innen und Kritiker*innen, vermittelt eine Reihe neu in Auftrag gegebener Beiträge unterschiedliche Perspektiven auf das Verhältnis zwischen Gaming und Medienkunst.
Dieser spielerisch gestaltete Band hat abgerundete Ecken, einen PVC-Schutzumschlag mit Siebdruck und Aufkleber mit verschiedenen digitalen Avataren.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Mathematik | Informatik EDV | Informatik Professionelle Anwendung Interaktionsdesign für Computerspiele
- Geisteswissenschaften Kunst Kunstformen, Kunsthandwerk Installations-, Aktions-, Computer- und Videokunst
- Geisteswissenschaften Design Design: Allgemeines & Theorie
- Mathematik | Informatik EDV | Informatik Digital Lifestyle Computerspiele, Internetspiele
- Sozialwissenschaften Medien- und Kommunikationswissenschaften Kommunikationswissenschaften Digitale Medien, Internet, Telekommunikation
- Geisteswissenschaften Kunst Kunst, allgemein Ausstellungskataloge, Museumsführer
- Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftssektoren & Branchen Medien-, Informations und Kommunikationswirtschaft Informationstechnik, IT-Industrie
Weitere Infos & Material
Cover
Title Page
Inhaltsverzeichnis
Vorwort: Julia Stoschek & Anna-Alexandra Pfau
Einführung: Hans Ulrich Obrist
Essays
Installations-Ansichten
Werke Künstler×Innen
Floorplan
Autor×innen
Abbildungsverzeichnis
Leihgabenverzeichnis
Impressum
einleitung
Ungefähr drei Milliarden Menschen, mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung, spielen heutzutage Videospiele. Damit wird ein einstiger Nischenzeitvertreib zum größten Massenphänomen unserer Zeit, mit steigender Tendenz. Viele Menschen verbringen täglich Stunden in einer Parallelwelt und führen so eine Vielzahl verschiedener Leben. Vielleicht sind Videospiele für das einundzwanzigste Jahrhundert das, was der Film für das zwanzigste und der Roman für das neunzehnte Jahrhundert waren. WORLDBUILDING: Videospiele und Kunst im digitalen Zeitalter untersucht, wie unterschiedlich Künstler*innen mit Videospielen interagieren und sie zu einer eigenen Kunstform gemacht haben. Von Einkanal-Videoarbeiten bis zu ortsspezifischen, immersiven und interaktiven Umgebungen kommen in der Ausstellung Werke aus der Julia Stoschek Collection, aber auch adaptierte und neu in Auftrag gegebene Arbeiten zusammen. Ursprünglich wurde WORLDBUILDING anlässlich des fünfzehnten Geburtstages der Sammlung konzipiert. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Katalogs wurde die Ausstellung bereits im Centre Pompidou-Metz gezeigt, als erste von vielen kommenden Stationen. Hinter WORLDBUILDING steckt die Idee einer langfristigen Ausstellung, die auf Feedback und neue Begegnungen reagiert und sich entsprechend im Verlauf der Zeit entwickelt und verändert. Auf diese Weise reflektiert die Ausstellung den Prozess der Spielentwicklung. Die Recherche für WORLDBUILDING bestand unter anderem aus zahllosen Atelierbesuchen bei Künstler*innen, die mit Videospielen arbeiten. In diesen Gesprächen haben wir mehr über andere Künstler*innen erfahren, was wiederum zu weiteren Atelierbesuchen führte. Bald schon wurde deutlich, dass Videospiele, als Referenz und als Medium, einen festen Platz in der Praxis vieler Künstler*innen haben. Die Präsentation von Videospielen und spielbasierten Werken im Rahmen einer Ausstellung ermöglicht neue Wege, das Erleben einer Ausstellung zu erweitern, etwa durch die Ausweitung des virtuellen auf den physischen Raum und damit die Immersion in die Welten der gezeigten Werke. Der digitale Charakter der Werke ermöglicht es zudem, die Ausstellung an verschiedenen Orten gleichzeitig zu präsentieren, wodurch eine Ausstellung als lernendes System entsteht, das neues Wissen von verschiedenen Orten aufnimmt und über Feedbackschleifen eine komplexe Dynamik bildet. Gaming-Ästhetik fand bereits vor Jahrzehnten Eingang in die künstlerische Praxis, als Künstler*innen begannen, die Bildsprache von Videospielen in ihre Werke zu integrieren. So haben sich Künstler*innen diese Spiele angeeignet oder sie modifiziert, um sich in oft subversiver Art darüber mit Fragen zu unserer Existenz in virtuellen Welten und den soziopolitischen Aspekten der Schöpfung neuer Realitäten auseinanderzusetzen. Andere Künstler*innen wiederum üben Kritik an Videospielen, indem sie deren oft diskriminierende Elemente und stereotype Darstellungen entlarven. In jüngster Zeit haben sich Künstler*innen auch in den Bereich bestehender Mainstream-Spiele begeben und sich darüber ein riesiges neues Publikum sowie neue Formen künstlerischen Engagements erschlossen. Die Anthropologin Margaret Mead hat beschrieben, wie wenig Zeit Museumsbesucher*innen tatsächlich vor einem Kunstwerk verbringen — dass eine Trennung zwischen Betrachter*innen und Werken stattfindet, in deren Folge Werken nur wenige Sekunden gewidmet werden. Konfrontiert mit Videospielen und Spielsituationen, interagieren die Besucher*innen auf unterschiedliche Weise mit den Arbeiten, wodurch längere und interaktivere Begegnungen entstehen. Zwischen den Besucher*innen und dem Werk entsteht eine multisensorielle Beziehung. In der Realität des Gaming, in der man sich stundenlang durch Geschichten, Missionen und Herausforderungen arbeitet, verändert sich die Wahrnehmung von Zeit. Traditionell wurden Videospiele von einer kleinen, geschlossenen Gruppe von Personen aus der Welt der Technik entwickelt, die Spiele aus einer stark reduzierten Perspektive heraus produziert haben. Da inzwischen viel mehr Menschen Zugang zu Entwicklungstools haben, beobachten wir einen enormen Wandel. Zunehmend gewinnen Künstler*innen auf allen Kontinenten die nötigen technischen Fähigkeiten, um eigene Spiele zu entwickeln und zu vertreiben und so diversere und inklusivere virtuelle Welten zu erschaffen. Wie Anna Anthropy in ihrem Buch Rise of the Videogame Zinesters (2012) schreibt: „[…] was ich mir von Videospielen wünsche, ist eine Pluralität von Stimmen. Ich will, dass Videospiele auf einer breiteren Vielfalt an Erfahrungen gegründet werden und ein breiteres Spektrum an Sichtweisen aufzeigen. Ich kann mir eine Welt vorstellen — und ihr seid eingeladen, sie euch gemeinsam mit mir vorzustellen —, in der digitale Spiele nicht für das immer gleiche überschaubare Publikum gemacht werden, sondern Videospiele, die von euch und von mir erdacht werden, sodass die uns Gleichgesinnten davon profitieren können.“1 WORLDBUILDING zeigt auf, dass Künstler*innen einen wichtigen Beitrag zu dieser Vielstimmigkeit leisten und die Konzeption von Videospielen eine einmalige Gelegenheit zum Weltenbauen ist: Es können spezifische Regeln, Parameter, Umgebungen, Systeme und dynamische Entwicklungen definiert und verändert werden, wodurch neue, noch nie dagewesene Räume entstehen. Wie es der Künstler Ian Cheng beschreibt, steht im Zentrum seiner künstlerischen Praxis der Wunsch zu verstehen, was eine Welt eigentlich ist beziehungsweise sein kann. So träumen wir heute mehr als je zuvor davon, über Handlungsmacht zu verfügen, um neue Welten erschaffen zu können, statt nur die bereits existierenden zu übernehmen und in ihnen zu leben. In seinem Buch Games: Agency as Art (2020) formuliert C. Thi Nguyen das Argument, Spiele seien eigene Kunstformen mit der Möglichkeit für die Spielenden, temporäre alternative Lebenserfahrungen zu machen und Freude an neuen und erweiterten Fähigkeiten zu erleben. Die Videospiele, die wir in WORLDBUILDING zeigen, erreichen dies oft durch selbst auferlegte Beschränkungen, die mich an OuLiPo erinnern — eine lose Zusammenkunft von Schriftstellern und Mathematikern, die 1960 von Raymond Queneau und François Le Lionnais gegründet wurde. Das Betreten dieser neuen Welten bedeutet auch eine Gelegenheit zur Reflexion und Veränderung. Die Themen, um die es in einigen Arbeiten geht, fordern gängige Narrative heraus und bieten neuen Boden für Wachstum und Lernen. So schreibt Bo Ruberg in der Einleitung zur Publikation The Queer Games Avant-Garde (2020): „Von einigen als die einflussreichste Medienform des einundzwanzigsten Jahrhunderts bezeichnet, werden Videospiele jedes Jahr von Milliarden Menschen auf der ganzen Welt gespielt und haben das Potenzial, die Art und Weise, wie die Spieler*innen sich selbst und die Welt um sie herum sehen, nachhaltig zu beeinflussen …“2 Es ist immer wieder faszinierend, wie ein sich so schnell entwickelndes Feld auf so unterschiedliche Weise verstanden und genutzt werden kann und damit genau die von Anthropy geforderte Vielfalt der Stimmen aufweist. Denn, so fährt sie fort: „[…] Spiele, ob digital oder nicht, vermitteln Ideen und Kultur. Das haben sie mit Gedichten, Romanen, Musikalben, Filmen, Skulpturen und Malereien gemein. Eine Malerei macht ihr Thema als Bild erfahrbar; ein Spiel macht sein Thema als Regelsystem erfahrbar.“3 Im Jahr 2023 feiert auch die Ausstellung do it ein Jubiläum, die vor dreißig Jahren als analoges Spiel in Paris während eines Gesprächs mit den Künstlern Christian Boltanski und Bertrand Lavier ihren Anfang nahm. Bei der Entwicklung eines neuen Ausstellungsformats beschäftigte mich die Frage, wie Ausstellungen flexibler und offener gestaltet werden können; eine „Kunst für alle“, die sich auf andere Bereiche ausdehnt und das Publikum zu mehr Beteiligung und Interaktion ermutigt. Diese Diskussion führte zu der Frage, ob eine Ausstellung von Partituren beziehungsweise schriftlichen Anweisungen von Künstler*innen ausgehen könnte, die bei jeder Aufführung neu interpretiert werden können. do it regt bis heute dazu an, Zeit auf eine Weise zu denken, bei der das Ziel nicht mehr darin besteht, ein endliches, „signiertes Original“ zu produzieren, sondern die etablierten Modi der Kunstproduktion, -verbreitung und -weitergabe zu unterwandern. Das Ergebnis ist eine Ausstellung, die stets vor Ort produziert wird und reversible Readymades einsetzt, sodass keine Ressourcen verschwendet werden. Seit seinem Start ist das Projekt in über 169 Institutionen weltweit gereist, wo über fünfhundert Künstler*innen Anweisungen verfasst haben, die von Menschen über Zeit und Raum hinweg umgesetzt werden. Wir hoffen, dass WORLDBUILDING eine vergleichbare Lebensdauer haben wird. Die Recherchen für diese Ausstellung haben gezeigt, dass die Bedeutung von Videospielen weiter zunehmen wird. Das Besondere an WORLDBUILDING ist, dass sich die Ausstellung parallel zu der sich ständig weiterentwickelnden Rolle der Videospiele selbst verändert und weiterentwickelt. Während die Ausstellung in der Julia Stoschek Foundation in Düsseldorf lief, war sie bereits parallel im Centre Pompidou-Metz zu sehen. Die Werke müssen nicht reisen, und mit der Zeit wird die Ausstellung durch neue Technologien immer nachhaltiger. Das Centre Pompidou hat die Architektur seiner vorherigen Ausstellung wiederverwendet. Und die lange Dauer der originalen Schau, die einundzwanzig Monate gezeigt wurde, ist ein weiterer wichtiger Schritt hin zu nachhaltigeren Ausstellungen. Zuallererst möchte ich den an WORLDBUILDING teilnehmenden Künstler*innen und Künstler*innennachlässen danken: Larry...